Tarifbeschäftigte in Museen: zwischen Eingruppierung und Wirklichkeit

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Transkript:

Tarifbeschäftigte in Museen: zwischen Eingruppierung und Wirklichkeit Vortrag am 25. April 2016 im TECHNOSEUM Mannheim anlässlich der Informationsveranstaltung Alles, was Recht ist der Museumsverbände Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland. Dr. Jens Bortloff Kaufmännischer Leiter Stellv. Museumsdirektor TECHNOSEUM Stiftung Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim Museumsstraße 1 68165 Mannheim jens.bortloff@technoseum.de Hinweis: Die folgenden Übersichten sind Teil eines Vortrags, sie dienen zur Illustration und Erleichterung des Verständnisses, nur aus dem Vortrag selbst ergibt sich ein Gesamtbild der Situation. Die Einschätzungen sind zur Erleichterung des Verständnisses vereinfacht dargestellt und geben die volle Komplexität und Einzelfallbezogenheit der Problematik nicht vollständig wider. Daher können die Ausführungen keine Geltung für Einzelfälle haben, sondern geben Auskunft über die Situation im Allgemeinen.

TECHNOSEUM - TECHNOSEUM = Museum der Stiftung Landesmuseum für Technik und Arbeit - Stiftung des öffentlichen Rechts (Baden-Württemberg und Stadt Mannheim) - Museumsgebäude seit 1990 - Drittgrößtes Technikmuseum in D - 9.000m² Ausstellungsfläche, davon 900 Sonderausstellung - ca. 200.000 Besuche/Jahr - ca. 150 Beschäftigte - Haushaltsvolumen rd. 12 Mio. Euro 2

Inhalt A. Fragen zur Eingruppierung B. Blick zurück: Die Entstehung der Staatsbediensteten C. Die geschichtliche Entwicklung der Tarifverträge im Öffentlichen Dienst D. Tarifvertragsrecht im Allgemeinen E. Die Eingruppierung im Allgemeinen F. Die Eingruppierung von Beschäftigten in Museen G. Frei- und Spielräume H. Schlussfolgerungen I. Empfehlungen an die Tarifparteien 3

A. Fragen zur Eingruppierung Ich bin wissenschaftlich ausgebildet, muss ich nicht nach E 13 bezahlt werden? Ich leite ein Museum, werde aber nur nach E 10, nicht E 13 bezahlt, ist das richtig? Können museumspädagogische Kräfte nie nach E 13 bezahlt werden? Das Budget gibt nur eine E 9 Stelle her, mehr geht dann nicht?.? 4

B. Blick zurück: Die Entstehung der Staatsbediensteten Die Tätigkeit einer Organisation, eines Staates, wird durch Menschen ausgeübt. Organisationsentwicklung in Deutschland: Vom Fürstendiener zum Staatsdiener Moderner Staat, unabhängig vom Herrscher: damals modernster Staat Preußen, 1794 Allg. Landrecht Berufsbeamtentum: Öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, bis heute (DDR abgeschafft) Industrialisierung: Lohnarbeiterschaft, Entstehung der Angestellten (privatrechtlicher Dienstvertrag) In Preußen seit 1810: Personen auf Kündigung angestellt (mechanische Tätigkeiten, um 1900 auch technische und Büroangestellte) Ab 1914 erhöhter Einsatz von Angestellten wegen Kriegswirtschaft Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes: seit 1920 in Preußen, seit 1924 in Deutschland 5

C. Die geschichtliche Entwicklung der Tarifverträge im Öffentlichen Dienst Tarifverträge gibt es seit 1873 (Buchdrucker), erstmals gesetzlich geregelt 1918 Entwicklung der Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes 1920 1924 1938 1961 2006, 2012 Reichsteiltarifvertrag Preußen Rechtsangestellten- Tarifvertrag RAT Allg. Tarifordnung ATO mit TO.A Bundesangestellten Tarifvertrag BAT Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst Bund: TVöD Bund Land: TV-L Hessen: TV-H Gemeinden: TVöD VKA 6

D. Tarifvertragsrecht im Allgemeinen (1) Wie gilt der Tarifvertrag? Schuldrechtlicher Teil: Vereinbarungen zur Geltung zwischen den Tarifparteien, z. B. Kündigung, Weitergeltung, Streikfolgenregelungen Normativer Teil: Wirkt als G e s e t z im materiellen Sinne für Tarifgebundene unmittelbar auf das einzelne Arbeitsverhältnis. Ohne Tarifbindung: Vereinbarung im Arbeitsvertrag 7

D. Tarifvertragsrecht im Allgemeinen (2) Die Regelung der Vergütung: am Beispiel des Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrags der Metallindustrie für Nordwürttemberg und Nordbaden: Einstufung in die Tätigkeitsmerkmale der Gehaltsgruppenbeschreibung AUSZUG AUS DER GEHALTSGRUPPENBESCHREIBUNG Gruppe K 7 (Kaufmännische Angestellte) Tätigkeitsmerkmale: Verantwortliche kaufmännische Tätigkeiten mit Dispositionsbefugnissen oder hochwertigen Tätigkeiten, zu denen besondere theoretische Fachkenntnisse und längere Erfahrungen erforderlich sind, die über die Merkmale von K 6 hinausgehen. Die Angestellten dieser Gruppe arbeiten im Rahmen der Betriebserfordernisse selbständig. 8

E. Die Eingruppierung im Allgemeinen (1) 12 TV-L / TVöD Bund / 17 TVÜ VKA ivm 22 BAT: Drei Kernsätze Die Eingruppierung richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung*. Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der er eingruppiert ist. Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte** von ihm auszuübende*** Tätigkeit entspricht. * = VKA: noch Vergütungsordnung des BAT bis neue Entgeltordnung ** = gesamt: mindestens 50 % der Arbeitsvorgänge, soweit nicht ein anderer Wert angegeben. *** = vom Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts übertragene, nicht a u s g e ü b t e Tätigkeit 9

E. Die Eingruppierung im Allgemeinen (2) Die E i n g r u p p i e r u n g richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung. Anlage zum Tarifvertrag TV-L Vorbemerkung zu allen Teilen der Entgeltordnung (EGO) Teil I Allgemeine Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst Teil II Tätigkeitsmerkmale für bestimmte Beschäftigtengruppen (mit 25 Abschnitten) Teil III Beschäftigte mit körperlich/handwerklich geprägten Tätigkeiten (mehrere Unterabschnitte) TVöD Bund Teil I Allgemeine Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst Teil II Allgemeine Tätigkeitsmerkmale für körperlich/handwerklich geprägte Tätigkeiten Teil III Tätigkeitsmerkmale für besondere Beschäftigtengruppen (48 Untergruppen) Teil IV-VI Besondere Tätigkeitsmerkmale BMVg, BMVI, BMI TVöD VKA Vergütungsordnung für den Bereich der VKA mit Allgemeinem Teil und speziellen TM für Ang. in Museen Neue Entgeltordnung wird verhandelt 10

E. Die Eingruppierung im Allgemeinen (3) TARIFAUTOMATIK Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der er e i n g r u p p i e r t ist. Kein Verhandeln über das Entgelt, sondern: Arbeitgeber ermittelt die Entgeltgruppe aus dem Tarifvertrag (als mat. Gesetz) und stellt diese (deklaratorisch) im Arbeitsvertrag fest: Folge: Arbeitgeber wendet Recht an, (Arbeitsvorgang oder vorgänge ermitteln und bewerten) Rechtsfolge vom Arbeitgeber nur t a t s ä c h l i c h, d.h. über die übertragene Tätigkeit zu beeinflussen, n i c h t r e c h t s g e s c h ä f t l i c h, d. h. nicht über den Arbeitsvertrag 11

F. Die Eingruppierung von Beschäftigten in Museen (1) TÄTIGKEITEN UND ENTGELTGRUPPEN IM MUSEUM am Beispiel der Entgeltordnung TV-L 12

F. Die Eingruppierung von Beschäftigen in Museen (2) Allgemeine und spezielle Tätigkeitsmerkmale: welche gelten? Antwort: GRUNDSATZ DER SPEZIALITÄT (spezielle Regelung verdrängt die allgemeine) Nr. 1 der Vorbemerkungen zu allen Teilen der Entgeltordnung (EGO): Für Beschäftigte, deren Tätigkeit in besonderen Tätigkeitsmerkmalen des Teils II aufgeführt ist, gelten nur die Tätigkeitsmerkmale dieses Teils. Die Tätigkeitsmerkmale des Teils I gelten für diese Beschäftigte weder in der Entgeltgruppe, in der ihre Tätigkeit in Teil II aufgeführt ist, noch in einer höheren Entgeltgruppe. Folge: Allgemeine Tätigkeitsmerkmale nach Teil I EGO dann nicht anwendbar, wenn besondere Tätigkeitsmerkmale nach Teil II oder III diese ausschließen (s. Grafik oben). 13

F. Die Eingruppierung von Beschäftigen in Museen (3) Für Beschäftigte, deren Tätigkeit in besonderen Tätigkeitsmerkmalen des Teils II aufgeführt ist, gelten nur die Tätigkeitsmerkmale diese Teils. Die Tätigkeitsmerkmale des Teils I gelten für diese Beschäftigte weder in der Entgeltgruppe, in der ihre Tätigkeit in Teil II aufgeführt ist, noch in einer höheren Entgeltgruppe. wenn mindestens 50% seiner Arbeitszeit Tätigkeiten im Sinne der besonderen Tätigkeitsmerkmale für Beschäftigte in Museen ausübt (BAG vom 10.3.2004). Hinweis: Jeder sog. Arbeitsvorgang wird jeweils einem Tätigkeitsmerkmal zugeordnet. 14

F. Die Eingruppierung von Beschäftigen in Museen (4) Jeder sog. Arbeitsvorgang wird jeweils einem Tätigkeitsmerkmal zugeordnet. Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangstätigkeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z. B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags, Betreuung bzw. Pflege einer Person oder Personengruppe, Fertigung einer Bauzeichnung, Erstellung eines EKG, Durchführung einer Unterhaltungs- bzw. Instandsetzungsarbeit). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Protokollerklärung zu 12 Abs. 1 TV-L Arbeitsvorgang (AV) Tätigkeitsmerkmal (TM) AV 1 TM 1 EGO Teil I Beispiel: Entgeltgruppe 9 Fallgruppe 2 AV 2 TM 2 EGO Teil II Beispiel: Entgeltgruppe 9 Fallgruppe 2 Bestimmung der AV ist rechtliche Bewertung, justiziabel, nicht im Belieben der Arbeitsvertragsparteien 15

F. Die Eingruppierung von Beschäftigen in Museen (5) Für Beschäftigte in Museen gilt grundsätzlich nur Teil II Ziff. 1, wenn nicht noch speziellere Tätigkeitsmerkmale (wie oben gesehen), z. B.: IT Restauratoren Technik Werkstätten und für andere Beschäftigte in Museen? Momentaufnahme aus Jobbörse Museumsbund April 2016: Pressereferentin Museumspädagoge Controllerin Registrar Museumstechniker Fundraiserin Personalsachbearbeiter Online-Redakteur Sachbearbeiter Bildarchiv Mitarbeiter Veranstaltungsmanagement SB für den Museumsbereich Grafiker Projektkoordination Migration 16

F. Die Eingruppierung von Beschäftigen in Museen (6) Warum ist das relevant? Siehe Synopse 1 der Entgeltgruppen TV-L, TVöD Bund und TVöD VKA! Beispielsfall aus der Praxis im Jahr 1994: Schlossbereichsleiter im Schloss Cecilienhof (Potsdam), BAG 10.3.2004 Ausstellungen zum Potsdamer Abkommen etc. Eingruppierung in BAT IVa, ( heute E10) Bundesrechnungshof: richtig ist Vc, ( heute E8) Bewertungskommission nach Stellenbewertung (Leitung des Schlossbereichs 55%): Vb Fg 18 mit Aufstieg nach IVb, d.h. Rückgruppierung auf IVb (heute E 9) bei erfolgtem Bewährungsaufstieg Kläger: keine museumsspezifische Tätigkeit, sondern Verwaltungstätigkeit = allg. TM, BAT IVa bleibt ArbG, LAG, und BAG haben Klage abgewiesen wegen museumsspezifischer Tätigkeit 17

F. Die Eingruppierung von Beschäftigen in Museen (7) Beschäftigte in Museen = spezielle Tätigkeitsmerkmale, d. h. beschränkte Entgeltgruppen je nach Entgeltordnung: (+) Tätigkeiten, die typischerweise im Museum ausgeübt werden: Museumsaufseher, Museumsführer, Vorführer (BAG 24.6.1998) (+) Tätigkeiten, die zum Berufsbild eines Beschäftigten in Museen mit einer Fachausbildung zum Museologen gehören (BAG 10.3.2004) in den Ausbildungsbereichen: Inventarisierung, Dokumentation, Museumsmanagement (Verwaltung), Ausstellungsorganisation, Museumstechnik, Präsentation, Vermittlung, Public Relation, Marketing, Evaluation/Besucherforschung BAG: Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass solche Leitungs- und Verwaltungsaufgaben in anderen Funktionen, die den Tätigkeitsmerkmalen des allgemeinen Verwaltungsdienstes zugeordnet sind, vorkommen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger keine Ausbildung als Museologe vorweisen kann, wohl aber einen HS-Abschluss als Diplom-Ingenieur (Karthografie) hat Denn unter das TM fallen nicht nur Angestellte mit abgeschlossener einschlägiger Fachausbildung, sondern auch Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. 18

F. Die Eingruppierung von Beschäftigen in Museen (8) Beschränkung der Entgeltgruppen ist tarifpolitische Entscheidung (BAG vom 10.3.2004). Siehe Synopse 2 der Besoldungsgruppen mit Vergütungsgruppen RAT, BAT und Entgeltgruppen TV-L! Zwischenergebnis: Entwicklung der Museen und ihrer Professionalisierung wurde von den Tarifparteien bislang gar nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt. Fragen nach BAG Urteil v. 10.3.2004: Wenn Tätigkeiten in den besonderen Tätigkeitsmerkmalen nicht aufgeführt: Kann auf Auffangtatbestand allg. Tätigkeitsmerkmale zurückgegriffen werden? Liegt unbewusste Tariflücke vor? 19

G. Frei- und Spielräume (1) Rückgriff auf allg. Tätigkeitsmerkmale immer dann, wenn keine anderen spezielleren Entgeltgruppen einschlägig, z. B. E 13 EGO TV-L Teil II Abschnitt 17 Restauratoren und a) wenn es erforderlich ist zu haben: Beschäftigte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit ODER sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. d. h. E 13 bis E 15 Akademischer Zuschnitt erforderlich, d. h. nach BAG: Tätigkeit muss Fähigkeiten erfordern, als ausgebildeter Akademiker auf dem entsprechenden akademischen Fachgebiet Zusammenhänge zu überschauen und selbständig Ergebnisse zu entwickeln. NICHT ausreichend, wenn die akad. Kenntnisse lediglich nützlich oder erwünscht sind, sie müssen im Rechtssinne erforderlich, d.h. notwendig sein. Nicht erforderlich: Wissenschaftlich-forschende Tätigkeit Kein akademischer Zuschnitt erforderlich, wenn Bachelor (FH)-Abschluss ausreicht oder wenn wissenschaftliche Kenntnisse angewendet werden, aber nicht angewendet werden müssen. Beispiel aus der Museumspädagogik (ArbG Ludwigshafen) 2013: Leitung der Forschungswerkstatt: Einzel-,Projekt- und Sonderveranstaltungen einschließlich wissenschaftlicher und pädagogischer Leitung Argumente in verkürzter Darstellung: Beschäftigte muss wissenschaftl. Ergebnisse einordnen und herunterbrechen. (Urteil rechtskräftig) 20

G. Frei- und Spielräume (2) Rückgriff auf allg. Tätigkeitsmerkmale dann, wenn keine anderen spezielleren Entgeltgruppe einschlägig, z. B. E 12 EGO TV-L Teil II Abschnitt 22 Technische Berufe und b) wenn es erforderlich ist zu haben: Beschäftige, deren Tätigkeit in keiner Weise museumsspezifisch tätig ist, insbesondere nicht Gegenstand der Ausbildung eines Museologen ist: Eigene Beurteilung (keine Gewähr!) : Personalsachbearbeitung, Controlling, Buchhaltung, Vergabewesen, Online-Redaktion, Veranstaltungsmanagement, Grafik, Pressereferent Fundraising (?), Marketing(?), Museumspädagogik(???): sehr problematisch Einzelfallbetrachtung und entsprechende Argumentation erforderlich 21

H. Schlussfolgerungen Das Tarifrecht ist antiquiert und hat die Entwicklung der Museen und ihrer Professionalität nicht mitvollzogen. Das Tarifrecht hindert die Museen an der effizienten Erfüllung ihrer Aufgaben. Das Tarifrecht schafft Rechtsunsicherheit für die Beschäftigten und die Museen als Arbeitgeber. Das Tarifrecht begründet sinnwidrige Konkurrenz und beeinträchtigt die Freizügigkeit der Beschäftigten zwischen den Arbeitgebern des ö D. 22

I. Empfehlungen an die Tarifparteien Tarifgemeinschaft deutscher Länder und ver.di + dbb beamtenbund und tarifunion: Änderung der Entgeltordnung Teil II Ziff. 1 mit vollständiger Freigabe aller Entgeltgruppen für die Museen (und Archive/Bibliotheken) Keine Fortführung mehr der Situation seit 1924 bzw. sogar Verschlechterung seit TV-L-Entgeltordnung Bund und ver.di + dbb beamtenbund und tarifunion : Nach wesentlicher Verbesserung der Entgeltgruppen in der Entgeltordnung Teil III Ziff. 2 nochmalige Verbesserung mit vollständiger Freigabe aller Entgeltgruppen (EG 6-9a) für die Museen (und Archive/Bibliotheken) VKA und ver.di + dbb beamtenbund und tarifunion : Bei Erstellung neuer Entgeltordnung vollständige Freigabe aller Entgeltgruppen für die Museen (und Archive/Bibliotheken) 23

Danke für die Aufmerksamkeit! Noch Fragen? 24