Tremor Diagnose und Therapie Autor: Universitätsdozent Dr Willibald Gerschlager Neurologische Abteilung KH der Barmherzigen Brüder Große Mohrengasse 9 1020 Wien 1
Der Tremor stellt die häufigste Bewegungsstörung dar. Er ist als unwillkürliche, rhythmische, oszillierende Bewegung (fast amplitudengleich) eines Körperteils definiert. Klinisch unterscheidet man zwischen einem Ruhetremor und einem Aktionstremor (Tab 1). Der Ruhetremor tritt in einem komplett entspannten Körperteil, der auch gegen die Schwerkraft gestützt ist, auf. Einen Ruhetremor findet man bei der Parkinson schen Krankheit (als sog Pillendrehertremor ), beim Parkinson-Syndrom, gelegentlich beim Essentiellen Tremor oder bei Neuropathie. Als Aktionstremor wird jeder Tremor, der während einer willkürlichen Muskelkontraktion auftritt, bezeichnet. Man unterscheidet den Haltetremor (posturaler Tremor, tritt auf, wenn eine bestimmte Körperposition willkürlich gegen die Schwerkraft gehalten wird), von einem Kinetischen Tremor, der entweder bei allen Willkürbewegungen auftritt (einfacher kinetischer Tremor) oder nur bei zielgerichteten Bewegungen (Intentionstremor). Der Aufgabenspezifische Tremor stellt eine Sonderform des Aktionstremors dar. Diese Tremorform tritt nur bei bestimmten Tätigkeiten, wie zb beim Schreiben ( Schreibtremor ) auf. Eine ätiologische und syndromatische Tremorklassifikation" ist in der Tabelle 2 angeführt. Laboruntersuchungen zum Ausschluß von symptomatischen Tremorformen finden sich in Tabelle 3. Klinik und Therapie der häufigsten Tremorsyndrome (Essentieller Tremor, Parkinson Syndrom, Dystonie) werden beschrieben: Parkinson-Syndrom Der M Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, die anfangs hauptsächlich das nigrostriatale System betrifft (auf Parkinson-Syndrome anderer Genese wird in dieser Übersicht nicht eingegangen). Parkinsonismus ist definiert als: Bradykinesie und mindestens eines der folgenden Symptome: Tremor, Rigor. Ein Tremor tritt in ca 2/3 aller M. Parkinson Patienten auf. Der Tremor kann im Verlauf der Erkrankung abnehmen oder verschwinden. Der Parkinson-Tremor ist ein 3-6 Hz Ruhetremor (Pillendrehertremor). Typischerweise wird die Amplitude unter mentaler Belastung zb Rückwärtszählen größer und bei Willkürbewegungen kleiner. Therapie I: Medikamentöse Therapie: Prinzipiell wirken dopaminerge Substanzen gegen alle motorischen Komponenten des Parkinsonismus: L-Dopa, Agonisten, Amantadin, Selegilin. L- Dopa (Madopar, Sinemet )ist weiterhin das Medikament mit der stärksten Wirkung. Oft 2
werden jedoch hohe Dosen benötigt, um eine zufriedenstellende Tremorkontrolle zu erreichen. Von den Dopaminagonisten weisen alle eine Wirksamkeit bei Tremor auf. Eine rezente Studie hat die Wirksamkeit von 500 mg Pramipexol (Sifrol ) versus 500 mg Pergolid (Permax ) verglichen (Navan et al. Mov Disord 2003;18:176-180). In 10 Patienten konnte für beide Medikamente eine ähnliche Wirkung auf alle Kardinalsymtome, inklusive Tremor, beobachtet werden, allerdings kam es unter Pergolid zu mehr NW wie Übelkeit. Anticholinergika: sollten bei Parkinson Patienten wegen der zahlreichen NW (va. auf die Kognition) nicht, oder nur sehr zurückhaltend eingesetzt werden. II: Operative Therapie: In den letzten Jahren hat sich die chronische, tiefe Hirnstimulation bei Patienten mit fortgeschrittener Parkinson scher Krankheit etabliert. Die operative VIM des Thalamus wirkt vor allem gegen Tremor, kaum gegen Bradykinesie oder Rigor. Dagegen ist die Implantation von Stimulationselektroden im Ncl. subthalamicus (STN) gegen alle motorischen Kardinalsymptome wirksam. Prinzipiell entspricht das beste zu erwartende Ergebnis dem besten Ansprechen auf L-Dopa. Nach STN Stimulation (bilateral) kommt es zu einer Tremorreduktion von 74-97%. Prognostisch ungünstig sind Alter, neuropsychiatrische Probleme und Gleichgewichtsprobleme. Essentieller Tremor (ET) Etwa 5% der über 60 jährigen sind betroffen. Der Erkrankungsbeginn zeigt eine bimodale Distribution mit Gipfeln in der zweiten und fünften Dekade. Eine autosomal-dominante Vererbung wird angenommen, aber die Angaben über ET Patienten mit positiver FA reichen in der Literatur von 17%-100%. Klinisch handelt es sich um einen Halte - und/oder Aktionstremor (Frequenz 7-10Hz). Der Tremor beginnt meist symmetrisch in beiden Armen. Einen unilateraler Tremorbeginn findet man zwar in ca 20%, aber ein prominenter, persistierender unilateral betonter Armtremor ist vermutlich kein ET, sondern das Resultat von Dystonie, M. Parkinson oder einer strukturellen Läsion. Die Arme sind vom Tremor immer betroffen. Ein Spread of activity findet häufiger nach kranial statt. Ein zumeist milder Kopftremor findet sich in etwa 35%. Ein bilateraler, symmetrischer Tremor der Beine tritt in ca 45% auf. Die Schwere des Beintremors ist meist geringer als in den Armen. Das Ansprechen auf Alkohol wird zwischen 42% und 75% angegeben. Oft verschwindet der Tremor fast vollständig für 2-4h, danach kommt es allerdings oft zu einer Verschlechterung am nächsten Tag. Therapie: 3
I: Medikamentöse Therapie 1: Beta-adrenerge Rezeptorblocker wie zb. Propanolol (Inderal ) (240-320mg/die, langsam einschleichen). Propanolol reduziert die Amplitude, nicht aber die Tremorfrequenz. Das Ansprechen ist variabel, zu einer objektiven Tremorreduktion kommt es in ca. 50%. Cave bei: Älteren Patienten, Herzinsuffizienz, AV Block II und III, Asthma bronchiale und Diabetes. Beta-Blocker können zu zahlreichen NW wie Müdigkeit, Übelkeit, Diarrhoe, erektile Dysfunktion und Depressio führen. 2: Primidon (Mysoline ) kann alternativ zu Beta-Blockern oder als add-on Therapie eingesetzt werden (mit 62.5 mg beginnen und langsam steigern (maximal 500 mg/die)).nw wie Sedierung, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schwindel und Ataxie können als akute Reaktion, oder später bei höherer Dosis auftreten. 3: Gabapentin (Neurontin 1200-2400mg/die). Die Effekte von Gabapentin sind derzeit noch kontrovers. Eine rezente Studie beschreibt eine Tremorreduktion vergleichbar mit dem Effekt von Propanolol (Gironell et al., Arch Neurol 1999;56:475-480). 4: Topiramat (Topamax 400 mg/die langsam einschleichen) war in einer doppelblinden, placebo-kontrollierten Studie mit guter Tremorkontrolle verbunden (Connor, Neurology 2002;59:132-134). II: Operative Therapie Rezente Studien haben gezeigt, dass die chronische, bilaterale, tiefe Hirnstimulation (VIM) zu einer signifikanten Tremorreduktion führt. Dystoner Tremor Dystonie kann als einziges klinisches Symptom Tremor erzeugen. Torticollis kann zb als klinisches Symptom Kopftremor erzeugen. Tremores des Kinns, des Gesichts und der Zunge können bei oromandibulärer Dystonie und Zungendystonie produziert werden.einen Armtremor findet man in bis zu 55% der Patienten mit Tortikollis. Der dystone Tremor ist folgendermaßen charakterisiert: Tremor in einem dystonem Körperteil (zb Kopftremor bei Torticollis). Der dystone Tremor ist oft irregulär und asymmetrisch, dagegen ist der ET symmetrisch und regulär. Es handelt sich meist um einen posturalen/kinetischen Tremor, ein Ruhetremor tritt in der Regel nicht auf. Activity brings it out - Besserung in Ruhe (zb Liegen). Sleep benefit. Sensorischer Trick bringt Besserung. Medikamentöse Therapie: 1: Anticholinergika: Trihexyphenidyl (Artane), mit 2mg/die beginnen bis ca 30 mg/die. Biperiden (Akineton), mit 1 mg/die beginnen bis ca 12 mg/die. NW: Mundtrockenheit, 4
Hypohidrose, Obstipation, Miktionsstörungen, Akkommodationsstörungen, Verschlechterung eines vorbestehenden Glaukoms, Kognitive Störungen, Verwirrtheitszustände. 2: Benzodiazepine: Clonazepam (Rivotril) 1-6mg/die, einschleichend dosieren. Botulinium Toxin Lokale Injektion in hyperaktive Muskeln. Wirksam bei Kopf und Handtremor mit dystoner Komponente. 5