Wissenserwerb, Lernstrategien, Metakognition, Problemlösen

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Transkript:

Wissenserwerb, Lernstrategien, Metakognition, Problemlösen Wiederholung: Überblick über Lerntheorien und Einteilung des Gedächtnisses Wie ist Wissen gespeichert? Propositionen, Schemata, Skripts Metakognition Förderung des Wissenserwerbs als Informationsverarbeitung Problemlösen Anfänge der Forschung Begriffe und Konzepte des Problemlösens Strategien Förderung des Problemlösens

Die vier psychologischen Ansätze des Lernens Klassisches Konditionieren (z.b. Pawlow, Watson) Operantes Konditionieren/ instrumentelles Lernen (z.b. Skinner) Modell- Lernen (z.b. Bandura) kognitive Ansätze (z.b. Gedächtnis und Wissenserwerb, Problemlösen) Behaviorismus (Reizkontrolle) fremdkontrolliert ( reaktiv ), außengesteuert körpernah, basal einfache Lerninhalte und Lernmechanismen Kognitivismus (Informationsverarbeitung) selbstgesteuert kognitiv und konstruktiv komplexe Lerninhalte und Lernmechanismen

Die Struktur des Langzeitgedächtnisses (Markowitsch, 1994) LZG deklarativ non-deklarativ Episodisches Wissen (Ereignisse) Semantisches Wissen (Fakten) Prozedurales Wissen (Fertigkeiten, Gewohnheiten) Priming (perzeptuell, Semantisch) Dispositionen (klass./ operant. Kond. Nonassoziatives Gedächtnis (Habituation/ Sensitivierung)

Semantisches Wissen als propositionales Netzwerk Wir speichern im Gedächtnis nicht den Wortlaut, sondern die damit transportierte Bedeutung Z.B. können wir uns nach kurzer Zeit nicht mehr daran erinnern, ob wir einen Satz im Aktiv oder im Passiv gehört haben (bei gleicher Bedeutung) Annahme: Wissen ist als Netzwerk von Propositionen gespeichert Proposition: kleinste Wissenseinheit, die eine selbstständige Aussage bilden kann (d.h. die als wahr oder falsch beurteilt werden kann)

Wissenserwerb: propositionstheoretisch

Speicherung größerer Wissenseinheiten: Schemata und Skripts Schema: größere thematisch zusammenhängende Wissensbereiche, die als ein abgrenzbarer Teil eines semantischen Netzwerks aufgefasst werden können, in dem erfahrungsabhängige Zusammenhänge repräsentiert sind Schemata können sich auf Objekte, Sachverhalte, Handlungs- und Ereignisfolgen beziehen Erfahrungsabhängig : Attribute bzw. Leerstellen ( slots ), die variabel ausgefüllt sein können, z.b. Schema des Autos Leerstellen: Motorart (Diesel, Benzin,...), Farbe (rot, blau,...), Typ (PKW, LKW,...) Besonderer Typ von Schemata: Skript (Schank & Abelson, 1977): Struktur, die angemessen Abfolgen von Ereignissen in einem bestimmten Kontext beschreibt (z.b. Restaurant- Skript)

Eigenschaften von Schemata Schemata haben bestimmte default -Werte (Voreinstellungen) Beispiel: Schema Haus : normalerweise: Material (Holz, Stein), Form (rechteckig), Größe (zwischen 10 und 1000 Quadratmetern)... Solange wir keine anderen Informationen haben, gehen wir von unseren default -Werte aus Schemata beeinflussen unsere Wahrnehmung und unser Erinnern Sind daher Folge und Bedingung unserer Erkenntnis

Psychische Realität von Schemata: Der Raum eines Versuchsleiters eines psychologischen Experimentes

Lernstrategie: prozedurales Wissen zur Erreichen von Lernzielen Systematiken von Lernstrategien elaborative organisierende wiederholende Metakognition: Kognition über Kognition (Wissen eines Menschen über seine Kognitionen und die Anwendung dieses Wissens), Korrelation zwischen Metakognition und Lernergebnis ca =.41 Es gibt deklarative (d.h. bewusstes Wissen über...) und prozedurale Metakognition (quasi automatische Überwachung, Steuerung, Kontrolle) Lern- und Gedächtnisstrategien, Metakognition

Förderung des Wissenserwerbs als Informationsverarbeitung Sensorisches Register: Aufmerksamkeit Kurzzeitspeicher, Arbeitsspeicher: Prozesse der Enkodierung (Förderung von Lernstrategien: elaborativ, reduktiv/organisierend, wiederholend) und Dekodierung (Hinweisreize, da Kodierungsspezifität (Tulving)) Langzeitspeicher: Vorwissen (sicherstellen, an Vorwissen anknüpfen) Metakognition (deklarativ): vor allem Wissen über Nutzen von Strategien und deren Einsatz Metakognition (exekutiv/prozedural): Kontrollprozesse (Umgebungs-, Selbst-, Wissens-, Strategiekontrolle; Planung, Überwachung, Steuerung, Bewertung)

Anfänge der Problemlöseforschung: Köhlers Affenversuche (z.b. Sultan)

Merkmale des Problemlösens bei Sultan Zielgerichtetheit Zerlegung in Teilziele Anwendung von Operatoren Operator: transformiert einen vorliegenden Problemzustand in einen anderen Problemzustand

Begriffe und Konzepte der Problemlöseforschung (1) Definition von "Problem": unerwünschter Ausgangszustand (1), erwünschter Zielzustand (2), Barriere, die die Überführung des Anfangszustandes in den Zielzustand im Augenblick verhindert (3) Definition von"aufgabe": Regeln für Lösung sind unmittelbar verfügbar (keine Barriere ) Für die eine Person kann etwas ein Problem, für eine andere Person eine Aufgabe sein (z.b. Division) Algorithmus": führt bei bestimmtem Problemtyp immer zum Ziel (z.b. Formel: Fläche Rechteck A = l x b) "Heuristik": führt nicht immer zum Ziel ( ohne Garantie, z.b. Mittelfeld kontrollieren im Schach)

Begriffe und Konzepte der Problemlöseforschung (2) Problemzustand: Die Repräsentation eines Problems zu einem gegebenen Stand der Lösung (von Anfangszustand über intermediäre Zustände bis zum Zielzustand) rein deskriptiv: alle möglichen Schritte, die der Problemlösende durchführen könnte damit ist noch nicht bestimmt, welche Operatoren der Problemlösende auswählt Operator: transformiert einen vorliegenden Problemzustand in einen anderen Problemzustand Problemraum: besteht aus den Problemzuständen und den Operatoren

Allgemeine Strategien beim Problemlösen Versuch und Irrtum (Behaviorismus) Umstrukturieren (Gestaltpsychologie) Analogie Unterschiedsreduktion (kognitiver Ansatz) Ziel-Mittel-Analyse (kognitiver Ansatz) Expertise (Wissen und Strategien: Experten-Ansatz)

Problemlösen durch Umstrukturieren (1) Aufgabe: Verbindung der 9 Punkte mit 4 geraden Linien ohne abzusetzen

Problemlösen durch Umstrukturieren (2) Aufgabe: Verbindung der 9 Punkte mit 4 geraden Linien ohne abzusetzen

Problemlösen durch Analogie Das Bestrahlungsproblem (Duncker, 1935) Gesucht: Verfahren, das einen Kranken von einer Geschwulst befreien kann durch Verwendung von Strahlen, die die aber auch gesundes Gewebe zerstören Analogie: Eroberung einer Stadt durch mehrere enge Gassen->Treffen in der Mitte

Ziel-Mittel-Analyse beim Turm von Hanoi-Problem Wichtig: Zerlegung in Teilziele

Unterschiedsreduktion beim Schiebe-Puzzle

führt nicht immer zum Ziel: Problemraum und Suchbaum

Bedeutung der Problemrepräsentation Problem: Können mit 31 Dominosteinen die verbleibenden 62 Felder (vertikal oder horizontal) abgedeckt werden?

Funktionale Fixierung z.b. Wenn Schalter oder Relais in Vorversuchen eine funktionale Gebundenheit erfahren, werden sie seltener als Gewicht beim Problemlösen eingesetzt

Förderung des Problemlösens authentische Aufgaben/Probleme entdeckendes Lernen ( Ausprobieren ) Aufgaben aus mehreren Perspektiven, in unterschiedlichen Kontexten Repräsentation eines Problems veranschaulichen (z.b. Modelle, Mengen- oder Flussdiagramme, Analogien) und Problemverständnis sichern (Fragen) Vermeidung von Fixierungen: mehrere Darstellungen, Repräsentationen, Strategien Formulieren von (Teil-)Zielen und Mitteln (z.b. lautes Denken ) kann nützlich sein Kooperative Formen (z.b. Brainstorming, Gruppenarbeit)