Dravet Syndrom: Mehr als nur Anfälle Dr. med. Sarah von Spiczak, Prof. Dr. med. Ulrich Stephani Klinik für Neuropädiatrie & AG Pädiatrische Epilepsiegenetik s.vonspiczak@pedneuro.uni-kiel.de www.epilepsiegenetik.de 19.10.2005 20.03.2010 / 1 / 1 Klinik Klinik / Einrichtung für Neuropädiatrie, (eintragen über Menü Campus > Ansicht > Kiel Fußzeile)
Gliederung Geistige Entwicklung bei Dravet Syndrom Entwicklungsverläufe Wohin geht die Entwicklung? Was beeinflusst die Entwicklung? Sonstige Symptome bei Dravet Syndrom Ihre Fragen 19.10.2005 20.03.2010 / 2 / 2 Klinik Klinik / Einrichtung für Neuropädiatrie, (eintragen über Menü Campus > Ansicht Kiel > Fußzeile)
Entwicklungsverläufe: wissenschaftliche Studien Studie 1: 2006, Untersuchung von 20 Kindern mit Dravet Syndrom im Verlauf Entwicklung vor Beginn der Epilepsie unauffällig motorischen Meilensteine der Entwicklung altersgerecht Sprachentwicklung bei allen Kindern verzögert in den ersten 2 Lebensjahren Entwicklung leicht verzögert im Verlauf Defizit deutlicher Eindruck einer Verschlechterung anfänglich Abbau Stabilisierung im Verlauf Wolff et al. Epilepsia 2006;47:45-48 19.10.2005 20.03.2010 / 3 / 3 Klinik Klinik / Einrichtung für Neuropädiatrie, (eintragen über Menü Campus > Ansicht Kiel > Fußzeile)
Entwicklungsverläufe Wolff et al. Epilepsia 2006;47:45-48 19.10.2005 20.03.2010 / 4 / 4 Klinik Klinik / Einrichtung für Neuropädiatrie, (eintragen über Menü Campus > Ansicht Kiel > Fußzeile)
Entwicklungsverläufe Studie 2: 2009, Untersuchung von 2 Kindern mit unterschiedlichem Epilepsieverlauf Kind 1: häufige Anfälle, auch im Verlauf, viele generalisierte Anfälle, generalisierte EEG-Veränderungen schon als Kleinkind Kind 2: Anfälle insgesamt seltener, im Verlauf deutliche Besserung, EEG erst spät und nur wenig verändert Probleme betreffen alle Aspekte der Entwicklung verschiedene Funktionen entwickeln sich unterschiedlich bei beiden Kindern Schweregrad der Entwicklungsverzögerung insgesamt ähnlich Riva et al. Am J Med Genet 2009;149A:2339-2345 19.10.2005 20.03.2010 / 5^^/ 5 Klinik Klinik / Einrichtung für Neuropädiatrie, (eintragen über Menü Campus > Ansicht Kiel > Fußzeile)
Entwicklungsverläufe Studie 3: 2010, Beschreibung von 37 italienischen Patienten ähnlicher Verlauf wie Studie 1: erst Verschlechterung, dann Stabilisierung Schweregrad der geistigen Entwicklungsverzögerung reicht von mild bis schwer Verschlechterung meist in Phasen mit hoher Anfallsfrequenz Auch möglich: Unterschiedliche geistige Entwicklung bei ähnlichem Epilepsieverlauf Ragona et al. Brain Dev 2010;32:71-77 19.10.2005 20.03.2010 / 6^^/ 6 Klinik Klinik / Einrichtung für Neuropädiatrie, (eintragen über Menü Campus > Ansicht Kiel > Fußzeile)
Zusammenfassung Entwicklung zu Beginn normal In zeitlichem Zusammenhang mit Beginn der Epilepsie Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten Zunächst Abnahme der geistigen Fähigkeiten Im Verlauf Stabilisierung, aber scheinbar weitere Verschlechterung Insgesamt: geistige Behinderung meist mittelschwer bis schwer, aber auch milde Beeinträchtigungen möglich 19.10.2005 20.03.2010 / 7 / 7 Klinik für Neuropädiatrie, Campus Kiel
Einflussfaktoren: die Epilepsie Früher Beginn Anfallsfrequenz (?) Häufigkeit von Staten (?) EEG-Auffälligkeiten (?) die Genetik SCN1A-Mutation genetischer Hintergrund NICHT: Vorhandensein SCN1A-Mutation Typ der SCN1A-Mutation die Behandlung Medikation Förderung soziokulturelle Umgebung 19.10.2005 / 8 Klinik Klinik / Einrichtung für Neuropädiatrie, (eintragen über Menü Campus > Ansicht Kiel > Fußzeile)
Sonstige Symptome Motorische Probleme: Kleinhirn: Gangunsicherheit (= Ataxie, ca 59%), Zittrigkeit (= Tremor) erhöhter Muskeltonus (ca 22%), Probleme der Feinmotorik Selten: unwillkürliche Bewegungen, Steifheit Entwicklung im Verlauf Immer auch an Medikamentennebenwirkungen / - wechselwirkungen denken! 19.10.2005 20.03.2010 / 9 / 9 Klinik Klinik / Einrichtung für Neuropädiatrie, (eintragen über Menü Campus > Ansicht Kiel > Fußzeile)
Sonstige Symptome Verhaltensauffälligkeiten: Hyperaktivität Aufmerksamskeitsstörung oppositionelles Verhalten Autistische Züge Evtl. Verhaltensprobleme abhängig von Anfallsfrequenz Immer auch an Medikamentennebenwirkungen / - wechselwirkungen denken! 19.10.2005 20.03.2010 / 10/ 10 Klinik Klinik / Einrichtung für Neuropädiatrie, (eintragen über Menü Campus > Ansicht Kiel > Fußzeile)
Ihre Fragen Herzerkrankungen? Orthopädische Probleme? Hormonelle Probleme? Essstörungen? Zahnprobleme? Speichelproduktion? 19.10.2005 20.03.2010 / 11/ 11 Klinik Klinik / Einrichtung für Neuropädiatrie, (eintragen über Menü Campus > Ansicht Kiel > Fußzeile)
Herzerkrankungen, SUDEP 1 Risiko für SUDEP = Sudden Unexspected Death in Epilepsy Patientenkohorten: 1-5% Mögliche Erklärungen: allgemeine Risikofaktoren u.a. früher Epilepsiebeginn, generalisiert tonisch-klonische Anfälle liegen bei Dravet-Patienten vor SCN1A führt auch am Herzen zu Veränderungen: Genetische Veränderungen könnten Reizleitung beeinflussen und Rhythmusstörungen begünstigen Genetische Veränderungen könnten Regulation von Herzfrequenz und Atmung im Hirnstamm beeinflussen 20.03.2010 / 12 19.10.2005 / 12 Klinik für Neuropädiatrie, Campus Kiel
Herzerkrankungen, SUDEP 2 Kinderkardiologische Abklärung mit EKG / Langzeit-EKG zum Ausschluss sonstiger kardiologischer Probleme, insbesondere Rhythmusstörungen Anmerkung: Nutzen ist nicht untersucht, dient als Vorsichtsmaßnahme Nutzung von Alarmsystemen: Babyphon, Sättigungs- + Herzfrequenzmonitor, EpiCare 20.03.2010 / 13 19.10.2005 / 13 Klinik für Neuropädiatrie, Campus Kiel
Orthopädische Probleme häufig bei Kindern mit Behinderung / bei Kindern mit Epilepsie niedriger Muskeltonus führt zu Knick-Senk-Füßen, Skoliose, etc. Orthopädische Behandlung Physiotherapie 20.03.2010 / 14 19.10.2005 / 14 Klinik für Neuropädiatrie, Campus Kiel
Hormonelle Veränderungen häufig bei Kindern mit Behinderung / bei Kindern mit Epilepsie sowohl früher als auch verspäteter Pubertätsbeginn möglich teilweise medikamentenbedingt (z.b. Valproat: männliche Hormone ) eventuell durch Epilepsie selber bedingt? Ausschluss von Medikamenten-Nebenwirkungen Änderung der Medikation möglich? ggf. Abklärung mit Kinderendokrinologen (=Hormonspezialist), (Kinder)Gynäkologen CAVE: auf Wechselwirkungen zwischen Anfallsmedikation, Menstruationszyklus und Anti-Babypille achten 20.03.2010 / 15 19.10.2005 / 15 Klinik für Neuropädiatrie, Campus Kiel
Zahnprobleme häufig bei Kindern mit Behinderung / bei Kindern mit Epilepsie teilweise medikamentenbedingt (Valproat, Phenobarbital): Zahnfleischwachstum, Zahnfleischentzündung generalisiert tonisch-klonische Anfälle: Schädigungen / Verletzungen vermehrt Zahnbeläge und Zahnstein auf Mundhygiene achten meist schwieriger durchführbar regelmäßige zahnärztliche Kontrollen, bes. auf Frontzähne achten ggf. Untersuchung / Behandlung in Sedierung / Narkose ggf. speziell ausgebildete Kinderzahnärzte 20.03.2010 / 16 19.10.2005 / 16 Klinik für Neuropädiatrie, Campus Kiel
Essstörungen und Ernährungsprobleme häufig bei Kindern mit Behinderung / bei Kindern mit Epilepsie verminderter/vermehrter Appetit wählerisches Essverhalten Medikamentennebenwirkungen + - wechselwirkungen! Hinweise auf Rückfluss von Nahrung in die Speiseröhre (=gastroösophagealen Reflux)? diagnostische Abklärung, medikamentöse/chirurgische Behandlung Schluckprobleme? Vermehrte Sensibilität? Andicken (Reisflocken, Thick&Easy ), Logopädie, Ergotherapie Ernährungsberatung Versorgung mit Kalorien und Nährstoffen, ggf. hochkalorische Zusätze, Nahrungsergänzungsmittel Füttersituation überprüfen (Interaktionsprobleme?) 19.10.2005 / 17 Klinik für Neuropädiatrie, Campus Kiel
vermehrtes Speicheln 1 häufig bei Kindern mit Behinderung / bei Kindern mit Epilepsie keine vermehrte Speichelproduktion bedingt durch Niedrigen Muskeltonus Probleme mit Mundmotorik: mangelhafter Lippenschluss, unzureichendes Schlucken, Geistige Behinderung Medikamente Hinweis auf Rückfluss von Nahrung in die Speiseröhre? Anregung der Speicheldrüsen Hinweis auf Karies? Zahnfleischentzündungen? Kieferfehlstellung? Behinderung der Nasenatmung? 20.03.2010 / 18 19.10.2005 / 18 Klinik für Neuropädiatrie, Campus Kiel
vermehrtes Speicheln 2 Therapie: Stufenschema, multidisziplinär erzieherische Maßnahmen auf Sitzposition / Kopfposition achten Logopädie orale Stimulation (Castillo-Morales) Medikamente: z.b. Scopolamin-Pflaster Botulinum-Toxin chirurgische Behandlungsansätze 20.03.2010 / 19 19.10.2005 / 19 Klinik für Neuropädiatrie, Campus Kiel
19.10.2005 / 20 Anfallsdokumentation mittels EPIVISTA Elektronischer Anfallskalender, Internet, passwort-geschützt Entwicklung durch Universität Greifswald, zusammen mit Fa. Desitin Vorteil: Dokumentation von Anfällen, Anfallsarten, Anfallsbeschreibungen Medikation(sänderungen) Blutspiegeln Nebenwirkungen Erfassen von Behandlungserfolgen, Anfallsprovokation, Wechselwirkungen, Systematische Auswertung von Therapiemöglichkeiten bei verschiedenen Epilepsiesyndromen 20.03.2010 / 13 Klinik für Neuropädiatrie, Campus Kiel