U. Lösungsskizze zur Übungsklausur (vgl. BVerfG v. 12.04.2005 Datenträgerbeschlagnahme * ) Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. A. Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde I. Zuständigkeit/Rechtswegeröffnung, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG (+) II.... III. Antragsberechtigung/Beschwerdefähigkeit, 90 Abs. 1 BVerfGG* R ist als natürliche Person jedermann. IV. Beschwerdegegenstand* Die gerichtlich bestätigte Anordnung der Durchsuchung und der Beschlagnahme sind Akte der öffentlichen Gewalt. Verschiedene Akte der öffentlichen Gewalt als Beschwerdegegenstände erkannt und entsprechend erörtert Pkt.1/18 V. Beschwerdebefugnis* Art. 13 Abs. 1 GG schützt auch Betriebs- und Geschäftsräume. Hier wurden die Geschäftsräume des R durchsucht. Es besteht die Möglichkeit, dass R in seinem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG verletzt ist. Die Beschlagnahme der Mandantendaten hat Bezug zu der beruflichen Tätigkeit des R. Es besteht die Möglichkeit einer Verletzung des Grundrechts auf Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG. Sinn der Beschlagnahme war der Zugang zu den Daten, mithin ist auch eine Verletzung des aus Art. 2 Abs. 1 i.v.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung möglich. Die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung aus einem der genannten Grundrechte geprüft und bejaht Pkt. 2/18 Die Daten des R sollen weiterhin gesichtet und verwertet werden, die Beschwer des R ist mithin gegenwärtig. Das Wesen der einstweiligen Anordnung erkannt und entsprechend erörtert Pkt. 3/18 VI.... * Vgl. www.bverfg.de/entscheidungen Seite 42
VII. Rechtswegerschöpfung, 90 Abs. 2 BVerfGG Nach der Aufgabenstellung hat R den Rechtsweg erschöpft. VIII.... IX.... B. Die Begründetheit der Verfassungsbeschwerde B.1. Die Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 Abs. 1 GG Die Verwertung der im Rahmen einer Durchsuchung erlangten Daten könnte gegen das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG verstoßen. Dies ist der Fall, wenn der Schutzbereich des Grundrechts eröffnet ist, in diesen eingegriffen wird und der Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. I. Datenschutz aus Art. 13 GG? Der Begriff Wohnung wird weit ausgelegt, er umfasst auch Betriebs- und Geschäftsräume (vgl. BVerfGE 32, 54, 69 Betriebsbetretungsrecht). Art. 13 GG bietet nicht nur Schutz vor der Erhebung, sondern auch vor der Verarbeitung von Daten (vgl. BVerfGE 100, 313, 359 Telekommunikationsüberwachung; BVerfGE 109, 279, 325 Lauschangriff). Die Beschlagnahme oder Maßnahmen, die nur mittelbar aus der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume folgen, unterfallen allerdings nicht mehr dem Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG v. 12.04.2005, Rn. 80 Datenträgerbeschlagnahme). Die Durchsuchung selbst beeinträchtigt die Daten auf dem Datenträger noch nicht, erst die anschließende Beschlagnahme führt zu einer Beeinträchtigung. Ausführungen zum weiten Wohnungsbegriff Pkt. 4/18 Datenschutz aus Art. 13 GG erkannt Pkt. 5/18 Eingriff in Art. 13 GG mangels unmittelbaren Eingriffs abgelehnt Pkt. 6 u. 7/18 Nicht die Daten selbst, aber der Datenträger ist unmittelbares Ergebnis der Durchsuchung. Aufgrund dieses engen Zusammenhangs ist mit entsprechender Begründung auch Datenschutz aus Art. 13 GG vertretbar. II. Ergebnis Es liegt kein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 13 Abs.1 GG vor. Seite 43
B.2. Die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG Die Verwertung der beruflichen Daten könnte gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG verstoßen. Dies ist der Fall, wenn der Schutzbereich des Grundrechts eröffnet ist, in diesen eingegriffen wird und der Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. I. Datenschutz aus Art. 12 GG? Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit der beruflichen Betätigung. Der Schutz dieses Grundrechts ist umfassend angelegt. Art. 12 Abs. 1 GG bietet aber nur Schutz vor solchen Beeinträchtigungen, die auf die berufliche Betätigung bezogen sind. Irgendwelche Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit reichen hierfür nicht. Erforderlich ist eine zumindest objektiv berufsregelende Tendenz (vgl. BVerfGE 13, 181 (186) Schankerlaubnis). Die Normen der StPO, die hier geprüft werden, knüpfen in keiner Weise an den Beruf eines Beschuldigten an. Maßgeblich sind nur die strafrechtlichen Vorwürfe. Da die Normen nicht an die Berufstätigkeit anknüpfen, haben sie keine berufsregelnde Tendenz (vgl. BVerfG v. 12.04.2005, Rn. 90 Datenträgerbeschlagnahme). II. Ergebnis Es liegt kein Eingriff in die Berufsfreiheit mit berufsregelnder Tendenz vor. Weiten Schutzbereich der Berufsfreiheit erörtert Pkt.8/18 Berufsregelnde Tendenz problematisiert Pkt. 9 u. 10/18 B.3. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.v.m. Art. 1 Abs. 1 GG Die Verwertung der Daten könnte gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.v.m. Art 1 Abs. 1 GG verstoßen. Dies ist der Fall, wenn der Schutzbereich des Grundrechts eröffnet ist, in diesen eingegriffen wird und der Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. Vorbemerkung: Das aus Art. 2 Abs. 1 i.v.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete (vgl. BVerfGE 65, 1 Volkszählung)Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurde bisher noch nicht im Rahmen der propädeutischen Übung besprochen.gleichwohl kann von einem sehr guten Studenten (16-18 Pkt.) erwartet werden, dass er sich durch Lehrbücher o.ä. zusätzliches Wissen aneignet. Wer den Fall ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bearbeitet, indem er auf Art. 2 Abs. 1 GG abstellte, konnte noch 15 Pkt. erreichen. Seite 44
I. Der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Art. 2 Abs. 1 GG schützt nicht nur den Kernbereich der Persönlichkeit. Erfasst ist vielmehr jedes menschliche Verhalten. Der Schutzbereich umfasst auch berufliche Tätigkeiten. (vgl. BVerfG v. 12.04.2005, Rn. 79 Datenträgerbeschlagnahme). Da keine spezielleren Grundrechte einschlägig sind, greift die allgemeine Handlungsfreiheit als Auffanggrundrecht ein. Dem weit verstandenen Schutzbereich steht die ebenfalls weit verstandene Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung gegenüber. Diese weit verstandene Schranke hat das Bundsverfassungsgericht dazu veranlasst, bestimmte Handlungen, die nicht durch ein spezielleres Grundrecht geschützt werden, innerhalb der allgemeinen Handlungsfreiheit durch engere Schranken zu schützen. Der gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit verstärkte Schutz der so genannten unbenannten Freiheitsrechte wird durch einen Rückgriff auf die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG ermöglicht. Auf diese Weise hat das Bundesverfassungsgericht verschiedene unbenannte Freiheitsrechte als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entwickelt. In dieser Weise wurde auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung begründet (vgl. BVerfGE 65, 1 Volkszählung). Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1, 43 Volkszählung). II. Eingriff Die Beschlagnahme des gesamten Datenbestandes greift insbesondere in das durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht erkannt Pkt. 11/18 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.v.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet Pkt. 12/18 III. Rechtfertigung des Eingriffs 1. Schranken des Grundrechts: Schrankentrias, Art. 2 Abs. 1 GG Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Beschränkung durch die Normen der StPO als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung i.s.d. Art. 2 Abs. 1 GG? Die verfassungsmäßige Ordnung umfasst sämtliche Normen, die im Einklang mit der Verfassung stehen. 2. Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlage? Seite 45
a)... b) Materielle Verfassungsmäßigkeit aa)... bb)... cc)... dd) Übereinstimmung mit sonstigem Verfassungsrecht: Im Volkszählungsurteil hat das BVerfG die Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung besonders hervorgehoben, aus der Norm müssen sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben. Die Ermittlungsmethoden der Strafprozessordnung sind zwar im Hinblick auf die Datenerhebung und den Datenumfang weit gefasst. Die jeweiligen Eingriffsgrundlagen stehen aber unter einer strengen Begrenzung auf den Ermittlungszweck. Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes erkannt und entsprechend erörtert Pkt.13/18 ee) Verfahrensgestaltung Das BVerfG fordert bei Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Verfahrensgarantien wie Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten sowie Verwertungsverbote. Entsprechende Regelungen sieht die StPO z.b. in 489 StPO vor. Bedeutung von Verfahrensgarantien erkannt und entsprechend erörtert Pkt. 14/18 ff) Verhältnismäßigkeit (Spielraum des Gesetzgebers) - Strafverfolgung als legitimer Zweck - Beschlagnahme als legitimes Mittel - Die Daten tragen als Beweismittel zur Erreichung des Zwecks der Strafverfolgung bei, die Beschlagnahme ist mithin ein geeignetes Mittel. Wird festgestellt, dass sich auf dem Datenträger keine verfahrenserheblichen Daten befinden können, wäre die Sicherstellung des Datenträgers schon ungeeignet. - Erforderlichkeit des Mittels Seite 46
Neben den potentiell beweiserheblichen Informationen werden regelmäßig auch in erheblichem Umfang verfahrensirrelevante Beweismittel enthalten sein. Der Zugriff auf den gesamten Datenbestand ist nicht erforderlich, wenn die Sicherung der beweiserheblichen Daten auf eine andere, die Betroffenen weniger belastende Weise ebenso gut erreicht werden kann (z.b. Teilkopie, Löschung der irrelevanten Daten) Geeignetheit und Erforderlichkeit problematisiert Pkt. 15/18 - Angemessenheit des Mittels Im Rahmen einer Gesamtabwägung sind dem staatlichen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung folgende Punkte gegenüberzustellen: * Wenn auch kein Eingriff in die Berufsfreiheit vorliegt, so ist doch der Einfluss auf den Beruf zu berücksichtigen. * Beeinträchtigung von Daten Dritter, die mit dem verfahrensbezogenen Vorwurf in keinem Zusammenhang stehen. Angemessenheit mit entsprechenden Punkten erörtert Pkt. 16 u. 17/18 c) Zwischenergebnis Bei entsprechender Auslegung stellen die Regelungen der StPO eine verfassungsgemäße Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. 3. Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes? Der Einzelakt der Staatsanwaltschaft, den gesamten Datenbestand zu beschlagnahmen, war nicht erforderlich. Eine entsprechende Sichtung der Daten und das Erstellen einer Teilkopie wäre ein milderes Mittel. Zw. Gesetz und Einzelakt unterschieden und entsprechend erörtert Pkt. 18/18 Seite 47