HEX HGR SoSe 2016 Teil 4: HGB 15 Absatz 1 Fall 1: Schutz, wem Schutz gebührt Fall 2: Was schert mich mein Argument von eben? Fall B: Gibt minus und minus plus? 1
Fall 1: Schutz, wem Schutz gebührt (Sachverhalt) Die Euro-Transport-GmbH beauftragt Bauunternehmer Voss mit Beton- und Maurerarbeiten für die Erweiterung ihres Betriebsgeländes. Voss führt die Arbeiten aus. Die von ihm erstellte Rechnung wird von der Euro-Transport-GmbH nicht bezahlt. Voss tritt seine Forderung am 1. Oktober 1997 an Frau Steinbach ab. Frau Steinbach ist geschäftsführende Gesellschafterin der Sekura-Treuhand-GmbH. Diese Gesellschaft ist die Komplementärin der Sekura-Treuhand-GmbH & Co. KG. Deren Gesellschafter befreien Frau Steinbach mit Beschluss vom 19. Januar 1998 von den Beschränkungen des 181 BGB; eine Eintragung in das Handelsregister erfolgt insoweit nicht. Frau Steinbach erklärt am 10. Juli 1998, dass sie die Forderung an die Sekura-Treuhand-GmbH & Co. KG abtrete; zugleich nimmt sie die Abtretung in deren Namen an. Die Sekura-Treuhand-GmbH & Co. KG erhebt am 9. Dezember 1998 Klage gegen die Euro-Transport-GmbH. Wird dadurch die bis Ende 1998 laufende Verjährungsfrist gehemmt? (Joost, S. 12, nach BGH DB 2003, 2542) 2
Fall 1: Schutz, wem Schutz gebührt (Skizze) Geschäftsführer Sekura-Treuhand GmbH Komplementär Herr Voss Frau Steinbach? Kommanditist Sekura- Treuhand GmbH & Co. KG Euro-Transport GmbH 3
Fall 1: Schutz, wem Schutz gebührt (Lösung in Stichworten) Sekura Treuhand GmbH & Co. KG Euro-Transport-GmbH, 631 I 2. Fall BGB 1. 398 BGB (von Frau Steinbach - ihrerseits Zessionarin, 398 BGB, nach Herrn Voss)? schwebend unwirksam gemäß 181 BGB? (unklar, ob rechtlich lediglich vorteilhaft), aber, jedenfalls Befreiung von 181 BGB (+) 2. indessen Einrede der Verjährung, 214 I BGB ivm 195, 199 I BGB? nicht, wenn vor Verjährungseintritt gemäß 204 I Nr. 1 BGB gehemmt (?) Klage des Berechtigten? a) objektiv (+) (s.o.) b) Kann Euro-Transport-GmbH geltend machen, dass Befreiung von 181 BGB nicht im Handelsregister stand? 15 I HGB ( negative Publizität ) aa) in HR einzutragende Tatsache, 107, 106 II Nr. 4 HGB (+) bb) in Sachen der Sekura Treuhand GmbH & Co. KG (+) cc) nicht eingetragen und bekannt gemacht (+) dd) dem Dritten Euro-Transport-GmbH nicht bekannt (+) ee) im Bereich des Normzwecks Schutz des Geschäftsverkehrs? (-) Euro-Transport-GmbH kann sich nicht mit Erfolg auf Verjährung berufen. 4
Die negative Publizität des Handelsregisters, 15 Abs. 1 HGB In das Handelsregister einzutragende Tatsache Tatsache eintragungspflichtig (z.b. gem. 29 HGB >-< bloß eintragungsfähig, z.b. gem. 2 S. 2 HGB) in Angelegenheiten dessen einzutragen, der sich auf sie beruft nicht eingetragen und bekannt gemacht (kein Vertretenmüssen erforderlich, keine Geschäftsfähigkeit erforderlich) dem Dritten nicht bekannt (nach h.m. kein Kausalitätserfordernis) Wirkung im Geschäftsverkehr Rechtsfolge: Tatsache kann Drittem nicht entgegengehalten werden (Wahlrecht des Dritten) 5
Fall 1: Schutz, wem Schutz gebührt (Skizze & Paragraphen) Geschäftsführer Sekura-Treuhand GmbH Komplementär 398 BGB 181 BGB 204 I Nr. 1 BGB 15 I HGB? 107, 106 II Nr. 4 HGB Herr Voss 398 BGB Frau Steinbach? Kommanditist Sekura- Treuhand GmbH & Co. KG 631 I 2. Fall BGB Euro-Transport GmbH 6
Fall 1: Schutz, wem Schutz gebührt ( Leitsatz ) Die fehlende Eintragung der Befreiung eines Vertreters von den Beschränkungen des 181 BGB kommt einem Vertragspartner nicht zugute, dem es nicht möglich gewesen wäre, sein Handeln bei Kenntnis der nicht eingetragenen Tatsache anders einzurichten. 7
Fall 2: Was schert mich mein Argument von eben? (Sachverhalt) Müller und Schmidt sind persönlich haftende Gesellschafter der Müller & Co. KG, die eine Maschinenfabrik betreibt. Nach dem Gesellschaftsvertrag und dem Inhalt des Handelsregisters sind beide Gesellschafter nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1972 scheidet Schmidt aus der Gesellschaft aus. Dies wird jedoch erst im November 1973 im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht. In der Zwischenzeit bestellte die Müller & Co. KG durch ihren Gesellschafter Müller Waren bei der Baustoffhandel-GmbH. Da die Müller & Co. KG keine Zahlung leistet, möchte die Baustoffhandel-GmbH Schmidt persönlich in Anspruch nehmen. Mit Aussicht auf Erfolg? (Joost, S. 13, nach BGHZ 65, 309) 8
Fall 2: Was schert mich mein Argument von eben? (Skizze) Baustoffhandel-GmbH? Müller (phg) Müller & Co. KG Ausscheiden tatsächlich: 1. Oktober 1972 Eintragung: November 1973 Schmidt (phg) 9
Fall 2: Was schert mich mein Argument von eben? (Lösung in Stichworten (1/2)) Baustoffhandel-GmbH Schmidt, 433 II BGB ivm 161 II, 128 S. 1 HGB I. Müller & Co. KG 161 II, 124 I HGB II. Kaufpreisverbindlichkeit der Müller & Co. KG? 1. Einigung zwischen Baustoffhandel-GmbH und Müller als Komplementär, 433, 154 ff. BGB (+) 2. in Vertretungsmacht des Müller für die Müller & Co. KG, 164 I BGB? a) 161 II, 125 HGB 125 II HGB Gesamtvertretungsbefugnis b) Aber: BGHZ 41, 367 369 Ls: Bleibt nach dem Ausscheiden des einen von zwei gesamtvertretungsberechtigten Gesellschaftern aus einer Kommanditgesellschaft nur noch ein persönlich haftender Gesellschafter übrig, so vertritt dieser nunmehr allein die Gesellschaft. c) eintragungspflichtig, 161 II, 107 HGB d) jedoch nicht konstitutiv, daher Möglichkeit der Baustoffhandel-GmbH, sich auf die wahre Rechtslage zu berufen 10
Fall 2: Was schert mich mein Argument von eben? (Lösung in Stichworten (2/2)) III. Gesellschafterstellung des Schmidt bei Vertragsschluss? 1. realiter: (-) da vorher ausgeschieden, fehlende Eintragung ( 161 II, 143 II HGB) unschädlich, da nur deklaratorisch 2. Möglichkeit der Baustoffhandel-GmbH, Schmidt als Gesellschafter in Anspruch zu nehmen, 15 I HGB? a) Voraussetzungen des 15 I HGB (+) b) Bedenken? Teilweise Aussetzung des Wahlrechts zulässig? Oder wäre das eine Rosinentheorie? s. Joost, S 14, ASHR, S. 84 f. 433 II BGB, 161 II, 128, 15 I HGB (+) 11
Fall 2: Was schert mich mein Argument von eben? ( O-Ton BGH) BGHZ 65, 309 311: Dementsprechend kann sich ein Außenstehender jederzeit auf die wirkliche Sachlage berufen, wenn ihm das günstiger erscheint (BGHZ 55, 267, 273). Dass dem Dritten dies dann verwehrt wäre, wenn er sich gleichzeitig in anderer Hinsicht auf den von der wahren Sachlage abweichenden Registerinhalt beruft, kann weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Vorschrift entnommen werden. Dem Standpunkt der Revision liegt offenbar die Vorstellung zugrunde, demjenigen, der sich auf die Nichteintragung einer bestimmten Tatsache berufe, könne bei der Einsicht in das Handelsregister dessen sonstiger Inhalt nicht verborgen geblieben sein, weswegen er sich die Kenntnis des gesamten Registerinhalts zurechnen lassen müsse. Diese Beurteilung geht jedoch von falschen Voraussetzungen aus. 15 Abs. 1 HGB schützt zwar im Ausgangspunkt das Vertrauen auf die Richtigkeit der in Form des Handelsregisters geschaffenen öffentlichen Informationsgrundlage über die Verhältnisse einer Handelsfirma. Dieser Vertrauensschutz setzt jedoch nicht voraus, dass derjenige, der sich auf das Handelsregister beruft, es tatsächlich eingesehen hat; vielmehr lässt das Gesetz bereits die dem Geschäftsverkehr ganz allgemein gegebene Möglichkeit, sich anhand des Registers zu informieren, als Grundlage für den erwähnten Vertrauensschutz ausreichen. Deshalb ist es aber auch nicht möglich, die in 15 Abs. 1 HGB gezogenen Grenzen, innerhalb deren das Handelsregister eine Schutzwirkung entfalten soll, enger oder weiter zu ziehen, als sie dort tatbestandsmäßig normiert sind. 12
Die negative Publizität des Handelsregisters, 15 Abs. 1 HGB In das Handelsregister einzutragende Tatsache Tatsache eintragungspflichtig (z.b. gem. 29 HGB >-< bloß eintragungsfähig, z.b. gem. 2 S. 2 HGB) in Angelegenheiten dessen einzutragen, der sich auf sie beruft nicht eingetragen und bekannt gemacht (kein Vertretenmüssen erforderlich, keine Geschäftsfähigkeit erforderlich) dem Dritten nicht bekannt (nach h.m. kein Kausalitätserfordernis) Wirkung im Geschäftsverkehr Rechtsfolge: Tatsache kann Drittem nicht entgegengehalten werden (Wahlrecht des Dritten) 13
Fall 2: Was schert mich mein Argument von eben? (Skizze & Paragraphen) Baustoffhandel-GmbH 128 S. 1 HGB (ivm 161 II HGB) 433 II Fall 1 BGB 164 I BGB? 128 S. 1 HGB 15 I HGB 143 II HGB 125 II HGB Müller (phg) Müller & Co. KG 125, 161 II HGB 107 HGB 15 I HGB Schmidt (phg) Ausscheiden tatsächlich: 1. Oktober 1972 Eintragung: November 1973 14
Fall 2: Was schert mich mein Argument von eben? ( Leitsatz ) Der ehemalige persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, der in Anspruch genommen wird, weil sein Ausscheiden bei Geschäftsabschluss im Handelsregister noch nicht eingetragen war, kann dem Gläubiger nicht entgegenhalten, ebenso wie zu seinen Lasten seine weiteren Zugehörigkeit zur Gesellschaft fingiert werde, müsse auch zu seinen Gunsten, weil seine Gesamtvertretungsbefugnis ebenfalls noch nicht gelöscht sei, das Geschäft mangels seiner Mitwirkung ihm gegenüber als nicht zustande gekommen behandelt werden. 15
Fall B: Gibt minus und minus plus? (Sachverhalt) Autohändler H erteilt seinem Verkaufsleiter P Prokura. Kurze Zeit später kommt es zwischen P und H zu einem Zerwürfnis, das den H veranlasst, die Prokura zu widerrufen. Da die Prokuraerteilung selbst noch nicht im Handelsregister eingetragen war, unterbleibt auch jeglicher Vermerk über den Widerruf. Aus Verärgerung über seine Zurücksetzung kauft P daraufhin beim Großhändler G, dem gegenüber er sich als Prokurist des H ausgibt, im Namen des H einen Porsche und verschwindet damit. G verlangt nunmehr Zahlung von H. (AS HR, S. 80 f.) 16
Fall B: Gibt minus und minus plus? (Skizze) G Handelsregister HRA? H Prokuraerteilung < P Widerruf 17
Fall B: Gibt minus und minus plus? (Lösung in Stichworten) G H, 433 II BGB 145 ff. BGB (+) 164 I BGB?, 49 I HGB? 1. Tatsächlich wirksam erteilt (zwar entgegen 53 I 1 HGB nicht eingetragen, aber Eintragung nur deklaratorisch), jedoch wirksam widerrufen, 52 I HGB (zwar entgegen 53 II HGB nicht eingetragen, aber Eintragung nur deklaratorisch). 2. Braucht G sich gemäß 15 I HGB den Widerruf nicht entgegen halten zu lassen? a) einzutragende Tatsache (+) b) Konstellation sekundäre Unrichtigkeit c) übrige Voraussetzungen des 15 I HGB (+) 433 II, 164 BGB; 49, 15 I HGB (+) (Alternative für G: G P 433 II, 179 I BGB (+)) 18
Fall B: Gibt minus und minus plus? (Skizze & Paragraphen) 433 II BGB 164 I BGB 49 I HGB ( 53 HGB nur deklaratorisch) 52 I HGB ( 53 HGB nur deklaratorisch) 15 I HGB Problem: sekundäre Unrichtigkeit? G 179 I BGB Handelsregister HRA H Prokuraerteilung < P Widerruf 19
Fall B: Gibt minus und minus plus? ( Leitsatz ) Nach h.m. gilt 15 Abs. 1 HGB auch für fehlende Eintragungen solcher Tatsachen, die die Beseitigung einer anderen Tatsache darstellen, die ebenfalls eintragungspflichtig war, aber ebenfalls nicht eingetragen wurde. (sog. Fälle sekundärer Unrichtigkeit ) 20