Berufsförderungswerk Hamburg Aufgabe und Ziel Gemeinsam mit behinderten Menschen eine neue berufliche Zukunft erarbeiten Die Wiedereingliederung in Beruf und Arbeit copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 1
Rehabilitationsmaßnahmen am BFW Ausbildungen mit Kammerabschlüssen auf mittlerem und höher qualifiziertem Niveau Ausbildungen auf einfach qualifizierendem Niveau unterhalb von Kammerabschlüssen Integrationsmaßnahmen unterschiedlicher Dauer für unterschiedliche Zielgruppen Berufsorientierende Maßnahmen (Assessment) Ausbildungsbegleitend Betreuung der Rehabilitanden durch den Reha-Fachdienst copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 2
Notwendige Voraussetzungen für Schule, Ausbildung und Beruf Ausreichend lange Aufmerksamkeitsspanne Fähigkeit zur willkürlichen Fokussierung der Aufmerksamkeit Fähigkeit zu geteilter Aufmerksamkeit Keine übermäßige Ablenkbarkeit Ausreichende Reizfilterung Angemessene Impulskontrolle Fähigkeit zu planvollem strukturierten Handeln Angemessenes Zeitgefühl Angemessene Sorgfalt und Ordnungsvermögen copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 3
Symptomatik im Erwachsenenalter 1. Verkürzte Daueraufmerksamkeitsspanne 2. Störung des Arbeitsspeichers 3. Kognitive Auffälligkeiten 4. Mangelnde Impulskontrolle 5. Hypersensitivität u. Hypersensibilität 6. Geringe Stresstoleranz 7. Hyperaktivität, Unfähigkeit zur Entspannung 8. Verlangen nach hochgradiger Stimulierung / Sucht 9. Co-Morbidität copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 4
Häufige Schwierigkeiten Ungeordneter, sprunghafter Denkstil Ungeordnete, ständige Gedankenflut Kein Zeitgefühl Unvermögen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden Vergesslichkeit, Desorganisation und Unvermögen, eine Aufgabe beginnen und/oder beenden zu können Störanfälligkeit und schnell hochschießende Erregung copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 5
Häufige Klagen vorschnelle Ermüdbarkeit und Überforderung bei komplexen Aufgaben ständiges Unsicherheitsgefühl und Versagensängste Stimmungslabilität copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 6
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) Störung des Informationsverarbeitungssystems Tritt familiär gehäuft auf Symptomtrias, gekennzeichnet durch: 1. Störung der Impulskontrolle 2. Beeinträchtigung von Konzentration u. Aufmerksamkeit 3. Fakultative Hyperaktivität copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 7
Ursachen von ADS / ADHS Genetische Faktoren Neurobiologische Regulationsstörungen im Transmitterhaushalt Umweltfaktoren copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 8
Prävalenz 5 bis 10 % eines Jahrgangs sind betroffen Bei 30 bis 60% der Betroffenen persistiert die Symptomatik bis ins Erwachsenenalter copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 9
Verlaufsformen Vollremission bis zur Adoleszenz Persistenz der klinischen Symptomatik unter Abnahme der Hyperaktivität im Erwachsenenalter Persistenz der klinischen Symptomatik mit komorbiden psychiatrischen Störungen und/oder Delinquenz copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 10
Risikofaktoren für Chronifizierung Niedrige Intelligenz Schwere oppositionelle und aggressive Verhaltensstörung Schlechte soziale Einbindung, schlechte Beziehung zu Eltern u. Gleichaltrigen Psychische Störung bei den Eltern Familiäre Instabilität Niedriger sozioökonomischer Status Strafender und inkonsistenter Erziehungsstil copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 11
Comorbide Störungen Angststörungen Suchtkrankheiten Persönlichkeitsstörungen Kognitive Teilleistungsstörungen copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 12
Diagnostik Erfolgt aufgrund der klinischen Symptomatik Stützt sich auf eigen- und fremdanamnestische Angaben Bezieht neuropsychologische Untersuchungen mit ein copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 13
Befunderhebung Entwicklungsanamnese Sozial- und Berufsanamnese Krankengeschichte Psychologische Testung Standardisierte Fragebögen Differentialdiagnostik Co-Morbidität Zusatzdiagnostik copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 14
Differentialdiagnostik Bipolare Störungen Schilddrüsenfunktionstörungen Tourettesyndrom Schädel-Hirn-Traumata Schlafapnoe-Syndrom copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 15
Diagnostische Kriterien der ADHS Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Störung nach: DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of the American Psychiatric Association, 1994) A1 Unaufmerksamkeit Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome von Unaufmerksamkeit sind während der letzten sechs Monate in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessen Ausmaß vorhanden gewesen: beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten, bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder beim Spielen aufrechtzuerhalten scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere ihn/sie ansprechen führt häufig Anweisungen anderer nicht vollständig durch und kann Schularbeiten, andere Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht zu Ende bringen (nicht aufgrund oppositionellem Verhaltens oder Verständigungsschwierigkeiten) hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren vermeidet häufig, oder hat eine Abneigung gegen oder beschäftigt sich häufig nur widerwillig mit Aufgaben, die länger dauernde geistige Anstrengungen erfordern (wie Mitarbeit im Unterricht oder Hausaufgaben) verliert häufig Gegenstände, die für Aufgaben oder Aktivitäten benötigt werden (z.b. Spielsachen, Hausaufgabenhefte, Stifte, Bücher oder Werkzeug) lässt sich oft durch äußere Reize leicht ablenken ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich A2 Hyperaktivität und Impulsivität Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome der Hyperaktivität und Impulsivität sind während der letzten sechs Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß vorhanden gewesen: Hyperaktivität zappelt häufig mit Händen oder Füssen oder rutscht auf dem Stuhl herum steht in der Klasse oder in Situationen, in denen Sitzen bleiben erwartet wird, häufig auf läuft herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist (bei Jugendlichen oder Erwachsenen kann dies auf ein subjektives Unruhegefühl beschränkt bleiben) hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen ist häufig "auf Achse" oder handelt oftmals, als wäre er/sie "getrieben" redet häufig übermäßig viel Impulsivität platzt häufig mit Antworten heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist kann nur schwer warten, bis er/sie an der Reihe ist unterbricht und stört andere häufig (platzt z.b. in Gespräche oder Spiele anderer hinein) copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 16
Diagnostische Kriterien der ADHS Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Störung nach: DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of the American Psychiatric Association, 1994) Für eine ADHS-Diagnose nach DSM IV müssen entweder A1 und/oder A2 sowie B,C, D & E zutreffen. B Einige Symptome der Hyperaktivität-Impulsivität oder Unaufmerksamkeit, die Beeinträchtigungen verursachen, treten bereits vor dem Alter von sieben Jahren auf C Beeinträchtigungen durch diese Symptome zeigen sich in zwei oder mehr Bereichen (z.b. in der Schule bzw. am Arbeitsplatz und zu Hause) D Es müssen deutliche Hinweise auf klinisch bedeutsame Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsbereichen vorhanden sein E Die Symptome treten nicht ausschließlich im Verlauf einer sog. tiefgreifenden Entwicklungsstörung, einer Schizophrenie oder einer anderen psychotischen Störung auf und können auch nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt werden (z.b. Affektive Störung, Angststörung, Dissoziative Störung oder eine Persönlichkeitsstörung) copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 17
Diagnostische Kriterien der ADHS Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Störung nach: DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of the American Psychiatric Association, 1994) Subtypen: TYP 1: Wenn die Kriterien A1 und A2 während der letzten sechs Monate erfüllt waren: DSM-IV 314.01 (ICD-10 F90.00) Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitätsstörung, Mischtypus TYP 2: Wenn Kriterium A1, nicht aber Kriterium A2 während der letzten sechs Monate erfüllt war: DSM-IV 314.0 (ICD-10 F98.8) Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitätsstörung, Vorwiegend Unaufmerksamer Typus TYP 3: Wenn Kriterium A2, nicht aber Kriterium A1 während der letzten sechs Monate erfüllt war: DSM-IV 314.O1 (ICD-10 F90.1) Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitätsstörung, Vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typus Bei Personen (besonders Jugendlichen und Erwachsenen), die zum gegenwärtigen Zeitpunkt ADHS-Symptome zeigen, aber nicht mehr alle Kriterien erfüllen, wird "teilremittiert" spezifiziert. copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 18
Co - Diagnostik 1. Erkennen der Auffälligkeiten von Rehabilitanden als mögliche Hinweise auf ADHS 2. Motivierung der Betroffenen für eine entsprechende Abklärung durch die Fachdienste 3. Bei gestellter Diagnose Verlaufsbeobachtungen als Erfolgsüberprüfung der getroffenen Maßnahmen copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 19
Multimodale Therapie 1. Aufklärung und Beratung 2. Pharmakotherapie 3. Verhaltensorientierte Psychotherapie 4. ergänzend sonderpädagogische Förderung copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 20
Therapieziele Verminderung der ADHS-typischen Symptomatik Verbesserung der Selbstwahrnehmung Verbesserung der sozialen Kompetenz Verbesserung der Strukturierfähigkeit in allen sozialen Bezügen Stärkung der Autonomie copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 21
Co Therapie Sich im Umgang auf die besondere Reizverarbeitung der Betroffenen einstellen In Ausbildung und am Arbeitsplatz die speziellen Probleme dieses Personenkreises berücksichtigen copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 22
Pharmakotherapie Stimulanzien: Methylphenidat (Ritalin 10 mg) D-L-Amphetamin (Amphetaminsaft) Fenetyllin (Captagon 50 mg Tbl) Pemolin (Tradon 20 mg Tbl.) Antidepressiva: Trizyklische A. SSRI copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 23
Methylphenidat Wirkmechanismus Erhöht Dopamin und Nordrenalin im synaptischen Spalt Wirkeintritt nach ca. 20 Minuten HWZ = 2.5 Std. Höchster Plasmaspiegel nach 1,5 Std. Ausscheidung der Abbauprodukte über die Niere copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 24
Methylphenidat Hauptwirkung Bei Gesunden: verhindert Ermüdung Bei ADHS: - steigert die Konzentrationsspanne - verbessert die Impulskontrolle - reduziert die Hyperaktivität -Keine Sedierung! - Kein erhöhtes Suchtpotenzial! copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 25
Methylphenidat Nebenwirkungen Treten bei behandelten Kindern in 4-10 % der Fälle auf -Schlafstörungen -Appetitmangel -Reizbarkeit - erhöhte Herzfrequenz Sehr selten: - depressive Verstimmung -Tic-Induktion copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 26
MTA-Studie (multimodal treatment study of children with ADHD) 14-monatige randomisierte Studie mit 579 ADHS-Kindern, 1999 Vergleich von Therapiestrategien: 1. genau titrierte Medikation mit MP 2. Verhaltenstherapie 3. Kombination aus 1. u. 2. 4. sozialpsychiatrisch-orientierte Therapie copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 27
MTA-Studie Ergebnisse Die alleinige Pharmakotherapie ist der alleinigen sozialpsychiatrisch-orientierten Therapie überlegen Die kombinierte Therapie ist der ausschließlich medikamentösen Therapie nicht überlegen hinsichtlich der ADHS-Symptome Die kombinierte Therapie bietet Vorteile bei einzelnen zusätzlichen Symptomen (Sozialverhalten, oppositionelle Verhaltensweisen etc.) copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 28
Fragestellung Prävalenz von ADHS am BFW? Reduzierung der Abbruchquote durch geeignete diagnostische und therapeutische Maßnahmen möglich? Etablierung eines geeigneten Screening-Verfahrens zu Beginn der beruflichen Rehabilitation sinnvoll? Berücksichtigung der speziellen ADHS-Symptomatik im Unterricht leistbar? copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 29
Ergebnisse der Befragung 51 von 248 RehabilitandInnen (20,6%) haben retrospektiv ein ADHS 18 von 248 RehabilitandInnen (7,3 %) haben aktuell das Vollbild eines gemischten ADHS Frauen und Männer sind zu gleichen Teilen betroffen ADHS bei niedrigerem Schulabschluss prozentual häufiger als bei höherem Schulabschluss copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 30
ADS / ADHS interdisziplinäres Diagnostik- u. Therapie-Konzept im BFW Hamburg Erstkontakt Ärzte, Psychologen, Sonderpädagogen Bei Auffälligkeiten Beratung negativ Screening anhand standardisierter Selbstauskunftsbögen positiv Erweiterte Diagnostik Schwerpunkt der Symptomatik Ausmaß der Beeinträchtigung positiv Ärzte Psychologen Sonderpädagogen Anamnese aktuelle Symptome Komorbiditäten Differenzialdiagnosen TAP-Testung Legastenie Dyskalkulie Multimodale Therapie problembezogen lösungsorientiert Psychologen Ärzte Informationsaustausch Informationsaustausch Sonderpädagogen Stützende Gespräche Verhaltensorientiertes Coaching Informations- u. Trainingsgruppe Verhaltensorientiertes Medikation Coaching Stützende Gespräche Lerntherapie copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 31
-lichen Dank! copyright: Dr. Eveline Reich-Schulze 32