Propädeutische Übung im Bürgerlichen Recht Dr. Georgios Zagouras Wintersemester 2008/2009
Obersatz V könnte Anspruch gegen E auf Zahlung von 62.500,- EUR aus 433 Abs. 2 BGB, 1922, 1967 BGB haben? Dazu müsste eine Nachlassverbindlichkeit des A gegenüber dem V bestanden haben, für welche der E haftet.
I. Dies setzt zunächst voraus, dass E überhaupt als Anspruchsverpflichteter nach 1922, 1967 BGB anzusehen ist. E könnte als Erbe des A verpflichtet zur Zahlung des Betrags verpflichtet sein. Nach 1922 BGB haftet der Erbe für Nachlassverbindlichkeiten des Erblassers.
1. Dazu müsste der E Erbe des A nach 1922 ff. BGB sein. Dies kann angesichts des Sachverhalts unterstellt werden. 2. Ferner müsste es sich beim Kaufpreisanspruch um eine Nachlassverbindlichkeit handeln. Nach der Legaldefinition des 1967 Abs. 2 BGB gehören zu den Nachlassverbindlichkeiten außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen.
Zu den Schulden sind grundsätzlich alle schuldrechtlichen Verpflichtungen zu zählen. Vorliegend macht V einen Kaufpreisanspruch aus 433 Abs. 2 BGB geltend. Dabei handelt es sich um eine schuldrechtliche Verpflichtung. Mithin handelt es sich um eine Nachlassverbindlichkeit, für die E als Erbe des A grundsätzlich aufkommen muss.
II. Ein Anspruch des V auf Zahlung des Kaufpreises gegenüber E aus 433 Abs. 2 BGB i.v.m. 1922, 1967 BGB setzt ferner voraus, dass die Nachlassverbindlichkeit auch materiellrechtlich überhaupt besteht. Dazu müsste zwischen V und A ein Kaufvertrag nach 433 BGB wirksam zustande gekommen sein. Ein solcher Vertragsschluss setzt mindestens zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen voraus, die auf Abschluss eines Vertrages zielen. Diese werden regelmäßig als Antrag und Annahme bezeichnet.
1) Fraglich ist bereits, worin ein Antrag im Sinne von 145 BGB zu erblicken ist. In Betracht kommt zunächst das Einstellen des Überraschungseis auf der Auktionsplattform ebay durch den V. Ein solcher Antrag ist eine erste, empfangsbedürftige Erklärung, mittels derer der Vertragspartei der Abschluss eines Vertrags so angetragen wird, dass der Vertrag allein durch sein Einverständnis zustande kommen kann. Der Antrag muss demnach so beschaffen sein, dass der Vertragspartner dem Vertragsschluss durch ein bloßes Ja zustimmen kann.
Dies ist wiederum der Fall, wenn das Angebot bereits alle wesentlichen Vertragsbestandteile enthält. Im Falle eines Kaufvertrages nach 433 BGB sind dies zumindest die Kaufsache, der Kaufpreis sowie die Vertragsparteien. a) Zunächst müsste also die Kaufsache hinreichend bestimmt sein. Vorliegend ging es um eine extrem seltene Asterixfigur von 1967. Die Kaufsache war demnach von der Willenserklärung des V erfasst.
b) Darüber hinaus hätte der Kaufpreis hinreichend bestimmt sein müssen. Dies kann sich vorliegend insofern als problematisch erweisen, als der V beim Einstellen des Überraschungseis ja noch nicht wusste, welchen Verkaufspreis er bei der Auktion erreichen würde. Den Zuschlag erhält bei Auktionen über ebay, derjenige, der bei Auktionsende das höchste Gebot abgegeben hatte.
Insofern ist abzugrenzen, ob es sich beim Einstellen in die Auktion nicht um eine sog. Invitatio ad offerendum handelt. Diese stellt keinen Antrag i.s.v. 145 BGB dar. Die Rechtsfigur soll der Situation Rechnung tragen, dass gerade bei werblichen Anpreisungen der Werbende nicht mit unbegrenzt vielen Vertragspartner Verbindlichkeiten eingehen kann. Dementsprechend stellen Werbung oder Schaufensterauslagen lediglich eine Einladung an den Interessenten dar, seinerseits ein Angebot zum Vertragsschluss abzugeben. Der Werbende hat dann nochmals die Möglichkeit über den Vertragsschluss zu entscheiden.
Ob das Einstellen von Waren in Auktionsplattformen bereits ein Angebot darstellt, oder nur eine invitatio ad offerendum ist strittig. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, der Verkäufer wolle lediglich Werbung für sein Produkt machen, um dann ähnlich wie bei einer Schaufensterauslage nochmals zu überlegen, ob er das Rechtsgeschäft tatsächlich abschließen möchte. Hierfür spricht der Umstand, dass der konkrete Kaufpreis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Auktionsende) noch nicht absehbar ist.
Hiergegen spricht jedoch, dass der Verkäufer durch das Einstellen nach den AGB der Auktionsplattformen zu erkennen gibt, dass er mit demjenigen einen verbindlichen Vertrag abschließen will, der das höchste Gebot abgibt. Durch das Einstellen des Gegenstands bei ebay will sich der Verkäufer gerade bei gebrauchten Unikaten aber bereits rechtlich verbindlich binden. Dies entspricht gerade nicht der Interessenlage bei der Invitatio ad offerendum. Vielmehr handelt es sich um eine Offerte ad incertas personas.
Insofern kommt es also darauf an, dass der Kaufpreis im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbar war. A hatte zwar bis 63.000,- geboten. Das höchste Gebot lag beim maßgeblichen Zeitpunkt allerdings bei 62.500,-. Damit war auch der Kaufpreis hinreichend bestimmbar.
c) Schließlich setzt ein Antrag i.s.v. 145 BGB voraus, dass auch der Vertragspartner feststeht. Als V das Überraschungsei zum Verkauf bei ebay eingestellt hat, wusste er noch nicht, an wen er verkauft. Angesichts der Ausführungen zur Offerte ad incertas personas war dies jedoch auch nicht nötig, da er mit demjenigen abschließen wollte, der das höchste Gebot abgegeben hat. Damit hat V durch das Einstellen des Ü-Eis bei ebay ein Angebot i.s.v. 145 BGB abgegeben.
2) Dieses müsste von A auch angenommen worden sein. a) Eine Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die ein Angebot akzeptiert wird. Hier hat der A durch Abgabe des Gebots rechtsverbindlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Angebot des V annehmen möchte. Eine Annahme des A liegt damit prinzipiell vor.
b) Fraglich ist allerdings, ob diese Willenserklärung auch wirksam ist. Dies könnte sich insofern als problematisch erweisen, da A kurz nach seinem Gebot tragisch verunglückt ist. Insofern könnte der Zugang der Willenserklärung fraglich sein. (1) Nach 130 Abs. 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem Abwesenden gegenüber abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Nach 130 Abs. 2 BGB ist es dabei unbeachtlich, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.
Die Annahme des A wurde V nach Ende der Auktion von ebay per Email mitgeteilt. Dass der A zwischen Abgabe der Willenserklärung und ihrem Zugang verstorben ist, ist angesichts von 130 Abs. 2 BGB unbeachtlich. Demnach liegt ein Zugang nach 130 Abs. 1 S. 1 BGB vor. Die Annahme des A ist auch wirksam.
Somit bleibt festzuhalten, dass A das Angebot von V auch wirksam angenommen hat. Demzufolge ist ein Kaufvertrag zwischen A und V nach 433 BGB zustande gekommen. Als Erbe des A muss E nach 1922, 1967 BGB auch für diese Nachlassverbindlichkeiten nachkommen.
Endergebnis: V hat Anspruch gegenüber E auf Zahlung der 62.500,- EUR aus 433 Abs. 2 i.v.m. 1922, 1967 BGB.