Ein Lernprogramm zum Verständnis von Addition und Subtraktion für Kinder mit Förderbedarf Gerhild Merdian Sicher unterwegs im Zahlenraum ist eine umfassende und systematisch aufgebaute Sammlung erprobter Aufgabenblätter. Die Inhalte und die Vorgehensweise resultieren aus der langjährigen Erfahrung in der Förderung von Grund- und Sekundarschülern mit besonderen Rechenschwierigkeiten. Primäres Ziel ist es, durch die anschauliche Darstellung von Mengen-und Zahlbeziehungen gesicherte Zahlvorstellungen zu vermitteln und dadurch die konzeptuelle Voraussetzung für Verständnis und Anwendung von Addition und Subtraktion zu schaffen. Das Förderprogramm gliedert sich in vier aufeinander aufbauende Arbeitshefte mit jeweils 100 Aufgabenseiten. Leitfigur ist der der kleine Drache BADY, der die Kinder durch das Programm begleitet. Das Material wendet sich an pädagogische Fachkräfte in lerntherapeutischen Praxen und Schulen, kann aber nach entsprechender Einweisung auch problemlos von Eltern für das häusliche Training genutzt werden. Teil 1: Fördern im mathematischen Basisbereich Hier werden alle basisnumerischen Bereiche thematisiert, die als wesentlich für die Entwicklung mathematischer Kompetenzen angesehen werden. Der erfolgreiche Umgang mit Mathematik setzt Zahlenwissen voraus, das über die Zählfunktion weit hinausgeht. Kinder haben ein natürliches Interesse an der Beschäftigung mit Zahlen und geometrischen Formen, die sie in ihrer Umwelt in vielen Bereichen antreffen. Mathematisches Verständnis entwickelt sich daraus
aber nicht von selbst, es werden vielmehr zielgerichtete Stimuli benötigt. Nicht alle Aufgabenblätter in diesem Heft sind für jede Jahrgangsstufe geeignet. Es finden sich aber für alle Kinder im Grundschulalter ausreichend Anregungen um individuelle Stärken und Schwächen zu berücksichtigen. Mathematisches Denken und Handeln ist eng an sprachliche Kompetenzen geknüpft. Nur durch die sichere sprachliche Verwendung von Begriffen können Mengen gezählt, geometrische Formen differenziert, Objekteigenschaften wie Größe, Länge, Gewicht beurteilt oder elementare Rechenprozesse ausgedrückt werden. Eine entscheidende Rolle spielen aber auch spezifische visuell-räumliche Wahrnehmungsleistungen. So können neben Mengenerfassung und Mengenvergleich, Klassifikations- und Seriationsleistungen, auch die Einschätzung relationaler Beziehungen (Größe, Länge, Breite, Höhe) und räumliche Vorstellungsleistungen (Raumlagebeziehungen, Rechts-links-Orientierung) den Erfolg im Mathematikunterricht der Grundschule gut vorhersagen. Es wäre allerdings unangemessen, im Umkehrschluss davon auszugehen, dass bei Kindern mit Rechenschwierigkeiten generell Förderbedarf im basisnumerischen Bereich besteht. Viele dieser Kinder haben jedoch Probleme in bestimmten, individuell variierenden Bereichen, die es zu erkennen und zu beheben gilt. Die Aufgaben werden größtenteils anhand von Objektabbildungen vermittelt. Für strukturierte Mengendarstellungen werden die Würfelpunkte der Dominosteine genutzt. Aufgabenbeispiele zum Übungsschwerpunkt Zahlbegriffe Kardinaler Zahlbegriff Zählen ist eine grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung der verschiedenen Aspekte des Zahlbegriffs. Kinder müssen den kardinalen Zahlbegriff erwerben, indem sie lernen, dass Zahlen mit einer definierten Menge verbunden sind. Jeder gezählten Menge kann genau ein Zahlwort zugeordnet werden, das deren Gesamtheit darstellt. Mengen bis fünf sollten simultan erfasst und benannt werden können. Ein Mittel, dieses Ziel zu erreichen, ist die strukturierte Mengenvorgabe, etwa in Form der Würfelpunkte oder in Fünferbündelungen. Die Verinnerlichung strukturierter Mengenbilder trägt dazu bei, die Kinder weg vom zählenden Rechnen zu führen. Relationaler Zahlbegriff Mengenvergleiche sind für die Entwicklung interner Vorstellungen des Zahlenraums notwendig. Es ist davon auszugehen, dass Zahlen zerebral nach Größenordnungen repräsentiert sind. Nur so ist es möglich, Größenrelationen einzuschätzen. Mengenvergleiche sind die Grundlage für alle mathematischen Gleichungen (4 + 3 = 5 + 2) und Ungleichungen (4 + 3 < 4 + 5). Mehr-
Weniger-Relationen haben hohe Alltagsrelevanz und sind deshalb auch häufig in Sachaufgaben vertreten. Ordinaler Zahlbegriff Kinder haben zunächst ein ordinales Zahlverständnis, d. h. sie sehen Zahlen als Glieder in einer Rangreihe. Erst später wird Zählen kardinal zur Bestimmung der Anzahl genutzt. Der Unterschied zwischen Kardinalzahlen als Indikatoren für Mengen und Ordinalzahlen, die die genaue Position von Elementen innerhalb einer Reihe angeben, ist wesentlich für die Entwicklung von Zahlvorstellungen. Der basisnumerische Teil des Lernprogramms kann im Rahmen einer Fördermaßnahme der Arbeit im Zahlenraum bis 10 bzw. 20 vorangestellt werden. Er kann aber ebenso begleitend zu Teil 2 zum Einsatz kommen, da viele Lernbereiche enthalten sind, die in den numerischen Arbeitsheften nicht ausdrücklich thematisiert sind, aber dennoch Einfluss auf die Rechenfertigkeiten haben (z. B. Gedächtnisleistungen, visuell-räumliche Vorstellungen). Die Entscheidung wird im Einzelfall von der differenzialdiagnostisch festgestellten Problemlage abhängen.
Teil 2: Fördern im Zahlenraum bis 20 Dieser Teil des Lernprogramms führt Schritt für Schritt in den Zahlenraum, das Stellenwertsystem und die Grundrechenoperationen ein. Die Blätter wurden für Kinder entwickelt, die ein eingängiges, kleinschrittiges Vorgehen benötigen, und sollen schulische Arbeitsmaterialien ergänzen. Sie sind auch für Schüler und Schülerinnen höherer Klassen geeignet, um zählendes Rechnen durch die Vermittlung angemessener Rechenstrategien zu ersetzen. Die Arbeitsblätter sind anschaulich gestaltet und systematisch aufgebaut: Zunächst wird die Orientierung im Zahlenraum sowie die Zahlerfassung und Zahlzerlegung bis 10 mit Mengendarstellungen und am Zahlenstrahl erarbeitet, bevor Addition und Subtraktion mit Basis-, Platzhalter- und Sachaufgaben eingeführt werden. Nach diesem Modus wird anschließend im Zahlenraum bis 20, zunächst ohne und abschließend mit Zehnerübergang, gearbeitet. Aufgabenbeispiele zur Addition mit Zehnerübergang Nachdem die als Mengenbild dargestellte Aufgabe vom Kind erkannt und formuliert ist (Wie heißt die Plusaufgabe?), werden Lösungswege vorgestellt (So kannst du die Plusaufgabe lösen). Anschließend werden Aufgaben bearbeitet, die am Zahlenstrahl visualisiert sind. Die anschließende Bearbeitung von Rechenaufgaben ohne Bildunterstützung erfolgt zunächst in drei und letztlich in einem Rechenschritt. Bei den Abbildungen handelt es sich um Auszüge aus mehreren Arbeitsblättern, die hier zu Anschauungszwecken komprimiert zusammengestellt wurden.
Die Kinder werden mit der mehrschrittigen, systematischen Vorgehensweise schnell vertraut. Die so gewonnene Sicherheit, trägt dazu bei, dass auch Sachaufgaben, die jede Lernetappe abschließen, ohne Vorbehalte gelöst werden. Die Beherrschung des Zahlenraums bis 20 ist die unumgängliche Grundlage für die Erschließung höherer Zahlenräume. Es versteht sich von selbst, dass mit Teil 3 kann erst begonnen werden kann, wenn dies sichergestellt ist. Teil 3: Fördern im Zahlenraum bis 100
Den Schwerpunkt bilden die Orientierung im Zahlenraum, die Zahlerfassung, der Aufbau des Stellenwertsystems und vor allem das Grundrechnen bis 100. Auch hier steht die anschauliche Lernerfahrung im Vordergrund. Die Übungen sind auch gut für ältere Schüler geeignet, die es noch nicht geschafft habe, das zählende Rechnen zu überwinden. Auf Addition und Subtraktion mit Einern folgt das Rechnen mit Zehnerzahlen und anschließend das zweistellige Rechnen ohne bzw. mit Stellenübergang. Es sind vor allem Platzhalteraufgaben, die bei Kindern Unsicherheit auslösen. Sie werden oft unüberlegt, basierend auf nicht verstandenen Rechenanweisungen ( Wenn Minus dasteht, muss ich plus rechnen ), gelöst. In den Förderstunden hat es sich bewährt, stets nachzufragen, in welcher Relation der Platzhalter zu den gegebenen Zahlen steht. Die Kinder erkennen dann sehr schnell, welche Rechenart zielführend ist. Die Visualisierung der Aufgabenstellung am Zahlenstrahl unterstützt dabei die Vorstellungsentwicklung. Aufgabenbeispiele zu Platzhalteraufgaben ohne Stellenübergang
Das Vorgehen in kleinen, überschaubaren Lernschritten fördert das Verständnis für arithmetische Operationen. Zudem gewinnen die Kinder schnell Zutrauen in das eigene Leistungsvermögen. Da mit der nächsten Lerneinheit erst begonnen wird, wenn die aktuell thematisierte sicher beherrscht wird, bestimmen die Kinder das Lerntempo selbst. Misserfolgserlebnisse, die im Schulalltag die Regel sind und sich motivationshemmend auswirken, können so weitgehend vermieden werden. Teil 4: Fördern im Zahlenraum bis 1000 Im Mittelpunkt stehen die Orientierung im Tausenderraum, das Verständnis des Stellenwertsystems und das sichere Kopfrechnen auf der Grundlage der zuvor erworbenen Fertigkeiten im Hunderterraum. Die Scheu vor großen Zahlen verliert sich in der Regel schnell, wenn den Kindern klar wird, dass beim Rechnen mit Hundertern lediglich ein Rechenschritt mehr durchgeführt werden muss. Die Aufgabenblätter sind für Kinder mit Rechenschwierigkeiten in allen höheren Jahrgangsstufen einsetzbar. Wie in den vorangegangenen Teilen werden die Rechenstrategien zur Lösung von Additions- und Subtraktionsaufgaben mit und ohne Stellenübergang sowie von Platzhalter- und Sachaufgaben anschaulich anhand des Zahlenstrahls erklärt. Auf Visualisierungen mit Mengenbildern wird in Teil 4 nicht mehr zurückgegriffen. Das letzte Kapitel in diesem Band ist dem Runden von Zahlen und dem Rechnen mit Überschlag gewidmet. Aufgabenbeispiele zum Runden von Zahlen Das Rechnen mit gerundeten Zahlen übersteigt oft das Vorstellungsvermögen der Kinder, weil Sinn und Zweck nicht erkannt werden. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn in der Regel ist genau das Gegenteil, das exakte Rechnen, gefordert. Eine Schwierigkeit besteht darin, zu erkennen, wann und wie gerundet werden muss, um die Vorteile der Überschlagsrechnung sinnvoll nutzen zu können. Dies wird einführend anhand einer alltäglichen Einkaufssituation veranschaulicht. Anschließend wird mit Hilfe des Zahlenstrahls und der Stellenwerttabelle das Runden auf unterschiedliche Stellen geübt.
Die höchste Schwierigkeitsstufe in Teil 4 bilden dreistellige Additions- und Subtraktionsaufgaben mit Stellenübergang. Für Kinder mit Rechenschwierigkeiten sind darüber hinausgehende Anforderungen an Kopfrechenleistungen kritisch zu sehen. Oft werden die schriftlichen Rechenverfahren von den Betroffenen recht gut verstanden und beherrscht. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Ziele einer lerntherapeutischen oder sonderpädagogischen Förderung rechenschwacher Kinder nicht gleichgesetzt werden können mit denen des schulischen Mathematikunterrichts, spricht nichts dagegen diese Fertigkeiten auch zu nutzen. Es muss stets darum gehen, die vorhandenen Ressourcen der Kinder zu erkennen und weiterzuentwickeln, aber auch darum, zu akzeptieren, dass Grenzen existieren, die es einzuhalten gilt. Sicher unterwegs im Zahlenraum ist im PaePsy Verlag erschienen und kann nur beim Verlag bezogen werden. Weitere Informationen unter www.paepsy-verlag.de. Kontakt Dr. Gerhild Merdian Jahnstr. 16a 96050 Bamberg info@paepsy-verlag.de