Fachtag Denken, Verhalten und Einstellungen 20. Juni 2011 JVA Charlottenburg Psychosoziale Diagnostik Rolf Glemser M.A. Klinischer Sozialarbeiter Inhalt Glemser 2011 2 1
Inhalt Glemser 2011 3 Grundlagen Die soziale Diagnose... bezweckt... den Versuch, eine möglichst genaue Darstellung der sozialen Schwierigkeiten und ein möglichst genaues, zutreffendes Bild von der Person eines Hilfsbedürftigen zu geben zum Material der Ermittlung gehören daher alle Tatsachen aus dem Leben des Bedürftigen und seiner Familie, die dazu helfen können, die besondere soziale Not oder das soziale Bedürfnis des Betreffenden zu erklären und die Mittel zur Lösung der Schwierigkeit aufzuzeigen. (Alice Salomon 1926) Glemser 2011 4 2
Grundlagen Diagnostik bildet nicht Realität ab, sondern Bilder von (oder genauer: für) Realität (Höllmüller 2009) Anstelle von objektivierter bzw. expertokratischer Wahrheit ist in jedem Schritt des psychosozialen Diagnoseprozesses die Intersubjektivität und dialogische Kontextualisierung zu beachten (Selbst-)Reflexion ist ein Kernprozess der psychosozialen Diagnostik Glemser 2011 5 Grundlagen Soziale Diagnostik sollte: 1. Komplexität abbilden und Strukturierung ermöglichen 2. (Nicht-)Intervention fachlich begründen 3. sich an Fragen der Inklusion orientieren 4. Selbstaneignungsprozesse fördern 5. den Dialog unterstützen (Pantuček 2006) Glemser 2011 6 3
Inhalt Glemser 2011 7 Diagnostisches Fallverstehen (Pantuček 2009) Glemser 2011 8 4
Diagnostisches Fallverstehen (Heiner 2010) Glemser 2011 9 Inhalt Glemser 2011 10 5
Psychosozialer Diagnoseprozess 1. Schritt: Klassifikatorische Diagnostik 2. Schritt: Biographisches Fallverstehen (rekonstruktiv) 3. Schritt: Sozial- und lebensweltorientierte Diagnostik 4. Schritt: mehrdimensionale Problem- und Ressourcenmatrix psycho-soziale Diagnostik (Pauls 2004; Gahleitner et al. 2009) Glemser 2011 11 Inhalt Glemser 2011 12 6
Klassifikatorische Diagnostik Klassifikation: systematische Einteilung von Dingen und Begriffen nach gemeinsamen Merkmalen Klassifikationen [sollen] insofern theorielos sein, als sie keine Erklärung für die Entstehung von Problemen, Krankheiten etc. liefern, sondern zunächst nur rein deskriptiv deren Einordnung ermöglichen sollen. (Röh 2009) Klinische Sozialarbeit muss sich in Klassifikationssysteme zurechtfinden sowie diese nachvollziehen, anwenden und kritisch hinterfragen können (multiprofessioneller Konsens) Glemser 2011 13 Klassifikatorische Diagnostik ICD 10 DSM IV ICF PIE-Klassifikation (Karls & Wandrei 1994) IC2 - Inklusions-Chart (Pantuček 2009) Testverfahren und Symptomlisten (SCL-90-R, FPI-R ) deduktive und standardisierte Verfahren Kategorisierung und Subsumierung Glemser 2011 14 7
Inhalt Glemser 2011 15 Rekonstruktiv-biographische Diagnostik das retrospektive Vorgehen stellt keine empirische Erhebungstechnik im engeren Sinne dar, sondern vielmehr einen heuristischen Weg zu empirischen Fragen überhaupt. (Oerter et al. 1982) Biographische Wissensbestände psychischer und sozialer Phänomene werden aus dem Gesamtzusammenhang der Lebens- und Gesellschaftsgeschichte rekonstruiert: Kontextualisierungsherausforderung als eine prozessuale Perspektive auf Subjekt und Struktur. (Hanses 2004) Glemser 2011 16 8
Rekonstruktiv-biographische Diagnostik Frühe Kindheit Rekonstruktion von biographischen Verläufen und (Selbst-)Konstruktionen vor einem professionellen Hintergrund Kindheit und Jugend Adoleszenz Erwachsenenalter intersubjektiv geteiltes, bedeutungsorientiertes Verstehen Parameter: Bindung; emotionale, kognitive und soziale Entwicklung; Schutz- und Risikofaktoren; Lebenschancen und Lebenskrisen (Gahleitner 2005) Glemser 2011 17 Inhalt Glemser 2011 18 9
Soziale- und Lebensweltdiagnostik Fünf Säulen der Identität (Petzold & Wolf 2000) - Leiblichkeit - Soziales Netzwerk - Arbeit/Leistung/Freizeit - materielle Sicherheit - Werte sozio-kontextuelles Atom (Märtens 1997) Eco-Map (Cournoyer 1996, Pauls 2004) Netzwerkkarte (Pantucek 2009) Soziometrie (Moreno 1934) öko-soziale Kontextualisierung Glemser 2011 19 Inhalt Glemser 2011 20 10
Koordinaten psychosozialer Behandlung (Pauls 2004) Glemser 2011 21 Koordinaten psychosozialer Behandlung z.b. Glemser 2011 22 11
Inhalt Glemser 2011 23 Gestaltungsdiagnostik Methodischer Dreischritt psychosozialer Behandlung: 1. Anamnese/Diagnostik 2. Behandlungsplan/Intervention 3. Evaluation/Ablösung (Salomon & Wronsky 1926) Bio-psycho-soziales Paradigma (WHO 2001) Bio-psycho-soziale Problemlagen sind Passungsprobleme im Sinne von Diskrepanzen bzw. Inkongruenzen zwischen den verschiedenen gesundheitsrelevanten Dimensionen Glemser 2011 24 12
Gestaltungsdiagnostik Regelkreis prozessualer Gestaltungsdiagnostik (Glemser 2010) Psychosoziale Diagnostik phänomenales Erkenntnisinteresse Hypothesenbildung kausales Erkenntnisinteresse Interventionen aktionales Erkenntnisinteresse Glemser 2011 25 Gestaltungsdiagnostik Klinische Sozialarbeit: direkte Interaktion mit Klient(inn)en/Patient(inn)en und personenzentrierte Beratung, Behandlung und Therapie in einem institutionellen Rahmen und besonders in deren unmittelbarer Lebenswelt (ECCSW 2010) Einbeziehung von sozialen und psycho-sozialen Aspekten in Beratung, Behandlung und Unterstützung Fokussierung des Individuums in seiner Lebenswelt und seiner Konstruktion des Selbstbildes Entscheidend für die Qualität einer Leistung aus Sicht des Anbieters ist der messbare Vergleich zwischen Ausgangssituation und Sollsituation. (Hummel 2004) Glemser 2011 26 13
Gestaltungsdiagnostik Zielerreichungsanalyse (Pauls & Reicherts 1997) ein valides und reliables Instrument zur partizipativen Prozessevaluation und Zielkonkretisierung z.b. Gesamtzielerreichungsindex über 24 Monate Glemser 2011 27 Vielen Dank Kontakt: rolfglemser@yahoo.de Glemser 2011 28 14