Bionik-Projekt Fliegen wie die Vögel: Auftrieb und Strömungswiderstand Fächerübergreifende Unterrichtsthemen und Projekte im technisch-naturwissenschaftlichen Unterricht
Experimentierbaukasten zur Aerodynamik Einführung Das Baukastensystem dient dazu, ein Funktionsverständnis zum Fliegen auszuprägen. Es ist notwendig, um funktionsfähige Flugmodelle zu entwickeln und zu bauen. Das entdeckende Experimentieren mit dem Vogelmodell bildet so die Voraussetzung für das (Nach-)Erfinden von Gleitflugmodellen. Diese Vorgehensweise könnte darin bestehen, dass sich zum Beispiel physikalische Grundlagen des Fliegens und der morphologische Aufbau des Vogelkörpers einschließlich des ihm zugrunde liegenden Wirkprinzips entdeckend angeeignet werden. Die Entwicklung und der Bau von Flugmodellen dagegen ist erfindend. Diese Vorgehensweise liegt auch der bionische Denk- und Handlungsprozess zugrunde: ausgehend vom biologischen Vorbild Vogel zur Analyse des biologischen Teilsystems Flügel und von da aus zum Wirkprinzip, welches durch Variation zugrunde liegender Strukturelemente in die technische Lösung Flugmodell überführt wird. Abb. 1: Bionischer Denk- und Handlungsprozess 1
Entdeckend kann auch der Zusammenhang von Funktion und Struktur des Vogelflügels durch Analogiebetrachtungen zum Flugzeugflügel heraus gefunden werden. Dabei sind gedankliche Querschnitte von verschiedenen Stellen des Vogelflügels anzufertigen, um das Wirkprinzip auf zu decken. Durch das Aufnehmen von Messwerten, deren Darstellung in Diagrammen und das wertende Verallgemeinern von Aussagen, werden Zusammenhänge zwischen Strömungsgeschwindigkeit, Anstellwinkel, Profil, Auftrieb und Widerstand erkannt. Mit dem Experimentierbaukasten besteht außerdem die Möglichkeit, das von Lilienthal konzipierte Polardiagramm auf zu stellen. Im Polardiagramm werden die zu einem bestimmten Anstellwinkel gehörenden Widerstandsbeiwerte als waagerechte und die Auftriebsbeiwerte als senkrechte Koordinaten eingetragen. Abb. 2: Lilienthal sches Polardiagramm Das Polardiagramm zeigt den Einfluss des Profils bei verschiedenen Anstellwinkeln und Strömungsgeschwindigkeiten auf den Auftrieb und Strömungswiderstand. 2
Baukastenaufbau Aufbau und Bezeichnung der Teile Federkraftmesser (vertikal) Waage Tragfläche (verstellbar) Ausgleichsgewicht Abb. 3: Experimentieraufbau zur Ermittlung des Auftriebs Vertikale Bewegung des Vogelmodells Ausgleichsgewicht (arettiert) Federkraftmesser (horizontal) Abb. 4: Experimentieraufbau zur Ermittlung des Strömungswiderstandes horizontale Bewegung des Vogelmodells 3
Experimente zur Aerodynamik Sachinformation An einem im Luftstrom befindlichen gewölbten Flügel entsteht eine Auftriebskraft F A, die der Schwerkraft F G entgegengerichtet ist. w F A w O w F A Auftriebskraft in N F W Strömungswiderstand in N S Schwerpunkt D Druckpunkt S w U F G D w Strömungsgeschwindigkeit in m s Die Querschnitte der Tragflächen (Profil) sind so gestaltet, dass beim Flug die Luft an der Oberseite des Flügels in derselben Zeit einen größeren Weg zurücklegen muss, als an der Unterseite. Dadurch entsteht infolge der höheren Strömungsgeschwindigkeit w an der Oberseite ein Unterdruck und an der Unterseite ein Überdruck. Aus Unterdruck und Überdruck ergibt sich als Resultierende der Auftrieb. Die Lage des Schwerpunktes vor dem Druckpunkt (Punkt des stärksten Auftriebs) verhilft zu einem sicheren Flug. Aufgabe Damit ein Flugzeug fliegen kann, müssen mindestens vier Kräfte wirken: Auftriebskraft F A Gewichtskraft F G Vortriebskraft F V und der Luft- oder Strömungswiderstand F W Ordne der nachfolgenden Darstellung die für den Flug notwendigen Kräfte (F A, F G, F V und F W ) zu! 4
1. Ermittlung des Auftriebes Sachinformation Nach oben gewölbte Flügel erfordern einen längeren Weg von den Luftteilchen auf der Flügeloberseite als auf deren Unterseite. Da an der Flügelhinterkante genauso viel Luft abfließen muss, wie an der Vorderkante, muss die Luft oben schneller als unten fließen. Dadurch entsteht auf der Oberseite des Flügels Unterdruck und auf der Unterseite Überdruck. Dieser wird durch zwei physikalische Größen bestimmt: durch den statischen Druck q und den Staudruck p. Der statische Druck p wirkt gleichmäßig in alle Richtungen (z. B. Druck in einem Luftballon), der Staudruck dagegen nur in Strömungsrichtung (z. B. Fahrtwinddruck auf dem Fahrrad, der der kinetischen Energie der Luftteilchen entspricht). Nach dem BERNOULLI-Gesetz ist die Summe aus beiden immer gleich groß: p + q = const. Auf der Flügeloberseite nimmt folglich der Staudruck durch die höhere Luftgeschwindigkeit zu. Danach muss der statische Druck abnehmen. In der Strömung entsteht ein Unterdruck, ein Sog, der den Flügel nach oben zieht. Auf der Flügelunterseite ist es genau umgekehrt. Hier wird durch die geringere Luftgeschwindigkeit der Staudruck geringer und damit der statische Druck größer, so dass der Überdruck den Flügel zusätzlich nach oben hebt. Sog auf der Oberseite und Überdruck auf der Unterseite addieren sich zum Gesamtauftrieb F A, der im rechten Winkel zur Anströmung wirkt und deshalb eine Querkraft darstellt. Neuere Erkenntnisse gehen davon aus, dass die Auftriebserklärung durch Strömungsgeschwindigkeiten auf die unterschiedlichen Streckenlängen von Profilober- und unterseite nicht ganz physikalisch korrekt dargestellt ist. Diese neuere Theorie geht davon aus, dass der Auftrieb durch Impulsbilanzen entsteht. Hat die Strömungsgeschwindigkeit einen bestimmten Wert erreicht, bildet sich um das Flügelprofil ein Wirbelsystem aus. Es besteht aus einem freien Wirbel hinter dem Profil, Anfahrwirbel genannt, und einer Zirkulationsströmung um das Profil herum. Durch Überlagerung der Zirkulationsströmung und der anströmenden Luft entsteht ein Geschwindigkeitsunterschied zwischen der Strömung oberhalb und unterhalb des Profils, wodurch Auftrieb erzeugt wird. Abb 8: Erzeugung von Auftrieb: Luftzirkulation um eine Tragfläche 5
Der Auftrieb lässt sich so aus dem Massestrom der nach unten beschleunigten Luft ermitteln. Nach dieser Theorie kann unter Nutzung der sog. Kutta-Joukowsky-Formel der mathematische Zusammenhang zwischen Luftzirkulation und Auftrieb dargestellt werden. Dadurch wird es möglich, den Auftrieb zumindest auch theoretisch zu ermitteln. Praktische Messungen an Profilen im Windkanal sind jedoch nach wie vor nötig, da nicht alle Randbedingungen in der mathematischen Berechnung erfassbar sind. Aufgaben und Versuchsaufbau 1. Baue den Versuch nach der oben dargestellten Abbildung auf! 2. Messe die Auftriebskräfte der drei Flügelprofile bei verschiedenen Anstellwinkeln und Windgeschwindigkeiten 3. Trage die Messwerte in ein Diagramm ein und werte die Ergebnisse! Messung und Darstellung der Auftriebskraft Wertetabelle Anstellwinkel [ ] 30 25 20 15 10 5 0-5 -10-15 -20-25 -30 (1) bikonvexer Flügel konkav-konvexer Flügel plankonkaver Flügel F A [N] F A [N] F A [N] (2) (3) (1) (2) (3) (1) (2) (3) 6
Diagramm 1 Auswertung Diagramm 2 Auswertung 7
Diagramm 3 Auswertung 8
2. Ermittlung des Strömungswiderstandes Sachinformation Neben der Auftriebskraft F A erzeugt eine gegen die Flugrichtung gerichtete Strömung auch einen Strömungswiderstand F W der den Flügel nach hinten zieht. Der Strömungswiderstand F W ist proportional dem Quadrat der Geschwindigkeit des bewegten Körpers bzw. proportional der Strömungsgeschwindigkeit des Mediums. F W = C W s/2 w 2 A [N] w F A F R C W Widerstandsbeiwert kg cm ρ Dichte des Mediums in 3 A F w w Strömungsgeschwindigkeit in m s A Stirnfläche in m 2 (Fläche des größten Querschnitts) F A Auftriebskraft in N F R Gesamtluftkraft in N Der Strömungswiderstand resultiert aus dem Druckwiderstand (durch den Aufprall der Luft auf die Stirnfläche bedingte Störung der Umströmung) und dem Reibungswiderstand (Reibung auf der Flügeloberfläche an der vorbeiströmenden Luft). Dazu addiert sich der so genannte induzierte Widerstand (siehe E 6). Die Summe des Strömungswiderstandes F w wirkt in Richtung der Anströmung und somit senkrecht zur Auftriebskraft F A. Wie in der oben dargestellten Abbildung resultiert aus dem konstruierbaren Kräfteparallelogramm die Gesamtluftkraft F R. 9
Aufgaben und Versuchsaufbau 1. Baue den Versuch nach der oben dargestellten Abbildung auf! 2. Messe den Strömungswiderstand der drei Flügelprofile bei verschiedenen Anstellwinkeln und Windgeschwindigkeiten. 3. Trage die Messwerte in ein Diagramm ein und werte die Ergebnisse! Messung und Darstellung der Widerstandskraft Wertetabelle Flügelprofile Anstellwinkel [ ] 30 25 20 15 10 5 0-5 -10-15 -20-25 -30 (1) bikonvexer Flügel konkav-konvexer Flügel plankonkaver Flügel F w [N] F w [N] F w [N] (2) (3) (1) (2) (3) (1) (2) (3) Diagramm 1 Auswertung 10
Diagramm 2 Auswertung Diagramm 3 Auswertung 11
Viel Spaß beim Erforschen und Experimentieren!!! 12
Forscher- und Erfinderwerkstatt: Bionik Westfälische Wilhelms-Universität Münster Prof. Dr. Bernd Hill Enno-F. Löffler Wilhelm-Klemm-Str.10 48149 Münster Tel.: 0251 / 83-24393 Fax.: 0251 / 83-25337 biokon-muenster@web.de