Thieme. Case Report 4 / 2013. UrgoStart und UrgoStart Tül. Evidenzbasiertes und phasengerechtes lokales Wundmanagement bei chronischen Wunden

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Transkript:

Thieme Case Report 4 / 2013 UrgoStart und UrgoStart Tül Evidenzbasiertes und phasengerechtes lokales Wundmanagement bei chronischen Wunden

2 Impressum Thieme Case Report Heft 4, 5. Jahrgang, Juli 2013 ISSN 1611-7875 Dieser Thieme Case Report ist der Zeitschrift Aktuelle Dermatologie beigelegt. Diese Ausgabe des Thieme Case Report entstand mit freundlicher Unterstützung der Urgo GmbH, Sulzbach. Herausgeber Prof. Dr. med. Lobmann Bürgerhospital Klinikum Stuttgart Tunzhoferstr. 14 16 70191 Stuttgart E-Mail: r.lobmann@klinikum-stuttgart.de Autoren Priv.-Doz. Dr. med. Axel Larena-Avellaneda, Hamburg-Eppendorf E-Mail: a.larena-avellaneda@uke.uni-hamburg.de Dr. med. Winfried Keuthage, Münster E-Mail: dr@keuthage.de Dr. med. Michael Dietlein, Augsburg E-Mail: dr.dietlein@web.de Dr. med. Cornelia Erfurt-Berge, Erlangen E-Mail: cornelia.erfurt-berge@uk-erlangen.de Dipl.-Med. Steffen Lützkendorf, Helbra E-Mail: steffenluetzkendorf@hotmail.com Dr. med. Gabriela Fiedler, Weißenfels E-Mail: gabithomas_fiedler@yahoo.de Für den Verlag Joachim Ortleb Dr. Yuri Sankawa Dr. Isabelle Berndt E-Mail: Joachim.Ortleb@thieme.de Vertrieb Malik Zighmi E-Mail: Malik.Zighmi@thieme.de Layout Werner Schulz E-Mail: Werner.Schulz@thieme.de Titelbild Thieme Verlagsgruppe Verlag Georg Thieme Verlag KG Stuttgart New York Rüdigerstr. 14, 70469 Stuttgart Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart Tel.: 07 11/89 31-0, Fax 07 11/89 31-2 98 Internet-Adresse: http://www.thieme.de Manuskripte Alle Manuskripte sind direkt an den Verlag zu senden. Grundsätzlich werden nur solche Manuskripte angenommen, die frei von Rechten Dritter sind. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Mit der Annahme des Manuskripts erwirbt der Verlag für die Dauer der gesetzlichen Schutzfrist ( 64 UrHG) die ausschließliche Befugnis zur Wahrnehmung der Verwertungsrechte im Sinne der 15 ff. des Urheberrechtsgesetzes, insbesondere auch das Recht der Übersetzung, der Vervielfältigung durch Fotokopie oder ähnliche Verfahren und der EDV-mäßigen Verwertung. Copyright Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abb.en sind für die Dauer des Urheberrechts geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Fotokopien Fotokopien für den persönlichen und sonstigen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen davon als Einzelkopien hergestellt werden. Die Aufnahme der Zeitschrift in Lesezirkel ist nicht gestattet. Wichtiger Hinweis Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Heft eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung der Zeitschrift entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht wurden. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Gebrauchsnamen Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dgl. in dieser Zeitschrift berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne Weiteres von jedermann benutzt werden dürfen; oft handelt es sich um gesetzlich geschützte eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht als solche gekennzeichnet sind. Printed in Belgium Kliemo AG Hütte 53 B-4700 Eupen Georg Thieme Verlag KG Stuttgart New York 2013 Lobmann R. Impressum Thieme Case Report 2013; 5 (4): 1 20

Editorial / Inhalt 3 Thieme Case Report Editorial Inhalt 4 / 2013 Indikations- und phasengerechte Lokal therapie für chronische Wunden mit schlechter Heilungstendenz Schlecht heilende und chronische Wunden sind im Gegensatz zur normalen Wundheilung mit einer verlängerten inflammatorischen Reaktion assoziiert: So zählen persistierend erhöhte Neutrophilenzahlen im Wundbereich sowie erhöhte Konzentrationen von Proteasen und freie Sauerstoffradikale zu den Charakteristika einer chronischen Wunde. Die erhöhten Proteasespiegel führen zu einer unkoordinierten Wundheilung mit gleichzeitigen Auf-, Um- und Abbauprozessen der Matrix sowie Zerstörung endogener Wachstumsfaktoren und deren Rezeptoren. Dabei lässt sich die erhöhte Proteasenaktivität zu einem Anteil von rund 90 % Matrix-Metalloproteinasen (MMP) zuordnen. Aus den genannten pathogenetischen Gründen sowie auf der Basis des aktuellen Grundlagenwissens über die zellulären und molekularen Interaktio nen während der Wundheilung wurden verschiedene Wundauflagen und -verfahren zur Proteasenmodulation entwickelt. So wurden auch Wundauflagen entwickelt, die zwar keinen Eingriff in die zellulären Prozesse der Aktivierung und Synthese von Proteasen ermöglichen, aber in der Lage sind, MMP zu binden und das gestörte Verhältnis zwischen ihnen und deren Inhibitoren (TIMP; tissue inhibitors of Matrix Proteases) zu verbessern. Unter der potenten Proteasenbindung wird die Kontaktzeit der MMP mit der Wundoberfläche reduziert, sodass die Restitution eines koordinierten Ablaufs der Wundheilung möglich wird, indem das neu granulierende Gewebe der Proteolyse bzw. endogene Wachstumsfaktoren der Denaturierung und Inaktivierung entzogen werden. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass für die Mehrheit der Patienten mit chronischen Wunden die standardisierten Therapieverfahren der Good- Wound-Care (d. h. bei Ulcus cruris z. B. die Kompressionsbehandlung bzw. beim diabetischen Fußsyndrom z. B. die konsequente Entlastung der betroffenen Extremität) und der Lokaltherapie gemäß den Prinzipien der feuchten Wundbehandlung in der Regel zu einer komplikationslosen Abheilung der Wunde führen. Indiziert ist der Einsatz von innovativen Wundauflagen allerdings bei den übrigen, nicht heilenden chronischen Wunden: Hier führt der vorliegende Case Report anhand von ausgewählten Kaustiken vor Augen, dass die modernen Therapieoptionen eine sinnvolle und individuell hilfreiche Ergänzung im klinischen Alltag bieten, zumal sie angesichts der großen Anzahl chronischer Läsionen auch in ökonomischer Hinsicht positive Effekte haben dürften. Inhalt 2 Impressum 3 Editorial Prof. Dr. med. Lobmann, Stuttgart 4 Evidenzbasiertes und phasengerechtes lokales Wundmanagement bei chronischen Wunden Chronische Wunden mit schlechter Heilungstendenz Prof. Dr. med. Lobmann, Stuttgart 7 Glossar 8 Fall 1: Lokaltherapie eines chronischen Ulcus cruris bei 80-jähriger multimorbider Patientin Priv.-Doz. Dr. med. Axel Larena-Avellaneda, Hamburg-Eppendorf 10 Fall 2: 64-jähriger Diabetespatient mit rezidivierender chronischer Fußläsion Dr. med. Winfried Keuthage, Münster 12 Fall 3: Amputation und anschließende Wundheilung beim Patienten mit diabetischem Fußsyndrom Dr. med. Michael Dietlein, Augsburg 14 Fall 4: Stadienadaptierte Lokaltherapie bei 78-jährigem Patienten mit chronischer posttraumatischer Wunde Dr. med. Cornelia Erfurt-Berge, Erlangen 16 Fall 5: Chronifizierte postoperative Wundheilungsstörung bei einem 54-jährigen Patienten Dipl.-Med. Steffen Lützkendorf, Helbra 18 Fall 6: Pyoderma gangraenosum bei 88-jähriger Patientin Dr. med. Gabriela Fiedler, Weißenfels Prof. Dr. med. Lobmann, Stuttgart Lobmann R. Editorial Thieme Case Report 2013; 5 (4): 1 20

4 Schwerpunkt Einleitung Evidenzbasiertes und phasengerechtes lokales Wundmanagement bei chronischen Wunden Chronische Wunden mit schlechter Heilungstendenz Prof. Dr. med. Lobmann Bürgerhospital, Klinikum Stuttgart Zeigen Wunden trotz adäquater Behandlung nach mehreren Monaten keine Heilungstendenz bzw. Abheilung, werden sie zur therapeutischen Herausforderung. Häufig sind die Betroffenen in ihrem Bewegungs- und Aktionsradius durch Schmerzen, Juckreiz oder Entzündungen eingeschränkt und in ihrer individuellen Lebensqualität erheblich belastet [1]. Die Translation neuer Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung hat die Entwicklung moderner, hydroaktiver Wundverbände ermöglicht, die den Verbandwechsel erleichtern und zur Schmerzreduktion beitragen. Erste Ergebnisse aus randomisierten, kontrollierten Studien weisen darauf hin, dass absorbierende TLC-NOSF*-basierte Wundauflagen auch die Wundheilung beschleunigen können [2, 3]. Prof. Dr. med. Lobmann, Stuttgart * TLC = Technology Lipido- Colloid NOSF = Nano-OligoSaccharid-Faktor Chronische Wunden stellen eine weltweit wachsende Herausforderung dar sowohl in ärztlich-pflegerischer als auch sozioökonomischer Hinsicht [4]. Ihre Häufigkeit steigt im Zuge der demografischen Entwicklung und der wachsenden Prävalenz von Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Arteriosklerose an. In Deutschland sind schätzungsweise 1 2 % der Bevölkerung von einer chronischen Wunde betroffen. Allerdings dürfte die Prävalenz mit dem Alter zunehmen, sodass sie ab dem 80. Lebensjahr bei 4 5 % liegen kann [5]. In der Praxis fallen sowohl die Ursachen als auch die Verläufe einer chronischen Wundheilungsstörung sehr heterogen aus, so dass die Suche nach der kausalen Ursache eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Wundmanagement ist. Die Mehrheit der chronischen Wunden lässt sich auf eine chronisch venöse Insuffizienz zurückführen (Ulcus cruris venosum), gefolgt von Dekubitalulzera, die unter mechanischer Druckbelastung entstehen sowie Wundheilungsstörungen im Rahmen eines Diabetes mellitus. Das potenzielle Ursachenspektrum für die Entwicklung eines chronischen Unterschenkelulkus ist ausgesprochen breit: Sie reicht u. a. von immunologisch, infektiös, hämatologisch, onkologisch bis hin zu traumatologisch bedingten Erkrankungen. Dynamischer Prozess der Wundheilung Physiologisch gesehen ist die Wundheilung ein dynamischer und kaskadenhaft geprägter Prozess, der sich in 3 Phasen gliedert: 1. Reinigung (mit Blutstillung und Entzündung), 2. Granulation (mit Zellvermehrung und Angiogenese) sowie 3. Epithelisierung (mit Keratinozytendifferenzierung und Wundkontraktion). Bei den chronischen, oftmals therapierefraktären Wundverläufen kann dieser 3-phasige, klassische Heilungsverlauf unterbrochen sein und eine phasenadaptierte Vorgehensweise erforderlich machen. Überdies zeigen z. B. venöse Ulzera-Läsionen in bis zu 78 % der Fälle zyklische Abheilungs- und Rezidivmuster [3]. Neben den kausal orientierten Therapieansätzen tragen symptomatische, lokaltherapeutische Interventionen dazu bei, eine ungestörte Wundheilung zu ermöglichen [5, 6]. Dabei gehören hydroaktive Wundauflagen zu den etablierten modernen Wundtherapeutika, die in die gestörte Wundheilungskaskade modulierend eingreifen, indem sie bspw. die gewebedestruktive Wirkung von Matrix-Metalloproteinasen (MMP) reduzieren und darüber die Wundheilung beschleunigen können [5]: Nach dem derzeitigen Wissensstand führen MMP zum Abbau von Faktoren, die für die Abheilung eines chronischen Ulkus benötigt werden [7]. Die jeweilige Zuordnung der adäquaten lokaltherapeutischen Maßnahme ist Aufgabe des behandelnden Arztes und sollte sich an der

Schwerpunkt Einleitung Kasuistik 5 vorhandenen Evidenz orientieren. Allerdings ist die Evidenzlage im Bereich der Wundauflagen häufig noch durch einen grundsätzlichen Mangel an kontrollierten, methodisch hochwertigen Studien limitiert [1]. Lokaltherapie beim Ulcus cruris venosum Bei Patienten mit einem Ulcus cruris venosum (UCV) stellt die Entlastung der Druck- und Volumenüberlastung im Venensystem den nach wie vor wichtigsten kausalen Therapieansatz dar [8]. Zu den basistherapeutischen Maßnahmen zählt dabei die Kompressionstherapie [1, 6]. Für die lokaltherapeutische Unterstützung der Kompressionstherapie stehen verschiedene Wundauflagen zur Verfügung, die zur Aufrechterhaltung eines Milieus beitragen sollen, das einen physiologischen möglichst normalen und reibungslosen Wundheilungsprozess ermöglicht (s. Kasten). Die Frage, inwieweit einzelne, moderne Typen von Wundauflagen gegenüber anderen, konventionellen Wundauflagen die Abheilungsraten unter der Kompressionstherapie erhöhen, konnte aufgrund der limitierten Studienlage bislang nicht geklärt werden. Erste Doppelblindstudie mit TLC-NOSF- Wundauflage beim UCV Einen richtungsweisenden, ersten doppelblinden Direktvergleich bietet die kürzlich publizierte CHALLENGE-Studie, bei der eine 8-wöchige Behandlung beim UCV mit 2 unterschiedlichen Wundauflagen unter Kompression durchgeführt wurde [3]. In der prospektiven, multi zentrischen, randomisierten Doppelblindstudie aus Frankreich wurden 187 UCV-Patienten entweder auf eine Behandlung mit der TLC-NOSF-Wundauflage (Urgo- Start) oder eine identisch aussehende neutrale TLC-Schaumstoffwundauflage (UrgoCell Contact) randomisiert. Wie in vitro nachgewiesen, kann NOSF in Kontakt mit dem Wundexsudat die gewebeschädigende Wirkung der MMP neutralisieren [9]. Die Patienten litten bereits seit 6 36 Monaten trotz adäquater Behandlung an chronischen Unterschenkelulzera venöser oder gemischter Ätiologie und wiesen Wundflächen in der Größe von 5 50 cm² auf. Die primäre Zielgröße war als relative Reduktion der Wundfläche (Wound Area Reduction, WAR in Prozent) definiert: In der UrgoStart- Anforderungen an einen optimierten Wundverband, um eine ungestörte Wundheilung zu ermöglichen; mod. nach [6]. Reduktion von Schmerz und Juckreiz Aufnahme von Wundsekret, ohne die Wunde auszutrocknen inertes oder zumindest hypoallergenes bzw. nicht irritatives Material größtmögliche Schonung der Wunde beim Verbandwechsel Vermeidung der Abgabe von Verbandbestandteilen an die Wunde keine Behinderung des Gasaustausches der Wunde (O 2 / CO 2 ) Protektion gegenüber physikalischen, chemischen und mikrobiellen (Bakterien, Pilze, Viren) Belastungen Adaptionsfähigkeit an die in der Wunde herrschenden Wundheilungsphasen einfache Handhabung beim Verbandwechsel Gruppe erreichten die Patienten eine Reduktion der Wundfläche um im Median 58,3 vs. 31,6 % in der Kontrollgruppe, bei der die TLC- Wundauflage ohne NOSF eingesetzt wurde (95 %-KI: 38,3 bis 15,11; p = 0,002) (Abb. 1). Überdies erreichten 65,6 % der Patienten in der UrgoStart-Gruppe eine mindestens 40 %ige Verkleinerung des Wundareals in der Kontrollgruppe dagegen nur 39,4 % (p = 0,0003). Patienten, die mit der NOSF-beschichteten Wundauflage behandelt wurden, profitierten zudem von einer nahezu doppelt so schnellen Wundheilung (Abb. 1). Erste Studienergebnisse bei diabetischen Fußulzera Erste prospektive Studienergebnisse aus einer offenen Pilotstudie bei Patienten mit einem dia betischen Fußsyndrom, die mit einer Wundauflage auf Basis der proteaseneutralisierenden TLC-NOSF-Matrix behandelt wurden, stehen ebenfalls seit Kurzem zur Verfügung: In der SPID-Studie erhielten 33 Typ-1- und Typ-2-Dia betiker mit oberflächlichen Fußulzerationen neuropathischer Genese neben der Druckentlastung und ei- Abb. 1 Wundheilungsgeschwindigkeit in der UrgoStart-Gruppe vs. TLC-Wundauflage ohne NOSF; mod. nach [3].

6 Schwerpunkt Abb. 2 CHALLENGE-Studie: Relative Reduktion der Wundfläche (%) unter TLC-NOSF-Wundauflage vs. vergleichbare neutrale Wundauflage; mod. nach [3]. Real-Life-Erfahrungen bei chronischen Wunden Bestätigt wurden die Erfahrungen aus kontrollierten Studien mit einer TLC-NOSF-basierten Schaumstoffwundauflage auch durch die Real- Life-Daten einer offenen, nicht interventionellen Anwendungsbeobachtung, die von 2/2011 bis 4/2012 deutschlandweit im niedergelassenen Bereich durchgeführt wurde [11]: Bei einer maximalen Behandlungsdauer von 8 Wochen (Median: 41 Tage) wurden 1528 Patienten in die Studie eingeschlossen, die mit UrgoStart behandelt wurden. Die Patienten wiesen chronische Wunden unterschiedlicher Ätiologie auf, für die eine Behandlung mit UrgoStart indiziert war, wobei am häufigsten ein UCV (31 %) oder eine andere Genese (26 %) vorlagen, gefolgt vom dia betischen Fußsyndrom (20 %), Dekubitalulkus (10 %), Ulcus cruris mixtum (8 %), lymphatischen Ulkus (3 %) sowie Ulcus cruris arteriosum (2 %). Bei knapp einem Viertel der Wunden handelte es sich um ein Rezidiv (24 %). Abb. 3 Ergebnisse einer Anwendungsbeobachtung bei Patienten mit einer chronischen Wunde: Entwicklung des Wundstatus unter UrgoStart; mod. nach [11]. Die Mehrheit der Patienten profitierte von einer kontinuierlichen Verkleinerung der Wundfläche im Therapieverlauf sowie deutlichen Verbesserung des Wundstatus: So zeigte sich über die Hälfte der Wunden nach 5 Kontrolluntersuchungen unter UrgoStart deutlich (41,4 %) oder etwas (9,9 %) verbessert und 42,2 % sogar abgeheilt (Abb. 3). Die lokale Verträglichkeit der Behandlung wurde von 79,1 % der Patienten als sehr gut bewertet ebenso hoch erwies sich der Anteil der sehr guten Akzeptanz mit 76,6 %. nem chirurgischen Débridement eine maximal 12-wöchige Lokaltherapie mit einer TLC- NOSF-Gazewundauflage (UrgoStart Tül) [10]. Innerhalb des 12-wöchigen Beobachtungszeitraums zeigte sich die Wundfläche unter der Behandlung mit der TLC-NOSF-Gazewundauflage um im Median 82,7 % (durchschnittlich 62,7 ± 49,9 %) verkleinert. Ein Anteil von 30 % der Patienten (n = 10) profitierte sogar von einer vollständigen Abheilung der chronischen Wunde (medianer Zeitraum: 8,8 Wochen). Überdies erwies sich die Behandlung mit Urgo- Start Tül als gut verträglich, wobei die Akzeptanz als sehr gut von den Behandlern bewertet wurde. Literatur 1 S3-Leitlinie Lokaltherapie chronischer Wunden bei den Risiken CVI, PAVK und Diabetes mellitus (2012) 2 Schmutz JL et al. Int Wound J 2008; 5: 1 13 3 Meaume S et al. Wound Rep Reg 2012; 20: 500 511 4 Jones KR et al. Adv Skin Wound Care 2007; 20: 591 600 5 Dissemond J. Akt Dermatol 2008; 34: 386 391 6 S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum (2008) 7 Rayment EA et al. Br J Dermatol 2008; 158: 951 961 8 Kahle B et al. Dtsch Arztebl Int 2011; 108: 231 237. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0231 9 Couty L et al. Wound Rep Reg 2009; 16: A54 A87 10 Richard JL et al. J Wound Care 2012; 21: 142 148 11 Lützkendorf S. Wundversorgung in der Praxis: Aktuelle Daten und Fakten. Data on file

Schwerpunkt Glossar 7 Glossar Chronische posttraumatische Wunde Chronische Wunde infolge eines akuten Traumas oder Störungen der Wundheilung Diagnose nach Ausschluss von Differenzial diagnosen bzw. potenziellen Störfaktoren der Wundheilung (Tab. 1) Chronisch-venöse Insuffizienz (CVI) Erkrankung der Beinvenen mit chronischer venöser Hyper tension und Mikrozirkulationsstörungen Pathogenese angeboren, primär (Fehlfunktion der Venenklappen, unzureichende Muskelpumpe) oder sekundär induziert (Folge einer tiefen Beinvenenthrombose) Einteilung gemäß klinischer Symptomatik nach Widmer (Stadien I III) oder der CEAP-Klassifikation (C0 C6) Typische Hautveränderungen der CVI: Hyperpigmentierung, Stauungsdermatitis, Lipodermatosklerose, zunehmende Fibrosierung der Faszie / periartikulären Strukturen sowie venöses Ulkus cruris Hydroaktive Wundauflagen Phasenadaptierte Versorgung der chronischen, exsudierenden Wunde Wundbettreinigung durch Entfernen von Fibrinbelägen Die Wundauflage UrgoClean besteht aus absorbierenden hydroreinigenden Polyacrylatfasern, die ein Gel bilden, welches fibrinöse Beläge binden, absorbieren und ableiten kann. Sie kann sowohl bei fibrinösen, akuten Wunden als auch postoperativen oder tumorassoziierten Wunden sowie exsudierenden, chronischen Wunden eingesetzt werden [2]. Wundheilungsbeschleunigung in der Granulationsphase Die Wundauflage UrgoStart ist eine sterile, absorbierende und nicht okklusive Schaumstoffwundauflage mit der proteaseneutralisierenden TLC-NOSF-Matrix (TLC = technology LipidoColloid; NOSF = Nano-OligoSaccharid-Faktor). In Kontakt mit dem Wundexsudat kann die TLC-NOSF-Matrix überschüssige Matrix-Metalloproteinasen (MMP) reduzieren, die in chronischen Wunden vermehrt gebildet werden [3]. Das UrgoClean-UrgoStart-Set kombiniert 20 UrgoClean-und 23 UrgoStart-Wundauflagen für eine effektive und wirtschaftliche Behandlung von der Wundreinigung bis zum Wundverschluss. Diabetisches Fußsyndrom Diabetes-assoziierte Folgeerkrankung bei Diabetes mellitus multifaktorielle Pathogenese hohe Rezidivrate auch nach Abheilung des Ulkus häufige Ursache für chronische Wunden, Minor- und auch Major-Amputationen Hydroaktive Wundauflagen Phasengerecht eingesetzt können spezifische Eigenschaften einer Wundauflage den Heilungsprozess bei einer chronischen, exsudierenden Wunde optimieren und beschleunigen (s. Kasten) Tab. 1 Potenzielle Störfaktoren der Wundheilung; mod. nach [1]. Allgemeine Störfaktoren Lebensalter des Patienten Ernährungszustand des Patienten Eiweißmangel Vitaminmangel Mangel an Spurenelementen Mangelernährung Adipositas Kachexie Grund-, Begleit- bzw. Stoffwechselerkrankungen Diabetes mellitus Hyperbilirubinämie Leberzirrhose Tumorerkrankung Anämie Urämie Bindegewebserkrankungen hämatologische Erkrankungen Gerinnungsfaktormangel Hormonstatus Medikamente Kortikoide Zytostatika Psychopharmaka Antikoagulanzien Gefäßerkrankungen arterielle Durchblutungsstörung venöse Insuffizienz Lymphgefäßerkrankungen Lokale Störfaktoren Morphologische Besonderheiten der Wunde Lokalisation Art / Entstehungsmechanismus Begleitverletzungen Fremdkörper OP-Technik Naht unter Spannung Elektrokoagulation Nahtmaterial Fibrinpersistenz Migrationsdefekt der Epithelien Zytokinmangel Gewebeischämie / Nekrose lokale Infektion Lokaltherapeutika Denervation Strahlung artifizielle Störungen durch den Patienten Ulcus cruris venosum (venöses Ulkus cruris) Komplikation einer CVI Pathophysiologie: Einwanderung von Leukozyten und vermehrte Produktion u. a. von Matrix-Metalloproteinasen (MMP), vascular endothelial growth factor (VEGF) und transforming growth factor β1 (TGF-β1) im Zuge der chronischen venösen Hypertension mit Veränderungen von Kapillarbett und Kapillarpermeabilität, gefolgt von Fibrosierung und Abbau der extrazellulären Matrix. chronische Inflammation unterhält Persistenz des Ulkus Pyoderma gangraenosum (Synonym: Dermatitis ulcerosa) seltenes, immunvermitteltes Krankheitsbild, definiert als neutrophile Dermatose mit umschriebenem destruktivulzerierendem Prozess klinisch initial druckdolente Noduli, die mit schmerzhaften Ulzerationen und sterilen hämorrhagischen Umgebungspusteln einhergehen können, die typischerweise polyzyklisch begrenzt und rasch progredient sind selbstlimitierender Verlauf nach Wochen / Monaten möglich narbige ( wie gestrickt aussehende) Abheilung Literatur 1 Piatek S et al. Pathogenese und Therapie chronischer Wunden. In: Lippert H (Hrsg.). Wundatlas. Georg Thieme Verlag (2012) 2 Meaume S et al. J Wound Care 2012; 21: 318, 320 322 3 Meaume S et al. Wound Rep Reg 2012; 20: 500 511

8 Schwerpunkt Kasuistik Fall 1 Lokaltherapie eines chronischen Ulcus cruris bei 80-jähriger multimorbider Patientin Priv.-Doz. Dr. med. Axel Larena-Avellaneda Klinik und Poliklinik für Gefäßmedizin / Universitäres Herzzentrum der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf (UKE) Das venöse Ulcus cruris entsteht auf dem Boden einer chronisch-venösen Insuffizienz (CVI). Die Therapie umfasst die Prinzipien des modernen Wundmanagements der chronischen Wunde sowie die konsequente Kompression, wobei hier der Nutzen auch mit hoher Evidenz belegt ist. Wenn venöse Ulzera trotz korrekt durchgeführter Kompression nicht abheilen, können lokalchirurgische Maßnahmen die Abheilung unterstützen. Priv.-Doz. Dr. med. Axel Larena-Avellaneda, Hamburg-Eppendorf Die zugrundeliegende CVI kann angeborener, primärer oder sekundärer Ursache sein. Bei der sekundären CVI handelt es sich um die Folge einer tiefen Beinvenenthrombose [1]. Dagegen entsteht die primäre CVI durch eine Fehlfunk tion der Venenklappen sowie durch einen mangelnden Gegendruck der Unterschenkelmuskulatur (Muskelpumpe). Klinisch imponiert die primäre CVI häufig als Varikosis der epifaszialen Venen. Mit der Zeit entwickeln CVI-Patienten typische Hautveränderungen wie Hyperpigmentierung, Stauungsdermatitis, Lipodermatosklerose oder das venöse Ulcus cruris. Die chronische Inflammation zählt zu den pathogenetisch relevanten Faktoren für die Persistenz eines Ulcus curis venosum [2]. Im Zuge des erhöhten venösen Druckes kommt es zur Einwanderung von Leukozyten und zur vermehrten Produktion u. a. von Matrix-Metalloproteinasen (MMP), vascular endothelial growth factor (VEGF) und transforming growth factor β1 (TGF-β1). Das Kapillarbett verändert sich, die Kapillarpermeabilität ist erhöht. Es kommt zur Fibrosierung und zum Abbau der extrazellulären Matrix. Fallvorstellung Anamnese Die 80-jährige Patientin suchte am 30.6.2008 erstmals die Wundsprechstunde auf und berichtete von rezidivierenden Ulzera am rechten Unterschenkel, die schon mehrfach aufgetreten und unter konservativer Therapie immer zugeheilt wären. Seit mehr als 1 Jahr bestehe aber ein nicht abheilendes Ulkus am Unterschenkel, welches sich unter der ambulanten Therapie nicht gebessert habe und sogar größer geworden sei. Die Patientin konnte über die bislang verwendeten Lokaltherapeutika / Wundauflagen keine genaueren Angaben machen. Aus der Vorgeschichte sind eine offene Unterschenkelfraktur (3/1999) sowie Z. n. Schlaganfall bekannt. Ferner leidet die Patientin an einer koronaren Herzkrankheit (KHK) und an einer langjährig bekannten Hypertonie. Befunde Ulkus am rechten Unterschenkel (US) oberhalb des Innenknöchels (ca. 6 8 cm) z. T. bis auf den Knochen (Abb. 1). Hyperpigmentierungen im Sinne einer CVI oberhalb des Ulkus sowie varikös veränderte Seitenäste, weder Fieber noch Schmerzen. Weitergehende Diagnostik V. saphena magna verbreitert tastbar, keine Anhaltspunkte für arterielle Durchblutungsstörung, periphere Pulse gut tastbar, Doppler- Verschlussdrücke systemisch. US-Röntgenaufnahme in 2 Ebenen mit komplett durchbauter Fraktur und regelrechter

Schwerpunkt Kasuistik 9 Implantatlage (keine Indikation zur Metallentfernung nach Rücksprache mit Unfallchirurgie). (a) (b) Weiterer Therapieverlauf Aufgrund des unregelmäßigen Aspektes der Wunde und der langen Vorgeschichte wurde kein Débridement, sondern eine Probeexzision (PE) durchgeführt. Histologisch ergab sich eine ausgedehnte Vernarbung sowie eine chronisch-granulierende und eitrig-fibrinöse Entzündung. Im Randbereich lag dysplasiefreies, überkleidetes Plattenepithel ohne Anhalt für Malignität vor. Am Folgetag der PE zeigte sich die Wunde zu ca. 90 % mit Granulationsgewebe bedeckt. Die verbliebenen Beläge wurden mit dem scharfen Löffel abgetragen, vom Rand her zeigte sich eine beginnende Epithelisierung (Abb. 2). Die Therapie erfolgte mit Wundspülungen, Schaumverbänden und elastischer Wicklung. Es lagen keine Infektionszeichen vor, eine antibiotische Therapie erfolgte nicht. Da die Wundheilung 2 Wochen später stagnierte, erfolgte eine Umstellung auf UrgoStart. Im Zuge des günstigen Therapieverlaufs im Anschluss mit kontinuierlicher Verkleinerung der Wunde (Abb. 3 4) wurde ein Kompressionsstrumpf Klasse II angepasst, während die Spülung der Wunde und die Therapie mit Urgo- Start fortgesetzt wurden. Abb. 1 Wundstatus am 30.6.: Wundfläche von 6 8 cm mit überwiegend rötlichem, stellenweise überwuchernden Granulationsgewebe; gelber Pfeil: freiliegender Knochen. Abb. 2 Wundstatus am Folgetag der PE Abb. 3 Vier Wochen nach Therapieumstellung (7.8.): Der zuvor freiliegende Knochen ist weitestgehend übergranuliert. auf UrgoStart (11.8.): Wunde deutlich verkleinert mit angehobenem Wundgrund und deutlicher Abflachung des Ulkus (Einleitung einer Hautpflege wegen trockener Haut). Als sich bei anhaltender Wundheilung eine zirkuläre Rötung am Unterschenkel entwickelte (Abb. 5), wurde die Therapie auf UrgoCell Contact umgestellt (Schaumstoffwundauflage mit mikroadhäsiver Lipokolloid-Matrix, TLC). Juckreiz und Hauteffloreszenzen (Abb. 6) wurden als Reaktion auf das von der Patientin verwendete Panthenol gewertet und gegen eine ureahaltige Pflege ausgetauscht. Abb. 4 Wundstatus am 1.9.: Erneute Verkleinerung der Wunde, vermehrt aufgetretene Beläge werden problemlos mit dem scharfen Löffel entfernt, Epithelisierung vom Rand her. Abb. 5 Wundstatus am 22.9.: Anhaltende Wundheilung und Umstellung auf UrgoCell Contact. Nach dem kompletten Anheben des Wundgrunds erfolgte der Wechsel auf die Gazewundauflage UrgoTül. Die weiteren Kontrollen zeigten einen regelrechten Verlauf (zuletzt Abb. 7), die Kompression wurde konsequent beibehalten. Bei telefonischer Nachfrage wurde kein erneutes Rezidiv berichtet. Abb. 6 Vier Wochen nach Umstellung auf UrgoCell Contact (27.10.). Abb. 7 Wundstatus am 8.6. des Folgejahres (Wundverschluss unter UrgoTül). Literatur 1 Meissner MH et al. J Vasc Surg 2007; 46 (Suppl. S): 4S 24S 2 Wozniak G et al. Postthrombotisches Syndrom. In: Debus ES, Gross-Fengels W (Hrsg.): Operative und interventionelle Gefäßmedizin. 18. Auflage. Heidel berg: Springer, 2012: 757 766 Fazit für die Praxis Bei der hier vorgestellten Patientin führte die Lokaltherapie des bereits seit vielen Monaten persistierenden Ulcus cruris venosum mit der TLC-NOSF-basierten Schaumstoffwundauflage zur erwünschten Initiierung der Wundheilung. Zusammen mit der konsequenten Kompressionstherapie kam es zur erfolgreichen Abheilung der Wunde, ohne dass es bislang zum Rezidiv kam.

10 Schwerpunkt Kasuistik Fall 2 64-jähriger Diabetespatient mit rezidivierender chronischer Fußläsion Dr. med. Winfried Keuthage Diabetologische Schwerpunktpraxis / Medical Center am Clemenshospital, Münster Beim diabetischen Fußsyndrom gehören die Senkung der Amputationsrate sowie der Funktionserhalt der Extremität bei größtmöglicher Erhaltung der Lebensqualität zu den wichtigsten Behandlungszielen. Wie das folgende Patientenbeispiel verdeutlicht, gestaltet sich das lokale Therapiemanagement einer chronischen Wunde beim Diabetiker oftmals schwierig: Denn eine wichtige Voraussetzung ist auch die Mitarbeit des Patienten und seine Bereitschaft, bei der Prävention von Rezidivulzera bzw. weiteren Ulzera aktiv mitzuwirken. Das diabetische Fußsyndrom ist eine komplexe, Diabetes-assoziierte Folgeerkrankung mit multifaktorieller Pathogenese. Die Prävalenz eines diabetischen Fußsyndroms kann bei bis zu 15 % aller Diabetespatienten liegen. In der Praxis fällt die Latenzzeit bis zur qualifizierten Behandlung eines diabetischen Fußsyndroms häufig zu lang aus immer noch 70 % aller in Deutschland durchgeführten Amputationen werden bei Diabetespatienten durchgeführt. Das Rezidivrisiko einer diabetogen assoziierten Fußläsion bleibt auch nach der Abheilung hoch. Befunde und weitergehende Diagnostik Zum Zeitpunkt der Erstvorstellung war die Läsion ca. 0,5 0,5 cm groß, umgeben von einem hyperkeratotischen Randwall. Eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pavk) konnte mittels Doppler-Untersuchung ausgeschlossen werden. Die Röntgenaufnahme des linken Mittelfußknochens in 2 Ebenen ergab keine Anhaltspunkte für osteodestruktive Läsionen. Weiterer Therapieverlauf Für die akute Versorgung wurde dem Patienten ein Verbandschuh mit Weichbettung empfohlen. Als weitere Therapiemaßnahmen wurden eine podologische Komplexbehandlung mit Abtragen der Hyperkeratosen sowie die Anfertigung von konfektionierten Diabetiker-Schutzschuhen mit diabetesadaptierten Weichbettungseinlagen angeordnet. Die Wundversorgung erfolgte mit einem hydroaktiven Lipokolloid-Gazeverband (UrgoTül Lite Border). Dr. med. Winfried Keuthage, Münster Fallvorstellung Anamnese Der 64-jährige Patient stellte sich erstmals im Januar 2012 vor mit einer chronischen Wunde unterhalb des ersten Mittelfußknochens links / Basis (Abb. 1). Die Wunde verlaufe seit etwa 2 Jahren chronisch. Die Erkrankung am Diabetes mellitus Typ 2 wurde 2007 diagnostiziert, insulinpflichtig wurde der Patient 2010. Weiterhin bekannt waren eine Poly neuro pathie sowie ein arterieller Hypertonus. Die nachfolgenden Kontrolltermine waren von einem Wechsel zwischen Besserung und rezidivierender Verschlechterung geprägt. Die Compliance des Patienten blieb vage: Der Patient lehnte das Tragen eines Verbandschuhs ab, gab auf Nachfragen aber zumindest an, eine weitgehende Ruhigstellung einzuhalten. Schließlich erfolgte eine Überweisung an den chirurgischen Kollegen mit der Fragestellung, ob mittelfristig eine Osteotomie infrage kommt. Der Kollege sah für eine chirurgische Maßnahme keine unmittelbare Indikation, übernahm aber die künftige Mitbetreuung des Patienten. Die Wunde wurde mit Povidon-Iod (Betaisodona ) versorgt.

Schwerpunkt Kasuistik 11 Im März 2012 kehrte der Patient von einem Bade urlaub am Meer zurück, wobei er sich vom Meerwasser eine verbesserte Wundheilung versprochen hatte. Die Fußläsion hatte sich aber deutlich verschlechtert mit einer Wundgröße von 3 4 cm (Abb. 2a). Von nun an wurde der Patient 1 wöchentlich in die Fußambulanz bestellt. Erneut erfolgte eine Abtragung der Hyper keratosen sowie der Therapiebeginn mit der TLC-NOSF-basierten Schaumstoffwundauflage UrgoStart. Fazit für die Praxis Wie die Kasuistik zeigt, ist die Lokaltherapie mit der proteasenneutralisierenden Wundauflage UrgoStart dazu geeignet, die Wundheilung auch bei chronifizierten, diabeto genen Fußläsionen zu fördern und zu beschleunigen. Die erfolgreiche Abheilung eines diabetischen Fußulkus hängt nicht nur von der stadiengerechten Wundversorgung, sondern auch von der konsequenten Druckentlastung im Wundbereich ab. Um einem rezidivierenden Verlauf vorzubeugen, sind überdies nach dem Abheilen der Wunde regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen sowie die Einhaltung von Präventivmaßnahmen notwendig. Wie die Wund-Fotodokumentation 4 und 8 Wochen nach Therapiebeginn zeigt (Abb. 2b/c), konnte darunter die Wundheilung aktiviert und eine kontinuierliche Verkleinerung der Wundfläche erreicht werden, sodass die Lokaltherapie nach 12 Wochen auf einen TLC-basierten, neutralen Schaumstoffverband umgestellt werden konnte (Urgo Cell Adhesive Contact). Die Wundversorgung resultierte zuletzt im abschließenden Epithelverschluss (2d). In der Nachsorge 8 Wochen später wies der Patient allerdings ein erneutes Rezidiv sowie eine neue Läsion am 2. Zehenmittelglied auf. Abb. 1 Wundstatus bei Erstvorstellung in der Ambulanz (12.1.12). (a) (b) (c) (d) Abb. 2 (a) Wundstatus nach der Rückkehr aus dem Badeurlaub im März 2012; (b) Wundstatus 4 Wochen nach Therapiebeginn mit UrgoStart; (c) Wundstatus 8 Wochen nach Therapiebeginn mit UrgoStart; (d) Wundstatus 12 Wochen nach Therapiebeginn mit UrgoStart und Wechsel auf UrgoCell Adhesive Contact.

12 Schwerpunkt Kasuistik Fall 3 Amputation und anschließende Wundheilung beim Patienten mit diabetischem Fußsyndrom Dr. med. Michael Dietlein Facharzt für Innere Medizin, Augsburg Das diabetische Fußsyndrom gehört zu den gravierendsten Spätkomplikationen, die Patienten mit langjährigem Diabetes mellitus entwickeln können. Nach wie vor gehört das diabetische Fußsyndrom zu den häufigsten Ausgangspunkten für eine spätere Amputation. Diabetiker weisen häufig neben einer gestörten Makrozirkulation auch Mikroangiopathien auf, die eine Ausbildung von Gewebsnekrosen begünstigen. Dr. med. Michael Dietlein, Augsburg Zu den wichtigsten potenziellen Folgen eines diabetischen Fußsyndroms gehören chronische Fußulzera sowie Amputationen an den unteren Extremitäten. Major-Amputationen der unteren Extremität bedeuten eine starke Einschränkung der Lebensqualität und sind mit einer nach wie vor hohen perioperativen Mortalität assoziiert. Grenzzonen- oder Minor-Amputationen haben demgegenüber den Vorteil einer kürzeren Behandlungsdauer und rascheren Wiederherstellung der Gehfähigkeit. Das erhöhte Amputationsrisiko bei Diabetikern lässt sich durch rechtzeitig eingeleitete Therapie- und Präventivmaßnahmen deutlich senken. Bei einer chronischen Wunde im Rahmen eines diabetischen Fußsyndroms richtet sich der Therapieplan nach dem Ausmaß der Wunde und der Ausprägung der Grunderkrankung. Dabei müssen ggf. auch komorbide internistische Erkrankungen mit einbezogen werden. Bevor die Lokaltherapie der chronischen Wunde Aussicht auf Erfolg hat, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt werden: Neben der sofortigen Druckentlastung an relevanter Stelle gehören dazu die konsequente Wundbettpräparation, die Beseitigung von arteriellen Makro zirkulationsstörungen sowie die Behebung von Gewebedrainagestörungen. Auch müssen Infekte konsequent behandelt und die Stoffwechseleinstellung optimiert werden. Fallvorstellung Anamnese Ein 63-jähriger Patient stellte sich im August 2012 mit Nekrosen im linken Vorfußbereich vor. Wegen einer Gangrän wurde 2009 am linken Fuß bereits eine Amputation D I und D II durchgeführt. Die Typ-2-Diabetes-Erkrankung ist im vorliegenden Fall seit 1999 bekannt. Der 63-jährige Patient war bei seiner Erstvorstellung auf eine Therapie mit Metformin 850 mg (1-0-1) eingestellt (letzter HbA 1c -Wert 7,9 %). Zuvor war der Patient mit Glimepirid behandelt worden, worunter sich vormittags eine Hypoglykämieneigung abzeichnete. Den aktu ellen Selbstmessungen zufolge lagen die Blutzuckerwerte morgens etwa zwischen 152 und 165 mg/dl, tagsüber erfolgten keine Kontrollen. Weiterhin sind eine arterielle Hypertonie und Hypercholesterinämie bekannt, die medikamentös behandelt werden sowie Z. n. PRIND (prolongiertes reversibles ischämisches neuro logisches Defizit) im Jahr 2003. Der Patient beklagte rasche Ermüdbarkeit sowie Dysästhesien der Füße beidseits. Befunde und weitergehende Diagnostik Im linken Vorfußbereich finden sich ausgedehnte Nekrosen bei einer Wundgröße von 11,5 6,2 cm (Abb. 1). Die angiologische Diagnostik ergibt keine Hinweise auf eine relevante pavk. Der Patient ist 112 kg schwer bei einer Größe von 183 cm (BMI 33,5).

Schwerpunkt Kasuistik 13 Weitere Befunde RR 130/70 mmhg, Vibrationsempfinden Innen knöchel bds. etwa 2/8, Vorfüße beidseits 0/8; Kreatinin: 1,10 mg/dl, Mikroalbuminurie (145,9 mg/dl), Cholesterin: 248 mg/ dl, LDL-Cholesterin: 153 mg/dl, HDL-Cholesterin: 37 mg/dl, Triglyzeride: 322 mg/dl. Weitere Medikation Abb. 1 Wundstatus bei Erstvorstellung (8/12). Ramipril 10 1-0-0, Carmen 20 0-0-1, Torasemid 10 0,5-0-0, Simvastatin 20 0-0-1, Testogel 50. Weiterer Therapieverlauf Die ausgedehnten Nekrosen machen eine Amputation D III, linker Fuß, erforderlich. Es folgen mehrfach Nekrosenabtragungen im Wund bereich. Die Wunde wird mit Octenisept (Octenidin-2HCL / Phenoxyethanol) gespült. Die Wundversorgung erfolgt mit UrgoStart Tül (TLC-NOSF-Gazewundauflage), Kompressen und Verbänden. Gleichzeitig wird eine konsequente Druckentlastung mittels Entlastungsschuh vorgenommen. Abb. 2 Zustand nach Amputation DIII. Der Patient entwickelte im Folgenden eine gute Wundheilung ohne Infektzeichen: Die chronische Wunde wurde zunehmend kleiner, zuletzt lag die gemessene Wundfläche bei 5,1 3,1 cm. Der Wundgrund granulierte gut, während weiter hin keine Infektzeichen vorlagen. Die Diabetes-Einstellung erfolgt seit 08/12 zusätzlich mit Sitagliptin 100 mg (1-0-0) sowie wegen erhöhter Nüchternblutzuckerwerte zusätzlich mit einem Verzögerungsinsulin (Lantus ). Die Behandlung erwies sich bislang als gut verträglich, wobei keine Hypoglykämien auftraten (letzter HbA 1c -Wert 6,6 %). Abb. 3 Wundstatus nach 10 Wochen, 9 Wochen ab Beginn der Lokaltherapie mit UrgoStart Tül. Literatur 1 Wozniak G et al. Gefäßchirurgie 2011; 16: 281 292 Fazit für die Praxis Die hier vorgestellte Kasuistik zeigt den wundheilungsbeschleunigenden Einsatz der UrgoStart-Tül-Gazewundauflage entlang eines Therapiealgorithmus, bei dem zunächst die Voraussetzungen für die erfolgreiche Lokaltherapie geschaffen wurden: hier durch den wundchirurgischen Eingriff einer Minor-Amputation, mehreren Nekrosenabtragungen sowie die parallel durchgeführte Druckentlastung. Das optimierte Versorgungsmanagement bei Patienten mit diabetischem Fußsyndrom macht eine langfristige, interdisziplinäre Betreuung sowie eine strukturierte, regelmäßige Nachsorge erforderlich: Für den langfristigen Erfolg der Amputation und die Rezidivprophylaxe müssen im vorliegenden Fall weiterhin druckentlastende Maßnahmen eingehalten, die Blutzuckereinstellung optimiert sowie Wundinfekte verhindert werden.

14 Schwerpunkt Kasuistik Fall 4 Stadienadaptierte Lokaltherapie bei 78-jährigem Patienten mit chronischer posttraumatischer Wunde Dr. med. Cornelia Erfurt-Berge Hautklinik, Universitätsklinikum Erlangen Unter den sekundär heilenden Wunden repräsentieren chronische Wundläsionen ein eigenständiges und wachsendes Problem, das hohe Anforderungen an das Therapiemanagement stellt [1]. Nicht selten manifestieren sich chronische Wundverläufe beim älteren Menschen im Rahmen einer Verletzung. Wie die vorliegende Kasuistik eines 78-jährigen Patienten verdeutlicht, bedarf die erfolgreiche lokaltherapeutische Versorgung chronischer, posttraumatisch bedingter Wunden einer ausführlichen Ursachenevaluation. Eine chronische posttraumatische Wunde kann sich infolge einer unzureichenden Primärbehandlung eines akuten Traumas oder von Störungen entwickeln, die den natürlichen Ablauf der Wundheilungsphasen Exsudation, Granulation und Epithelisierung behindern. Zur Diagnose einer chronischen posttraumatischen Wunde muss eine Vielzahl von Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden. Hierzu zählen neben den klassischen Verursachern chronischer Wunden wie vaskuläre Ulzera und diabetisches Fußsyndrom auch seltenere wie Infektionen, maligne Grunderkrankungen, Malnutrition oder medikamentöse Ursachen (s. Glossar). Des Weiteren sind auch operationsassoziierte, posttraumatische Wundheilungsstörungen abzugrenzen, deren Ursachen in der Durchführung des operativen Eingriffs und der unmittelbar anschließenden, postoperativen Versorgung zu suchen sind. dem es nach einem Sturz auf eine Metallplatte zu einer großflächigen Ablederung mit tief gehendem Defekt prätibial rechts gekommen war. Die Wunde war bislang von verschiedenen ärztlichen Kollegen mit unterschiedlichen Wundauflagen versorgt worden. Es handelte sich hierbei neben Hydrokolloidverbänden um Polyurethanschaumverbände und auch Honigpräparate. Desinfizierende Maßnahmen wurden nur unregelmäßig durchgeführt. Unter diesen Lokaltherapien hatte die Verletzung keine Heilungstendenz gezeigt. Weitere chronische Grunderkrankungen oder Komorbiditäten waren bei dem Patienten bislang nicht bekannt: Insbesondere ein Diabetes mellitus oder eine Fehlernährung waren nicht zu verzeichnen. Befund Bei Erstvorstellung zeigte sich prätibial rechts ein annähernd dreiecksförmiger Weichteildefekt bis in die Subkutis mit einer Größe von ca. 8 4 cm mit scharfer Begrenzung, weitgehend inertem Randsaum und festhaftenden, gelblichen Belägen. An beiden Unterschenkeln fand sich zudem eine feinlamel läre Schuppung im Sinne eines sebostatischen Ekzems. Weitergehende Diagnostik Dr. med. Cornelia Erfurt-Berge, Erlangen Fallvorstellung Anamnese Der 78-jährige Patient stellte sich erstmals im März 2012 in der Wundambulanz der Hautklinik Erlangen vor. Er berichtete über ein stattgehabtes Trauma im Januar 2012, bei Klinisch fanden sich keine Hinweise auf eine arterielle Ursache der Wundheilungsstörung. In der phlebologischen Ultraschalluntersuchung zeigte sich eine Vena-saphena-magna- Insuffizienz Stadium II nach Hach. Anzeichen einer bakteriellen Infektion bestanden nicht.

Schwerpunkt Kasuistik 15 (a) (b) (c) (d) Abb. 1 (a) Initialbefund Anwendung UrgoClean Februar 2012; (b) März 2012 Wechsel auf UrgoStart; (c) April 2012 UrgoStart; (d) Juni 2012 abgeheilt. Weiterer Therapieverlauf Aufgrund der ausgeprägten Fibrinbeläge erfolgte nach initial einmalig scharfem Débridement eine Anwendung von UrgoClean zur weiteren Wundreinigung (s. Glossar). Hierunter zeigt sich nach 4-wöchiger Anwendung mit Wechsel der Wundauflage alle 2 3 Tage ein fast vollständiger Rückgang der Beläge und sauberes Granulationsgewebe. Die Wundversorgung wurde daraufhin auf UrgoStart umgestellt, welche ebenfalls für je 2 3 Tage auf der Wunde verblieb. Aufgrund des nebenbefundlich festgestellten sebostatischen Ekzems erhielt der Patient zudem eine stadiengerechte, dermatologische Lokaltherapie mit rückfettenden Externa an beiden Unterschenkeln. Vor dem Hintergrund des phlebologischen Befundes einer Stammvarikose wurde eine konsequente Kompressionstherapie des rechten Unterschenkels mittels Kurzzugbinden durchgeführt. Unter diesen Maßnahmen kam es zu einer kontinuierlichen Größenreduktion der Wundfläche und ca. 10 Wochen nach Therapiebeginn war die Wunde komplett abgeheilt. Literatur 1 Piatek S et al. Pathogenese und Therapie chronischer Wunden. In: Lippert H (Hrsg.). Wundatlas. Georg Thieme Verlag (2012) Fazit für die Praxis Chronische Wundheilungsstörungen posttraumatischer Wunden können zahlreiche Ursachen haben: Wenn eine ursächliche Grunderkrankung ebenso wie ein lokales malignes Geschehen sicher ausgeschlossen worden sind, kann eine stadienadaptierte Lokaltherapie die Wundheilung positiv beeinflussen. Im vorgestellten klinischen Beispiel konnte nach ausreichender Wundreinigung und Ausbildung von Granulationsgewebe eine rasche Epithelisierung durch Reduktion überschüssiger Proteasen mittels einer absorbierenden, TLC-NOSF-basierten Schaumstoffwundauflage erreicht werden. Parallel dazu sorgte die Kompressionstherapie der Stammvarikose für eine zusätzliche Förderung der Abheilung.

16 Schwerpunkt Kasuistik Fall 5 Chronifizierte postoperative Wundheilungsstörung bei einem 54-jährigen Patienten Dipl.-Med. Steffen Lützkendorf Facharzt für Chirurgie, Helbra Foto: AZ publica. Postoperative Wundheilungsstörungen gehören zu den häufigsten Komplikationen der chirurgischen Versorgung komplexer Fersenbeinfrakturen. Der vorliegende Fall zeigt den chronifizierten Verlauf einer postoperativen Wundheilungsstörung mit Wundinfektion, operativer Revision sowie zuletzt durchgeführtem Débridement mit Hautlappenplastik: Trotz jahrelanger Vorgeschichte konnte der schwer behandelbare Patient anschließend von einer beschleunigten und kontinuierlichen Epithelisierung der chronischen Wunde unter einer Lokaltherapie mit der TLC-NOSF-basierten Wundauflage profitieren. Dipl.-Med. Steffen Lützkendorf, Helbra Insbesondere sind offene Verletzungen mit einer höheren Komplikationsrate behaftet als geschlossene Frakturen [1]. Stellen sich zusätzliche Komplikationen wie (rezidivierende) Wundinfektionen ein, die nicht hinreichend saniert wurden, kann es zur Chronifizierung der postoperativen Wunde kommen. Als prädisponierende Risikofaktoren für häufiger beobachtete Infektraten nach operativer Versorgung wurden bspw. Nikotinabusus und mangelhafte Compliance identifiziert [2]. Chronische Wundheilungsstörungen im Rahmen von posttraumatischen bzw. postoperativen Wunden sind von konkurrierenden Ursachen wie einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI), peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pavk) oder einem diabetischen Fußsyndrom abzugrenzen [3]. Fallvorstellung Anamnese Im vorliegenden Fall stellte sich der 54-jährige, 192 cm große und 105 kg schwere Patient erstmalig Anfang Juli 2012 mit einer chronischen Wunde des linken Fußinnenknöchels in der Praxis vor. Wie aus der bisherigen Anamnese hervorgehend, hatte der Patient im Jahr 2000 nach einer Fersenbeinfraktur links eine postoperative Wundheilungsstörung entwickelt. Von der 4 Jahre darauf durchgeführten Arthrodese des oberen Sprunggelenks (OSG-Arthrodese) ist eine MRSA-Infektion dokumentiert. Seit dem Eingriff bestand eine chronische Defektwunde am Innenknöchel, die nie vollständig abgeheilt ist. Vor einem Monat war es zu einer zunehmenden Rötung und Vergrößerung der Wunde gekommen, ohne dass eine dazugehörige Ursache festgestellt werden konnte. Neben dem bekannten Nikotin sowie Analgetika-Abusus gilt der Patient als schwer führbar. Befund Zum Zeitpunkt seiner ambulanten Erstvorstellung war die chronische Wunde am linken Innenknöchel 9 6 cm groß (Abb. 1). Die Wunde wies einen schmierigen Wundbelag auf, war stark nässend und schmerzhaft. Weitergehende Diagnostik Die Untersuchung des Wundabstrichs wies eine Keimbesiedlung mit Pseudomonas-Spezies nach. Phlebologisch wurden eine pavk sowie eine CVI ausgeschlossen. Weiterer Therapieablauf Da ein ambulanter Behandlungsversuch mit Hydrogel und silberhaltigem Polyurethanschaumverband zu keiner wesentlichen klinischen Besserung führten, wurde der Pa tient vom 29.7. bis 30.8.2012 stationär versorgt: Am 6.8.2012 wurde ein Weichteildébridement

Schwerpunkt Kasuistik 17 Abb. 1 Wundstatus bei ambulanter Erstvorstellung am 3.7.2012. Abb. 2 Wundstatus bei ambulanter Wiedervorstellung nach stationärer Therapie am 18.9.2012: 2-teilige Wunde (8 2 cm und 2 2 cm). (a) (c) (b) (d) Abb. 3 Therapieverlauf nach Umstellung auf eine Lokal behandlung mit UrgoStart Tül mit Abheilung der kleineren Wunde sowie Reduktion der größeren auf eine oberflächliche Wunde (nur noch 6,5 1 cm); (a) Wundstatus am 9.10.2012; (b) Wundstatus am 23.10.2012; (c) Wundstatus am 6.11.2012; (d) Wundstatus am 13.11.2012. durchgeführt mit anschließender Vakuumtherapieeinheit bis zum 15.8.2012. Schließlich erfolgte am 20.8.2012 eine Spalthauttransplantation. Die Wunde wurde bis zur Wiedervorstellung in der ambulanten Praxis am 18.9.2012 mit einer hydroaktiven Salbenkompresse versorgt. Zum Zeitpunkt seiner Wiedervorstellung (Abb. 2) wies der Patient eine zweigeteilte Wunde auf (8 2 cm und 2 2 cm). Die größere der beiden Wunden hatte eine Tiefe von 1 cm. Die Wundflächen waren reizlos und zeigten neben Granulationsanteilen noch teilweise Fibrinbeläge. Der Patient berichtete von rückläufigen Schmerzen. Angesichts des Wundstatus konnte eine Umstellung auf die TLC-NOSF-basierte Gaze wundauflage UrgoStart Tül vorgenommen werden. Im weiteren Verlauf wurden die Wunden oberflächlicher und zeigten von peripher eine zunehmende Epithelisierung. Nach 8-wöchiger Behandlung mit UrgoStart Tül war die kleinere der beiden Wundflächen vollständig abgeheilt, während die größere Wunde nur noch oberflächlich und 6,5 1 cm groß war (Abb. 3d). Der Patient war zu diesem Zeitpunkt schmerzfrei. Literatur 1 Howard JL et al. J Orthop Trauma 2003; 17: 241 249 2 Folk JW et al. J Orthop Trauma 1999; 13: 369 372 3 Grosser V. Trauma Berufskrankh 2010; 12 (Suppl. 1): 25 28 Fazit für die Praxis Der vorliegende Fall zeigt den Therapieverlauf einer chronischen posttraumatischen Wunde, die trotz jahrelanger Chronifizierung erfolgreich behandelt werden konnte. Die zunehmende Epithelisierung und klinisch sichtbare, über einen Zeitraum von 8 Wochen dokumentierte Verkleinerung der Wundflächen bzw. Abheilung (Abb. 3a d) wurde mit der Umstellung auf eine Lokaltherapie mit einer TLC-NOSF-basierten Wundauflage erreicht, als die Wunde Granulationsgewebe und fibrinöse Beläge aufwies. Da sich UrgoStart Tül wegen der flexiblen TLC-NOSF-Matrix an das Wundrelief anpasst, eignet sich die Lipokolloid-Gazewundauflage auch zur Behandlung von schwieriger zugänglichen Lokalisationen sowie zur Tamponierung tiefer Wunden. Die einfache Positionierung und der atraumatische Wechsel des Verbands können die Akzeptanz und Adhärenz des Patienten begünstigen.