Checkliste zur Vergabepraxis und Bewertungsraster Spätestens seit den Auseinandersetzungen um die Dienstleistungsrichtlinie ist deutlich geworden: Auch die Gesundheits- und Sozialen Dienste stehen auf der Tagesordnung der Europäischen Union (EU), wenn es um die Förderung des europaweiten Binnenmarktes und den Wettbewerb von Gütern und Dienstleistungen geht. Spätestens dann, wenn Rahmenrichtlinien, Verordnungen oder Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in die nationale Gesetzgebung einfließen, ist der Tanker Europa auch vor Ort angekommen. Städte, Gemeinden und andere Träger der Gesundheits- und Sozialen Dienste sind verunsichert, wie sie mit den neuen Anforderungen umgehen sollen. Rechtsunsicherheit führt dazu, dass Spielräume zur Gestaltung von Arbeits- und Entlohnungsbedingungen oder zur Sicherung von Qualitätsstandards nur unzureichend genutzt werden. Das gilt auch für das Vergaberecht allgemein und für die Vergabe des Rettungsdienstes im Besonderen. Angesichts vieler Anfragen zur Vergabe von Rettungsdienstleistungen, wie denn die Standards für Arbeitsbedingungen, Entlohnung, Beschäftigung oder Betriebsübergang in einem Vergabeverfahren zu sichern sind, hat der Fachbereich 03 einen Leitfaden zur Vergabe im Rettungsdienst vor gelegt. Ziel dieses Leitfadens ist eine möglichst praxisorientierte Unterstützung von gewerkschaftlichen Interessenvertretungen. Der Leitfaden ist im Internet zu finden oder zu bestellen bei: ver.di Bundesverwaltung, Bereich Gesundheitspolitik, Sandra Koziar, Paula-Thiede Ufer 10, 10179 Berlin. Einer ersten Information dient die nachfolgende Checkliste. Hier wird kurz und knapp dargestellt, was bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen zu beachten ist, um Forderungen nach gerechten Löhnen oder Tariftreue, nach Einhaltung von sozialen und Qualitäts- Standards bei den Arbeitsbedingungen und in der Patientenversorgung gerecht zu werden. Die Checkliste beschreibt die in den einzelnen Stufen des Vergabeverfahrens, wie soziale Kriterien in die Auftragsvergabe integriert werden können.
Aufgrund der bisherigen europäischen und nationalen Rechtsprechung können folgende Aussagen zum Rettungsdienst als gesichert gelten: Das europäische als auch das deutsche Wettbewerbsrecht geht von einem funktionalen Unternehmensbegriff aus. Danach ist ein Unternehmen jeder, der am Wirtschaftsleben teilnimmt unabhängig von der Rechtsform. Rettungsdienste im Submissionsmodell sind als Verwaltungshelfer Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechtes. Rettungsdienste im Submissionsmodell sind also vergabepflichtige Dienstleistungen. Das europäische Vergaberecht und die entsprechende Rechtsauslegung findet in Deutschland Anwendung, und die Vergabe von Rettungsdiensten ist auszuschreiben. Das bedeutet aber nicht, dass Rettungsdienstleistungen im Kommissionsmodell von einer Ausschreibung befreit sind. Vielmehr setzt sich die Meinung durch, dass auch diese mit Hilfe einer Ausschreibung öffentlich bekannt zu machen sind, um den Anforderungen an Transparenz und Gleichbehandlung zu genügen. Die nationale Steuerung und Zulassung ist durch den EuGH akzeptiert. Rettungsdienste sind vorrangig medizinische Leistungen. Dies bedeutet: Rettungsdienstleistungen sind national zu vergeben. Im besten Fall als beschränkte öffentliche Ausschreibung, wie aktuell die Generalanwältin vor dem EuGH betont hat. Ob eine europaweite Ausschreibung zu erfolgen hat, ist abhängig vom Schwellenwert von 206.000,--. Rettungsdienste können bedarfsabhängig zur Ausschreibung zugelassen werden. Weitere Anbieter auch aus dem Ausland - sind erst dann zuzulassen, wenn der Bedarf in einer Region nicht mehr gedeckt ist oder wenn der Schwellenwert für die Vergabe überschritten ist. Sowohl die EU (Richtlinie 2004/18/EG) als auch durch das nationale Recht (GWB 97.4) lässt die Bindung der Ausschreibung an sogenannte vergabefremde Kriterien zu. Die Berücksichtigung weitergehender EU-Richtlinien oder Bundes- und Landesgesetze ist unter dem Stichwort Gesetzestreue möglich (z. B. Tariftreue oder Betriebsübergang). Um einen Überblick zu geben, wie sich diese Rechtsgrundlagen nun in der Vergabepraxis niederschlagen, hier nun die einzelnen Stufen des Vergabeverfahrens und die jeweils zu treffenden Entscheidungen.
Die Durchführung der Vergabe Vergabeschritt 1. Vorbereitung der Entscheidung über eine Vergabe Nach dem Submissionsmodell ist auszuschreiben 2. Vorbereitung der Vergabeunterlagen Leistungsbeschreibung mit der Definition des Leistungsgegenstandes hinsichtlich Art, Eigenschaften und Güte Vertragsbedingungen beinhalten alle zusätzlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung des Auftrages Entscheidungen / Anforderungen Eine beschränkte / bundesweite Ausschreibung ist möglich wenn der Auftrag unterhalb des Schwellenwertes von 206.000,-- liegt. Wenn nicht: ist eine europaweite beschränkte Ausschreibung erforderlich. Zu den Kriterien zählen: Die genaue Definition des Leistungsgegenstandes hinsichtlich Art, Eigenschaften und Güte, die Kosten, deren Gewichtung und landesrechtliche Privilegierungen (Sonderaufgaben). Für den Rettungsdienst sind Fragen der Qualitätssicherung bedeutsam. Dazu zählen: Standards für Rettungsmittel, Wartung und Reparatur die Mindestanforderungen an die Ausgestaltung einer Rettungswache und Anforderungen, die sich aufgrund von Sonderaufgaben des Rettungsdienstes ergeben. Zu den Kriterien zählen: soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte wie die Begrenzung des Schadstoffausstoßes, die Berücksichtigung von Projekten für Langzeitarbeitslose, die IAO Kernarbeitsnormen. Fragen der Qualität, des Personalkonzeptes, der Fort- und Weiterbildung des Personals, die Kontinuität des Personalund Sachmittelbestandes Für den Rettungsdienst bedeutsam sind folgende Kriterien: die Beachtung der Kernarbeitsnormen der IAO, das Personalkonzept und die Beschreibung des Qualifikationsprofils. Der Schwerpunkt muss hier auf dem Einsatz von Fachpersonal liegen. die Einhaltung rechtlicher und tariflicher Arbeitszeitregelungen, die Regelung des Betriebsübergang und der Nachverhandlung, trotz ungeklärter Rechtslage, die Tarifbindung und die Bedingungen zur Nachverhandlung. Hier zeigt sich, dass bei der Novellierung der Vergabeordnungen einige Bundesländer z.b. Brandenburg, Berlin oder Rheinland-Pfalz bereits Regelungen der Tariftreue vorsehen unter dem Stichwort Zuverlässigkeit die Berücksichtigung und Einhaltung aller notwendigen Bundes- und Landesgesetze und Verordnungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz oder zum Betriebsübergang.
3. Bekanntmachung und Öffnung der Angebote 4. Prüfung und Wertung der Angebote Dazu gehört: Die Ausschreibung der Vergabe und die Veröffentlichung der dazu notwendigen Unterlagen, Nachweise und vertraglichen Bedingungen des Controllings, Festlegung der Angebotsfristen, Versand der Vergabeunterlagen, Angebotseingang, Öffnung der Angebote. Wichtig: Bei diesem Vorgang sind die Vergabegrundsätze der Transparenz, des Wettbewerbs und der Gleichbehandlung unbedingt einzuhalten. Bewertungskriterien und ihre Gewichtung sind bekannt zu geben. Die Bieter dürfen nicht an der Vorbereitung oder der Entscheidung über die Vergabe im Auswahlverfahren beteiligt werden. Im Mittelpunkt der Prüfung und Wertung der Angebote steht die Frage, welcher Bieter unterbreitet unter den Ausschreibungsbedingungen das wirtschaftlichste (nicht das billigste) Angebot. Die Prüfung und Wertung ist zu dokumentieren (sh. das Bewertungsraster). Zu den Bewertungskriterien zählen: Fachkunde: hier spielten die Qualität und die Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung, die fachlichen Kompetenzen des Personals, das Personalkonzept und die Fort- und Weiterbildung eine zentrale Rolle. Leistungsfähigkeit: hier wird die Beschreibung der Dienstleistung hinsichtlich Art, Eigenschaft und Güte beurteilt. Zuverlässigkeit: ist ein zentraler Aspekt zur Beurteilung, da hier die Einhaltung von Normen und gesetzlichen Bestimmungen zur Debatte stehen. Dies gilt für den Fall des Rettungsdienstes für Fragen der Tarifbindung, des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, des Betriebsübergangs und der Arbeitszeit. Es ist solchen Unternehmen der Vorzug zu geben, die gerade unter den Bedingungen der Zuverlässigkeit den Auftrag auch umsetzen können. Es geht um das wirtschaftlichste Gebot und nicht um das billigste!!!! 5. Information über die nach 101 a GWB Nichtberücksichtigung 6. Zuschlagserteilung Abfassen des Vertrages unter Berücksichtigung der Ausschreibungsbedingungen und des Controllings des Auftrages.
Bewertungsraster zur Dokumentation des Auswahlverfahrens Zuschlagskriterium Betriebskonzept: Gewichtung Bewertung Unternehmen A Bewertung Unternehmen B Punkte max. zu erreichen Leistungsbeschreibung Organisation Personaleinsatz Vergabefremde Kriterien Qualität Qualifikation des Personals Tarifbindung Betriebsübergang Preis Gesamtpunktzahl