Generationenvertrag Mehr gestalten. Mehr Freiheit wagen. Karl-Heinz Paqué
Generationenvertrag Deutschland steht vor einer großen Herausforderung: dem demographischen Umbruch. Immer mehr ältere Menschen stehen einer kleineren Zahl jüngerer Menschen gegenüber. Eine rein statistische Betrachtungsweise wird dem demographischen Wandel jedoch nicht gerecht. Es geht nicht darum, Ressourcen zu rationieren, sondern durch wirtschaftliches Wachstum und soziale Dynamik brachliegende Potenziale freizusetzen. Diese Chance gilt es zu nutzen.
Deutschland schrumpft und altert In den nächsten 30 Jahren nimmt die Anzahl der Erwerbspersonen laut Prognosen um fast 10 Millionen ab von etwa 45 Millionen auf 35 Millionen Menschen. Gleichzeitig steigt der Anteil der 65-Jährigen und Älteren an der Bevölkerung steil an, von rund 35 Prozent auf etwa 65 Prozent. Es ist die riesige Generation der Babyboomer, die zunächst ins Ruhestandsalter vorrückt und dann irgendwann von Bord geht. Ihr folgen im aktiven Erwerbsleben sehr viel kleinere Generationen.
Wie viele Menschen arbeiten in Deutschland? Erwerbspersonen in Tausend (Skala rechts) Veränderung zum Vorjahr (Skala links) 1.200 900 600 300 0-300 -600 45.000 40.000 35.000 35.000 25.000 20.000 0 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 2060 Quelle: Sachverständigenrat
Wir leben von der Substanz Steil ansteigender Altersquotient Altersquotient in Deutschland von 1870 bis 2050 65-Jährige und Ältere je 100 20- bis unter 65-Jährige 50 40 30 20 10 1870 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010 2030 2050 Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnung 2014
Niemals zuvor stand dieser Wohlstand allerdings auf so tönernen Füßen wie heute. Mit den Babyboomern verschwindet die bis dahin am besten ausgebildete Generation von Fachkräften. Noch sichert sie durch ihre Größe und gutes Einkommen unsere Altersversorgung. Und noch stabilisiert sie das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, vor allem deren vielgerühmte industrielle Ingenieurkunst und Innovationskraft. Ein Ende dieser Produktiv-Ära ist abzusehen.
Chancen nutzen Die Menschen werden zwar älter, aber auch ihre Leistungskraft bleibt in vielen Berufen viel länger erhalten. Die Wissenschaft bestätigt es: Die kognitiven Fähigkeiten lassen im siebten Lebensjahrzehnt nur wenig nach. Die Leistungskraft hängt heute viel weniger als früher von der Körperkraft ab. Und über allem steht in der Zukunft eine große Nachfrage, eben weil es so schwer ist, jüngere Nachfolger zu finden.
Freiwillig länger arbeiten
Schaffen wir das offizielle Rentenalter doch ganz ab! Ersetzt werden sollte die Altersgrenze durch eine Option zur Vertragsauflösung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber ab 65 oder 67 Jahren. Wer länger arbeiten will und gefragt ist, es zu tun, finanziert seine zusätzliche Rente selbst und erhöht sie damit, ohne die Gemeinschaft der Beitragszahler zu belasten.
Flexibler Renteneinstieg In Skandinavien längst Realität. In Schweden können die Bürger seit 1999 frei wählen, wann sie in Rente gehen. Und seit 2011 gilt in Norwegen ein Alterskorridor von 62 bis 75 Jahren. Seit diesen Reformen ist die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen in beiden Ländern deutlich gestiegen.
Erwerbstätig im Alter Von den 65- bis 74-Jährigen arbeiten in (Angaben in Prozent) Norwegen 11,8 18,7 Schweiz 14,3 15,8 Schweden 10,0 12,0 Dänemark 8,4 10,7 EU 7,1 8,1 Deutschland 4,1 7,2 Griechenland 6,1 7,6 Italien 4,6 5,5 Frankreich 1,5 3,5 2011 2001 Quelle: Eurostat, Berechnungen des DIW Berlin
Innovationskraft stärken - Wachstum fördern Wirtschaftswachstum: Kleine Erfolge mit großer Wirkung BIP 2010 BIP 2013 % p.a. 1,9 1,3 0,9 0 50 100 150 Bei einem Wachstum von 0,9 Prozent im Jahr steigt das BIP bis 2030 um 19 Prozent gegenüber 2010, bei 1,3 Prozent um 30 Prozent und bei 1,9 Prozent sogar um 45 Prozent. Quelle: HWW
Durch kontinuierliches Wachstum und Innovation kann der Wohlstand in der alternden Gesellschaft sichergestellt werden. Ingenieurskunst und Hochtechnologie sichern die Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft im globalen Wettbewerb. Um sie zu stärken, bedarf es attraktiver Standortbedingungen von exzellenten Forschungseinrichtungen bis zu leistungsfähigen Kommunikations- und Verkehrsnetzen. Hier ist großer und dringender Investitionsbedarf.
Talente fördern Die Zahl jüngerer Menschen nimmt ab. Sie brauchen gemäß ihren Talenten die bestmögliche Bildung. Die akademische und die technisch-handwerkliche Ausbildung müssen gleichberechtigt gefördert werden. Gerade in der Differenzierung liegt dabei die qualitative Stärke und nicht im zwanghaften Bemühen, Talente zu nivellieren und der Leistungskontrolle durch Noten zu entziehen. Es zählt jene frühkindliche Bildung dazu, die schon frühzeitig die Freude am Lernen fördert.
Die beste Bildung der Welt Wer eine gute Zukunft haben will, braucht die bestmögliche Bildung. Motivation und Leistungsbereitschaft müssen im Vordergrund stehen und nicht Gleichmacherei. Talente müssen gefördert und gefordert werden, und zwar auf allen Stufen der Erziehung von der frühkindlichen Bildung über Grundschule, Gymnasium und Universität bis hin zur modernen beruflichen Qualifikation, der besten Versicherung gegen Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne.
Deutschland im Pisa-Test: Schon besser, aber noch nicht gut genug. Ergebnisse seit 2000 (in Punkten) 503 504 513 514 Mathematik 490 Naturwissenschaften 487 502 516 520 524 Lesekompetenz 484 491 495 497 508 2000 2003 2006 2009 2012 Quelle: OECD
Kontakt Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Reinhardtstraße 12 10117 Berlin Telefon 0 30.28 87 78-35 Telefax 0 30.28 87 78-39 info@freiheit.org www.facebook.com/friedrichnaumannstiftungfreiheit www.twitter.com/fnfreiheit Zur Person Karl-Heinz Paqué studierte Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Saarbrücken und Kiel sowie der University of British Columbia. Er ist FDP-Politiker, ehemaliger Finanzminister von Sachsen-Anhalt, Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. www.freiheit.org