Übungen im Öffentlichen Recht I, Fall 5 MLaw Patrizia Attinger 23.03.2016 Seite 1
Allgemeines Grundrechtsbindung Träger der Grundrechte Sonderstatusverhältnis 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 2
Grundrechtsverletzung: Vorgehen Vorfrage: Welche Grundrechte kommen in Frage? Grundrecht A 1. Ist der sachliche Schutzbereich berührt? 2. Ist der persönliche Schutzbereich berührt? 3. Stellt der Vorgang einen Eingriff in den Schutzbereich dar? 4. Ist der Eingriff verfassungskonform (Art. 36 Abs. 1-4 BV)? Grundrecht B 1. Ist der sachliche Schutzbereich berührt? 2. Ist der persönliche Schutzbereich berührt? 3. Stellt der Vorgang einen Eingriff in den Schutzbereich dar? 4. Ist der Eingriff verfassungskonform (Art. 36 Abs. 1-4 BV)? 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 3
Frage 1 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 4
Anwendbare Grundrechte Aufgabenstellung: Anwendbarkeit prüfen Menschenwürde (Art. 7 BV; Art. 3 EMRK) Persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV; Art. 5 EMRK) Verbot unmenschlicher Behandlung (Art. 10 Abs. 3 BV; Art. 3 EMRK) Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV; Art. 8 EMRK)? 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 5
Frage 2 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 6
Grundrechtskonkurrenz Echte Grundrechtskonkurrenz Unechte Grundrechtskonkurrenz Menschenwürde Persönliche Freiheit 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 7
Frage 3 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 8
Fragestellung X verlangt einen Anwalt, um akzeptable Haftbedingungen zu erlangen. [ ] Sie bereiten eine Rechtsschrift vor, um X seinen Wunsch zu erfüllen. Dabei entscheiden Sie sich, eine Verletzung von Art. 10 BV geltend zu machen. Wie argumentieren Sie? Zulässige Haftbedingungen Einschränkungen der persönlichen Freiheit inhaftierter Personen Menschenwürde Verbot von Folter und von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung Bewegungsfreiheit? 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 9
Zulässige Haftbedingungen Informationsquellen: Gesetze, Richtlinien, Gefängnisreglements Dokumente internationaler Organisationen, z.b. des Europarats: Recommandation Rec(2006)2 du Comité des Ministres aux Etats membres sur les Règles pénitentiaires européennes vom 11. Januar 2006, erhältlich unter http://www.coe.int/fr/web/human-rights-rule-oflaw/news/-/asset_publisher/qi77shb3q28l/content/combating-illtreatment-in-prison Entscheide internationaler Gerichte, z.b. EGMR Entscheide des Bundesgerichts: BGE 140 I 125, Haftbedingungen in Champs-Dollon 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 10
Zulässige Haftbedingungen Kriterien: Hygienischer Zustand Klimatische Verhältnisse (Temperatur, Frischluft) Lichtverhältnisse (künsltiches oder natürliches Licht?) Grösse der Zelle Grösse der Fenster (Frischluft, natürliches Licht) Zur Verfügung stehender persönlicher Raum Zustand von Zelle und Einrichtung Sauberkeit 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 11
Zulässige Haftbedingungen Kriterien: Sanitäre Einrichtungen (Zustand, Sauberkeit, Zugang) Bewahrung der Initimität bei Benutzung sanitärer Anlagen Eigenes Bett für jeden Insassen, Sauberkeit Mahlzeiten (Häufigkeit, hygiensiche Zubereitungsart) Jederzeitiger Zugang zu Trinkwasser Bewegung an der frischen Luft 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 12
Zulässige Haftbedingungen Le Tribunal fédéral a enfin insisté sur l'appréciation globale de toutes les conditions concrètes de détention [...]. En ce qui concerne la violation de l'art. 3 CEDH, il a relevé qu'un traitement dénoncé doit atteindre un minimum de gravité: l'appréciation de ce minimum dépend de l'ensemble des données de la cause et notamment de la nature et du contexte du traitement ainsi que de sa durée [...]. Cette durée est en effet susceptible de rendre incompatible avec la dignité humaine une situation qui ne le serait pas nécessairement sur une courte période. BGE 140 I 125 E. 3.3 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 13
Ziel der Argumentation Ziel: Verbesserung der Haftbedingung Mittel: Darlegung einer Verletzung von Art. 7 und Art. 10 Abs. 3 BV Absolute Geltung von Art. 7 und Art. 10 Abs. 3 BV Keine Einschränkung, keine Güterabwägung 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 14
Verletzung von Art. 7 und Art. 10 Abs. 3 BV Nicht jede freiheitsbeschränkende Massnahme stellt eine Verletzung dar Gewisses Leiden und gewisse Entwürdigung zulässig Mindestmass an Schwere erforderlich: Einschränkung übersteigt den Rahmen des Üblichen Einschränkung geht weiter als das, was unausweichlich mit einem Freiheitsentzug verbunden ist Gesamtbeurteilung der Haftbedingungen, inkl. Dauer des Zustandes 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 15
Verletzung von Art. 7 und Art. 10 Abs. 3 BV: Argumente: Starke Überbelegung: drei anstatt sechs Insassen Luftqualität: doppelt so viele Menschen wie gedacht, extreme Hitze während längerer Zeit Ausgang: nur zweimal die Woche eine Stunde Kein Bett, nur Matratze Fazit 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 16
Frage 4 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 17
Argumentation Ziel: Keine Verletzung von Art. 7 und Art. 10 Abs. 3 BV Mittel: Darlegen, dass Haftbedingungen sich im Rahmen des Üblichen und Zulässigen befinden Darlegen, dass X s Leiden dem entspricht, was unausweichlich mit einem Freiheitsentzug verbunden ist 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 18
Argumentation Gesamtwürdigung? Argumente: Hygienischer Zustand Gewährleistete Intimsphäre Eigenes Bett Gewisse Unannehmlichkeiten sind hinzunehmen Unvorhersehbarkeit der extremen klimatischen Bedingungen (?) 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 19
Frage 5 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 20
Recht auf Leben Art. 10 Abs. 1 BV; Art. 2 Abs. 1 EMRK Abwehrrecht Schutzplichten gegenüber Personen in staatlichem Gewahrsam Voraussetzungen für positive Schutzpflicht: Kenntnis der Gefahr Möglichkeit zum Ergreifen vernünftiger Schutzmassnahmen 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 21
Kenntnis der Gefahr Konnten oder mussten die Verantwortlichen von G die Gefahr kennen, die von X ausging? Chronologie: X leitet rechtliche Schritte ein Reaktion nach erstinstanzlichem Entscheid X verlangt eine Betreuungsperson X kann für nichts mehr garantieren Anwalt weist auf Aggressionspotential seines Klienten hin X reisst Matratze in Stücke 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 22
Schutzmassnahmen Hatten die Verantwortlichen von G die Möglichkeit, vernünftige und zumutbare Schutzmassnahmen zu ergreifen, um die von X ausgehende Gefahr einzudämmen? Seelische Betreuungsperson Isolierung Fazit 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 23
Fallbearbeitung Häufige Fehler Formelles! Sprache! Wenig Literatur verwendet Kein sauberer Gutachtenstil Fragen verkannt Ungenaue Arbeitsweise Kaum Bezugnahme auf Sachverhalt Schlechter Argumentationsaufbau Keine klare Formulierung der Ergebnnisse 23.03.2016 Titel der Präsentation, Autor Seite 24