Grauzone Sterbehilfe Sterben an der Hand statt durch die Hand



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Geschichte. Theorie. Ethik. Ethische Probleme am Lebensende. Dr. Barbara Wolf-Braun

Transkript:

Grauzone Sterbehilfe Sterben an der Hand statt durch die Hand Dettingen, 14. September 2015

Teilnehmer Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestages Dr. Klaus Baier Allgemeinarzt und Pallitivmediziner aus Sindelfingen, Präsident der Bezirksärtzekammer Nordwürttemberg Wilfried Veeser Pfarrer und Mitglied des Gemeindrats Kirchheim unter Teck Prof. Dr. med. Georg Marckmann Leiter des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der Ludwig- Maximilians Universität in München Dr. med Ernst Bühler Leiter Medizincontrolling an den Kreiskliniken Esslingen Prälat Ulrich Mack Leiter der Prälatur der Stuttgart der evangelischen Landeskirche Moderation: Dr. Norbert Metke Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg

Terminologie Legende: Erlaubt - Verboten Begriff Beschreibung Besonderheiten Indirekte Sterbehilfe / Behandlung am Lebensende Passive Sterbehilfe/ Behandlungsabbruch Bei Einverständnis des Patienten: Verabreichung von schmerzlindernden Medikamenten durch einen Arzt, die als Nebenwirkung den Todeseintritt beschleunigen Bei Einverständnis des Patienten : Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen bei einer tödlich verlaufenden Erkrankung oder Verletzung (z.b. Abschalten eine Beatmungsgeräts) Geleitet vom Willen der Symptomlinderung. Berufsrechtlich zulässig. Achtung: Verweigern Ärzte solche Schmerzmittel mit der Begründung, keinen vorzeitigen Tod herbeiführen zu wollen, können sie wegen Körperverletzung oder unterlassener Hilfeleistung bestraft werden. Beispiele: Unterlassen, Begrenzen oder Abbrechen lebenserhaltender oder lebensverlängernder Maßnahmen wie Verzicht auf künstliche Ernährung, Flüssigkeitszufuhr, Medikamentengabe, Dialyse, Reanimation Aktive Sterbehilfe Gezieltes aktives Herbeiführen des Todes 212 StGB: Totschlag, mindestens fünf Jahre Haft 216 StGB Tötung auf Verlangen selbst bei ausdrücklichem und ernsthaften Sterbewunsch des Patienten, bis zu 5 Jahre Haft Beihilfe zum Suizid Betroffener vollzieht den Akt der Tötung selbst, erhält aber Hilfe (zum Beispiel Fahrt ins Ausland zu einer Sterbehilfeorganisation, Besorgen von Medikamenten, Bereitstellen einer tödlichen Substanz) Rechtslage unklar: Ein Angehöriger darf einem Sterbewilligen eine Überdosis Schlaftabletten in die Hand drücken. Hat der Sterbewillige sie dann geschluckt und ist bewusstlos geworden, muss ihm allerdings unverzüglich geholfen: sonst droht Strafbarkeit als unterlassene Hilfeleistung mit bis zu einem Jahr Haft. Für Ärzte nach Standesrecht verboten

Terminologie Legende: Erlaubt - Verboten Begriff Beschreibung Aktive Sterbehilfe ist die intendierte Tötung eines Patienten, z. B. die bewusste Verabreichung einer Überdosis eines Barbiturates mit dem Ziel, das Leben des Patienten zu verkürzen. Diese Form der Sterbehilfe ist in Deutschland verboten, auch wenn sie auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten erfolgt (Tötung auf Verlangen, 216 StGB). Passive Sterbehilfe = Behandlungs- Abbruch c Im Unterschied zur aktiven Sterbehilfe lässt man den natürlichen Sterbeprozess einfach geschehen; etwa, indem man das Beatmungsgerät abstellt oder die künstliche Ernährung. Deshalb ist häufig von "Sterbenlassen" die Rede Eine durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) ist gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht ( 1901a BGB) und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen. Dabei sind die Anforderungen an die Bestimmtheit der früheren Äußerungen stets gleich, unabhängig vom Stadium der Erkrankung.

Rechtslage in Europa

Gesetzesvorschläge Inhalt / Autoren Straffreiheit der Hilfe zur Selbsttötung Renate Künast, Dr. Petra Sitte, Kai Gehring u.a. Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung Michael Brand, Kerstin Griese, Kathrin Vogler u.a. Einzelheiten Neu: es wird positiv gesetzlich normiert wird, dass Hilfe zur Selbsttötung nicht strafbar ist. Nur, wenn der sterbewillige Mensch den Wunsch zur Selbsttötung freiverantwortlich gefasst und geäußert hat. Pflicht zu Beratungsgesprächen und Dokumentationspflicht bei Hilfe zur Selbsttötung in organisierter oder geschäftsmäßiger Form. Gewerbsmäßige Hilfe oder Förderung der Selbsttötung wird verboten. Die prinzipielle Straflosigkeit des Suizids und der Teilnahme wird nicht infrage gestellt. Nicht strafbar ist das Unterlassen, Begrenzen und Beenden einer lebensverlängernden medizinischen Behandlung, sofern dies dem Patientenwillen entspricht. Angehörige oder nahestehende Personen machen sich nicht strafbar, wenn sie lediglich Teilnehmer an der Tat sind und selbst nicht geschäftsmäßig handeln. Verbot von Handlungen, die nicht notwendigerweise kommerziell orientiert, aber auf Wiederholung angelegt sind. Begriff der Geschäftsmäßigkeit (im Gegensatz zu Gewerbsmäßigkeit.)

Gesetzesvorschläge Sterben in Würde Rechtssicherheit für Patienten und Ärzte Peter Hintze, Carola Reimann, Karl Lauterbach, Burkhard Lischka, Katherina Reiche, Dagmar Wöhrl Strafbarkeit der Teilnahme an der Selbsttötung Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger Einzelheiten Grundsätzliches Verbot des assistierten Suizids. Unter bestimmten Umständen kann dieser als ärztliche Regelleistung erlaubt werden. Die Sterbehilfe wird so ausdrücklich und ausschließlich in die Hand von Ärzten gelegt. Bedingung für Beihilfe zum Suizid: unheilbare Erkrankung des Patienten sein. Dieser muss volljährig und einwilligungsfähig sein. Ein zweiter Arzt muss die Entscheidung bestätigen. Beihilfe zur Selbsttötung soll in allen Fällen verboten werden. Es geht ausdrücklich nicht um das Verbieten einer Beendigung einer medizinisch nicht mehr angezeigten oder vom Patienten nicht mehr gewünschten Therapie. Die Beendigung einer solchen Behandlung ist strafund zivilrechtlich bereits zulässig. Hieran will dieser Gesetzentwurf nichts ändern. Mit den Forstschritten in der heutigen Medizin müsse aber niemand mehr an unerträglichen Schmerzen leiden. Eine umfassende palliative Versorgung ermögliche ein schmerzfreies Leben bis zu dessen natürlichem Ende.