Axel Solty Ausbildungsberater bei der IHK Düsseldorf Erfahrungen mit und Maßnahmen gegen Ausbildungsabbruch Präsentation im Rahmen der Informationsveranstaltung des Düsseldorfer Ausbilderkreises e.v. am 19. Juni 2008
1. Statistiken zum Thema Schaubild 1: Auszubildende im Bezirk der IHK Düsseldorf Jahr gesamt vorzeitig gelöst 2005 12.595 988 (7,8%) 2006 13.142 993 (7,6%) 2007 13.742 1.031 (7,5%) davon im 1. Aj. im 2. Aj. im 3. Aj. im 4. Aj. darunter in der Probezeit 582 311 93 2 256 (44,0%) 559 340 92 2 305 (54,6%) 643 314 73 1 307 (47,7%) Auszubildende in industriell-technischen Berufen Jahr gesamt vorzeitig gelöst 2005 3.420 234 (6,8%) 2006 3.491 188 (5,4%) 2007 3.649 204 (5,6%) davon im 1. Aj. im 2. Aj. im 3. Aj. im 4. Aj. darunter in der Probezeit 134 63 35 2 41 (30,6%) 87 69 30 2 36 (41,4%) 106 81 16 1 34 (32,1%) Auszubildende in kaufmännischen Berufen Jahr gesamt vorzeitig gelöst 2005 9.175 754 (8,2%) 2006 9.651 805 (8,3) 2007 10.093 827 (8,2%) davon im 1. Aj. im 2. Aj. im 3. Aj. darunter in der Probezeit 448 243 58 215 (48,0%) 472 271 62 269 (57,0%) 537 233 57 273 (50,8%) 2
2. Erkenntnisse aus der Statistik Durchschnittlich 7,6 % der Ausbildungsverträge werden wieder gelöst. Die Quote ist in den letzten Jahren unverändert. Gelöste Verträge gibt es über die gesamte Ausbildungsdauer, allerdings nimmt die Vertragsauflösung ab, je weiter die Ausbildungszeit fortgeschritten ist. Die Probezeit erfüllt nur zum Teil ihre Funktion, da gut die Hälfte der gelösten Verträge während der Probezeit gelöst wird. Bei den industriell-technischen Berufen liegt die Trennungsquote nach der Probezeit und noch im 1. Ausbildungsjahr zwischen 58 und fast 70 Prozent. Die Auflösungsquote liegt bei den Ausbildungsverträgen in industriell-technischen Berufen mit durchschnittlich 5,9 Prozent deutlich niedriger als bei den kaufmännischen Berufen mit einem Schnitt von 8,2 Prozent. Da der Betrachtungszeitraum nur kurz und die vorgefundenen Statistiken deutliche tiefer analysiert werden müssten, lassen sich die weiteren Erkenntnisse nur mit großer Vorsicht behandeln: (Nachstehende Aussagen ohne Schaubilder) Werden die industriell-technischen Berufen nach Branchen unterteilt (Metall, Elektro, BSE, Chemie, Holz, Papier/Druck, Leder/Textil, Nahrung/Genuss, Glas/Keramik) sind keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Wirtschaftsbereichen bei den Lösungen erkenntlich. Bei den kaufmännischen Berufen ergeben sich bei der Branchenbetrachtung folgende Merkmale: 3
Mit durchschnittlich 15,4 Prozent ist die Vertragsauflösungsquote im Hotel- und Gaststättenbereich deutlich höher als in den anderen Branchen. Die niedrigste Quote gelöster Verträge verzeichnet das Bankgewerbe mit durchschnittlich 1,76 Prozent, gefolgt vom Industriesektor mit 2,8 Prozent und der Versicherungswirtschaft mit 4,5 Prozent. Das Verkehrs- und Transportgewerbe verzeichnet 6,3 Prozent gelöster Verträge und der Handel 8,6 Prozent. Wie erwähnt sind diese Aussagen mit Vorsicht zur Kenntnis zu nehmen, denn die Statistik kennt auch die Berufs branche Sonstige Berufe. Hierunter fallen vor allem die zahlenmäßig starken Verträge der Bürokaufleute und Kaufleute für Bürokommunikation (740 bez. 1130), die als Querschnittsberufe in allen Branchen vertreten sein können. Gleiches gilt für die IT-Berufe. Auch Verlage und Werbeagenturen werden nicht gesondert erfasst. 3. Gründe für das Lösen von Berufsausbildungsverträgen Wenn jedes Jahr ungefähr 1.000 Berufsausbildungsverträge in Düsseldorf und im Kreis Mettmann und nur im Zuständigkeitsbereich der IHK gelöst werden, bedeutet dies nicht nur 1.000 Schicksale, sondern auch einen erheblichen betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Schaden. Dieser Schaden ist allerdings nicht ganz so groß wie er manchmal von interessierter Seite dargestellt wird wenn von Ausbildungsabbrüchen gesprochen oder geschrieben wird. Das Statistische Bundesamt spricht deshalb auch neutral von vorzeitig gelösten Ausbildungsverhältnissen. 4
Dass dies richtig ist, wird ersichtlich, wenn man sich einmal die Gründe näher anschaut, die zu einer Vertragsauflösung im Berufsausbildungsverhältnis führen. 5
Schaubild 2: Gründe für eine Lösung des Ausbildungsvertrages Auflösung vor Beginn der Ausbildung Auflösung in der Probezeit Auflösung im gegenseitigen Einvernehmen Berufswechsel im gleichen Betrieb Verfehlung(en) des Auszubildenden Sonstige Verfehlungen des Auszubildenden Diebstahl, Unterschlagung etc. Schule schwänzen Arbeitsverweigerung Andere Gründe, die in der Person des Auszubildenden liegen Berufswechsel Mangelnde Eignung Gesundheitliche Gründe Tod des Auszubildenden Wiederaufnahme der Schule, Aufnahme des Studiums Wohnortwechsel 6
Verfehlungen des Ausbildenden Vertragsbruch Unzureichende Ausbildungsleistung Gesetzesverletzung Andere Gründe, die dem Ausbildenden anzulasten sind Geschäftsaufgabe Inhaberwechsel, Fusion Konkurs Vorzeitige Auflösung nach Stufenabschluss Zuständigkeitswechsel 7
Aus der Vielfältigkeit der Auflösungsgründe kann man somit zumindest drei Gruppen unterscheiden: Gründe, die zu echten Abbrüchen führen Gründe, die für Berufswechsler ausschlaggebend sind und sonstige Gründe 4. Die EMNID Untersuchung In echte Abbrecher und Berufswechsler unterscheidet auch das EMNID Institut, Bielefeld, welches 2006 im Auftrag des Westdeutschen Handwerkskammertages eine Untersuchung zum Thema Ausbildungsabbruch (!) durchgeführt hat.*) Im nachfolgenden stütze ich mich in meinen Ausführungen weitgehend auf diese Studie, die zwar durchaus handwerksspezifische Merkmale hat, aber deren Erkenntnisse sich weitgehend auch auf Industrie, Handel und Dienstleistung übertragen lassen. Fast 2/3 der Jugendlichen haben sich mit einem Praktikum auf den Ausbildungsberuf vorbereitet. Dies heißt aber auch: 1/3 der jungen Erwachsenen haben keinerlei Vorkenntnisse bei Abschluss ihres Ausbildungsvertrages. 20 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben ihren Ausbildungsplatz über die Agentur für Arbeit erhalten. *) Westdeutscher Handwerkskammertag: Ausbildungsabbruch. Studie durchgeführt von TNS EMNID, Stiegelhorster Str. 90, 33605 Bielefeld, vermutlich 2006. 8
Und was für die Bewerber bei Handwerksbetrieben gilt, dürfte auch für den Nachwuchs der Unternehmen der IHK gelten: Wer sich vorab gezielt über seinen Wunschberuf informiert hat, erreicht nicht nur eher einen Ausbildungsplatz im Beruf seiner Wahl, sondern bricht auch seltener die Ausbildung ab. Auch die Feststellung, dass eine verstärkte Eigeninitiative der Bewerber dazu führt, dass 2/3 von ihnen einen Ausbildungsplatz in ihrem Wunschberuf erhalten, überrascht ebenfalls nicht. Genauso wenig wie die Erkenntnis, dass die ganz überwiegende Mehrheit derjenigen, die ihre Ausbildung abbrechen, bei einem zweiten Anlauf diesen Ausbildungsgang auch erfolgreich beendet. Wenn ein Berufsausbildungsvertrag vorzeitig aufgelöst wird spielen meist mehrere Gründe eine Rolle. Gründe, die sich grob unterteilen lassen in: betriebliche Gründe private, persönliche Gründe schulische Gründe Diese Gründe betreffen sowohl Auszubildende als auch Ausbilder. Wenn auch mit teilweise völlig anderer Gewichtung. 9
Schaubild3: Betriebliche Gründe, die zur vorzeitigen Auflösung eines Ausbildungsvertrages führen: I. Aus Sicht des Auszubildenden Konflikt mit Ausbilder Tätigkeiten, die mit der eigentlichen Ausbildung nichts zu tun haben Mangelnde Fähigkeiten des Ausbilders, Kenntnisse zu vermitteln Mangelnde Qualität der betrieblichen Ausbildung Überforderung - allgemeiner Art - körperliche Überbeanspruchung Unterforderung II. Aus Sicht des Ausbildenden Fehlverhalten im Betrieb Personeller Konflikt mit Ausbilder und / oder Mitarbeitern Überforderung des Auszubildenden 10
Schaubild 4: Persönliche Gründe, die zur vorzeitigen Auflösung eines Ausbildungsvertrages führen: I. Aus Sicht des Auszubildenden Nachträglich bessere Ausbildungsstelle gefunden Keine Motivation (mehr) Falsche Berufsvorstellung Gesundheitliche Probleme, die aufgrund der Arbeit auftraten Ungünstige Beschäftigungschancen im Ausbildungsberuf Finanzielle Schwierigkeiten II. Aus Sicht des Ausbildenden Kein Interesse / keine Motivation für die Ausbildung Familiäre Probleme oder Probleme in der Beziehung Finanzielle Schwierigkeiten Falsche Berufsvorstellungen Gesundheitlichen Probleme, die unabhängig von der Arbeit auftraten Drogenprobleme, Suchtprobleme 11
Schaubild 5: Schulische Gründe, die zur vorzeitigen Auflösung eines Ausbildungsvertrages führen: Prüfungsangst Qualität des Unterrichts Überforderung 12
Doch anders als bei betrieblichen und persönlichen Gründen spielen die schulischen Gründe für die Lösung des Ausbildungsvertrages nur eine nachgeordnete Rolle. Je nachdem, ob es sich um Ausbilder oder Auszubildenden handelt, gibt es also eine unterschiedliche Sichtweise auf den Konflikt, der zur Vertragslösung führt. Beide Seiten sollten sich dieses Umstandes bewusst sein und danach ihr Handeln abstimmen, um eine Vertragsauflösung zu verhindern. Eine geeignete Maßnahme ist immer die, die beiden Seiten hilft, das heißt auch dem Auszubildenden bei seinem Problem. Doch bevor es zu einer Maßnahme kommt, schwelt bereits der Konflikt mehr oder weniger lange. Hier die Vorzeichen zu erkennen und frühzeitig zu handeln ist die wirksamste Maßnahme, um eine vorzeitige Auflösung des Ausbildungsvertrages zu verhindern. 13
Schaubild 6: Vorzeichen für Ausbildungsabbrüche Schlechte Noten im Abschlusszeugnis der allgemeinbildenden Schule Schlechte Noten in der Berufsschule Schlechte Ergebnisse in der Zwischenprüfung Schlechte Leistungen im Betrieb Häufiges unentschuldigtes Fehlen (im Betrieb und /oder der Schule) Schaubild 7: 14
Maßnahmen zur Verhinderung der vorzeitigen Lösung des Ausbildungsvertrages Klare Regeln helfen, Missverständnissen vorzubeugen Unterforderung (nicht fachgerechte Ausbildung) vermeiden Miteinander reden Konfliktgespräche rechtzeitig führen Disziplinarische Maßnahmen: o Ermahnung o Mündliche Abmahnung o Zielvereinbarung schriftlich fixieren und vom Ausbildenden unterschreiben lassen o Schriftliche Abmahnung Nachhilfeunterricht Didaktische Maßnahmen o Betrieb räumt mehr Zeit für die Erledigung der betrieblichen Aufgaben ein o Betrieb gewährt mehr Lob und Anerkennung für geleistet Arbeit o Mehr Aufmerksamkeit und Verständnis im Betrieb o Mehr oder bessere Arbeitsmittel Schaubild 8: 15
Maßnahmen vor Ausbildungsbeginn zur Verhinderung der vorzeitigen Lösung des Ausbildungsvertrages Mehr Informationen über den Ausbildungsbetrieb Mehr Informationen über die Anforderungen im Ausbildungsberuf Mehr Informationen über die Anforderungen im Berufsleben 16
Natürlich werden diese Maßnahmen je nach Akteur unterschiedlich gesehen und gewichtet. So geht die Mehrheit der Ausbilder davon aus, dass bereits genügend Lob und Anerkennung den Auszubildenden zuteil wird, während gerade Auszubildende sich dies verstärkt wünschen. Es ist bezeichnend, dass gerade der klassische Ausbildungsabbrecher angibt, dass mehr Informationen (Maßnahmen) vor Ausbildungsbeginn ihm sicherlich geholfen hätten, den Ausbildungsgang erfolgreich zu bestehen oder er sich von vornherein für einen anderen Beruf/Betrieb entschieden hätte. 5.Fazit: Es gibt keinen Königsweg, eine vorzeitige Lösung eines Ausbildungsvertrages zu verhindern. So wie hinter dem vorzeitigen Vertragsende meist mehrere Gründe stehen, sind meist auch unterschiedliche Maßnahmen (individuell abgestimmt) erforderlich, um den Berufsausbildungsvertrag zu retten. Gegebenenfalls können auch Facheinrichtungen den Ausbildern und Auszubildenden bei ihrem Konflikt helfen. IHK (Ausbildungsberater) Agentur für Arbeit (Berufsberatung) Arbeiterwohlfahrt (Ausbildungsbegleitende Hilfen) ARGE Düsseldorf (Koordination Eingliederungsmaßnahmen) Diakonie Düsseldorf Jugendamt Düsseldorf (Jugendberufshilfe) Düsseldorf, den 19. Juni 2008 VI/Sy 17