I Menschenbild und Ethik Wie werden Menschen mit geistiger Behinderung eigentlich gesehen und wie kann man gut miteinander umgehen? Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Rates behinderter Menschen vom 17. und 18. September 2009 1
Zu diesem Tagesordnungspunkt ist Professor Dr. Jeanne Nicklas-Faust aus Berlin nach Marburg gekommen. Jeanne Nicklas-Faust möchte gerne mit dem Rat ins Gespräch kommen über dieses Thema. Was heißt eigentlich Ethik? Es gibt neue Entwicklungen in der Gesellschaft was denken die Ratsmitglieder darüber? Die Ethik legt Regeln fest, wie man gut zusammen leben kann. Manche nennen das auch Moral. Es ist zum Beispiel eine ethische Regel, dass man nicht klaut. Man verabredet bestimmte Dinge, damit man gut miteinander leben kann. Diese Verabredungen sind meistens durch Gesetze geschützt. Aber Ethik will noch mehr. Man soll sich nicht nur an Regeln halten, damit nichts Schlimmes passiert, sondern es soll Gutes passieren! Es geht um ein gutes Leben. Für ein gutes Leben reicht es nicht aus, seinem Nachbarn nicht die Jacke zu klauen. Sondern es geht auch darum, ihn zu achten und zu respektieren. 2
Ethische Regeln sagen mir, was ich machen soll, damit ich und andere ein gutes Leben haben können. Die Lebenshilfe arbeitet mit anderen Fachverbänden zusammen. Alle halten Ethik für sehr wichtig, weil Menschen mit Behinderung oft nicht respektiert werden. Die neuen Aussagen sollen aufgeschrieben werden, damit Menschen mit Behinderung respektiert werden! In der Medizin müssen manchmal Medikamente ausprobiert werden. Dazu macht man Versuche. Manchmal auch mit Menschen. Es ist eine ethische Regel, dass man die Menschen vorher fragt. Nur wenn sie einverstanden sind, kann man etwas ausprobieren. Es gab Versuche an behinderten Menschen, bei denen man vorher nicht gefragt hat! Es soll neue Aussagen der Lebenshilfe zur Ethik geben, weil die alten Aussagen fast allein und ausschließlich vom Schutz behinderter Menschen ausgehen. Nun ist Schutz ja überhaupt nichts Schlechtes. Aber heute sind Menschen mit Behinderung so selbstbewusst, dass viele für sich selbst sprechen können. 3
Den Rat behinderter Menschen gab es vor 10 Jahren noch nicht. Heute kann man also mit behinderten Menschen sprechen, man muss nicht nur über sie sprechen. Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen sagt, dass Alle gleiche Rechte haben. Und Alle heißt Alle! Alle Menschen sind gleichwertig. Sie sind gar nicht gleichartig, weil Menschen sich sehr unterscheiden. Aber sie sind gleich viel wert. Die Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Behinderung sind fl ießend. Es gibt keine ganz klaren Grenzen, so wie es zum Beispiel die klare Unterscheidung zwischen Schwarz und Weiß bei Schachfi guren gibt. So ist das bei Menschen nicht. Kein Mensch ist nur gut und perfekt. Aber jeder ist wertvoll! 1. Keiner ist perfekt, jeder ist wertvoll 4
2. Menschen sind verletzbar und aufeinander angewiesen 3. Mensch sein in Vielfalt: Gleichheit und Unterschiedlichkeit 4. Gesellschaft: Gemeinsam Leben und Erleben 5. Aus Gleichheit wird Brüderlichkeit in Freiheit 6. Behinderung ist Grenzerfahrung. 5
Über diese letzten Aussagen reden wir lange. Der Rat fi ndet die Aussagen richtig. Eine offene Frage ist für alle, welche Bezeichnung für die Menschen richtig und O.K. ist, für die die Lebenshilfe steht: Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung? Menschen, die als geistig behindert bezeichnet werden? Menschen mit Lernschwierigkeiten? Der Begriff darf nicht zu ungenau sein, denn sonst gibt es kein Geld zum Arbeiten oder Wohnen. Joachim Busch sagt: Man braucht Begriffe, sonst kann man nicht bezeichnen und nicht miteinander reden. Jeanne Nicklas-Faust wird die Ergebnisse unserer Diskussion mit in die Arbeitsgruppe nehmen. Wenn die Arbeitsgruppe Ergebnisse aufgeschrieben hat, wird sie uns die Ergebnisse zuschicken, damit der Rat dazu etwas sagen kann. Alle sind mit der guten Diskussion zufrieden. 6
Internet für alle. www.lebenshilfe.de - in leichter Sprache Bei uns finden Sie viele Informationen Alles ist in leichter Sprache geschrieben Wer will, bekommt die Texte vorgelesen E-Mail-Adresse: leichte-sprache@lebenshilfe.de Institut InForm der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.v. Raiffeisenstraße 18 35043 Marburg Tel.: 0 64 21 4 91-0 Fax: 0 64 21 4 91-167 www.lebenshilfe.de 7