Fehlreguliertes Fett. Forscher im Rahmen des Ipsen-Kolloquiums Novel insights in adipose cell functions im Dezember in Paris.

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Quelle. SCIENCE PHOTO LIBRARY/AGENTUR FOCUS von Gerda Kneifel Fettleibigkeit wird mitunter schon als eine neue Geißel der Menschheit bezeichnet zumindest für jene, die in westlichen Industrienationen leben. Womöglich wird dort der Grund dafür sein, dass die Lebenserwartung unserer Nachkommen zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte sinken wird. Bislang gibt es abgesehen von der bariatrischen oder Übergewichts-Chirurgie, bei der die zuführbare Nahrungsmenge beispielsweise durch ein Magenband unterhalb des Mageneingangs vermindert wird, keine erwiesenermaßen wirksame Therapie. Für eine Krankheit, die vielerorts bereits endemische Ausmaße angenommen hat und weiterhin zunimmt, kann das nicht genug sein, zumal sie wegen der hohen Kosten und beschränkten Kapazitäten nur wenigen Patienten zur Verfügung steht. Doch in den letzten Jahren ist nicht nur das Interesse am Fettgewebe, dessen drastische Volumenzunahme als Ursache der betrachtet wird, sondern auch das Wissen um die molekularen Vorgänge dieses endokrinen Organs sprunghaft angestiegen. Die neuesten Erkenntnisse und ihr Potenzial für neue Therapiemöglichkeiten sowohl der Fettleibigkeit als auch ihrer Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Gerinnungsstörungen und Arteriosklerose präsentierten internationale Forscher im Rahmen des Ipsen-Kolloquiums Novel insights in adipose cell functions im Dezember in Paris. Fehlreguliertes Fett Fettgewebe ist gemeinhin schlecht angesehen, obwohl Wissenschaftler herausgefunden haben, dass adipöses Gewebe durchaus mehr als nur das träge Speicherorgan für Triglyzeride ist, für das es lange gehalten wurde. Dort findet nicht nur der Lipidstoffwechsel statt, das Gewebe produziert und sezerniert darüber hinaus zahlreiche bioaktive Substanzen. Heute weiß man, dass das viszerale Fettgewebe mehr als hundert Substanzen mit autokriner, paraund/oder endokriner Wirkung, sogenannte Adipokine beziehungsweise Adipozytokine, abgibt. Zu den bekanntesten zählen Leptin, der Tumornekrosefaktor, Resistin und der plasminogen activator inhibitor type 1 (PAI-1). Neben Adipokinen, die sowohl lokal als auch systemisch wirken können, werden auch freie Fettsäuren, Sexualhormone, Glukokortikoide und Komplementfaktoren freigesetzt. Das Fettgewebe ist damit ein hochaktives und komplexes endokrines Organ, das umfangreiche metabolische, sekretorische, hormonelle und regulatorische Funktionen erfüllt.

19 Schon länger ist ja bekannt, dass bei Adipösen neben der Fettmenge das Fettverteilungsmuster entscheidend für die Entstehung bestimmter Begleiterkrankungen ist. Betroffene, die unter einer viszeralen oder androiden ( männliches Apfel-Verteilungsmuster) leiden, tragen ein deutlich erhöhtes Risiko beispielsweise für Diabetes mellitus, Herzerkrankungen, Metabolisches Syndrom, Arteriosklerose, Thrombose oder auch bestimmte Formen von Tumorerkrankungen. Dagegen scheint die gynoide oder subkutane ( weibliches Birnen-Verteilungsmuster) sogar eher vor diesen Erkrankungen zu schützen. Die Ursache hierfür sehen die Forscher in einem veränderten Sekretionsmuster der viszeralen Adipokine mit einer gesteigerten Freisetzung proinflammatorischer Proteine (siehe Abbildung 1). Die Dysregulation der Adipokine, die eine niedrigschwellige chronische Entzündung hervorruft, sowie eine gesteigerte Lipolyse im vergrößerten viszeralen Fettgewebe scheinen demnach Stoffwechselstörungen wie Insulinresistenz zu begünstigen [1]. Von kleinen Winterschläfern und Adipösen Im Blickfeld der Wissenschaftler liegt fast ausschließlich das weiße Fettgewebe (white adipose tissue, WAT), weil man bislang davon ausging, dass erwachsene Menschen nicht über relevante Depots an physiologisch aktivem braunem Fettgewebe (brown adipose tissue, BAT) verfügen. Das Gewebe bewahrt kleine Winterschläfer wie Hamster, aber auch menschliche Säuglinge vor dem Auskühlen, indem es die im Körper als (Winter-)Speck angereicherte Energie in Wärme umsetzt. Bis vor wenigen Monaten dachte man, dass dieses BAT beim Menschen bis zum Jugendlichenalter nach und nach abgebaut wird. Erst kürzlich wurde entdeckt, dass auch gesunde Erwachsene über relevante Mengen metabolisch aktiven BAT verfügen, berichtete Prof. Sven Enerbäck, Leiter des Department of Clinical and Medical Genetics der Universität Göteburg, Schweden, in Paris. Verschiedene Forschergruppen haben mittels Positronen- Emissions-Tomografie (PET) die Gewebe gesunder Erwachsener untersucht und mrna für das Entkopplerprotein sowie das Protein selbst gefunden. Dieses Protein (uncoupling protein 1, UCP1) kommt in braunem Fettgewebe vor und entkoppelt die Zellatmung in den Mitochondrien von der ATP-Bildung, sodass die aufgenommene Energie nicht als Fett gespeichert, sondern als Wärme frei wird. Damit war der Nachweis gelungen, dass auch Erwachsene im Hals-Brust-Bereich über zur Thermogenese fähiges braunes Fettgewebe (hbat) verfügen [2,3]. Dieses Wissen nährt nun die Hoffnung auf innovative Therapiemöglichkeiten der als einem Ungleichgewicht zwischen Energieaufnahme und -verbrauch, zwischen Lipolyse und Lipogenese. Bisherige therapeutische Versuche zielten nämlich allesamt darauf ab, die Energieaufnahme zu reduzieren. Mit der Entdeckung des hbat und dem Wissen um seine Fähigkeit zur Thermogenese könnte nun ein neues therapeutisches Ziel lauten, die exzessive Volumenzunahme des weißen Fettgewebes durch Erhöhung des Energieverbrauchs des Körpers zu bekämpfen, lenkte Enerbäck die Aufmerksamkeit auf die klinische Relevanz des braunen Fettgewebes. Hierzu könnte man das Volumen beziehungsweise die Aktivität des hbat erhöhen. Enerbäck hält diesbezüglich das forkhead transcription factor C2-Gen (FOXC2) für einen Schlüsselfaktor. Dieses Gen steigert die Sensitivität des beta-adrenergen camp/pka-signaltransduktionssystems. Es regt die Expression des UCP1-Gens an, fördert die mitochondriale Biogenese und Hyperplasie des BAT und die Fettverbrennung. FOXC2 fördert laut Enerbäck zudem die Bildung von BAT in vivo. Der Schwede wies in seinem Vortrag ebenfalls darauf hin, dass bei Menschen mit Insulinresistenz die Expression des Auch Erwachsene verfügen über relevante Depots an metabolisch aktivem braunem Fettgewebe. Abbildung 1: Veränderte Sekretion des an Volumen zunehmenden Fettgewebes bei Adipösen Quelle: Prof. Paul Trayhurn, University of Liverpool, modifiziert nach Vortrag in Paris, Dezember 2009

20 FOXC2-Gens und anderer Gene des braunen Fettgewebes reduziert sind [4]. Das mache das hbat zusätzlich zu einem interessanten Faktor auf der Suche nach neuen Therapien des -assoziierten Typ-2-Diabetes. Klar ist schon jetzt, dass sich die Wärmeentwicklung im braunen Fett künstlich anregen lässt, indem die Personen einer milden Unterkühlung ausgesetzt werden. Niedrige Raumtemperaturen könnten demnach bereits den Effekt einer Diät fördern. Sauerstoffmangel als Ursache des Übels? Unbestritten war unter den Experten in Paris, dass die vom viszeralen weißen Fettgewebe sezernierten Adipokine in Entzündungsprozessen spezifische Rollen spielen und mit verantwortlich für metabolische Störungen wie Insulinresistenz und Arteriosklerose sind. Die Dysregulation der Produktion dieser Adipokine wird als Auslöser einer niedrigschwelligen Entzündung und somit als Ursache der oben genannten Störungen gesehen [5]. Allerdings ist bislang noch nicht endgültig geklärt, wie es bei Fettleibigen zu dieser Dysregulation und damit zu der chronischen Entzündung kommt, erläuterte Prof. Paul Trayhurn von der Obesity Biology Research Unit, University of Liverpool, Großbritannien. Oxidativer Stress, bei dem freie Radikale ungewollte Kettenreaktionen auslösen, werde als eine der Ursachen diskutiert, ebenso wie Stress im Endoplasmatischen Retikulum, so Trayhurn. Bei ER-Stress häufen sich ungefaltete Proteine im ER an, ausgelöst durch unterschiedliche Störungen, wie zum Beispiel Hypoxie. Wir haben bereits 2004 die These aufgestellt, dass Sauerstoffmangel der eigentliche Auslöser für die Entzündungen im Fettgewebe Adipöser sein könnte. Diese Mangelversorgung könne dadurch entstehen, dass in dem Fettgewebe mit stark erhöhtem Volumen viele Adipozyten zu weit von den Blutgefäßen entfernt sind, weiter nämlich als Sauerstoff diffundieren kann, sodass sie nicht mehr ausreichend mit dem Gas versorgt werden. Dass Hypoxie zu umfangreichen metabolischen Veränderungen führen kann, ist bekannt von ischämischen Verletzungen, der Wundheilung und soliden Tumoren. Ein weiteres Argument für die Hypoxie-Theorie ist die Tatsache, dass der Blutfluss durch das WAT bei Adipösen im Gegensatz zu schlanken Menschen postprandial nicht ansteigt. Auch konnte nachgewiesen werden, dass Adipozyten im WAT fettleibiger Mäuse tatsächlich hypoxisch sind [6]. Zudem weisen Studien an Tiermodellen und Zellkulturen von Mäusen und Menschen deutlich darauf hin, dass Hypoxie eine wichtige Rolle bei der Veränderung der Produktion entzündungsrelevanter Adipokine wie Il-6, Leptin, VEGF und macrophage migratory inhibition factor (MIF) bei gleichzeitig reduzierter Adiponektin-Synthese spielt (siehe Abbildung 2). Adiponektin wirkt entzündungshemmend und verstärkt die Insulinsensitivität. Auch ein steigender Glukosetransport in die Adipozyten wurde unter Sauerstoffstress beobachtet, weitgehend das Resultat einer Hochregulierung der GLUT1-Expression. Hypoxie induziere laut Trayhurn neben der Entzündungsantwort der Adipozyten auch noch diejenige der Makrophagen. Diese Zellen der Immunabwehr finden sich bei Adipösen vermehrt im Fettgewebe. Hypoxie verhindere nicht zuletzt die Differenzierung von Präadipozyten und wirke damit auf die Umsatzrate im Fettgewebe. Untersuchungen mit PCR- und Microarrays brachten laut Trayhurn zutage, dass in den Fettzellen die Expression einer ganzen Reihe von Genen durch Sauerstoffmangel verändert wer- Abbildung 2: Veränderte Sekretion einiger Adipokine unter Hypoxie in menschlichen Fettzellen Quelle: Prof. Paul Trayhurn, University of Liverpool, modifiziert nach Vortrag in Paris, Dezember 2009

21 de, die Expression der Gene GLUT1, GLUT3 und GLUT5 steige beispielsweise an. Parallel hierzu nimmt die Konzentration des Glukosetransporters GLUT1 zu. Dies ist in Verbindung zu sehen mit einer durch Hypoxie stimulierten Glukoseaufnahme in die Zellen. Entsprechend steigt die Freisetzung von Laktat sowie die Synthese des Monocarboxylattransporters 1 (MCT1), um den gestiegenen Transportbedarf der Milchsäure aus der Fettzelle leisten zu können. Zudem konnte erst kürzlich gezeigt werden, dass Hypoxie bei sinkender Konzentration des in Fettzellen bedeutendsten Glukosetransporters 4 (GLUT4) eine Insulinresistenz in Adipozyten induzieren kann. GLUT4 ist für die postprandiale Glukoseaufnahme zuständig und wird vor allem durch Insulin und Hormone reguliert. Alles in allem gebe es mehr als 1000 Hypoxie-sensitive Gene, so Trayhurn. In jedem Fall ist Sauerstoffstress ein Faktor, auf den wir bei der forschung unser Augenmerk richten müssen. Zellumsatz und Morphologie der Fettzellen geht einher mit einer zunehmenden Speicherung von Triglyzeriden in bereits ausgebildeten Fettzellen, wobei zwar das Volumen der Adipozyten zunimmt, ihre Zahl aber konstant bleibt. Untersuchungen haben ergeben, dass die individuelle Zahl an Adipozyten im Kindes- und Jugendalter festgelegt wird, berichtete Prof. Peter Arner vom Department of Medicine, Karolinska Institut, Stockholm (siehe Abbildung 3). Aufgrund der konstanten Zellzahl im Fettgewebe gingen Forscher lange Zeit davon aus, dass wir unsere Fettzellen in den frühen Lebensjahren bilden und die Adipogenese bei Erwachsenen nur von geringer Bedeutung ist, räumte er mit einer veralteten Hypothese auf. Arner und Kollegen haben nachweisen können, dass Fett dennoch ein dynamisches Gewebe und die Adipogenese auch noch im Erwachsenenalter von Bedeutung ist. Im Jahr 2008 entwickelten sie hierfür eine Methode, das Alter von menschlichen Fettzellen zu bestimmen [7]. Sie machten sich ein Umweltproblem zunutzte, das auf die Atombombentests in den 50er Jahren zurückzuführen ist. In der Atmosphäre reicherten sich große Mengen radioaktiven 14 C an. Zwar sinkt seine Konzentration seit Beendigung der Tests exponenziell, trotzdem fällt 14 C noch immer kontinuierlich zu Boden und reichert sich in Organismen und im Wasser an. 14 C kann jedoch nur in die DNA von Zellen aufgenommen werden, wenn diese sich teilen. Der Vergleich der 14 C-Konzentrationen in der DNA einer Zelle mit der Änderung der atmosphärischen 14 C-Konzentration über einen längeren Zeitraum macht es möglich, das Alter einer Zelle zu schätzen. Mit dieser Methode kamen die schwedischen Forscher zu dem überraschenden Ergebnis, dass der Zellumsatz, also Zelltod und Differenzierung von Adipo- Abbildung 3: Die Zahl der Fettzellen verändert sich bei Erwachsenen nicht mehr und bleibt ab dem Jugendlichenalter relativ konstant Quelle: Prof. Peter Arner, Karolinska Institut, Stockholm, modifiziert nach Vortrag in Paris, Dezember 2009

22 Die Umsatzrate der Adipozyten ist bei Fettleibigen um ein Zweifaches erhöht. zyten, auch im Erwachsenenalter sehr hoch ist und das über die gesamte Lebensspanne. Zehn Prozent aller Fettzellen werden im Laufe eines Jahres ausgetauscht, so Arner. Die Umsatzrate ist bei fettleibigen Menschen um ein Zweifaches erhöht, sodass sie ein wichtiger ätiologischer Faktor in der Entstehung der zu sein scheint. Dieser Zellumsatz wird entsprechend der Zahl an Adipozyten in der späten Jugend festgelegt und bleibt dann für den Rest des Lebens konstant, unabhängig davon, ob ein Mensch fettleibig ist oder schlank. Dies ist der Grund dafür, dass sich die Zahl der Adipozyten auch dann nicht ändert, wenn Abmagerungskuren zu einer deutlichen Gewichtsreduktion führen. Der Gewichtsverlust basiert allein auf einer sinkenden Menge an Triglyzeriden in den Fettzellen, stellte Arner fest, lediglich die Größe der Fettzellen ändert sich. Das gilt beispielsweise auch für Menschen, die an einer durch einen Tumor ausgelösten Kachexie leiden oder bei Patienten nach einer bariatrischen Operation. Zellumsatz abhängig von Morphologie Die Umsatzrate scheint ganz wesentlich von der Morphologie der Adipozyten abhängig zu sein, stellte Arner in seinem Vortrag klar. Grundsätzlich unterscheidet man zwei Formen: die Hypertrophie mit wenigen, aber großen Adipozyten und die Hyperplasie mit vielen kleinen Zellen. Patienten mit hypertrophem Fettgewebe weisen eine um etwa 50 Prozent reduzierte Umsatzrate im Vergleich zu Patienten mit hyperplastischem Gewebe auf. Menschen mit Hypertrophie haben außerdem einen ungünstigeren metabolischen Phänotyp mit Dyslipidämie, Insulinresistenz und intraabdomineller Fettanreicherung als Patienten mit Hyperplasie. Diese Erkenntnis basiert auf jüngst veröffentlichten Daten aus einer Untersuchung von 800 Probanden [8]. Weder das Geschlecht noch das Körpergewicht korrelierten hierbei mit einer der beiden Morphologien. Vielmehr zeigten sich Hypertrophie und die damit verbundenen metabolischen Abnormalitäten sogar häufiger bei Schlanken als bei Fettleibigen. Die Umsatzrate der Adipozyten scheint also von klinischer Relevanz und wichtiger Faktor sowohl bei der Entstehung von Fettleibigkeit als auch bei Begleiterkrankungen wie Insulinresistenz zu sein. Die Frage, die wir uns in Zukunft stellen sollten, ist daher, wie man von einer niedrigen zu einer hohen Umsatzrate kommen kann, blickte Arner für seinen Forschungsbereich in die Zukunft. Literatur 1. Fontana L et al.: Visceral fat adipokine secretion is associated with systemic inflammation in obese humans. Diabetes. 2007 Apr; 56(4): 1010-1013 2. Virtanen KA et al.: Functional brown adipose tissue in healthy adults. N Engl J Med. 2009 Apr 9; 360(15): 1518-1525 3. Cypess AM: Identification and importance of brown adipose tissue in adult humans. N Engl J Med. 2009 Apr 9; 360(15): 1509-1517 4. Yang X et al.: Reduced expression of FOXC2 and brown adipogenic genes in human subjects with insulin resistance. Obes Res. 2003 Oct; 11(10): 1182-1191 5. Berg AH et al.: ACRP30/adiponectin: an adipokine regulating glucose and lipid metabolism. Trends Endocrinol Metab. 2002; (13): 84-89 6. Hosogai N et al.: Adipose tissue hypoxia in obesity and its impact on adipocytokine dysregulation. Diabetes. 2007 April; (56): 901-910 7. Spalding KL et al.: Dynamics of fat cell turnover in humans. Nature. 2008 Jun 5; 453(7196): 783-787 8. Arner E et al.: Adipocyte turnover: relevance to human adipose tissue morphology. Diabetes. 2010 Jan; 59(1): 105-109 Anzeige günstig Die einfache und starke Lösung gegen hoch wirksam nur 1 x pro Woche! Temmler Pharma GmbH & Co. KG, Temmlerstraße 2, 35039 Marburg - www.acetocaustin.de