Venöse Hämodynamik in den Beinen bei Gesunden und bei primärer Varikose



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107/8 2001 Schattauer GmbH Venöse Hämodynamik in den Beinen bei Gesunden und bei primärer Varikose C. Recek Wien Schlüsselwörter Venöse Hämodynamik, primäre Varikose Zusammenfassung In diesem Artikel werden hämodynamische Verhältnisse bei Gesunden und gestörte venöse Hämodynamik bei primärer Varikose erörtert. Die Druckveränderungen in den tiefen und oberflächlichen Beinvenen, die bei der Betätigung der muskulovenösen Pumpe entstehen, sind die treibende Kraft der venösen Zirkulation. Es wird auf die Bedeutung des ambulatorischen Druckgradienten hingewiesen, der zwischen den Oberschenkel- und Unterschenkelvenen entsteht: Dieser erklärt das Zustandekommen des Privatkreislaufs nach Trendelenburg wie auch die Befunde von Bjordal, dass während der Betätigung der muskulovenösen Pumpe das Blut in der insuffizienten V. saphena magna peripherwärts und in den insuffizienten Perforansvenen am Unterschenkel nach innen fließt. Der Druckgradient kann als hämodynamischer Auslöser des Refluxes und auch der Tendenz zum Varizenrezidiv betrachtet werden. Die Druckveränderungen übertragen sich dank zahlreicher Perforansvenen unmittelbar von den tiefen in die oberflächlichen Unterschenkelvenen, sodass sich diese wie kommunizierende Gefäße verhalten. Für die hämodynamische Störung bei primärer Varikose ist der Saphenareflux verantwortlich, der imstande ist, bei entsprechender Größe auch die schwersten Formen der chronischen venösen Insuffizienz zu verursachen. Unter Hinweis auf mehrere Befunde in der Literatur wird dargelegt, dass die insuffizienten Perforansvenen am Unterschenkel wie auch die Insuffizienz der V. femoralis und V. poplitea keine negative hämodynamische Auswirkung haben, solange die tiefen Unterschenkelvenen suffizient sind. Keywords Venous hemodynamics, primary varicose veins Summary Hemodynamic conditions in healthy human subjects as well as disturbed venous hemodynamics in primary varicose veins are discussed. The alterations of venous pressure in the deep and superficial veins occurring during the activation of the muscle venous pump of the calf are the driving power of the venous circulation in the leg. The role of the ambulatory pressure gradient between the veins in the thigh and the lower leg is presented; the pressure gradient explains the existence of the private circulation according to Trendelenburg as well as the findings of Bjordal that during calf muscle contractions the blood flows downward in the insufficient saphenous vein and inward in the insufficient perforating veins of the lower leg. The pressure gradient could be the hemodynamic factor provoking venous reflux and triggering off the tendency to recurrence of varicose veins. Due to numerous communicating veins, the changes of venous pressure are transmitted immediately from deep into superficial veins of the lower leg; these veins act as conjoined vessels. The hemodynamic disturbance in primary varicose veins is caused by the saphenous reflux; if large enough, the saphenous reflux may be responsible even for an advanced stage of chronic venous insufficiency. Based on a number of facts found in the literature it is stated that the insufficient calf perforating veins as well as the insufficiency of the femoral and popliteal veins are not hemodynamically important as far as the deep veins of the lower leg are sufficient. Venous hemodynamics in the legs of healthy human subjects and in primary varicose veins Mots clés Hémodynamique veineuse, varices essentielles Résumé Les conditions hémodynamiques physiologiques et la perturbation hémodynamique dans les varices essentielles sont discutés. Les changements de la pression veineuse provoqués dans les veines profondes et superficielles des membres inférieures représentent la force mouvante de la circulation veineuse. On a renvoyé au rôle du gradient de pression ambulatoire, qui se produit entre les veines de la cuisse et du mollet au cours de l activité de la pompe musculo-veineuse de la jambe. Ce gradient de pression peut expliquer l existence de la circulation privée selon Trendelenburg ainsi que la constatation de Bjordal, que le sang coule à rebours dans la veine saphène interne incontinente et en dedans dans les veines perforantes incontinentes pendant l activité de la pompe musculo-veineuse. Le gradient de pression est, peut-être, le facteur hémodynamique, qui provoque le reflux et déclanche le mécanisme menant à la récidive des varices. Grâce aux nombreuses veines perforantes du mollet, les changements de la pression veineuse sont transmis immédiatement des veines profondes aux veines superficielles. Les veines profondes et superficielles du mollet agissent comme les vases communicants. La perturbation hémodynamique dans les varices essentielles est causée par le reflux saphénien, qui, si prononcé suffisamment, peut provoquer le degré le plus grave de l insuffisence veineuse chronique. S appuyant sur des nombreux faits publiés dans la littérature, on a constaté que les veines perforantes incontinentes du mollet ainsi que l insuffisance de la veine fémorale et poplitée sont peu importantes de la vue hémodynamique, supposé que les veines profondes du mollet soient continentes. Hémodynamique veineuse chez sujets sains et chez varices essentielles Phlebologie 2001; 30: 107 14 Eingegangen: 26. März 2001; angenommen nach Revision: 12. Juni 2001

108/10 Recek Für das Studium der venösen Hämodynamik haben sich neben dem goldenen Standard der venösen Druckmessung die Duplexsonographie und die Plethysmographie durchgesetzt. Die Duplexsonographie ist für die Erfassung der venösen Strömung, die Plethysmographie für die Beurteilung der Funktion der muskulovenösen Wadenpumpe und der Auswirkung des Refluxes auf die venöse Hämodynamik anwendbar. Die Einführung der modernen nichtinvasiven Methoden hat nicht nur die diagnostischen Möglichkeiten erweitert und verbessert, sondern hat auch zur weiteren Erforschung der gestörten venösen Hämodynamik beigetragen. Physiologische hämodynamische Verhältnisse Druckveränderungen in den Beinvenen ambulatorischer Druckgradient Die treibende Kraft der venösen Hämodynamik ist die muskulovenöse Wadenpumpe und die dadurch entstehenden Veränderungen des venösen Druckes. Voraussetzung für die gute Funktion der muskulovenösen Pumpe sind durchgängige tiefe Venen, durchgängige und suffiziente tiefe Unterschenkelvenen und freie Beweglichkeit des Sprunggelenks. Back et al. (3) berichteten, dass die Beweglichkeit des Sprunggelenkes bei Patienten mit venösen Ulzera deutlich eingeschränkt war, was sich in einer niedrigeren»ejection fraction«und einer höheren»residual volume fraction«manifestierte. Diese Ergebnisse der airplethysmographischen Untersuchungen weisen auf eine herabgesetzte Funktion der muskulovenösen Pumpe hin. Bei der Ankylose des Sprunggelenkes kann es trotz durchgängiger und suffizienter tiefer Unterschenkelvenen zum so genannten arthrogenen Stauungssyndrom kommen (13). Der venöse Druck ist in horizontaler Lage niedrig, der Druckunterschied zwischen den Beinvenen und dem rechtem Vorhof beträgt ungefähr 10-15 mmhg. Im Stehen ist der venöse Ruhedruck durch den hydrostatischen Druck der Blutsäule bestimmt, steigt nach dem Gesetz der Schwerkraft ungefähr 0,8 mmhg/cm unterhalb des rechten Vorhofs distalwärts an und beträgt am Knöchel je nach Körperhöhe 80-100 mmhg (28). Bei der Betätigung der muskulovenösen Pumpe sinkt der venöse Druck (der so genannte ambulatorische Druck) in den oberflächlichen Venen am Fuß und Unterschenkel deutlich unter den Ruhedruck und steigt nach Beendigung der Muskelarbeit allmählich zum Ausgangsdruck an (Abb. 1). Den Druck in den tiefen Venen haben Höjensgard und Stürup 1952 gemessen und festgestellt, dass er in der V. tibialis post. während der Betätigung der muskulovenösen Pumpe deutlich sank, wohingegen es in der V. poplitea zu keiner Drucksenkung kam (16). 1966 bestätigte Arnoldi (2) diese Tatsache durch simultane Druckmessungen mit zwei Kathetern (einem in der V. tibialis post., dem anderen in der V. poplitea). Die durch seine Messungen ermittelte Differenz des ambulatorischen Druckes betrug ungefähr 33 mmhg. Recek und Pojer (36) stellten einen ähnlich Abb. 1 Schematische Darstellung des physiologischen Druckabfalls in einer oberflächlichen Vene am Fußrücken während wiederholter Muskelkontraktionen. Nach Beendigung der Kontraktionen steigt der Druck allmählich zum Ausgangswert an. hohen ambulatorischen Druckgradienten fest (37,4 ± 6,4 mmhg). Der ambulatorische Druckgradient spielt in der venösen Pathophysiologie eine wichtige Rolle, er kann als hämodynamischer Auslöser des Refluxes und der Tendenz zum Varizenrezidiv betrachtet werden. Druckveränderungen in den tiefen und oberflächlichen Venen am Unterschenkel während der Muskelkontraktion und Muskelrelaxation Die tiefen und oberflächlichen Venen am Unterschenkel verhalten sich dank zahlreicher Verbindungen (Vv. perforantes) wie kommunizierende Gefäße; der venöse Mitteldruck ist beim ruhigen Stehen, während der Muskelkontraktionen wie auch in der anschließender Erholungsphase in beiden Venensystemen gleich (Abb. 2). Die Analyse der aktuellen Druckveränderungen zeigt, dass während der Kontraktion der Wadenmuskulatur der Druck in der V. Abb. 2 Simultane Druckmessung in der V. saphena magna (obere Kurve) und in der V. tibialis post. (untere Kurve). Es wurde der Mitteldruck registriert. Die Druckkurven sind fast identisch, die V. saphena magna und die V. tibialis post. verhalten sich wie kommunizierende Gefäße.

109/11 Venöse Hämodynamik bei primärer Varikose Abb. 3 Druckunterschiede zwischen der V. tibialis post. und V. saphena magna, ermittelt auf Grund des aktuellen Druckes während der Muskelkontraktion und -relaxation. Während der Kontraktion ist das Druckgefälle nach außen, während der Relaxation nach innen orientiert. Der Saphenareflux verstärkt das nach innen orientierte Druckgefälle während der Relaxation. tibialis post. höher ist als in der V. saphena magna; in dieser Phase entsteht ein Druckgefälle in Richtung oberflächliche Venen. Während der Muskelrelaxation dreht sich das Druckgefälle um, der Druck in der V. tibialis post. wird niedriger als in der V. saphena magna (2, 29) (Abb. 3). Das bedeutet, dass das Blut während der Muskelkontraktion von den tiefen in die oberflächlichen Venen durch die Perforansvenen am Unterschenkel gedrängt wird und anschließend über den Saphenastamm in die V. femoralis abfließt, was mit dem Duplexgerät dokumentiert werden kann (Abb. 4). Während der Muskelrelaxation wird das Blut von den oberflächlichen in die tiefen Venen angesaugt. Dass es zu dieser Pendelströmung in den Perforansvenen wirklich kommt, haben Bjordal mit elektromagnetischen Flussmessungen (4, 5) sowie Sarin et al. (38) und Labropoulos et al. (19) mit Duplexsonographie nachgewiesen. Da aber der ambulatorische Druck in den oberflächlichen Venen sinkt, muss das Blut durch die Perforansvenen vorwiegend in die tiefen Venen fließen. Bei primärer Varikose mit Saphenareflux und insuffizienten Perforansvenen ist die nach innen gerichtete Strömung noch mehr ausgeprägt (5) (Abb. 3). Pathologische hämodynamische Verhältnisse Primäre Varikose und chronische venöse Insuffizienz Als primäre Varikose bezeichnet man essenzielle Varizen mit nachgewiesenem Reflux in den oberflächlichen Venen und mit meistenteils gut funktionierender muskulovenöser Wadenpumpe, was die primäre Varikose hämodynamisch von sekundären Varizen unterscheidet. Weil der Saphenareflux die Funktion der Pumpe beeinflussen und eine Störung der Pumpe vortäuschen kann, muss diese erst nach verlässlicher Ausschaltung des Refluxes in den oberflächlichen Venen beurteilt werden. Als chronische venöse Insuffizienz (CVI) bezeichnet man das klinische Bild eines venösen Stauungssyndroms, welches hämodynamisch durch die Unfähigkeit charakterisiert ist, einen ambulatorischen Unterdruck von genügendem Ausmaß im Bereich des Unterschenkels zu erzeugen. Dieser Zustand kann auch bei gut funktionierender muskulovenöser Pumpe durch den starken Saphenareflux verursacht werden. In solchen Fällen wird das Blut, das in den tiefen Venen herzwärts abgepumpt wird, unverzüglich mit dem in der V. saphena A Abb. 4 Duplexsonographische Darstellung der V. saphena magna kurz vor der sapheno-femoralen Einmündung bei einer gesunden Person im Stehen. (A): Die Dorsalflexion im Sprunggelenk bewirkt eine deutliche herzwärts orientierte Strömung im Saphena-magna-Stamm. (B): Das gezielte Ausdrücken des Blutes proximalwärts im Saphena-magna-Stamm am Unterschenkel löst nur eine geringfügige Strömung aus. Es ergibt sich daraus, dass die in der V. saphena magna registrierte Strömungswelle (A) durch das Entweichen des Blutes aus den tiefen Unterschenkelvenen über die»suffizienten«perforansvenen in den Saphena-magna-Stamm verursacht ist. B

110/12 Recek Abb. 5 Strain-gauge-plethysmographische Untersuchung eines Patienten mit chronischer venöser Insuffizienz Grad III nach Widmer. (A): Schwere venöse Zirkulationsstörung, verursacht durch den starken Saphenareflux. (B): Nach Ausschaltung des Refluxes mit dem Tourniquet normalisierte sich die venöse Hämodynamik. (C): Ebenfalls nach Krossektomie: normale hämodynamische Verhältnisse. refluxierenden Blut je nach Größe des Refluxes teilweise oder vollständig ersetzt, in den schwersten Fällen kommt es zu keinem Druckabfall. Nach Ausschaltung des Refluxes werden normale hämodynamische Verhältnisse wiederhergestellt, ja sogar»supernormale«plethysmographische Werte können als Ausdruck der Kompensationssteigerung der Pumpenleistung gefunden werden (32). Wenn sich nach Ausschaltung des Refluxes die hämodynamische Situation deutlich bessert, wird dieser Zustand als»besserbare«venöse Insuffizienz bezeichnet. Eine andere Ursache der chronischen venösen Insuffizienz ist die Beschädigung der Pumpe selbst durch den postthrombotischen Prozess (Obliteration und/oder Klappeninsuffizienz der tiefen Unterschenkelvenen) oder durch die Bewegungseinschränkung des Sprunggelenkes. Die Insuffizienz der tiefen Oberschenkelvenen wird in weiterer Folge bewertet. Die Obliteration der V. femoralis stellt ein Abflusshindernis dar, kann aber durch die Bildung des Kollateralkreislaufs kompensiert werden (39). Ob es sich um eine besserbare oder nicht besserbare venöse Insuffizienz handelt, muss beim diagnostischen Procedere abgeklärt werden, um eine sinnvolle Therapie einzuleiten. Für die Diagnose der chronischen venösen Insuffizienz ist das klinische Bild entscheidend, weil sich die Folgen der venösen hämodynamischen Störung an der Haut des Unterschenkels widerspiegeln. Abb. 6 Statistische Auswertung des plethysmographisch gemessenen Auffüllvolumens von 37 Patienten mit chronischer venöser Insuffizienz, Saphenareflux und insuffizienten Perforansvenen. Vor der Operation sehr niedriger, nach der Beseitigung des Saphenarefluxes normaler Wert. Die Perforansvenen blieben unberührt. Der Unterschied ist hoch signifikant (p < 0,0001). Normale Werte des Auffüllvolumens > 0,7 ml/100 ml. Der venöse Reflux Der venöse Reflux ist eine pathologische, herzabwärts gerichtete, bei aufrechter Körperhaltung der Schwerkraft folgende Strömung, die durch die Klappeninsuffizienz der oberflächlichen oder der tiefen Venen verursacht ist. Die Voraussetzungen für die Entstehung des Refluxes sind ein Druckgradient und eine insuffiziente Vene. Es funktioniert ähnlich wie in der Elektrizitätslehre: Damit ein Strom entsteht, muss es eine Spannung geben und einen Leiter, der die zwei Pole der Spannung verbindet. In der venösen Hämodynamik wird die Spannung als Druckgradient bezeichnet, und der Leiter ist die insuffiziente Vene, welche die Pole des Druckgradienten verbindet, das heißt einerseits die V. femoralis, V. poplitea, V. profunda femoris oder V. iliaca und andererseits eine der tiefen Unterschenkelvenen. Beim ruhigen Stehen kommt es zu keinem Reflux; dieser entsteht erst während der Betätigung der muskulovenösen Pumpe und wird durch den ambulatorischen Druckgradienten ausgelöst. Privatkreislauf nach Trendelenburg 1891 hat Trendelenburg (42) die pathologische venöse Strömung bei Varizenpatienten beschrieben und diese als»privatkreislauf«benannt. Ein Teil des Blutes weicht an der insuffizienten saphenofemoralen Einmündung von der V. femoralis ab, fließt durch den insuffizienten Saphenastamm peripherwärts in die Varizen am Unterschenkel und von da über die Perforansvenen in die tiefen Unterschenkelvenen und wird weiter durch die Muskelpumpe in die V. poplitea und V. femoralis befördert. Man muss bewundern, dass Trendelenburg zu dieser richtigen Darstellung allein durch die klinische Beobachtung schon vor mehr als 100 Jahren gekommen war. Bjordal bestätigte seine Darstellung 1970 und 1972 durch direkte elektromagnetische Flussmessungen (4, 5). Dieser Privatkreislauf stellt eine zusätzliche Belastung für die muskulovenöse Pumpe dar. Die am Privatkreislauf teilnehmenden Venenabschnitte erweitern sich (Venae perforantes, betrof-

111/13 Venöse Hämodynamik bei primärer Varikose fene tiefe Unterschenkelvenen, V. poplitea, V. femoralis), weil zusätzlich zum normalen arteriellen Zustrom auch das Refluxvolumen herzwärts befördert werden muss. Nach Beseitigung des Saphenarefluxes nimmt der Diameter dieser Venenabschnitte wieder ab (35, 41). Auswirkung des Saphenarefluxes Bei primärer Varikose ist der Saphenareflux die Ursache der venösen Zirkulationsstörung (30). Der Schweregrad dieser hämodynamischen Störung hängt von der Größe des Saphenarefluxes ab. Sie kann entweder harmlos sein (unkomplizierte Varizen) oder sich als chronische venöse Insuffizienz einschließlich der schwersten Form mit varikösen Ulzera manifestieren. Wie schon erwähnt, können nach Beseitigung des Saphenarefluxes auch schwere hämodynamische Zirkulationsstörungen behoben und normale Zirkulationsverhältnisse wiederhergestellt werden (30, 33). Für die Beurteilung der Auswirkung des Saphenarefluxes sind plethysmographische Methoden geeignet (Abb. 5, 6). Der Saphenastamm bei Varizenpatienten ist nicht varikös entartet und verläuft nicht gewunden, wie es bei Varizen in den Nebenästen der Fall ist (44). Er kann zwar einzelne lokale Wandausbuchtungen aufweisen, das Hauptmerkmal ist aber seine Insuffizienz. Aus diesem Grund ist der Begriff»Stammvarikose«irreführend; zutreffender wäre der Begriff»Varikose mit Stamminsuffizienz«. Insuffiziente Perforansvenen Linton (20) sowie Cockett und Jones (7) haben 1938 bzw. 1953 auf die Bedeutung der Perforansvenen am Unterschenkel für die Entstehung von Ulcera cruris hingewiesen. Die Theorie der insuffizienten Perforansvenen nimmt vorweg, dass die Perforansvenen bei Gesunden mit Klappen versehen sind, die den Blutstrom nur von den oberflächlichen in die tiefen Venen ermöglichen. Wenn im Laufe der Erkrankung die Klappen in den Perforansvenen insuffizient werden, könne das Blut während der Muskelkontraktionen von den tiefen in die oberflächlichen Venen in großer Menge gepresst werden. Dies führe zum Anstieg des venösen Druckes in den oberflächlichen Venen und habe die Entstehung von trophischen Hautveränderungen einschließlich Ulcera cruris zur Folge. Diese Theorie ist eine reine Spekulation, die nicht nachgewiesen, sondern, im Gegenteil, durch mehrere Tatsachen widerlegt wurde. Es wurde festgestellt, dass das Blut auch in den»suffizienten«perforansvenen bei Gesunden in beiden Richtungen fließt (19, 38). Die so genannte ambulatorische Hypertonie ist durch den Saphenareflux und nicht durch die insuffizienten Perforansvenen verursacht (4, 30). Nach Ausschaltung des Saphenarefluxes werden auch schwere venöse Zirkulationsstörungen bei Patienten mit Ulcera cruris trotz bestehender insuffizienter Perforansvenen behoben und normale hämodynamische Verhältnisse wiederhergestellt (33) (Abb. 6). Demgegenüber hat bisher niemand nachgewiesen, dass eine ähnliche Verbesserung der venösen Hämodynamik durch die selektive Ausschaltung der insuffizienten Perforansvenen erzielt werden kann. Einige Autoren stellten im Gegenteil fest, dass die selektive Ausschaltung der Perforansvenen am Unterschenkel die venöse Hämodynamik nicht verbessert (1, 5, 6, 10). Jene Autoren, die von günstigen Ergebnissen nach der Unterbrechung der insuffizienten Perforansvenen (in letzter Zeit durch die endoskopische Methode) berichteten, beseitigten gleichzeitig auch den Saphenareflux; der günstige Effekt wurde jedoch der Unterbrechung der Perforansvenen zugeschrieben (8, 9, 11, 14, 17, 22, 23, 37), was wissenschaftlich bedenklich ist. Aber nicht nur die wissenschaftlichen Tatsachen, sondern auch ein einfacher Perthes-Test (26) bei Patienten mit primärer Varikose und Ulcera cruris kann jeden davon überzeugen, dass durch die insuffizienten Perforansvenen am Unterschenkel keine ambulatorische Hypertonie entsteht, sondern dass sich im Gegenteil die prall gefüllten Varizen am Unterschenkel entleeren. In den Perforansvenen am Unterschenkel findet ein Pendelstrom statt, ausgelöst durch die Druckunterschiede, die während der Betätigung der muskulovenösen Pumpe (Kontraktion Relaxation) im Bruchteil einer Sekunde das Druckgefälle wechseln. Dank der zahlreichen kommunizierenden Venen ist es möglich, dass der ambulatorische Unterdruck nicht nur am Ort der Entstehung, das heißt in den tiefen Unterschenkelvenen, sondern auch in den oberflächlichen Unterschenkelvenen zum Tragen kommt, was die Durchblutung der Hautareale verbessert. Die breiten,»insuffizienten«perforansvenen am Unterschenkel sind nicht die Ursache der venösen Zirkulationsstörung, sondern die Folge des Saphenarefluxes. Das durch den Saphenareflux retrograd strömende Blut muss über die Perforansvenen in die tiefen Unterschenkelvenen abfließen. Je größer der Saphenareflux wird, desto breiter werden die Perforansvenen. Nach Beseitigung des Saphenarefluxes verkleinert sich der Diameter der Perforansvenen wieder (35, 41). Im Gegensatz zu den Perforansvenen am Unterschenkel, die keine negative hämodynamische Auswirkung haben, können die Perforansvenen am Oberschenkel zur Quelle des Refluxes werden. Das ergibt sich aus der Existenz des ambulatorischen Druckgradienten. Der nicht seltene»mid thigh perforator«mündet in die V. femoralis superficialis (hier liegt der obere Pol des Druckgradienten) und hat Verbindung mit tiefen Unterschenkelvenen. Wie schon im Kapitel»Der venöse Reflux«erwähnt, kann der Reflux nur in einer insuffizienten Vene zustande kommen, welche die V. femoralis, V. poplitea, V. profunda femoris oder V. iliaca mit einer der tiefen Unterschenkelvenen verbindet. Insuffizienz der tiefen Venen Es wird allgemein angenommen, dass die Insuffizienz der tiefen Venen eine schwere venöse Zirkulationsstörung verursacht. Nicht alle Abschnitte der tiefen Venen sind in dieser Hinsicht von gleicher Bedeutung. Die Zerstörung aller drei Paare der tiefen Unterschenkelvenen verursacht eine nachhaltige schwere Beschädigung der muskulovenösen Wadenpumpe; wenn nur einzelne tiefe Unterschenkelvenen betroffen sind, können die übrigen diesen Schaden kom-

112/14 Recek pensieren. Demgegenüber wird die Insuffizienz der Iliakalvenen als hämodynamisch harmlos betrachtet. Was die Insuffizienz der V. femoralis, V. profunda femoris und V. poplitea betrifft, gehen die Meinungen auseinander. Einige Autoren (12, 25, 32, 39) sind der Ansicht, dass die Insuffizienz der V. femoralis wenig wirksam ist, andere messen ihr eine große Bedeutung bei und halten die Klappenrekonstruktion oder Transplantation eines klappentragenden Venensegmentes für gerechtfertigt (15, 18, 24, 27, 43). Die Parva-Insuffizienz ist oft mit der Insuffizienz der V. femoralis und der V. poplitea oberhalb der saphenopoplitealen Einmündung gekoppelt (15, 31). Wenn man in solchen Fällen nur den Parva-Reflux beseitigt und die Femoralis-Poplitea-Insuffizienz unbeeinflusst lässt, normalisiert sich die hämodynamische Lage völlig (32). Das beweist, dass für die venöse Zirkulationsstörung in solchen Fällen der Parva-Reflux und nicht die Femoralis-Poplitea-Insuffizienz verantwortlich ist (Abb. 7). Ähnlich wie bei den insuffizienten Perforansvenen am Unterschenkel sind auch hier die Anhänger der Klappenplastik in der V. femoralis schuldig geblieben, den Beweis zu erbringen, dass sich durch diese Maßnahme die hämodynamische Lage normalisiert oder wesentlich bessert. Der Zustand des unteren Teils der V. poplitea (unterhalb der Einmündung der V. saphena parva) spiegelt die Verhältnisse der tiefen Unterschenkelvenen wider. Ist er suffizient, spricht das für die Suffizienz der tiefen Unterschenkelvenen, die Insuffizienz dieses Venenabschnittes ist ein Zeichen der Insuffizienz einiger oder aller tiefen Unterschenkelvenen. Sekundäre Poplitealund Femoralveneninsuffizienz (Leitveneninsuffizienz) Die am Privatkreislauf teilnehmenden Venenabschitte erweitern sich, weil zusätzlich zum normalen venösen Rückstrom auch das durch die insuffiziente Saphena strömende Refluxvolumen abtransportiert werden muss. Durch die Erweiterung der V. poplitea und V. femoralis entsteht laut Stranzenbach und Hach die sekundäre Popliteal- und Femoralveneninsuffizienz, die auch Leitveneninsuffizienz genannt wird (40). Auf dem Phlebogramm sieht man als röntgenologisches Zeichen der Insuffizienz Dilatation, Elongation, gewundenen Verlauf oder Knickbildung der V. poplitea. Wie im vorherigen Absatz über die Insuffizienz der V. femoralis und V. poplitea dargelegt wurde, kann die Insuffizienz dieser venösen Abschnitte keine hämodynamische Störung verursachen, solange die tiefen Unterschenkelvenen suffizient sind und bei der Aktivität der muskulovenösen Pumpe ein physiologischer ambulatorischer Druckgradient entsteht. Bei Patienten mit primärer Varikose und fortgeschrittener chronischer venöser Insuffizienz, die das phlebographische Bild jener sekundären Leitveneninsuffizienz und plethysmographisch eine ausgeprägte Zirkulationsstörung aufwiesen, normalisierte sich die hämodynamische Situation nach Beseitigung des Saphenarefluxes trotz bestehender Leitveneninsuffizienz (33). Wenn der erwünschte Erfolg ausbleibt, muss man überprüfen, ob die Schädigung der muskulovenösen Pumpe etwa durch die eingeschränkte Beweglichkeit des Sprunggelenkes verursacht ist. Insuffiziente tiefe Venen und Saphenareflux: möglicher Zusammenhang Es wird ein Zusammenhang zwischen der Entstehung von primärer Varikose mit Saphenareflux und Insuffizienz der tiefen Venen vermutet. Schon vor mehr als 100 Jahren stellte Trendelenburg fest, dass bei Varizenpatienten mit Saphenareflux die Iliakalvenen insuffizient waren. Er berichtete, dass beim liegenden Patienten durch Hochheben und Niederlassen des Beines sogar der venöse Druck gemessen werden kann, weil man deutlich das Auffüllen und Entleeren der Varizen wahrnimmt (42). Ludbrook und Beale (21) bestätigten im Jahre 1962 die Insuffizienz der Iliakalvenen bei Varizenpatienten durch Übertragung A Abb. 7 Strain-Gauge-plethysmographische Auswertung von 14 Patienten mit gleichzeitiger Insuffizienz der V. saphena parva und V. femoralis und nach Beseitigung der Parva-Insuffizienz. Es wurden bewertet: Auffüllzeit t-90 und t-50 (A) und Auffüllvolumen (B). Es ist ersichtlich, dass sich die hämodynamische Situation nach Beseitigung des Parva-Refluxes trotz bestehender Femoralis-Insuffizienz normalisiert hat (p < 0,001). B

113/15 Venöse Hämodynamik bei primärer Varikose von Druckwellen während der Messung des venösen Druckes in der V. femoralis. Hauser und Brunner (15) sowie Recek und Hammerschlag (31) stellten 1993 bzw. 1997 fest, dass die Insuffizienz der V. saphena parva oft mit der Insuffizienz der V. poplitea und V. femoralis gekoppelt ist. Durch die Insuffizienz der tiefen Venen ist die Übertragung des bei Anstrengung oder beim Husten entstehenden hohen intraabdominellen Druckes in die V. saphena magna (bei Klappeninsuffizienz der Iliakalvenen) und in die V. saphena parva (bei gleichzeitiger Insuffizienz der V. femoralis und V. poplitea) ermöglicht. Die V. femoralis und V. saphena erweitern sich unter Einwirkung des hohen intraabdominellen Druckes. Es liegt die Vermutung nahe, dass durch diese Erweiterung die sonst suffizienten Klappen insuffizient werden und letztendlich zum Saphenareflux führen. Lundbrook und Beale stellten fest, dass einige Venenklappen, die in horizontaler Lage suffizient waren, in vertikaler Lage insuffizient wurden, weil sich unter der Einwirkung des hydrostatischen Druckes die Venen erweiterten (21). Dieser vermutete Zusammenhang würde auch erklären, warum die Insuffizienz der V. saphena magna 3- bis 4-mal häufiger vorkommt als jene der V. saphena parva, obwohl der hydrostatische Druck bei der saphenopoplitealen Einmündung und im Stamm der V. saphena parva am Unterschenkel höher ist als jener bei der saphenofemoralen Einmündung und im Stamm der V. saphena magna am Oberschenkel. Die V. saphena parva ist vor der Einwirkung des hohen intraabdominellen Druckes durch die suffizienten Klappen in der V. femoralis geschützt. Wenn diese insuffizient werden, kann das auch zur Insuffizienz der V. saphena parva führen. Druckgradient als möglicher hämodynamischer Auslöser des Varizenrezidivs Wenn im Rahmen der»saphenous vein saving surgery«nur die Krossektomie durchgeführt und der insuffiziente Saphenastamm am Oberschenkel belassen wird, Abb. 8 Retrograde Phlebographie von einem Patienten nach Krossektomie mit Rezidivreflux. Kontrastmittel wurde in die V. femoralis communis gespritzt. Zwischen der V. femoralis und dem insuffizienten Saphenastamm haben sich Kollateralen gebildet, die für den Rezidivreflux verantwortlich sind. (Näheres im Text.) bleibt der Saphenastamm weiterhin bei ungefähr 80% durchgängig und insuffizient (34). Er ähnelt einer Sackgasse, die am unteren Ende mit den tiefen Unterschenkelvenen in Verbindung steht. In dieser Situation kann sich der ambulatorische Unterdruck von diesen Venen in den blinden Saphenastamm, der jetzt wie ein Drainagerohr funktioniert, fortpflanzen. Dadurch entsteht ein Druckgefälle zwischen der V. femoralis und dem blinden Saphenastamm am Oberschenkel, was die Bildung von venösen Kollateralen fördert (36). Bei obliterierenden arteriellen Erkrankungen spielt der Druckgradient eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Kollateralkreislaufs. Auch angeborene arteriovenöse Missbildungen haben trotz sorgfältiger chirurgischer Entfernung eine ausgeprägte Neigung zum Rezidiv, was auf die Auswirkung des arteriovenösen Druckgradienten zurückzuführen ist. Abbildung 8 zeigt die retrograde Phlebographie bei einem Patienten nach Krossektomie. Zwischen der V. femoralis und dem übrig gebliebenen insuffizienten Saphenamagna-Stamm haben sich Kollateralen gebildet, die den Rezidivreflux verursachen. Außerdem sind auch neu gebildete dünne Gefäße zu sehen, die so genannte Neovaskularisation. Vor der Krossektomie war der Saphenastamm am Oberschenkel in ganzer Länge insuffizient, nach der Krossektomie ist der Durchmesser kleiner und eine vorher insuffiziente Klappe suffizient geworden. Trotzdem hat sich auch zwischen dem venösen Abschnitt oberhalb und unterhalb der suffizienten Klappe eine breite überbrückende Kollaterale gebildet, die den Rezidivreflux ermöglicht. Dieses Bild veranschaulicht, dass die Klappenplastik einer einzigen Klappe nicht in der Lage ist, die venöse Hämodynamik auf längere Sicht zu normalisieren, wenn darunter der Venen-

114/16 Recek stamm insuffizient bleibt und der Druckgradient seine Wirkung am Oberschenkel entfalten kann. Letztlich kann man aus röntgenologischer Sicht den dargestellten insuffizienten Saphenastamm als ein durchaus akzeptables Transplantat für die Gefäßrekonstruktion bezeichnen. Die Bezeichnung»Stammvarikose«ist nicht zutreffend. Literatur 1. Akesson H, Brudin L, Cwikiel W, Ohlin P, Plate G. Does the correction of insufficient superficial and perforating veins improve venous function in patients with deep venous insufficiency? Phlebology 1990; 5: 113-23. 2. Arnoldi CC. Venous pressure in the leg of healthy human subjects at rest and during muscular exercise in nearly erect position. Acta Chir Scand 1965; 130: 570-83. 3. Back TL, Padberg FT Jr, Araki CT, Thompson PN, Hobson RW. Limited range of motion is a significant factor in venous ulceration. J Vasc Surg 1995; 22: 19-23. 4. Bjordal R. Simultaneous pressure and flow recordings in varicose veins of the lower extremity. 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