2 Definition und Klassifikation
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- Wolfgang Vogel
- vor 6 Jahren
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1 2.1 Definition Für die Erkrankung wurden verschiedene Bezeichnungen gewählt, die sich entweder auf den Zusammenhang von Krankheit und zeitlichem Verlauf (postthrombotisches Syndrom (4) bzw. postthrombophlebitisches Syndrom (11)) oder auf die pathophysiologischen Folgen (venous stasis syndrome (9)) beziehen. Im deutschen Sprachraum hat sich die Bezeichnung postthrombotisches Syndrom (PTS) (I87.0) etabliert. In jedem Fall liegen bei diesem Krankheitsbild chronische, entzündliche Venenwandund Klappenschäden, Verschlüsse oder Teilverschlüsse im subfaszialen Bein- und/oder Beckenvenensystem vor, die durch eine symptomatische oder asymptomatische venöse Thrombose verursacht wurden. Pathophysiologisch kommt es durch Abflussstörungen zu einer venösen Hypertonie, die unter Umständen nach Jahren erst zur Entwicklung eines Ekzems führt sowie zu Hyperpigmentierungen, einer Hautlymphangiopathie, zu einem Phlebödem, zu Atrophie blanche, Dermatolipofasziosklerose, arthrogenem Stauungssyndrom und letztlich zum postthrombotischen Ulkus. Vom PTS-Patienten werden folgende Beschwerden angegeben: Juckreiz, Schwere-, Spannungs-, Hitzegefühl, Parästhesien, Beinschwellung, Wadenkrämpfe, Beinschmerzen und Claudicatio venosa. Die Beschwerden verschlimmern sich jeweils bei längerem Stehen, verbessern sich jedoch beim Hochlegen der Beine. 2.2 Klassifikation PTS-Klassifikationen wurden vorgelegt von Villalta et al. (14), Brandjes et al. (1), Ginsberg et al. (3) und Eklöf et al. (2). Von diesen werden heute vor allem die Villalta-Klassifikation und die CEAP-Klassifikation (2) zur Standardisierung herangezogen Villalta-Klassifikation (14) Fünf subjektive Symptome werden abgefragt: Beinschmerz, Krämpfe, Schweregefühl, Juckreiz, Parästhesien. Die Präsenz folgender sieben Befunde wird überprüft: prätibiales Ödem, Ekzem, Hyperpigmentierung, Dermatolipofasziosklerose, neue Venektasien, Schmerz bei Wadenkompression, Unterschenkelgeschwür. 10
2 Pathophysiologie des PTS tiefe Venenthrombose chronische venöse Obstruktion oder Teilobstruktion Venenwandschaden (Fibrose) Venenklappenverlust (partiell/vollständig) Refluxe venöse Hämostase (Hypervolämie, Hypertonie) kapilläre Hämostase (Hypervolämie, Hypertonie) Kapillarwandschaden erhöhter venöser Druck venöse Abflussstörung Tab. 2.1: Pathophysiologie beim PTS. Punkte Evaluation Jedes Symptom und jeder Befund kann 0 3 Punkte erhalten: 0 = nicht existent, 1 = schwach, 2 = mäßig, 3 = stark Gesamtbewertung der Punkte: 0 4 = kein PTS 5 9 = mildes PTS = mäßiges PTS Ulkus oder 15 = schweres PTS 11
3 Klinische Befunde Ekzem Phlebödem Hyperpigmentierung Dermatolipofasziosklerose Atrophie blanche arthrogenes Stauungssyndrom PTS-Ulkus Beinbeschwerden Juckreiz Schmerzen Schwere-, Spannungs-, Hitzegefühl Anschwellen der Extremität Tab. 2.2: Klinische Befunde und Beinbeschwerden beim PTS. Claudicatio venosa Neben dieser Klassifikation für Erwachsene gibt es auch eine solche für Kinder (12). Soosainathan et al. (13) untersuchten mittels eines systematischen Reviews die Wertigkeit verschiedener Score-Systeme. Sie favorisieren den Villalta-Score, bei dem sie aber Nachteile bei der Bewertung der subjektiven Parameter sehen. Trotzdem erheben sie ihn zum Goldstandard, allerdings in Kombination mit dem Venous Disease Specific und Quality of Life Questionnaire. Jayaraj und Meissner (6) bewerteten bei 69 Patienten das PTS mittels dieser Klassifikation und dem Venous Clinical Severity Score (VCSS) und kommen zu dem Schluss, dass beide Klassifikationen ein geringes bis mäßiges PTS gut definieren können, nicht aber ein schweres PTS CEAP-Klassifikation (2) C: klinische Zeichen: Stufen 0 6, ergänzt durch die Bezeichnung asymptomatisch (A) oder symptomatisch (S) E: Ätiologie (Etiology): kongenital (C), primär (P), sekundär (S) A: Anatomie: oberflächlich (S superficial), tief (D deep), perforans (P), isoliert oder kombiniert (S oder D) P: Pathophysiologie: Reflux (R), Obstruktion (O), Reflux und Obstruktion (R, O) Beispiel: Ein Patient leidet unter einem PTS mit Ulkus und sekundärer Varikose mit Refluxen und Obstruktionen im tiefen Venensystem: C 6S, E S, A D, P OR Ginsberg-Klassifikation (3) Es wird ein PTS diagnostiziert, wenn der Patient über folgende Beschwerden klagt: unspezifische Schmerzen und Schwellungen in den Beinen, die sich beim Stehen verschlimmern, beim Liegen mildern und chronisch sind, d. h., die bereits vier Wochen persistieren 12
4 und etwa sechs Monate oder später nach einer TVT aufgetreten sind. Außerdem muss der Nachweis einer Venenklappeninsuffizienz mittels Duplexsonographie und/oder Lichtreflexionsrheographie (Photoplethysmographie) erbracht werden. Kahn et al. (7) klassifizierten das PTS bei 259 Patienten ein Jahr nach einer Venenthrombose. Sie fanden mittels der Villalta-Klassifikation 37 % PTS-Patienten, mittels der Ginsberg-Methode nur 8,1 %. Kolbach et al. (8) führten Venendruckmessungen durch und verglichen die unterschiedlichen Klassifikationen des PTS bei insgesamt 124 Patienten; die PTS-Inzidenz im Kollektiv variierte je nach Klassifikation von 30 % bis 66 %. Mittels der Ginsberg-Klassifikation ist eine exakte Bestimmung der Schweregrade des PTS und somit ein Vergleich der Studienergebnisse nicht möglich Brandjes-Klassifikation (1) Die Autoren definieren den Schweregrad eines PTS nach Punktewerten, die sie für subjektive und objektive Kriterien vergeben. Subjektive Parameter: spontaner Schmerz im Unter- oder Oberschenkel, Schmerz im Stehen oder beim Gehen im Unterschenkel oder Oberschenkel, Ödem im Fuß oder Unterschenkel, Schweregefühl in den Beinen. Objektive Parameter: Zunahme der Zirkumferenz des Unterschenkels oder der Sprunggelenksregion um 1 cm, Hyperpigmentierungen, Venektasien, neu aufgetretene Varizen, Phlebitis, venöses Ulkus DDR-Klassifikation (10) Stadium I objektiv: Pinselflecken, Kölbchenvenen subjektiv: beschwerdefrei Stadium II objektiv: Corona phlebectatica subjektiv: Schwere-, Spannungs-, Hitzegefühl, Juckreiz, Parästhesien, Wadenkrämpfe Stadium III objektiv: Ödem, Stauungsdermatosen (Dermatitis, Ekzem), Induration (Dermatosklerose, Pachydermie), Hyperpigmentierung, Atrophie (Atrophie blanche), Ulkusnarbe subjektiv: Schwellung, Schmerzen, Claudicatio venosa Stadium IV objektiv: florides Ulcus cruris subjektiv: Schwellung, Schmerzen, Claudicatio venosa Eine apparative Möglichkeit, den Schweregrad der Abflussstörung zu ermitteln, ist die Phlebodynamometrie: Grad I Druckabfall von mmhg; Grad II Druckabfall <20 mmhg; Grad III fehlender Druckabfall. 13
5 2.2.6 Fazit Es gibt keine valide Klassifikation zur Bestimmung des Schweregrades des PTS und somit keinen Goldstandard. Eine solche Klassifikation wäre zur Standardisierung der Diagnostik und Therapie des PTS unbedingt notwendig. Literatur 1. Brandjes DPM, Büller HR, Heijboer H et al. Randomized trial of effect of compression stockings in patients with symptomatic proximal-vein thrombosis. Lancet 1997;349: Eklöf B, Rutherford RB, Bergan JJ et al. Revision for the CEAP-classification for chronic venous disorders: consensus statement. J Vasc Surg 2004;40: Ginsberg JS, Hirsh J, Julian et al. Prevention and treatment of postphlebitic syndrome: results of a 3-part study. Arch Intern Med 2001;161: Halse T. Das postthrombotische Syndrom. Verlag Steinkopff, Darmstadt ICD-10-GM-2015 Systematik Online. 6. Jayaraj A, Meissner MH. A comparison of Villalta-Prandoni scale and venous clinical severity score in the assessment of postthrombotic syndrome. Ann Vasc Surg 2014;28: Kahn SR, Desmarais S, Ducruet T et al. Comparison of the Villalta and Ginsberg clinical scales to diagnose the post-thrombotic syndrome: correlation with patient-reported disease burden and venous valvular reflux. J Thromb Haemost 2006;4: Kolbach DN, Neumann HA, Prins MH. Definition of the post-thrombotic syndrome, differences between existing classifications. Eur J Vasc Endovasc Surg 2005;30: Mohr DN, Silverstein MD, Heit JA et al. The venous stasis syndrome after deep venous thrombosis or pulmonary embolism: a population-based study. Mayo Clin Proc 2000;75: Neugebauer J. Symptomatologie. In: Neugebauer J, Müller JHA.Venenerkrankungen der Extremitäten, 2. Aufl. Verl. Volk u. Gesundheit, Berlin 1986; Popkin RJ. The Postthrombophlebitic Syndrome. Charles C. Thomas, Springfield/Ill, USA Raffini L, Davenport J, Bevilaqua L et al. Comparison of 3 postthrombotic syndrome assessment scales demonstrates significant variability in children and adolescents with deep vein thrombosis. J Pediatr Hematol Oncol 2015;39: Soosainathan A, Moore HM, Gohel MS et al. Scoring systems for the post-thrombotic syndrome. J Vasc Surg 2013;57: Villalta S, Bagatella P, Piccioli A et al. Assessment of validity and reproducibility of a clinical scale for the postthrombotic syndrome. Haemostasis 1994;24 Suppl 1:158a. 14
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