Stetige Funktionen, Binomischer Lehrsatz

Ähnliche Dokumente
Surjektive, injektive und bijektive Funktionen.

Stetigkeit. Kapitel 4. Stetigkeit. Peter Becker (H-BRS) Analysis Sommersemester / 543

Analysis I. Vorlesung 12. Stetige Funktionen. Den Abstand zwischen zwei reellen (oder komplexen) Zahlen x und x bezeichnen

Reihen, Funktionen. Vorlesung Reihen Geometrische Reihen

Stetige Funktionen. 1-E1 Ma 1 Lubov Vassilevskaya

Übungen zu Einführung in die Analysis

{, wenn n gerade ist,, wenn n ungerade ist.

Institut für Analysis WiSe 2018/2019 Prof. Dr. Dirk Hundertmark Dr. Markus Lange. Analysis 1. Aufgabenzettel 4

Stetige Funktionen. Definition. Seien (X, d) und (Y, D) metrische Räume und f : X Y eine Abbildung. i) f heißt stetig in x 0 (x 0 D(f)), wenn

WS 2015/16 Diskrete Strukturen Kapitel 3: Kombinatorik (3)

Binomialkoeffizient. Gymnasium Immensee Stochastik, 5. Klassen. Bettina Bieri

Binomialkoeffizienten

sign: R R, sign(x) := 0 falls x = 0 1 falls x < 0 Diese ist im Punkt x 0 = 0 nicht stetig, denn etwa zu ε = 1 finden wir kein δ > 0

Reelle Funktionen. Als reelle Funktion bezeichnen wir jede Abbildung

01. Zahlen und Ungleichungen

Vorlesung 2a. Diskret uniform verteilte Zufallsvariable

Vollständige Induktion. Analysis I. Guofang Wang. Universität Freiburg

Kombinatorik. Dr. Lucia Draque Penso. Universität Ulm. Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 1 / 26

Natürliche, ganze und rationale Zahlen

Lösungen zu Aufgabenblatt 7P

Ein Kennzeichen stetiger Funktionen ist es, dass ihre Graphen (evtl. auch nur in Intervallen) nicht. Knicke im Funktionsgraphen auftreten.

Die Sprache der Mathematik

von Zahlenfolgen, die bei Gebietsteilungsproblemen

Analysis I. 3. Beispielklausur mit Lösungen

: das Bild von ) unter der Funktion ist gegeben durch

TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN

Kapitel 6 Grenzwerte von Funktionen und Stetigkeit

Kapitel 1. Grundlagen

Kombinatorik und Polynommultiplikation

WS 2013/14. Diskrete Strukturen

Mathematik für Anwender I

3 Folgen und Stetigkeit

Binomialkoeffizient. Für n, k N 0 mit n k definiert man den Binomialkoeffizienten. ( ) n n! n(n 1)(n 2) (n k + 1) Binomialkoeffizient 1-1

1 Folgen und Stetigkeit

Der Binomische Lehrsatz, die Binomialkoeffizienten und das PASCALsche Dreieck

Kapitel III. Stetige Funktionen. 14 Stetigkeit und Rechenregeln für stetige Funktionen. 15 Hauptsätze über stetige Funktionen

Vorlesung 2a. Diskret uniform verteilte Zufallsvariable. (Buch S. 6-11)

Legendre Polynome. 1 2 n n! d n (( P n (x) P m (x)dx = 0 für m n.

Mathematik 1 Übungsserie 3+4 ( )

Beispiele zur Konvergenzuntersuchung bei Reihen.

Mathematisches Argumentieren und Beweisen Beweisarten Besipiele. Hagen Knaf, WS 2014/15

Lösungen zum Übungsblatt 7

Analysis I. 6. Beispielklausur mit Lösungen

AM3: Differenzial- und Integralrechnung im R n. 1 Begriffe. 2 Norm, Konvergenz und Stetigkeit. x 1. x 2. f : x n. aus Platzgründen schreibt man:

Analysis I. Vorlesung 13. Gleichmäßige Stetigkeit

z k Anwendung des Quotientenkriteriums ergibt z k+1 (k + 1)! z k+1 k! = z k (k + 1)! = z k + 1

Stetigkeit von Funktionen

Vorlesung Mathematik für Ingenieure I (Wintersemester 2007/08)

Die Schreibweise x M bedeutet, dass das Objekt x in der Menge M liegt. Ist dies nicht der Fall, dann schreibt man

Brückenkurs Mathematik. Jörn Steuding (Uni Würzburg), 10. Februar 2018

20.4 Gleichmäßige Konvergenz von Folgen und Reihen von Funktionen

7. Übungsblatt zur Mathematik II für Inf, WInf

Technische Universität München Zentrum Mathematik. Übungsblatt 2

Integraldarstellung des Restgliedes; Lagrangesche Restgliedformel;

Dr. Jürgen Roth. Fachbereich 6: Abteilung Didaktik der Mathematik. Elemente der Algebra. Dr. Jürgen Roth 2.1

30 Metriken und Normen

Zahlen 25 = = 0.08

Mathematik I für Studierende der Informatik und Wirtschaftsinformatik (Diskrete Mathematik) im Wintersemester 2015/16

Abbildungen. Kapitel Definition: (Abbildung) 5.2 Beispiel: 5.3 Wichtige Begriffe

ε δ Definition der Stetigkeit.

$Id: mengen.tex,v /11/16 20:09:23 hk Exp $ $Id: komplex.tex,v /11/16 20:12:23 hk Exp hk $

Einführung in die Diskrete Mathematik

e. Für zwei reelle Zahlen x,y R gelten die Additionstheoreme sin(x+y) = cos(x) sin(y)+sin(x) cos(y). und f. Für eine reelle Zahl x R gilt e ix = 1.

Zur Ästhetik mathematischer Beweisführung

Mathematik I. Vorlesung 20 Ein metrischer Raum ist dadurch ausgezeichnet, dass es in ihm eine Abstandsfunktion gibt, und dass dadurch zwei Punkte

Kapitel 1 Mengen. Kapitel 1 Mengen. Mathematischer Vorkurs TU Dortmund Seite 1 / 25

1 Folgen und Stetigkeit

ANALYSIS I FÜR TPH WS 2018/19 3. Übung Übersicht

10. Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit, Differenzierbarkeit. Der bisher intuitiv verwendete Grenzwertbegriff soll im folgenden präzisiert werden.

Kapitel 6. Elementare Kombinatorik und Abzählbarkeit. Elementare Kombinatorik und Abzählbarkeit

Hilfsmittel aus der Kombinatorik, Reelle Zahlenfolgen, Vollständige Induktion

4.1 Definition. Gegeben: Relation f X Y f heißt Funktion (Abbildung) von X nach Y, wenn. = y 1. = y 2. xfy 1. xfy 2

Thema 4 Limiten und Stetigkeit von Funktionen

Univ.-Prof. Dr. Goulnara ARZHANTSEVA

Mathematik macht Freu(n)de im Wintersemester 2018/19

Analysis I. 1. Beispielklausur mit Lösungen

Übungen Analysis I WS 03/04

Über die so definierten Potenzen beweisen wir nun einige einfache Aussagen. = a m+n a Def.

Nichtlineare Funktionen einer Variablen

Mathematik für Anwender. Testklausur mit Lösungen

Kapitel 5 GRENZWERTE

Hilfsmittel aus der Kombinatorik, Vollständige Induktion, Reelle Zahlenfolgen

Mathematik für Anwender I

5 Stetigkeit und Differenzierbarkeit

Analysis I. 7. Übungsstunde. Steven Battilana. battilana.uk/teaching

3 Folgen, Reihen und stetige Funktionen

Tutorium: Diskrete Mathematik

Analysis I - Stetige Funktionen

Berechnung von Teilmengen

Hörsaalübung zu Blatt 5 Analysis I für Studierende der Ingenieurwissenschaften

1 Einleitung. 2 Reelle Zahlen. 3 Konvergenz von Folgen

10 Aus der Analysis. Themen: Konvergenz von Zahlenfolgen Unendliche Reihen Stetigkeit Differenzierbarkeit

Mathematik 1 für Bauingenieure

$Id: reell.tex,v /11/15 13:12:24 hk Exp $

θ für alle n n 0, 0, dann divergiert a n. θ n, also die mit a n0 θ n 0

Kombinatorik von Zahlenfolgen

MATHEMATIK FÜR NATURWISSENSCHAFTLER I WINTERSEMESTER 2016/ OKTOBER 2016

Transkript:

Vorlesung 13 Stetige Funktionen, Binomischer Lehrsatz 13.1 Funktionenfolgen Wir verbinden nun den Grenzwertbegriff mit dem Funktionsbegriff. Es seien (a n ) n N eine reelle Folge und f : R R eine Funktion. Zur Erinnerung: a n ist nichts anderes als eine Abbildung a von den natürlichen in die reellen Zahlen a : N R mit Somit können wir die Funktionenfolge betrachten. Beispiel. Es seien a n := a(n). f a n : N R R f : n a n f(a n ) R R x x 2 a n = 1 n,n > 0 Dann ist die Funktionenfolge g n = f(a n ) = 1 n 2,n > 0 g 1 = 1,g 2 = 1 4,g 3 = 1 9,... Definition 13.1.1. Sei D R und f : D R eine Funktion und a R derart, dass es mindestens eine Folge (a n ) n N,a n D, gibt mit a n = a. 75

Wir schreiben f(x) = c falls für jede Folge (x n ) n N D mit x n = a gilt: f(x n) = c Sprechweise: Der Grenzwert der Funktionswerte f(x) für x a ist c. Definition 13.1.2. Voraussetzungen wie oben. Falls für jede Folge (x n ) n N mit x n D und x n > a und x n = a gilt: so schreiben wir (x n) = c, +f(x) = c oder f(x) = c = c ist der rechtsseitige GW von f(x) für x a. n a + Falls für jede Folge (x n ) mit x n D mit x n < a und f(x n) = a gilt so schreiben wir x>a f(x n) = c, f(x) = c oder f(x) = c x<a = c ist der linksseitige GW von f(x) für x a. n a Bemerkung. f(x) existiert genau dann, wenn der linksseitige und der rechtsseitige GW existieren und übereinstimmen, d.h. +f(x) = f(x) = f(x) Beispiel: Wir betrachten die Ganzzahlfunktion entier : R R Es gilt entier(x) = 1 und entier(x) = 0. Also existiert x 1 + x 1 entier(x) nicht. x 1 Es gilt x 1 + 2 x 1 2 entier(x) = 0 und entier(x) = 0. Also existiert x 1 2 entier(x) und ist gleich 0. 13.2 Stetigkeit Wir kommen zu einem fundamentalen Begriff. Definition 13.2.1. Sei f : D R eine Funktion und a D. Die Funktion f heißt im Punkt a stetig, falls gilt f(x) = f(a). f heißt stetig in D, wenn f in jedem Punkt von D stetig ist. 76

Stetigkeit von f in a bedeutet also: Für x a konvergieren die Bilder f(x) gegen das Bild f(a). Intuitiv bedeutet Stetigkeit: f(x) ändert sich wenig, wenn x sich wenig ändert. Eine Funktion ist stetig, wenn ihr Graph keine Sprünge macht. Eine Funktion ist zu 99% stetig, wenn man ihren Graphen ohne Absetzen zeichnen kann. Bemerkung. Stetigkeit einer Funktion ist eine schöne Eigenschaft, da sich stetige Funktionen in vielerlei Hinsicht gutartig verhalten. Angenommen, wir haben eine Messreihe mit endlich vielen Messwerten (siehe Abbildung 13.1). 4 m(x 5) m(x 3) m(x 2) m(x 6) 1 7 x1 x2 x3 x4 x5 x6 x7 Abbildung 13.1: Messreihe mit endlich vielen Messwerten Unterstellen wir eine stetige Funktion, die die gegebenen Punkte beschreibt, dann können wir auch etwas über Punkte sagen, für die keine Messwerte vorliegen (siehe Abbildung 13.2). 4 m(x 5) m(x 3) m(x 2) m(x 6) 1 7 x1 x2 x3 x4 x5 x6 x7 Abbildung 13.2: Stetige Funktion, die die Messwerte beschreibt 77

Beispiele. Die identische Abbildung id : R R,x x ist stetig. Beweis. Sei a R. Sei (x n ) n N eine Folge mit x n = a. Es gilt id(x n ) = x n. Daher (x n) = x n = a = id(a) Damit ist die identische Abbildung in jedem Punkt stetig. Die konstanten Funktionen sind stetig. Beweis. Klar. Satz 13.2.2. Es seien f,g : D R Funktionen in a D stetig. Sei λ R. Dann sind die Funktionen in a D stetig. f +g : λf : D R D R fg : D R f g : D R mit D = {x D : y(x) = 0} Aus dem Satz folgt: Jede Polynomfunktion ist stetig. Beispiel. Wir betrachten die Funktion { 0 für x < 0 f(x) = 1 für x 0. Offenbar ist f(x) für x = 0 stetig. Zu untersuchen ist x = 0. Behauptung: f ist nicht stetig in x = 0. Beweis. Es gilt x 0 + f(x) = 1 und x 0 f(x) = 0. Damit existiert x 0 f(x) nicht und f(x) ist nicht stetig in x = 0. 78

13.3 Etwas Kombinatorik Zur Erinnerung: Für n N setzen wir Zu n! sagen wir n-fakultät. Wir haben die Rekursion n! := 1 2 2 3... n und 0! = 1 n! = (n 1)!n. Satz 13.3.1. Die Anzahl aller Anordnungen n verschiedener Elemente ist n!. Beweis. Gegeben seien n Elemente und n Felder. Wir besetzen die Felder mit den Elementen. Für das 1. Feld stehen n Elemente zur Auswahl. Für das 2. Feld entsprechend (n 1), usw. Demnach gibt es n (n 1)... 3 2 1 = n! Möglichkeiten n Elemente anzuordnen. Satz 13.3.2 (Satz und Definition). Die Anzahl der k-elementigen Teilmengen einer nicht-leeren Menge mit n Elementen ist im Fall 0 < k n : ( ) n(n 1)... (n k +1) n =: k! k und im Fall k = 0 : 1 := ( ) n 0 Die Zahlen ( n heißen Binomialkoeffizienten. Lies n über k. Beweis. Sei zunächst k = 0. Zur Bildung k-elementiger Teilmengen stehen für ein erstes Element einer Teilmenge alle n Elemente der gegebenen Menge zur Auswahl, usw. Insgesamt gibt es also n(n 1)... (n k+1) Möglichkeiten, k-elementige Teilmengen herzustellen. Unter diesen Möglichkeiten sind auch k-elementige Teilmengen, die sich nur in der Reihenfolge der Elemente unterscheiden. Es gibt genau k! verschiedene Anordnungen einer k-elementigen Menge. Durch diese Anzahl müssen wir dividieren; demnach gibt n(n 1)... (n k+1) k! die Anzahl der k-elementigen Teilmengen eine n-elementigen Menge an. Für k = 0 : Die leere Menge ist die einzige 0-elementige Teilmenge. Damit ist die gesuchte Zahl 1. Bemerkung. Es gilt Beweis. Einfaches Nachrechnen! ( ) ( ) n n! n = k k!(n! = n k Beispiel. 6 aus 49. Aus einer Menge mit 49 Elementen können wir ( ) 49 = 49 48 47 46 45 44 = 13.983.816 6 1 2 3 4 5 6 6-elementigeTeilmengenbilden.DieWahrscheinlichkeitbeimLotto 6aus49 die richtigen 6 Zahlen zu raten, ist also ungefähr 1:14 Millionen. 79

13.4 Der Binomische Lehrsatz Es gilt der Satz 13.4.1 (Binomischer Lehrsatz). Für x,y R und n N gilt: n ( ) n (x+y) n = x n k y k k k=0 ( ) ( ) ( ) n n n = x n + x n 1 y + x n 2 y 2 +...+ xy n 1 +y n. 1 2 n 1 Beweis. Es gibt ( n Möglichkeiten, k Faktoren (x+y) aus (x+y) n auszuwählen. Eine solche Auswahl ist zum Beispiel (x+y) n = (x+y)... (x+y) (x+y)... (x+y). }{{}}{{} k mal (n mal Für jede Auswahl erhalten wir nach Ausmultiplizieren von (x+y) k je einmal als höchste Potenz von x genau x k. Es gibt ( n solche Auswahlmöglichkeiten, also tritt die Potenz x k insgesamt ( n -mal auf. Jeder Faktor (x+y) k korrespondiert zu einem Faktor (x+y) n k. Im letzteren ist die höchste Potenz y genau y n k. Demnach tritt der Faktor x k y n k insgesamt ( n auf. Daraus ergibt sich der Binomische Lehrsatz. Bemerkung. Der Binomische Lehrsatz lässt sich auch mittels vollständiger Induktion beweisen. Für die ersten n erhalten wir für den Binomischen Lehrsatz (x+y) 0 = 1 (x+y) = x+y (x+y) 2 = x 2 +2x+y 2 (x+y) 3 = x 3 +3x 2 y +3xy 2 +y 3 (x+y) 4 = x 4 +4x 3 y +6x 2 y 2 +4xy 3 +y 4 Die Koeffizienten können im Pascalschen Dreieck angeordnet werden. 1 1 1 1 2 1 1 3 3 1 1 4 6 4 1 1 5 10 10 5 1 Aufgrund der Beziehung (n ) = k ( ) n 1 + k 1 ( ) n 1 (siehe Übungsaufgabe 63, Blatt 13) ist jede Zahl im Innern des Dreiecks die Summe der beiden unmittelbar über ihr stehenden. k 80