Frauenerwerbsarbeit im verarbeitenden Gewerbe faire Chancen?



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Transkript:

erwerbsarbeit im verarbeitenden Gewerbe faire Chancen? Studie zu den Entwicklungstrends der erwerbstätigkeit in ausgewählten Produktionsbranchen in Ost- und Westdeutschland Claudia Dunst / Annemarie Weber Wert.Arbeit Gesellschaft für Arbeit, Chancengleichheit und Innovation mbh Berlin Berlin, Mai 2010 Eine Studie der Otto Brenner Stiftung

Vorwort Die Studie erwerbsarbeit im verarbeitenden Gewerbe faire Chancen? hat zum Ziel, einen Überblick zu geben über die aktuelle Erwerbslage von im verarbeitenden Gewerbe. Skizziert werden Entwicklungstrends in den letzten zehn Jahren. Im Kern geht es darum, branchenspezifische Erkenntnisse zur beruflichen Gleichberechtigung von Männern und zu vermitteln. Die Analyse findet entlang von zwölf ausgewählten Branchen des verarbeitenden Gewerbes für Deutschland insgesamt und im Ost-West-Vergleich statt. Im Mittelpunkt der Studie von Claudia Dunst und Annemarie Weber (Wert.Arbeit GmbH, Berlin) steht, den Stand der Anpassung sowie immer noch bestehender Unterschiede aufzudecken, um Aussagen über die Lebens- und Arbeitsverhältnisse von in Ost und West zutreffen. Dies erlaubt es, den Begriff faire Chancen der erwerbsarbeit nicht nur in Abgrenzung zur Erwerbssituation von Männern zu definieren, sondern ebenso in einem frauenspezifischen Ost-West-Vergleich. Im zweiten Teil der Studie werden Handlungsempfehlungen für die Praxis der Interessenvertretungen zur Umsetzung von fairen Chancen im verarbeitenden Gewerbe entworfen. Die Resultate der Studie unterstreichen, dass nicht nur zwischen und Männern, sondern auch zwischen Ost- und Westdeutschland immer noch große Ungleichheiten in Bezug auf gleiche bzw. faire Chancen bestehen. Ein durchaus differenziertes Bild zeigt sich, wenn man die Situation entlang der einzelnen Branchen betrachtet. In der männerdominierten Automobilindustrie ist der anteil an Beschäftigten und Auszubildenden seit 1999 gestiegen, in der frauendominierten Textil- und Bekleidungsindustrie nimmt er hingegen ab. Insgesamt ist das verarbeitende Gewerbe klar männlich dominiert. Besonders deutlich wird dies in der Gruppe der hoch qualifizierten Beschäftigten gerade in Westdeutschland. Der Gender Pay Gap ist im verarbeitenden Gewerbe nach wie vor ungebrochen. Verstärkt wird dieser Effekt durch Einkommensunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Das macht ostdeutsche zu doppelten Verliererinnen, wenn es um das Einkommen geht. Die Otto Brenner Stiftung hofft, mit der Studie neue Ansatzpunkte sowie Anregungen für die gleichstellungspolitische Arbeit und den politischen Diskurs für Branchendialoge und Betriebe zu liefern. Die detaillierte Datenanalyse soll Schritte zu einer sozialen und geschlechtergerechten Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft in Ost- und Westdeutschland aufzeigen und es ermöglichen, neue Perspektiven zu gewinnen. Frankfurt, im Juni 2010 Jupp Legrand Wolf Jürgen Röder Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung

Inhalt 1. Kurzfassung... 1 2. Lesehilfe... 3 3. Einleitung... 4 4. Automobilindustrie...13 5. Elektroindustrie...33 6. Maschinenbau...55 7. Metall- und Stahlindustrie...67 8. Holz-, Kunststoff- und Möbelindustrie...80 9. Textil- und Bekleidungsindustrie...98 10. IT-Industrie... 112 11. Medizintechnik... 127 12. Luft- und Raumfahrt... 136 13. Schiffbau... 143 14. Erneuerbare Energie... 154 15. Handwerk... 166 16. Branchenvergleich... 177 17. Ausblick und Handlungsempfehlungen... 192 18. Tabellen- und Grafikverzeichnis... 199 19. Literaturverzeichnis... 209 20. Tabellenanhang... 218

1. Kurzfassung Die hier vorliegende Studie zu den Entwicklungstrends der erwerbstätigkeit in ausgewählten Produktionsbranchen in Ost- und Westdeutschland verfolgt das Ziel, einen Überblick über die aktuelle Erwerbslage von im Verarbeitenden Gewerbe zu geben und dabei branchenspezifische Erkenntnisse zur beruflichen Gleichberechtigung von Männern und für Deutschland insgesamt, aber auch im Ost-West-Vergleich, entlang von zwölf ausgewählten Industriebranchen zu vermitteln. Darüber hinaus werden Handlungsorientierungen für die Praxis der Interessenvertretung von entwickelt. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der Studie thesenhaft zusammengefasst: Der Arbeitsmarkt wird weiblicher und die Industrie männlicher das ist ein Ergebnis, dass durch zahlreiche Daten in der vorliegenden Studie bestätigt wird. Rund 1.505.120 arbeiteten Ende 2008 in den hier zusammengefassten Branchen hinzu kommen 73.123 weibliche Auszubildende sie machen zusammen rund 22% der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten aus mit sinkender Tendenz. Im gesamten Verarbeitenden Gewerbe beträgt der anteil rund 25%. In Ostdeutschland ist der anteil immer noch deutlich höher (29%) als in Westdeutschland (24%). Zwei Industriebranchen in der Studie stechen durch ihren starken anteil hervor: Die Textil- und Bekleidungsindustrie (55,70 %) wie auch die Medizintechnik (47,31 %). Das war auch 1999 schon der Fall. Beide Branchen stehen jedoch strukturell in einem völlig unterschiedlichen Kontext: Während die Textil- und Bekleidungsindustrie einen starken Abbau von Beschäftigung erlebt hat, ist die Medizintechnik eher auf Wachstumskurs. Von den größeren Branchen haben lediglich die Automobil- und Möbelindustrie ihren anteil von 1999 nach 2008 leicht erhöht (neben den sehr kleinen Branchen Luftund Raumfahrt sowie Schiffbau). Alle anderen Branchen zeigen in diesem Zeitraum einen Rückgang der beschäftigung. Die Regionale Verteilung der Industriebeschäftigung nach Ost und Westdeutschland ist bemerkenswert: In Westdeutschland lag 2008 anteilig der überwiegende Schwerpunkt der Industriebeschäftigung. Damit machte sich der höhere anteil in den ostdeutschen Industriebranchen bundesweit kaum bemerkbar. waren 2008 als hochqualifizierte Beschäftigte in den meisten Industriebranchen noch stärker unterrepräsentiert als insgesamt in den von uns dargestellten Branchen. Ausnahmen sind die Metall- und Stahlindustrie, die Möbelherstellung sowie der Schiffbau. ohne Ausbildung sind in allen untersuchten Branchen überproportional vertreten, teilweise liegt der anteil in dieser Beschäftigtengruppe 10-20 % über dem des anteils einer Branche insgesamt. sind in den meisten Industriebranchen ebenso von Alterungsprozessen betroffen wie Männer in Ostdeutschland sind die altersstrukturen jedoch meist deutlich älter. Eine besorgniserregende Entwicklung ist zudem der sinkende 1

anteil in jüngeren Beschäftigtengruppen in einigen Branchen, z.b. in der Metallund Stahlindustrie, bei der Möbelherstellung und in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Teilzeitbeschäftigung ebenso wie geringfügige Beschäftigung und befristete Beschäftigung spielt keine übermäßig große Rolle. Aber alle drei Beschäftigungsformen haben einen sehr hohen anteil. Betrachtet man nur die Vollzeitbeschäftigten, so verringert sich der schon oftmals geringe anteil für die meisten Branchen weiter das bedeutet, dass die in Stunden gezählte beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe noch deutlich niedriger liegt, als ihr oftmals schon geringer Anteil vermuten lässt. Die Aus- und Weiterbildung ist ebenso männerdominiert, wie die Branchen insgesamt. Ebenso wie bei den Altersgruppen ist auch hier besorgniserregend, dass der anteil bei den Auszubildenden in vielen Branchen (Elektroindustrie, Maschinenbau, Metall-Stahlindustrie, Holz- und Kunststoffindustrie, Möbelindustrie, IT-Industrie, erneuerbare Energien) sogar noch niedriger liegt als der anteil an allen Beschäftigten. Für die Weiterbildung ist kennzeichnend, dass diese in den Industriebranchen (trotz Tarifverträgen zur Qualifizierung) eine sehr geringe Rolle spielt (Ausnahme ist Medizintechnik allerdings sind hier unterdurchschnittlich beteiligt). Der anteil in der Weiterbildung liegt zudem in vielen Branchen unter dem anteil in der Branche. Der Gender Pay Gap ist in der Industrie ungebrochen. Das Einkommen weist bezogen auf die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste in den Branchenzweigen noch immer überraschend hohe Unterschiede zwischen und Männern auf. Das betrifft besonders die höchste Eingruppierung (Leistungsgruppe 1) zieht sich aber durchaus auch durch die unteren Leistungsgruppen und selbst in Leistungsgruppe 5 (der untersten Einkommensgruppe) verdienen in nahezu allen Branchen weniger als die Männer. Aus den dargestellten geschlechterdifferenzierten Beschäftigungsstrukturen lassen sich eine Reihe von Handlungsansätze ableiten. Bedeutsam ist vor allem eines: Dialoge und Diskurse scheinen geboten, um schrittweise das manifeste Beharrungsvermögen abzubauen. Für diese Dialoge scheinen folgende Themen besonders bedeutsam: Das Potenzial von als Fachkräfte ist in der Industrie noch nicht erschlossen und muss doch erschlossen werden, um das ökonomische Überleben der Unternehmen zu sichern. Die Innovationskraft der Unternehmen ist noch nicht ausgereizt und kann mit den Qualifikationsressourcen der gesteigert werden. Eine geschlechterorientierte Branchendifferenzierung zeigt bedeutsame Unterschiede und muss in praxisnahe Veränderungsprojekte aufgenommen werden. Prekäre Beschäftigung spielt für industrielle beschäftigung bislang eine geringe Rolle diese Situation muss erhalten bleiben. 2

Unterschiede zwischen Ost und Westdeutschland sind noch immer gravierend und werden für die Dialoge weiterhin eine große Rolle spielen. Die Wirtschaftskrise ist angekommen wird beschäftigung noch weiter zurück gedrängt? Diese Frage muss zeitnah und kritisch begleitet werden. Grundsätzlich gilt: Ziel einer zeitgemäßen Arbeitspolitik in den industriellen Branchen ist die Verknüpfung von Chancengleichheit mit den Schlüsselbegriffen Innovation, Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit. Dazu zählt die Zukunftsfähigkeit der Belegschaften und damit wiederum das heutige und künftige Qualifikationspotenzial der. 2. Lesehilfe Die vorliegende Studie beinhaltet eine Fülle von Daten, die in ihrer Gesamtheit nicht komplett in die inhaltliche Analyse einfließen konnten, da sonst die Leserinnen und Leser den Überblick verlieren könnten. Wir verstehen diese Studie als einen Datenreport, in welchen unterschiedlichste professionelle Nutzer und Nutzerinnen Hinweise finden können. Aufgrund der Fülle an Informationen scheint es jedoch angebracht, die Kapazitäten auf bestimmte Studienabschnitte zu fokussieren. Im Folgenden werden typische Zielgruppen einer solchen Studie charakterisiert und Empfehlungen für Schwerpunktkapitel der Studie gegeben. Akteurinnen und Akteure in der - und Gleichstellungspolitik: Für diese Gruppe sind die kurzen Brancheneinführungen ein guter Rahmen, um die Bedeutung der geschlechterdifferenzierten Daten noch besser erfassen zu können. Besonders bedeutsam für diese Gruppe ist sicherlich auch die abschließende Zusammenfassung und die daraus resultierenden Handlungsansätze. Akteurinnen und Akteure in der Branchenpolitik: Diese Gruppe kann die jeweilige Branche, für die sie arbeiten, herausgreifen und dort gezielt die geschlechtsspezifischen Daten betrachten oder aber den Tabellenanhang dafür nutzen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Je nach Interessenschwerpunkt können hier einzeln Branchen, oder Erwerbsformen (z.b. Teilzeit) genutzt werden. Interessant ist für diese Gruppe sicherlich auch der Tabellenanhang. Politikerinnen und Politiker: Ähnlich wie bei den Akteurinnen und Akteure in der und Gleichstellungspolitik sind die kurzen Branchenzusammenfassungen ein guter Rahmen, um die Bedeutung der geschlechterdifferenzierten Daten noch besser erfassen zu können. Besonders bedeutsam für diese Gruppe ist die abschließende Zusammenfassung und die daraus resultierenden Handlungsansätze. Interessierte Öffentlichkeit: Wenn nicht eine bestimmte Branche im Fokus des Interesses steht, sollte eher auf die Zusammenfassung geschaut werden. 3

3. Einleitung Nach wie vor gibt es erhebliche Unterschiede zwischen und Männer im industriellen Bereich. Der industrielle Sektor ist eine Männerdomäne. Die Öffnung der Industrie für qualifizierte in Berufen der Industrie bleibt weiter eine Ausnahme. (Astrid Ziegler 2000) Doch: Die beschäftigung in Deutschland (Ost und West) ist (gemessen an allen svpfl. Beschäftigten) auf 46 % gestiegen nimmt man prekäre Beschäftigung wie Minijobs hinzu erhöht sich die Quote noch mehr. holen in der allgemeinen Bildung und bei den Hochschulabschlüssen deutlich auf (wenn auch fachspezifisch) und zahlreiche gleichstellungspolitische Initiativen der Bundes- und Landesregierungen (z.b. Nationaler PAKT für in MINT-Berufen), der Gewerkschaften und der Arbeitgeberseite zeigen eine deutliches Bemühen um die berufliche Gleichstellung der. Und trotzdem: Der eingangs zitierte Satz ist Ausgangs- und Schlusspunkt der hier vorliegenden Studie zur beschäftigung in ausgewählten Industriebranchen. Aktuell liegt Deutschland mit rund 25 % 1 in der EU 2, (bezogen auf den Durchschnitt in den EU-27) mit dem anteil im verarbeitenden Gewerbe klar unter dem EU-Durchschnitt von 30,1 %. Bedeutsam ist, dass im Gegensatz zur industriellen Beschäftigung, die beschäftigung insgesamt gestiegen ist. Dies betrifft auch die absoluten Zahlen. Das verdeutlicht zwei Punkte: Die deutsche Industrie ist eine Männerdomäne geblieben und es gibt offensichtlich Brancheneffekte in der beschäftigung. Die Rahmenbedingungen für die industrielle Beschäftigung Zu berücksichtigen sind bei der Beschreibung der industriellen Beschäftigungsentwicklung der sektorale Strukturwandel, der in den 1990er Jahren aber auch im neuen Jahrtausend einen Abbau von Industriearbeitsplätzen und einen Aufbau von Arbeitsplätzen im Dienstleistungsbereich bewirkt hat. Daneben spielen konjunkturelle Fragen eine Rolle. So hat sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den vergangenen zehn Jahren in Phasen entwickelt: Zwischen 2002 und 2004 hat sich das BIP nicht nennenswert verändert, und zwischen 2005 und 2007 deutlich zugelegt. 2008 und 2009 dagegen sind bekanntermaßen deutliche Einbrüche im BIP zu verzeichnen. 3 Insgesamt und insbesondere im verarbeitenden Gewerbe sind jedoch bis 2008 Zuwächse zu verzeichnen. Und schließlich spielen die Globalisierung, regionale und branchenspezifische Vernetzungen, Wirtschaftsförderung etc. eine Rolle. Daran anknüpfend ergeben sich vielerlei Entwicklungen, teils politisch forciert (z.b. Minijobs), teils unternehmenspolitisch gesteuert (z.b. Teilzeitarbeit) oder sozialpartnerschaftlich geregelt (Einkommenstarife) und können im Rahmen der nicht ausführlich diskutiert, aber punktuell angerissen werden. 1 Die Zahlen variieren je nach dem Zeitpunkt und der Erhebungsart, Hier: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Nürnberg, Stichtag: 31.12.2008 [WZ 08] (vorläufiger Stand), eigene Berechnungen. 2 European Commission (2009). 3 Vgl. www.godmode-trader.de/nachricht (Stand:22.12.2009) 4

Die Ausgangs- und Rahmenbedingungen für die industrielle beschäftigung in Deutschland Seit den 1980er Jahren wurde in Deutschland verstärkt auf rechtlicher Seite vieles in die Wege geleitet, um die Gleichstellung von und Männern gesetzlich zu verankern und in Wirtschaft und Gesellschaft real voranzutreiben. Dabei kann von mehreren Etappen gesprochen werden. In den 1980er und 1990er Jahren wurden u.a. folgende Neuerungen beschlossen und verabschiedet: 4 1.) Das Gleichbehandlungsgesetz (1980), mit dem die Gleichbehandlung von und Männern am Arbeitsplatz festgeschrieben und auch der Rechtsanspruch auf gleiches Entgelt erstmals formulierte wurde, 2.) das Bundeserziehungsgeldgesetz (1986), das die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub rechtlich regelte, 3.) die 10. Novellierung des Arbeitsförderungsgesetztes (1993), das in 2 Absatz 5 die Förderung von entsprechend ihrem Anteil an allen Arbeitslosen festlegte 4.) sowie das Zweite Gleichberechtigungsgesetz (1994), das das gesetzliche Verbot der Benachteiligung von im Arbeitsleben, konkret bei der Stellenausschreibung, im Einstellungsverfahren sowie dem beruflichen Aufstieg, verschärfte, den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz festschrieb und den Betriebs- und Personalräten erweitere Mitwirkungsrechte in Bezug auf förderung sowie betriebliche Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf einräumte. Doch viele der rechtlichen Regelungen verhallten scheinbar geräuschlos in der deutschen Wirtschaft. Wissenschaftlerinnen und frauenpolitisch Aktive machten immer wieder auf die weiter fortbestehenden Missstände aufmerksam. 5 Durch die massive Schub- und Druckkraft der EU, die 2000 acht Richtlinien zur Geschlechtergerechtigkeit im Erwerbsleben verabschiedete 6 und die Mitgliedsländer zu deren Umsetzung verpflichtete, erhielt der Themenkomplex Chancengleichheit und Gleichstellung im neuen Jahrtausend noch einmal verstärkt politische Kraft. So wurde in Deutschland zum 01.01. 2001 z.b. das Teilzeit- und Befristungsgesetz, dass sich gegen eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten und befristet Tätigen gegenüber Vollzeitbeschäftigten oder unbefristet Tätigen richtet, eingeführt. 7 Zudem fanden 2001 wichtige Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes statt. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben daran aktiv mitgewirkt. Mit der Novellierung wurde bewirkt, dass die Förderung der Gleichstellung von und Männern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu wichtigen Handlungsfeldern im Betrieb mit 4 Vgl. zu den folgenden Punkten: Bundesministerium für Familie, Senioren, und Jugend (1996) 5 z.b. Schäfgen (1998), IG Metall (1999 + 2003), Berghahn (2003), Allmendinger u.a. (2008). 6 Unter anderem wird durch diese Richtlinien die Garantie auf gleiches Entgelt, den gleichen Zugang zu Berufen und Beförderungen, Gleichbehandlung bei der Sozialversicherung und bei Selbständigen als auch bei Mutterschaftsschutz und Erziehungsurlaub (vgl. Allmendinger u.a. (2008): S. 20) 7 Vgl. hierzu auch: http://www.bmas.de/portal/14630/tzbfg.html (Stand 03/2010) 5

erweiterten Handlungskompetenzen für die Betriebsräte werden. Schon vor der Novellierung hatte der Betriebsrat den gesetzlichen Auftrag, sich für die Gleichstellung von Männern und einzusetzen. Durch die Novellierung wurde dies noch verstärkt. Gleichzeitig ist ein stärkeres Engagement der Arbeitgeberseite vorgesehen 8 und die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf als eigenes Handlungsfeld explizit benannt worden ( 80). Weitere wichtige Paragrafen zur Förderung der Chancengleichheit im novellierten Betriebsverfassungsgesetz sind 9 : 15: Mindestquote im Betriebsrat für das Minderheitengeschlecht 25: Gleiche Regelung für Ersatzmitglieder 47, 55: Soll-Vorschrift für den Gesamt- und Konzernbetriebsrat 37: Freizeitausgleich für teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder 38: Teilfreistellungen für den Betriebsrat 28: Auch kleinere Betriebsräte können Ausschüsse bilden (z.b. Gleichstellungsausschüsse) 62: Mindestquote auch für Jugend- und Auszubildendenvertretungen 80: Der Betriebsrat kann sachkundige Arbeitnehmer/innen als Auskunftspersonen einbeziehen, z.b. in Fragen der Gleichstellung 86a: Beschäftigte können dem Betriebsrat Themen zur Gleichstellung vorschlagen 43,53: Der Arbeitgeber muss in Betriebsräte-, Betriebs- und Abteilungsversammlungen über den Stand der Gleichstellung berichten 45: Gleichstellung von und Männern und Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit sind Themen für Betriebs- und Abteilungsversammlungen 92: Der Arbeitgeber hat von sich aus die Förderung der Gleichstellung von und Männern bei der Personalplanung zu berücksichtigen und seine Vorstellungen hierzu, insbesondere die damit verbundenen Maßnahmen mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat hat aber auch ein Initiativrecht. 92a: Um Beschäftigung zu sichern und zu fördern, hat der Betriebsrat ein Vorschlagsrecht u.a. zur flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit und Förderung der Teilzeitarbeit. 96: Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber die Ermittlung des Qualifizierungsbedarfs verlangen. Hier können geschlechtsspezifische Aspekte berücksichtigt werden. Bei Maßnahmen der beruflichen Bildung (Ausund Weiterbildung) haben Arbeitgeber und Betriebsrat die Belange Teilzeitbeschäftigter und Beschäftigter mit Familienpflichten zu berücksichtigen. 97: Mit dem neuen Initiativ- und Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen lassen sich auch spezielle Qualifizierungen für durchsetzen. 8 80 Abs.2 Satz BetrVG lautet hierzu z.b.: Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrates erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrates zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten dem nicht entgegenstehen. 9 Folgender Abschnitt wurde übernommen aus IG Metall (2010). 6

Zwischen 2006 und 2008 gab es noch einmal einige wichtige gesetzliche Neuregelungen und Änderungen, mit denen die Ausgangs- und Rahmenbedingungen für die Gleichstellung von und Männern in Wirtschaft und Gesellschaft weiter verbessert werden sollen. So hat sich die deutsche Bundesregierung 2006 mit der Einführung des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) u.a. dazu verpflichtet gleiche Chancen für und Männer in allen Lebensbereichen herzustellen. 10 Das Gesetz fordert hierbei ausdrücklich die Tarifvertrags- als auch die Betriebsparteien dazu auf, ihren Beitrag zur Verwirklichung der Ziele des Gesetzes zu leisten. 11 Zudem wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für und Männer konkret durch die Neuerungen des Elterngelds und der Elternzeit sowie die rechtlichen Regelungen zur Pflegezeit unterstützt. Mit dem zum 01.01. 2007 eingeführten BEEG (Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz) wurde das einkommensabhängige Elterngeld eingeführt. 12 Dieses wird bis zu 14 Monate gezahlt, wenn beide Elternteile Erziehungszeit nehmen. Hiermit soll die Bereitschaft der Väter gefördert werden, ebenfalls die Erziehungszeit in Anspruch zu nehmen. Ziel des seit Mitte 2008 gültigen Pflegezeitgesetzes ist es, Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen. Dabei bezieht sich das Recht auf ein kurzfristiges Ausscheiden des Beschäftigten für zehn Tage bei einer aktuellen akuten Pflegesituation in Unternehmen jeglicher Größe. Zudem wird Beschäftigten eine Voll- oder Teilzeitfreistellung bis zur Dauer von sechs Monaten (ohne Lohnfortzahlung) für die häusliche Pflege von Angehörigen bei einer Unternehmensgröße von mindestens 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingeräumt. 13 Die beschriebenen Bemühungen und die vielfach dokumentierte reale Beschäftigungssituation von zeigt jedoch auch heute noch eine große Diskrepanz auf. Immer noch erweist sich die Geschlechterlücke (Gender Gap) als beträchtlich, vor allem beim Vergleich von Arbeitszeiten und -entlohnung, aber auch in Bezug auf Aufstiegsmöglichkeiten und prekäre Beschäftigungsverhältnisse (geringfügige Beschäftigung und unfreiwillige Teilzeitarbeit). Dies beweisen nicht nur die Analysen des WSI, sondern auch Analysen anderer Forschungsinstitute auf Basis des jährlich erhobenen Mikrozensus oder des SOEP. 14 Zur Beschäftigung von in ausgewählten Industriebranchen hat Astrid Ziegler im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung im Jahr 2000 eine grundlegende Zusammenfassung erarbeitet. Es gibt jedoch heute keine aktuellen, vergleichenden und detaillierten Analysen mehrerer Branchen im verarbeitenden Gewerbe. Aufgrund dieser Lücke ist keine klare Aussage über den gleichstellungspolitischen Stand der Dinge möglich. Die Frage ob erwerbsarbeit im verarbeitenden Gewerbe faire Chancen beinhaltet, wo konkrete Stärken und Schwächen liegen und wie man ansetzen kann und muss, um Verbesserungen im Interesse der weiblichen Beschäftigten durchzusetzen, hat somit keine aktuelle 10 Deutscher Bundestag (2006). 11 Siehe hierzu ausführlicher DGB (2007) 12 Das Elterngeld beträgt i.d.r. 67 % des pauschalisierten früheren Nettoentgeltes, der Höchstbetrag liegt allerdings bei 1.800 EURO. 13 DGB (2008). 14 vgl. z.b. StBA (2006), StBa (2005a+b), DIW (2008). 7

analytische Basis. Vor diesem Hintergrund hat die Otto-Brenner-Stiftung an die Wert.Arbeit GmbH, Berlin den Auftrag erteilt, einen solchen Überblick über die industrielle beschäftigung zu erarbeiten, die hier mit dem Titel erwerbsarbeit im verarbeitenden Gewerbe faire Chancen? vorliegt! Die Zielstellung der Studie Um eine differenzierte Darstellung der Erwerbssituation von geht es deshalb auch in der nun vorliegenden Studie. Zielfragestellung ist hierbei: erwerbsarbeit im verarbeitenden Gewerbe faire Chancen? Aufbauend auf und anknüpfend an die Studie von Astrid Ziegler (2000) Analyse und Handlungsbedarf für eine betriebliche, regionale und sektorale beschäftigungspolitik soll ein Überblick über die aktuelle Erwerbslage von im verarbeitenden Gewerbe gegeben werden. Ziel der Datenauswertung ist es, branchenspezifische Erkenntnisse zur beruflichen Gleichberechtigung von Männern und für Deutschland insgesamt, aber auch im Ost- West-Vergleich zu gewinnen. Schlaglichtartig werden hierbei Arbeits- und Branchentrends aufgezeigt, in deren Kontext sich die erwerbstätigkeit im verarbeitenden Gewerbe bewegt. Spezielle Faktoren wie Alter, Ausbildungsstand und Qualifikation der Beschäftigten sowie die Ausgestaltung von Beschäftigungsverhältnissen (z.b. geringfügige Beschäftigung vs. svpfl. Teilzeit vs. Vollzeit), und das Einkommen bzw. Einkommensunterschiede werden hierzu berücksichtigt. Damit entstehen gegenderte Datenreporte für rund zwölf Industriebranchen. Ziel ist nicht nur eine genaue Analyse der aktuellen erwerbssituation im verarbeitenden Gewerbe, sondern aus ihr heraus auch konkrete Arbeitshilfen und Handlungsorientierungen für die Praxis der Interessenvertretung von zu gewinnen. Deshalb werden im zweiten Teil der Studie anhand der gewonnen Daten Handlungsempfehlungen für faire Chancen von in der Erwerbsarbeit entworfen. Die Studie erwerbsarbeit im verarbeitenden Gewerbe faire Chancen? liefert somit nicht nur eine genaue Analyse der aktuellen erwerbssituation im verarbeitenden Gewerbe, sondern versteht sich auch als Arbeitshilfe und Handlungsorientierung für die Praxis. Das Vorgehen Grundlage der Datenanalyse (vgl. auch Kapitel Datengrundlagen) bilden branchenspezifische Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Die Auswertung entsprechender Daten für die Branchen ist maßgeblich auf das Jahr 2008 konzentriert. Durch einen Vergleich mit den Ergebnissen der Ziegler-Studie, die den Zeitraum von 1990 bis 1999 berücksichtigt, werden Aussagen über Trends und Entwicklungen der erwerbssituation der letzten 10 Jahre (für die meisten Branchen) entwickelt. Neben dem aktuellen Stand sind so auch Langzeittendenzen berücksichtigt. Die einzelnen Branchen werden unter zentralen Aspekten für die erwerbsarbeit untersucht und die aktuellen Entwicklungen dieser Aspekte auf den Stand der Gleichstellung von und Männern hin ausgewertet. Die Auswertungen erfolgten gesondert für jede einzelne Branche. Hinzu kommt die Sekundäranalyse zentraler Branchenreporte für alle zwölf Branchen. Ein abschließender branchenübergreifender Vergleich sowie eine Gegenüberstellung von Ost-/West- Entwicklungen verdeutlicht die übergreifenden Trends in der beschäftigung im 8

verarbeitenden Gewerbe in Deutschland. Die BA-Daten werden darüber hinaus mit aktuellen Zahlen des Mikrozensus, sowie des IAB-Betriebspanels ergänzt. Im ersten Teil der Studie wird entlang von zwölf ausgewählter Branchen einzelne berufliche Merkmale (s.u.) für das gesamte Bundesgebiet statistisch aufgearbeitet. 15 Dazu gehören: Allgemeine Branchentrends (Rahmenbedingungen) Qualifikation Altersstruktur in den Branchen Arbeitszeitvolumen geringfügige Beschäftigung / befristete Beschäftigung Ausbildung Weiterbildung Einkommen Eine differenzierte Auswertung geschlechtsspezifischer Daten erfolgte für folgende ausgewählte Branchen: Automobilindustrie (Automobilhersteller/ Zulieferer) Elektroindustrie Maschinenbau Stahlindustrie Holz-, Kunststoff- und Möbelindustrie Textil- und Bekleidungsindustrie IT-Industrie Medizintechnik Luft- und Raumfahrt Schiffbau Erneuerbare Energien Handwerk Ergänzt bzw. erweitert wird der von Astrid Ziegler gegebene Branchenüberblick durch Mitberücksichtigung der IT-Industrie sowie der Erneuerbaren Energien, die immer größere Bedeutung gewinnen. 15 Diese Gliederung wurde sowohl in den Texten als auch in den Grafiken sehr streng verfolgt, um den Überblick zu erhalten. 9

3.1. Datengrundlagen Die Analyse der beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe findet in der vorliegenden Studie auf Basis verschiedener Datensätze statt. Nur so konnte eine umfassende Darstellung der erwerbssituation im Verarbeitenden Gewerbe sowie deren Entwicklung nach festgelegten Analysekriterien gewährleistet werden. Hierdurch ergeben sich gewisse Einschränkungen in der Vergleichbarkeit einzelner Merkmale sowie der unterschiedlichen Branchen, die im Folgenden dargestellt und beim Lesen dieser Studie berücksichtigt werden müssen. Zudem galt die Umstellung der Wirtschaftskennzahlen von WZ 2003 auf WZ 2008 zu berücksichtigen. Die verwendeten Daten für das Betrachtungsjahr 1999 über allgemeine Beschäftigungszahlen sowie Qualifikation, Altersstruktur und das Verhältnis von Voll- und Teilzeittätigen weiblichen Beschäftigten sind der Studie von Dr. Astrid Ziegler Analyse und Handlungsbedarf für eine betriebliche, regionale und sektorale -Beschäftigungspolitik aus dem Jahr 2000 entnommen. Diese Daten beruhen auf der deutschlandweit gültigen Wirtschaftsklassifikation aus dem Jahr 1993, der WZ 93. Die WZ 93 wurde im Jahr 2003 durch eine neue Klassifikation abgelöst. Die seitdem gültige WZ 2003 wurde bis einschließlich 2008 verwendet. Daten, die sich nach dieser Klassifikation richten, sind aufgrund der nur minimalen Veränderungen zu Vorgängerklassifikation ohne Einschränkungen miteinander vergleichbar. Deswegen wurden für das Betrachtungsjahr 2008 für die meisten der in dieser Studie analysierten Branchen Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach WZ 2003 ausgewertet und mit den BA-Daten für 1999 und der Ziegler- Studie verglichen. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um Angaben zur allgemeinen Beschäftigungssituation, der Qualifikations- und Altersstruktur sowie dem Verhältnis von Voll- und Teilzeittätigen. Zudem fand auch die Betrachtung der Auszubildendenzahlen überwiegend nach WZ 2003 statt. Vergleiche mit den Ausbildungsdaten aus der Studie von Dr. Ziegler sind allerdings nicht möglich, da sich diese nach einer älteren Klassifikation, der WS 73, richten. Bedeutsam ist hier, dass unter Qualifikation (ohne Ausbildung, Mit Ausbildung, mit FHS HS-Abschluss) laut BA teilweise ein erheblicher Anteil ohne Angaben befindet. Vor diesem Hintergrund wurde in der vorliegenden Studie in den Verhältnisangaben von einer Qualifikationsgruppe zur gesamten Branche immer die Beschäftigten ohne Angabe abgezogen. Für einige der in dieser Studie betrachteten Branchen erwies sich eine Darstellung und Analyse der BA-Daten nach WZ 2003 allerdings als ungeeignet. Dies betrifft vor allem die sogenannten Zukunftsbrachen Neue Energien und IT-Industrie, die in der WZ 2003 noch nicht ausreichend abgegrenzt dargestellt wurden. Für diese Branchen wurden Daten der BA für das Jahr 2008 nach der seit Anfang 2009 bundesweit eingeführten WZ 2008 ausgewertet. In diesem Fall ermöglichte die neue Klassifikation durch ihre veränderte und verfeinerte Struktur eine konkretere statistische Branchendarstellung. Im Zuge dessen wurden auch die Daten der BA für die Elektroindustrie nach der neuen WZ 2008 ausgewertet, da einige Bereiche der genannten Zukunftsbranchen diesem Wirtschaftszweig zugeordnet sind, aber innerhalb dieser Studie separat betrachtet werden. Aus diesem Grund weicht auch die hier zugrundeliegende statistische Datenbasis für die Elektroindustrie von der im gewerkschaftlichen Kontext bisher gängigen ab und wird in entsprechendem Kapitel noch einmal explizit ausgewiesen und dargelegt. Ebenso ist hier eine Vergleichbarkeit mit 10

den vorliegenden Daten von Dr. Ziegler aus dem Jahr 1999 nur eingeschränkt und unter Vorbehalt möglich. Neben den Daten der BA werden in dieser Studie auch Informationen über geringfügige und befristete Beschäftigte sowie über die Weiterbildungs- und Einkommenssituation weiblicher und männlicher Beschäftigter im Verarbeitenden Gewerbe ausgewertet. Diese wurden aus unterschiedlichen Datenquellen generiert. Die Zahlen über geringfügige Beschäftigte basieren auf Erhebungen der Bundesknappschaft. Diese richten sich bereits nach der neuen WZ 2008. Eine Vergleichbarkeit mit Daten der BA, die sich noch nach der WZ 2003 richten, ist nicht möglich. Deswegen konnte die Zahl der geringfügigen Beschäftigten in den meisten Branchen nicht mit der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Verhältnis gesetzt werden. Befristete Beschäftigungsverhältnisse sowie Angaben zu Weiterbildungsaktivitäten der Beschäftigten wurden auf Basis des Mikrozensus aus dem Jahr 2008 betrachtet. Der Mikrozensus ist die umfassendste statistische Erhebung zur Situation der Wohnbevölkerung in Deutschland. Sie wird jährlich durchgeführt und ergänzt die deutschlandweite Volkszählung. Im Gegensatz zu ihr ist der Mikrozensus aber keine Totalerhebung aller deutschen Haushalte, sondern umfasst nur ein Prozent von diesen. Die Auswahl der Haushalte ist repräsentativ und wird auf der Basis einer Flächenstichprobe durchgeführt, so dass die durch den Mikrozensus gewonnenen Daten für die gesamte Bevölkerung Deutschlands hochgerechnet werden können. Die mit dieser Hochrechnung generierten Daten weichen allerdings zwangsläufig von denen der Totalerhebung ab, so dass sie mit diesen nicht in Verhältnis gesetzt werden können. Die Daten der BA können daher mit denen des Mikrozensus nicht verglichen werden. Hierauf wird in den einzelnen Branchenkapiteln an betreffender Stelle aber noch einmal explizit hingewiesen. Um eine Einschätzung speziell zur betrieblichen Weiterbildung sowie der Beteiligung von weiblichen und männlichen Beschäftigten an dieser zu treffen, wurden zusätzlich zu den Informationen aus dem Mikrozensus Daten aus der aktuellsten europaweiten Erhebung zur beruflichen Weiterbildung in Unternehmen aus dem Jahr 2005, der CVTS 3 (Continuing Vocational Training Survey), in die Analyse mit einbezogen. Die CVTS 3 ist eine Zusatzerhebung des Statistischen Bundesamtes. Die Daten werden nicht jährlich erhoben. In Deutschland wurden rund 10.000 Unternehmen mit 10 und mehr Beschäftigten aus nahezu allen Wirtschaftsbereichen befragt. Eine Darstellung ist aufgrund der geringen Fallzahlen aber nicht für alle der in dieser Studie betrachteten Branchen des Verarbeitenden Gewerbes möglich. An den betreffenden Stellen wurde versucht, andere Informationsquellen in die Analyse mit einzubeziehen. Auffällig ist, dass geschlechterdifferenzierte Ergebnisse zur betrieblichen Weiterbildungsbeteiligung oftmals völlig unterschiedlich ausfallen. So widersprechen die CVTS-Daten z.t. den Ergebnissen des IAB-Betriebspanels aus dem Jahr 2005 16 und den Ergebnissen des elften Weiterbildungsreports des Bundesministeriums für Bildung und Forschung aus dem Jahr 2003 17, sind dafür aber vergleichbar mit denen der 16 Laut diesem aus dem Jahr 2005 lagen die Teilnahmequoten der (West: 22 %; Ost: 30 %) an betrieblicher Weiterbildung gerade in Ostdeutschland höher als die der Männer (West: 18 %; Ost: 22 %) 17 So lag die allgemeine Teilnahmequote der Männer bei 28 % (Rückgang seit 2000 um 6 %), der der bei 24% (Zunahme seit 2000 um 1 %). Allerdings veränderten sich die Anteile, wurden nur die 11

WSI-Betriebsrätebefragung aus dem Jahr 2004. Aufgrund der bestehenden Widersprüche in den berücksichtigten Daten konnten deshalb stellenweise keine eindeutigen Aussagen über die geschlechtsspezifische Ausprägung und Entwicklung der Weiterbildungsbeteiligung getroffen werden. Die Einkommenssituation wurde anhand der Ergebnisse der Vierteljährlichen Verdiensterhebung des Statistischen Bundesamtes für das erste Quartal 2008 dargestellt. Diese beruht in der vorliegenden Studie noch auf der Klassifikation der Wirtschaftszweige nach WZ 2003 und weist nach dieser die durchschnittlichen Bruttostundenverdienste, Bruttomonatsverdienste und die bezahlte Wochenarbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im gesamten Bundesgebiet sowie unterschieden nach Ost- und Westdeutschland aus. Die Vierteljährliche Verdiensterhebung wurde nach WZ 2003 als repräsentative Stichprobenzählung bei 40.500 Betrieben mit 10 oder mehr Beschäftigten durchgeführt. Neben den hier bereits genannten Datenquellen mussten zudem für einzelne Branchen, speziell im Handwerk, abweichende Analysemethoden eingesetzt werden, um die weibliche Beschäftigungsentwicklung zu beschreiben. Die genaue Vorgehensweise bei der Auswahl und Analyse dieser Quellen kann den entsprechenden Kapiteln entnommen werden und wird zudem für das Handwerk ausführlich dargelegt. Vollzeitbeschäftigten berücksichtigt. Hier waren mit 40 % deutlich häufiger an betrieblicher Weiterbildung beteiligt als Männern mit 34 %. 12

4. Automobilindustrie Die Automobilindustrie zählt beschäftigungspolitisch zu einem der wichtigsten Industriezweige in Deutschland. In 2008 arbeiteten hier knapp 700.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Voll- und Teilzeit. Nach Aussage des VDA hängt insgesamt jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland mit dieser Branche auf direkte oder indirekte Art und Weise zusammen. Die Branche selbst ist stark männlich geprägt: Nur 14 % aller Beschäftigten in der Automobilindustrie sind. Die Automobilindustrie setzt sich in Deutschland aus drei Wirtschaftszweigen zusammen: Erstens Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenmotoren (die Automobilhersteller bzw. Endhersteller), zweitens Herstellung von Teilen und Zubehör für Kraftwagen und Kraftwagenmotoren (die Zulieferer) sowie drittens Herstellung von Karosserien, Aufbauten und Anhängern (die Karosseriehersteller), welcher den kleinsten der drei Wirtschaftszweige darstellt. Der Wirtschaftszweig der Automobilendherstellung ist nach Produktionsvolumen und Beschäftigtenzahl die größte Wirtschaftseinheit der Branche. Von den 13 weltweit größten Automobilherstellern 18, gehören fünf deutsche Konzerne zur Weltspitze der Autoproduktion. Allerdings werden zunehmend Arbeitsfelder der klassischen Automobilproduktion in Zuliefererunternehmen verlagert, weswegen diese in den vergangenen Jahren ein positives Wachstum verzeichneten. Unter den 15 größten Automobilzulieferern der Welt sind u.a. die deutschen Unternehmen Bosch, Continental, Siemens, Thyssen Krupp und die ZF Group. Im europäischen Vergleich sind neun der 15 größten Zulieferer deutsche Unternehmen. Ausbildungsberufe finden sich sowohl im technischen (u.a. Kraftfahrzeug-Mechatronikerin/- Mechatroniker, Mechanikerin/ Mechaniker für Karosserieinstandhaltungstechnik, Fahrzeuglackiererin/ Fahrzeuglackierer) als auch im kaufmännischen Bereich (Automobil- Bürokauffrau/ Bürokaufmann). In verschiedenen Weiterbildungsinstituten, Akademien oder Fachhochschulen, aber auch über die Handwerkskammern und die Bundesfachschule für Betriebswirtschaft im Kfz-Gewerbe (BFC) kann man sich nach dem Abschluss der Ausbildung fortbilden und u.a. die Meisterprüfung ablegen. Vielerorts kann man in den Studiengängen der Elektrotechnik und des Maschinenbaus einen automobilspezifischen Schwerpunkt setzten. Mehrere Fachhochschulen bieten darüber hinaus konkret den Studiengang Automobiltechnik an (u.a. FH Wolfsburg und Frankfurt a.m.). Der überwiegende Teil der Automobilindustrie konzentriert sich auf Westdeutschland, in denen die großen Konzernzentralen und die F&E-Bereiche der Unternehmen der Automobilindustrie angesiedelt sind. In Ostdeutschland ist die Branchenstruktur eher durch kleine und mittelständische Unternehmen sowie eine stärkere Konzentration der Zuliefererbetriebe gekennzeichnet. 19 Dies hat auch Einfluss auf die Beschäftigten- und Umsatzzahlen. Nur 7,2 % aller Beschäftigten der deutschen Automobilindustrie arbeiteten im Jahr 2008 in Ostdeutschland. Zudem wurden lediglich 9 % des Gesamtumsatzes der deutschen Automobilindustrie hier erwirtschaftet. Allerdings zeigte sich die Automobilbranche 18 Dies sind: Audi, BMW, Daimler, Fiat, General Motors, Ford, Honda, Porsche, Peugeot, Nissan, Renault, Toyota und VW 19 Martin, S. (2007). 13

in Ostdeutschland in den letzten Jahren auf deutlichem Wachstumskurs. Aufgrund ausgeprägter Lieferbeziehungen zu zahlreichen vorgelagerten Branchen wie dem Maschinenbau, der Metallindustrie und der Kunststoff- und Textilindustrie stabilisiert sie zudem die industrielle Entwicklung Ostdeutschlands. 20 Die Automobilindustrie ist eine der wichtigsten Wirtschaftssektoren Deutschlands. Der Jahresumsatz im Jahr 2008 dieses Sektors betrug trotz einsetzender Wirtschafts- und Finanzkrise - 288 Mrd. Euro und damit nur 0,9 % weniger als im Jahr 2007. 21 Ein Erfolgsfaktor der deutschen Automobilindustrie ist die Forschung und Entwicklung. Insgesamt investierten die deutschen Automobil-Konzerne in 2008 rund 18,9 Mrd. Euro für Forschung und Entwicklung, knapp 1 Mrd. mehr als im Vorjahr. 22 Bezogen auf Produktionsvolumen und Umsatz ist Deutschland nach den USA und Japan im internationalen Vergleich die drittgrößte Automobil produzierende Nation. 23 Allerdings ist das Produktionsniveau im Zeitraum August 2008 bis August 2009 um 22 % gesunken. 24 Dieser Einbruch ist in erster Linie auf einen Rückgang des Exportvolumens zurückzuführen, liefert die deutsche Automobilindustrie doch rund 70 % ihrer Fahrzeuge ins Ausland. Die Nachfrage auf dem Inlandsmarkt hingegen verzeichnete maßgeblich bedingt durch die Einführung der Umweltprämie ein Plus von 4 %. Entlassungen im größeren Stil konnten mit Hilfe des Instruments Kurzarbeit verhindert werden. Allerdings ist die Situation der Automobilindustrie schwierig wie noch nie, so Berthold Huber, Erster Vorsitzender der IG Metall, auf der Automobil- und Zuliefererkonferenz am 25. März 2009. Denn die Automobilindustrie sei sowohl von der Finanzmarkt-, der Konjunktur- als auch der Strukturkrise betroffen und diese verstärkten sich gegenseitig. 25 Wie sich dies zukünftig auf die wirtschaftliche sowie beschäftigungspolitische Bedeutung gerade auch in Bezug auf weibliche Beschäftigte auswirkt, muss in den kommenden Monaten genau beobachtet werden. 4.1. Beschäftigungsentwicklung Die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Automobilindustrie nahm zwischen 1999 und 2008 um 6,5 % zu. Von diesem Stellenzuwachs profitierten etwas mehr als Männer. Dadurch stieg ihr Beschäftigtenanteil von rund 13,3 % im Jahr 1999 auf knapp 14 % im Jahr 2008 an. Es gab in 2008 knapp 11.000 mehr in der Branche als noch 1999. Dies macht einen Zuwachs von 12,5 % aus. Die Zahl der männlichen Beschäftigten stieg im gleichen Zeitraum um 33.771 Personen, was allerdings nur einen Zuwachs von knapp 6 % bedeutet (vgl. auch Anhang, Tabelle 1b). 20 IMU-Institut Berlin GmbH (2007). 21 http://www.vda.de/de/zahlen/jahreszahlen/allgemeines/. 22 VDA (2009). 23 Bundesregierung (2008). 24 Infografik extranet.igmetall.de. 25 Huber, B. (2009). 14

Tabelle 1 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in der Automobilindustrie in Deutschland 1999 und 2008 gesamtes Bundesgebiet Westdeutschland (ohne Berlin) Ostdeutschland insgesamt darunter insgesamt darunter anteil in % insgesamt darunter 1999 654.876 86.968 13,28% 625.306 81.750 13,07% 29.570 5.218 17,65% 2008 699.572 97.893 13,99% 652.816 89.992 13,79% 46.756 7.901 16,90% Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Nürnberg, Stichtag: 31.12.2008 (vorläufiger Stand), eigene Berechnungen sowie Dr. Astrid Ziegler 2000: Analyse und Handlungsbedarf für eine betriebliche, regionale und sektorale -Beschäftigungspolitik, Berlin 2000. anteil in % anteil in % Die Grafiken 1a und 1b verdeutlichen, wie hoch die Beschäftigtenzuwächse ausfielen, unterschieden nach Ost- und Westdeutschland sowie nach Geschlecht. Grafik 1a Beschäftigte in der Automobilindustrie im früheren Bundesgebiet 1999 und 2008 600.000 500.000 543.556 562.824 400.000 300.000 Männer 200.000 100.000 81.750 89.992 0 1999 2008 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Nürnberg, Stichtag: 31.12.2008 (vorläufiger Stand) sowie Dr. Astrid Ziegler 2000: Analyse und Handlungsbedarf für eine betriebliche, regionale und sektorale -Beschäftigungspolitik, Berlin 2000. Zwei Trends lassen sich hier erkennen: In absoluten Zahlen ausgedrückt fällt der Beschäftigtenzuwachs in Westdeutschland höher aus. Allerdings ist die Zuwachsrate in Ostdeutschland stärker ausgeprägt. Die Zahl der nahm in Westdeutschland um 8.242 bzw. 10 % zu, die der Männer stieg um 19.268 Beschäftigte bzw. rund 3,5 % (vgl. Grafik 1a sowie Anhang, Tabelle 1b). In Ostdeutschland nahm die Zahl der um 2.683, die der Männer um 14.503 Beschäftigte zu. Die Zuwachsraten sind aufgrund der insgesamt wesentlich kleineren Beschäftigtenzahlen sehr deutlich (vgl. Grafik 1b). Die Zahl der stieg zwischen 1999 und 2008 um knapp 51,5 %, die der Männer sogar um 59,6 % (vgl. Anhang, Tabelle 1b). Im Gegensatz zu Westdeutschland profitieren in Ostdeutschland männliche Beschäftigte stärker vom Zuwachs sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse als weibliche. 15

Grafik 1b Beschäftigte in der Automobilindustrie in den neuen Ländern 1999 und 2008 45.000 40.000 38.855 35.000 30.000 25.000 20.000 24.352 Männer 15.000 10.000 5.000 0 5.218 7.901 1999 2008 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Nürnberg, Stichtag: 31.12.2008 (vorläufiger Stand) sowie Dr. Astrid Ziegler 2000: Analyse und Handlungsbedarf für eine betriebliche, regionale und sektorale -Beschäftigungspolitik, Berlin 2000. Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass - in absoluten Zahlen gesehen - bundesweit die Beschäftigungszuwächse v.a. zu Gunsten von Männern erfolgten. Bezogen auf die Beschäftigtenanteile in dieser Industrie konnten v.a. die in Westdeutschland von der Entwicklung der vergangenen zehn Jahre profitieren. Aufgeschlüsselt auf die einzelnen Wirtschaftszweige der Automobilindustrie zeigt sich, dass 2008 der überwiegende Teil der insgesamt knapp 90.000 weiblichen Beschäftigten (51 %) in der Automobil-Herstellerindustrie tätig ist. Grafik 1c Verteilung von auf die Wirtschaftszweige der Automobilindustrie in Deutschland 2008 44% 51% H.v. Kraftwagen und Kraftwagenmotoren H.v. Karosserien, Aufbauten und Anhängern H. v. Teilen und Zubehör für Kraftwagen 5% Quel le: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Nürnberg, Stichtag: 31.12.2008 (vorläufiger Stand), Nürnberg, eigene Berechnungen. 16

Rund 41 % der sozialversicherungspflichtig beschäftigten arbeiten hingegen in der Automobil-Zuliefererindustrie. Nur 5 % aller weiblichen Beschäftigten arbeitet in Unternehmen, die dem Segment Herstellung von Karosserien, Anhängern und Aufbauten zugerechnet werden (vgl. Grafik 1c). Betrachtet man allerdings die Anteile der an allen Beschäftigten in der jeweiligen Branche, ergibt sich ein anderes Bild: Den höchsten anteil innerhalb der Branche hat mit 18 % die Automobil-Zuliefererindustrie, den niedrigsten die Herstellerindustrie mit einem anteil von knapp 12 % (vgl. Anhang, Tabelle 1a). 4.2. Qualifikation 26 Werden die Qualifikationen der sozialversicherungspflichtig beschäftigten (vgl. Grafik 2a) betrachtet, so zeigt sich, dass in Westdeutschland der Anteil der Un- und Angelernten (ohne abgeschlossene Ausbildung) fast doppelt so hoch ist wie in Ostdeutschland. Allerdings ist ihr Anteil insgesamt rückläufig. In Westdeutschland sank er von rund 37 % in 1999 auf 24,5 % in 2008. In Ostdeutschland lag dagegen der Anteil ungelernter bereits 1999 mit rund 15 % deutlich unter dem Niveau in Westdeutschland und sank bis zum Jahr 2008 noch einmal um 2,1 Prozentpunkte auf 12,9 %. Der Anteil der un- und angelernten an allen Beschäftigten unterscheidet sich bei und Männern sehr deutlich: In Westdeutschland sind lediglich rund 15 % aller Männer un- und angelernt ( rund 37 %) und auch in Ostdeutschland beträgt der Anteil bei den Männern nur 10,2 % ( 12,9 %) (vgl. Anhang, Tabellen 2b und 2c). Der Anteil der weiblichen Beschäftigten mit einem Hochschulabschluss hat sich sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland erhöht. Die Zuwächse waren in Westdeutschland deutlich stärker ausgeprägt. So stieg hier der Anteil der Hochschulabsolventinnen von 5,6 % in 1999 auf 14,4 % in 2008 an. In Ostdeutschland war der Anteil mit 11,2 % bereits 1999 im Vergleich zu Westdeutschland höher, dafür die Veränderungen bis zum Jahr 2008 (12,8 %) nur minimal. Zusammengefasst lässt sich in Bezug auf die Verteilung der Qualifikationen nach Geschlecht sagen, dass weit häufiger als Männer über eine nur niedrige Qualifikation verfügen, dies bezieht sich v.a. auf Westdeutschland. Der Anteil der mit einem Hochschulabschluss steigt und liegt in Westdeutschland mittlerweile über dem in Ostdeutschland. 26 In die Betrachtung sind nur sozialversicherungspflichtig Beschäftigte eingeflossen, die eindeutig einer Abschlussart zuzuordnen sind. Beschäftigte ohne Angabe über einen Berufsabschluss wurden nicht berücksichtigt. Daher stimmt die Zahl der in dieser Grafik betrachteten Beschäftigten nicht mit der Gesamtzahl aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Ost- bzw. Westdeutschland überein. 17