Die Pros und Kons des EuropASI

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Transkript:

Instrumente zur Erhebung von Ergebnisqualität in der Suchthilfe Die Pros und Kons des EuropASI Bern, Bundesamt für Gesundheit 25.10.16 Kenneth M. Dürsteler Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen 1

European Addition Severity Index (EuropASI) INHALTSÜBERSICHT EINLEITUNG ZIELE UND ZIELBEREICHE AUFBAU UND INHALT DURCHÜHRUNG VOR-/NACHTEILE FAZIT FRAGEN /DISKUSSION 2

* EINLEITUNG Standardisiertes halbstrukturiertes Interview mit etwa 150 Items zu sieben inhaltlichen Bereichen als Grundlage diente das amerikanische Original (McLellan, 1980) in seiner 5. Auflage (McLellan, 1992) Wissenschaftlich gut etabliert, reliabel und valide seit vielen Jahren weitverbreitet im Einsatz (Pubmedsuche liefert 1 036 und 862 für «drug» und «alcohol») keine Ersatz für psychologisch-psychiatrische Diagnostik Zeitaufwand pro Interview 45 60 Minuten, Auswertung 10-20 Minuten. *Gsellhofer, B.,Küfner, H., Vogt, M. & Weiler, D., (1999). European Addiction Severity Index EuropASI, Manual für Training und Durchführung. Schneider-Verlag Hohengehren. 3

ZIEL UND ZWECK erfasst die Art und Schwere des Alkohol- und Drogengebrauchs erfasst wichtige Informationen über Lebensbereiche, die mit dem Substanzkonsum zusammenhängen liefert ein Profil zu den Problemausprägungen des Patienten sowohl für die Forschung als auch für die Praxis dient dem Verständnis der Problembereiche, aber auch als Grundlage für die Behandlungsplanung kann als Evaluationsinstrument zur Verlaufsdokumentation oder Effektivitätsmessung eingesetzt werden. 4

ZIELGRUPPE UND EINSATZBEREICHE bei erwachsenen Personen mit beginnender oder fortgeschrittener Substanzstörung (schädlicher Gebrauch, Abhängigkeit) einsetzbar in jeden Setting einsetzbar (ambulant, teilstationär, stationär) vor Beginn einer Intervention und im Verlauf einsetzbar keine spezifische berufliche Qualifikation nötig, um das Interview durchzuführen. 5

INHALTLICHE GLIEDERUNG Neben allgenmeinen Angaben ist das Interview in 7 Problembereiche unterteilt: Körperlicher Zustand Arbeits- und Unterhaltssituation Alkohol- und Drogengebrauch Rechtliche Probleme Familiärer Hintergrund Familie und Sozialbeziehungen Psychischer Status Jeder Bereich bietet Raum für Kommentare Jeder Bereich wird von dem/der Interviewer/in eingeführt, erklärt und abgeschlossen. 6

7

AUFBAU DER PROBLEMBEREICHE Jeder Problembereich ist gleich aufgebaut: Kritische objektive Items (im Handbuch im Anhang 2 aufgelistet): diese sind für die Auswertung besonders wichtig Im Fragebogen unterstrichene Items : diese sind bei der Katamnese nochmals zu fragen Items mit Sternchen : diese sind bei der Katamnese umzuformulieren => Fragen beziehen sich auf die seit der letzten Befragung eingetretenen Veränderungen oder neu gewonnen Erfahrungen. Zuverlässigkeitsrating: jeweils die letzten zwei Fragen => optimal zweimal mit Nein beantwortet; bei diskrepanten/widersprüchlichen Angaben soll nachgefragt werden Zeitspanne der Bewertung: letzte 30 Tage oder gesamte Lebensspanne (je nach Item unterschiedlich ). 8

DURCHFÜHRUNG: ITEM-BEISPIELE kritische objektive Items unterstrichene Items Items mit Sternchen 9

DURCHFÜHRUNG: KODIERUNG 0 = NEIN 1 = JA X = Frage nicht beantwortet N = Frage nicht zutreffend/ geeignet 10

DURCHFÜHRUNG: SUBSTANZKONSUM 11

12

DURCHFÜHRUNG: ARTEN VON RATINGS Es gibt drei Arten von Ratings/Einschätzungen: Zuverlässigkeits-Rating Rating der Patient/innen Schweregrad-Rating der Interviewer/innen (fakultativ) die Composite-Scores sind primär für Forschungszwecke vorgesehen, sie können aber gut zu Evaluationszwecken bzw. als Effektivitätsmasse verwendet werden. 13

DURCHFÜHRUNG: RATING DER PATIENTEN/INNEN

DURCHFÜHRUNG: SCHWEREGRAD-RATING Die Auswertung (= Schweregrad-Ratings des Interviewers) findet in zwei Schritten statt: Berücksichtigung der objektiven Angaben aus den Problembereichen unter besonderer Beachtung der kritischen objektiven Items (Manual Anhang 2) => 1. Einschätzung des Schweregrads des Problems und daraus folgend des Behandlungsbedarfs (wenn Behandlung für Problem schon vorhanden, dann Bedarf an zusätzlicher Behandlung) Berücksichtigung der subjektiven Angaben des Patienten => 1. Einschätzung kann wenn nötig abgeändert werden. Das Rating beruht auf Angaben über: Anzahl von Symptomen in einem Problembereich auf Dauer einer Skala von 0-9 (kein echtes Problem/keine Behandlung erforderlich extremes Intensität Problem/Behandlung absolut erforderlich) 15

16

DURCHFÜHRUNG: VERLAUFS-/KATAMNESEINTERVIEW Nur ein Teil der Items wird gefragt (im Fragebogen unterstrichen und Fragen mit*) Fragen mit * sollten umformuliert werden, um neue, veränderte Angaben zu erhalten Verlaufsinterview ist deutlich kürzer Cave: Es ist nicht möglich, Schweregrad-Ratings des Interviewers in der Katamnese mit Schweregrad-Ratings des Erstinterviews zu vergleichen. 17

STÄRKEN Erfassung wichtiger Informationen über Lebensbereiche, die im Zusammenhang mit der Substanzkonsum stehen Interviewheft ist einfach und übersichtlich aufgebaut, für alle Berufsgruppen geeignet kann in unterschiedlichsten Settings eingesetzt werden kann als Basis für einen Behandlungsplan verwendet werden ermöglicht Dokumentation des Symptomverlaufes, damit für Effektivitätsmessung geeignet Zuverlässigkeitsrating hilft bei der Einschätzung des Antwortverhaltens der Patienten/innen Interviewer/in beurteilt ob eine Intervention erforderlich ist, ungeachtet der Tatsache, ob eine Behandlung verfügbar oder angeboten wird oder nicht 18

Nachteile SCHWÄCHEN nur für erwachsene Personen (TeenASI noch nicht verfügbar); was ist mit älteren Personen? für Personen mit schwerwiegenden psychischen Komorbiditäten ungeeignet Durchführung erfordert Schulung und Training Zeit- und personalintensiv Problemorientiert, Ressourcen bleiben ungeachtet bei der Katamnese können die Schweregrad-Ratings nicht mit denen des Erstinterviews verglichen werden 19

PROS UND KONS AUF EINEN BLICK Vorteile in jedem Setting einsetzbar deckt viele Problembereiche ab; Alkohol und Drogen standardisiert, für alle Patienten/innen gleich für alle Berufsgruppen geeignet reliabel und valide Composite Scores unabhängig von Beurteiler-/Patienteneinschätzung kann «unbegrenzt» wiederholt werden problemorientiert, im Hier und Jetzt Nachteile Nicht für alle Personen geeignet (Alter, psychische Komorbiditäten) Gesundheit ungenügend abgedeckt, zeit- und personalintensiv Beziehungsgestaltung erschwert, wenig Individualität hoher Trainingsbedarf neuere Trends? hoher Auswertungsaufwand Ressourcen? Perspektiven? Indikation, Behandlungsplanung

FAZIT Der EuropASI ist für geschulte Interviewer/Innen ein Instrument, das viele wichtige Informationen sammelt, die mit einem problematischen Substanzkonsum verbunden sind Der EuropASI eignet sich für die Behandlungsplanung, Verlaufsdokumentation und Effektivitätsmessung In verschiedenen Bereichen bewährt, aber keine Erneuerungen seit ca. 20 Jahren Der EuropASI ist problemorientiert, Ressourcen werden nicht erfasst Die Durchführung des EurpASI ist zeit- und personalintensiv. 21

BESTEN DANK FÜR IHRE INTERESSE UND IHRE AUFMERKSAMKEIT Kenneth M. Dürsteler Leitender Psychologe ADS/AfS/Janus Kenneth.dürsteler@upkbs.ch http://www.upkbs.ch 22