Eine 28-jährige Frau, bisher gesund, präsentiert sich mit neu Schleimhautblutungen und Petechien an den Beinen. Ein grosses Blutbild wird angefertigt: André Tichelli Thrombozyten 9 x10 9 /l 1. Besteht eine echte Thrombopenie? 2. Was ist das unmittelbare Risiko einer Blutung? 3. Was ist die Ursache der Thrombopenie? 4. Wie behandeln? 1. Besteht eine echte Thrombopenie? 2. Was ist das unmittelbare Risiko einer Blutung? 3. Was ist die Ursache der Thrombopenie? 4. Wie behandeln? Speziell ITP Immun thrombozytopenisches Purpura Idiopatische thrombozytopenische Purpura Immun Thrombozytopenie Speziell ITP Immun thrombozytopenisches Purpura Idiopatische thrombozytopenische Purpura Immun Thrombozytopenie Definitionen Referenzwert Thrombozyten 150 450 x10 9 /l Definition bei ITP < 100 x10 9 /l Pseudothrombopenie Satelliten Phänomen Abnormal grosse Thrombozyten Geronnenes Blut Patienten mit einer Thrombopenie zwischen 100-150 x10 9 /l haben ein niedriges Risiko (7%) eine Thrombopenie < 100 x10 9 /l zu entwickeln Nicht kaukasische Ethnien tiefere Referenzwerte Während der Schwangerschaft sind die Referenzwerte niedriger Neunert C. et al. Blood. 2011;117:4190-4207 1
Risiko einer lebensbedrohlichen Blutung bei Thrombozyten 20 x10 9 /l Häufigste Todesursache Zerebrale Blutungen Blutungsrisiko abhängig Ursache der Thrombopenie Funktion der Thrombozyten Medikamente (Aspirin) Komorbidität mit Blutungsrisiko Lebensstil Alter des Patienten Blutungsrisiko bei Chemotherapie-induzierter Thrombopenie Jährliches Risiko Fatale Blutungen Elting L S et al. JCO 2001;19:1137-1146 Y C Cohen et al. Arch Intern Med, 2000;160:1630-1638 Peripherer Verbrauch Megakaryozytäre Thrombopenie Produktionsstörung Amegakaryozytäre Thrombopenie Verdrängung Leukämie Lymphom Tumor Fehlende Produktion Aplastische Anämie Chemotherapie Ineffektive Produktion Myelodysplastisches Syndrom (MDS) B12/Folsäure Mangel Knochenmarksfibrose Hereditäre Thrombopenie Lebererkrankung, inklusive alkoholische Leberzirrhose Medikamente und toxische Substanzen Alkohol Quinin enthaltende Substanzen Post-transfusionelle Thrombopenie Infekte Disseminierte intravaskuläre Thrombopenie (DIC) ITP Eine 28-jährige Frau, bisher gesund, präsentiert sich mit neu Schleimhautblutungen und Petechien an den Beinen. Thrombozyten, 9 x10 9 /l Symptomatische Thrombopenie Keine Vorgeschichte Keine Familienanamnese Isolierte Thrombopenie mit normalem Blutbild Leukozyten Hämoglobin MCV 2
NP: Frage Was würden Sie als nächstes tun? 1. Die ITP ist gesichert, keine zusätzlichen Untersuchungen 2. Knochenmarksuntersuchung 3. HIV und HCV Untersuchungen 4. Plättchenspezifische Antikörpersuche Plättchenspezifische Antikröper Werden nicht empfohlen Unspezifisch / schlechte Sensitivität Empfehlungen HIV und HCV Untersuchung Da unterschiedliches therapeutisches Vorgehen Knochenmarksuntersuchung nicht indiziert. Ausnahmen Abnormes Blutbild Zytopenie, Leukozytose Makrozytose Leukoerythroblastäres Blutbild Atypische Präsentation einer ITP Alter ist kein Kriterium mehr Mikrozytäre hypochrome Anämie ist bei ITP eine akzeptierte Blutbild Veränderung Die Patientin hat im Internet gelesen, dass tiefe Plättchenzahl mit einem Blutungsrisiko verbunden ist. Die Patientin und ihr Ehemann machen sich nun Sorgen wegen dem Risiko einer schwerwiegenden Blutung. Sie fragen, was nun geschehen wird Tatsachen Spontane Erholung der Thrombopenie ist beim Erwachsenen eine Seltenheit (<10%?) Symptomatische Patienten haben meistens eine schwerere Thrombopenie Das Blutungsrisiko steigt mit zunehmendem Alter Es besteht keine Evidenz welche uns die minimal akzeptable Thrombozytenzahl angibt Therapieindikation bei neudiagnostizierter ITP Thrombozytenwerte < 30 x10 9 /l Blutungen bei höheren Werten Blutungsrisiko ausgesetzt Intervention notwendig Zahnextraktion Dental block Chirurgischer Eingriff Peridurale Anästhesie Therapie Bemerkungen Langzeitbehandlung mit Prednison 1-2mg/kg /Tag x 21 Tage Nachher Dosis langsam reduzieren Standardbehandlung Empfehlung ASH 2011 Pulse Hochdosiert Dexamethason 40mg /Tag x 4 Tage alle 2-4 Wochen Steroide + IVIG IVIG allein Schnelleres Ansprechen Weniger Nebenwirkungen Langzeitresultate schlechter (?) Wenn schnelles Ansprechen erforderlich Effekt der IVIG transient Bei Kontraindikation für Steroide Effekt der IVIG transient Zaja F. et al. Blood, 2010;115:2755-2762 3
Situation Thrombozyten indiziert Chemotherapie Thrombozyten < 10-20 x10 9 /l Kleiner chirurgischer Eingriff Komplexe Zahnextraktion Grosser chirurgischer Eingriff Peridurale Anästhesie Thrombozyten <50 x10 9 /l Thrombozyten <80x10 9 /l Grosser neurochirurgischer Eingriff Chirurgischer Eingriff mit bekannter Thrombozytendysfunktion Thrombozyten <100 x10 9 /l Provan D. et al. Blood. 2010;115:168-186 Die Patientin hat gut auf Dexamethason angesprochen. Die Thrombozyten sind auf 100 x10 9 /l angestiegen. 3 Monate später treten wieder Petechien und Schleimhautblutungen auf. Die Thrombozyten betragen 8 x10 9 /l Der Hausarzt verschreibt 30 mg/tag Prednison. Die Thrombozyten steigen auf 35 x10 9 /l, die Patientin hat keine Blutungen mehr. Sie hat aber eindeutig Nebenwirkungen von den Steroiden. Sie fragt wie es nun weiter gehen soll NP: Frage Was würden Sie als nächstes tun? 1. Prednison absetzen 2. Immunglobuline (IVIG) hinzufügen 3. Weiter mit Prednison in gleicher Dosis (30 mg/tag) 4. Patientin impfen und Splenektomie planen Überlegungen Therapie Optionen Langdauerende Steroid- Behandlung (>7.5mg/Tag) führt zu schweren Nebenwirkungen Bei Rezidiv, Start mit Steroiden möglich Aber sofort die Zweitlinien Behandlung planen Noch einmal evaluieren ob eine Therapie notwendig Ziel der Behandlung Kein Blutungsrisiko Thrombozyten > 30-50 x10 9 /l 1. Splenektomie 2. Rituximab 3. Thrombopoietin Rezeptor Agonisten Eltrombopag Romiplostim 4. Andere Immunosuppressiva CSA Cycophosphamid Azathioprine Danazol Dapsone Ansprechen nach Splenektomie Ansprechen 70-90% CR (Tc >150) 65-70% Rezidiv (10 y) 15-20% Mortalität 0.2-1% CR nach Splenektomie PR nach Splenektomie Kiasash et al. Blood. 2004, 104; 2623-2634 4
Rituximab (anti-cd20) Wird häufig als Zweitlinien Behandlung verwendet Keine prospektiven Studien Langzeitresultate enttäuschend Ansprechen nach 1 Jahr, 18-35% Nebenwirkungen und Spätfolgen Mortalität 2-3% Progressive multifokale Leukoencephalopathie (?) Thrombozyten-stimulierende Medikamente Eltrombopag (oral) (Revolade ) Romiplostim (sc) (Nplate ) Nach Absetzen des Medikamentes fallen die Thrombozyten wieder auf den initialen Wert Bussel et al. Lancet. 2009, 373; 641-48 Lancet et al. 2011 377:393-402 Die Patientin erhielt Impfung gegen Meningokokken, und Pneumokokken Es wurde eine laparoskopische Splenektomie durchgeführt Die Thrombozyten sind über 100 x10 9 /l angestiegen. Die Steroide konnten abgesetzt werden Empfehlung bei Fieber sofort Antibiotika zu starten Chronische HCV Infekt Steroide, IVIG & Splenektomie können die Thrombozytenzahl verbessern Steroide steigern den viral load Eltrombopag ist effizient aber Risiko Pfortaderthrombose Empfehlungen Behandlung HCV mittels antiviraler Therapie, wenn möglich ITP mittels IVIG, wenn indiziert HIV-assoziierte ITP Antivirale Therapie verbessert die Zytopenie / Thrombopenie Steroide verbessert ITP wie bei nicht HIV infizierten Patienten Keine speziellen Nebeneffekte Splenektomie ist effektiv bei HIVassoziierter ITP Empfehlungen Behandlung HIV Behandlung Falls ITP notwendig, Steroide, IVIG, evtl.. Splenektomie Thrombopenie kann zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen Hohes Alter ist der grösste Risikofaktor ITP ist eine Ausschlussdiagnose Bei ITP mit HCV oder HIV: unterschiedliches Vorgehen Eine Knochenmarksuntersuchung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen indiziert Ansprechen auf Steroide/IVIG spricht für eine ITP Behandlung einer ITP Steroide ± Immunglobuline(IVIg) gehören zur Erstlinien Therapie Splenektomie ist die Zweitlinientherapie 1. Cindy Neunert et al. The American Socierty of Hematology 2011 evidence-based practice guideline for immune thrombocytopenia. Blood. 2011; 117: 4190-4207 2. Drew Provan et al. International consensus report on the investigation and management of primary immune thrombcytopenia. Blood. 2010; 115: 168-186 3. K Kojouri et al. Splenectomy for adult patients with idiopathic thrombocytopenic purpura: a systematic review to assess long-term platelet count responses, prediction of response, and surgical complications. Blood. 2004: 104:2623-2634 4. Bussel JB et al. Safety and efficacy of long-term treatment with romiplostim in thormbocytopenic patients with ITP. Blood. 2009; 113: 2161-2171. 5. Cheng et al. Eltrombopag fro the management of chronic immune thrombocytopenia: a 6-month, randomized phase 3 study. Lancet, 2011: 377; 393-402. 6. Rodeghiero F. et al. Standardization of terminology, definitions and outcome criteria in immune thrombocytopenic purpura of adults and children: report from an international working group. Blood: 2009; 113: 2386-2393 5