Human Resources Consulting Review 2014. Herausgeber: Prof. Dr. Jens Nachtwei & Dr. Charlotte von Bernstorff



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Transkript:

Human Resources Consulting Review 2014 Herausgeber: Prof. Dr. Jens Nachtwei & Dr. Charlotte von Bernstorff Band 4 / 2014

Inhaltsverzeichnis Förderung der strategischen Veränderungskompetenz von KMU Prof. Dr. Barbara Kump 1 & Dr. Christina Schweiger 2............................................................ 6 1) Stadt Wien Stiftungsprofessur für Forschung im Bereich Organisationsentwicklung und lernende Organisation (Schwerpunkt KMU), FHWien der WKW in Wien 2) Forscherin im Kompetenzteam für Entrepreneurship an der FHWien der WKW in Wien Projekt- und Prozessorientierte Organisationsgestaltung (PPO) Instrumentarium für Führungskräfte in Zeiten des Wandels Jens-Peter Toepper............................................................................ 11 Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, Leiter Unternehmensorganisation Kultur des Führens in Veränderungs- und Integrationsprozessen Konzern versus Mittelstand Werner Oergel......................................................................... 16 Partner von Graf Lambsdorff & Compagnie Unternehmensberater und Personalberater HR 2.0 Einfluss sozialer Medien auf Personalmanagement und -führung Prof. Dr. Thorsten Petry........................................................................ 21 Professor für Organisation und Personalmanagement an der Hochschule RheinMain Arbeitgeberattraktivität und Personalführung Prof. Dr. Bernd Helbich 1 & Prof. Dr. Volker Herzig 2................................................... 26 1) Dipl. Ing. u. Diplom Soziologe, Geschäftsführer in einem Personalentwicklungsverbund mittelständischer Unternehmen: MACH2 Personalentwicklung 2) Dipl. Kaufmann, langjährige Erfahrungen als Leiter Personalentwicklung u. Personalleiter in der Industrie beide heute: Professoren an der Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich Wirtschaft in der Fachgruppe Personal u. Organisation Effizienzpotenzial Recruiting Kompetent entscheiden Nikola Holle-Spiegel................................................................. 32 Director Human Resources, Lautsprecher Teufel GmbH Individuell angepasste Auswahlverfahren bringen den Erfolg Tim Jaschke........................................................................... 37 Ehem. Personalleiter im Abfallwirtschaftsbetrieb Kiel, aktuell Mitarbeiter der Versorgungsausgleichskasse Schleswig-Holstein im Personalservice Personalauswahl: Entscheidungskriterien und Beurteilungsfehler Andy Donaubauer.......................................................................... 42 Manager Personnel & Organizational Development Xella International GmbH HR Consulting Review, Band 4 / 2014, OnlineFirst 4

Sozialkompetenz im Auswahlprozess ein praxisorientiertes Modell Christian Reincke.......................................................................... 47 STI Group, Leiter Personalentwicklung Potenzialeinschätzungsverfahren in der Praxis Was bringen sie neben der Identifikation von Potenzialträgern noch? Simone Olbert.......................................................................... 52 Bereichsleiterin Personalentwicklung, Aus- und Weiterbildung & Personalbetreuung, Lidl Stiftung & Co. KG Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) lohnt sich! Oliver Flohr.......................................................................... 58 Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters und Leiter Personal und Organisation, Gemeinde Lindlar Kompetenzbasiertes Matching im Mentoring Sabine Nitsche 1 & Ljerka Heinecke-Cuvaj 1.......................................................... 63 1) Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) Internes Newplacement Win-Win Option für Mitarbeiter und Unternehmen Wolfram Kaiser.......................................................................... 67 Bereichsleiter Personal / Prokurist, Hamburger Volksbank Kultur der kollektiven Kreativität Gitta Blatt.......................................................................... 72 Head of People, Wooga GmbH Herausforderungen in der internationalen HR Arbeit Erfahrungsbericht aus einem mittelständischen Unternehmen Gabriele L.E. Peter.......................................................................... 77 Personalleiterin im Mittelstand und in Aktiengesellschaften Index................................................................................... 82 HR Consulting Review, Band 4 / 2014, OnlineFirst 5

Förderung der strategischen Veränderungskompetenz von KMU Prof. Dr. Barbara Kump 1 & Dr. Christina Schweiger 2 1) Stadt Wien Stiftungsprofessur für Forschung im Bereich Organisationsentwicklung und lernende Organisation (Schwerpunkt KMU), FHWien der WKW in Wien 2) Forscherin im Kompetenzteam für Entrepreneurship an der FHWien der WKW in Wien SCHLÜSSELWÖRTER: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Strategie, Veränderungskompetenz KURZFASSUNG: Eine maßgebliche Voraussetzung für den Erfolg eines Unternehmens ist dessen Fähigkeit, dynamisch auf Veränderungen zu reagieren. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stehen hier vor einer besonderen Herausforderung: Einerseits sind KMU im Vergleich zu großen Unternehmen flexibler, andererseits fehlt es in KMU häufig an strategischen Perspektiven, sowie an personellen Ressourcen, um Tätigkeiten außerhalb ihres operativen Tagesgeschäfts durchzuführen. Im Artikel werden zunächst unterschiedliche Arten von strategischen Veränderungskompetenzen beschrieben, die zentral für den erfolgreichen Umgang mit Veränderungen von KMU sind. Anschließend werden Methoden vorgestellt, die geeignet sind, um KMU beim Aufbau der unterschiedlichen strategischen Veränderungskompetenzen zu unterstützen. Herausforderungen für den Umgang mit Veränderung in KMU Die kontinuierliche Anpassung an veränderte Umweltbedingungen ist für Unternehmen überlebensnotwendig. In der Praxis geschieht diese Anpassung vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) aufgrund von engen Ressourcen meist spontan und intuitiv und ist selten strategisch geplant (Güttel, 2006). Ein Mangel an strategischer Veränderung kann dazu führen, dass es langfristig unmöglich wird, auf neue Anforderungen aus der Umwelt entsprechend zu reagieren. Negative Entwicklungsverläufe in Form von manifesten Krisen bis hin zur Liquidation des Unternehmens können die Folge sein. Wollen KMU im Spannungsfeld von geplanten und ungeplanten Wandelprozessen positive Entwicklungsverläufe erzielen, ist neben der Entwicklung von personellen Kompetenzen (z. B. Führungskompetenz, kaufmännischbuchhalterische Kompetenz) die Entwicklung von organisationalen Veränderungskompetenzen unerlässlich (Güttel, 2006; Schweiger, 2012). Unter organisationaler Kompetenz versteht man die Fähigkeit einer Organisation, Inputgüter und interne Ressourcen so zu nutzen, dass das Leistungspotenzial der Organisation ausgeschöpft wird (Fichtner, 2008). In Hinblick auf Veränderung bedeutet dies beispielsweise, dass das Unternehmen in der Lage ist, Trends in der Branche zu erkennen und an diese Trends angepasste Produktinnovationen auf den Markt zu bringen. Organisationale Kompetenz manifestiert sich unter anderem in routinierten Abläufen und Prozessen (z. B. kontinuierlicher Verbesserungsprozess) und in kollektivem Wissen (z. B. Best Practices). Organisationale Kompetenzen können durch den Einsatz von geeigneten Strukturen (z. B. Aufbau einer F&E-Abteilung) und Abläufen (z. B. standardisierter Umgang mit Kundenbeschwerden) unterstützt werden. Bei der professionellen Unternehmensgestaltung in KMU wird häufig versucht, Ansätze, die in großen Unternehmen funktionieren, auf KMU zu übertragen. Dabei gibt es allerdings eine Reihe von Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, welche die Übertragbarkeit deutlich einschränken (Bussiek, 1996; Volkmann & Tokarski, 2006): Zum einen sind in KMU die finanziellen und personellen Ressourcen häufig knapp und es ist lediglich ein begrenzter Zugriff auf externe Finanzierungsquellen möglich. Zum anderen fehlt es oft an ExpertInnen für HR Consulting Review, Band 4 / 2014, OnlineFirst 6

Förderung der strategischen Veränderungskompetenz von KMU Veränderungsprozesse und an systematisierten Planungs- und Regelsystemen zur erfolgreichen Umsetzung von Veränderungen. Konkrete Methoden zur Analyse und Förderung der Entwicklung strategischer Veränderungskompetenzen für KMU existieren bisher kaum (z. B. Madsen et. al 2006; Frank, Güttel & Kessler, 2008). Im Folgenden wird ein Modell vorgestellt, das beschreibt, welche organisationalen Kompetenzen KMU brauchen, um sich strategisch weiterzuentwickeln. Für jede der Kompetenzen werden Diagnose- und Interventionsmöglichkeiten vorgeschlagen. Komponenten strategischer Veränderungskompetenz In Anlehnung an Güttel (2006) wird davon ausgegangen, dass sich die organisationale Veränderungskompetenz aus Strategieentwicklungskompetenz, Generierungskompetenzen und Umsetzungskompetenzen zusammensetzt. Die Strategieentwicklungskompetenz umfasst die Fähigkeit eines Unternehmens, sich unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen ein längerfristiges Ziel (Vision) zu setzen und die Unternehmensentscheidungen auf die Erreichung des Zieles auszurichten. Typischerweise ist die Strategieentwicklungskompetenz in KMU bei der Geschäftsführung angesiedelt. In selteneren Fällen werden Führungskräfte und Mitarbeiter in die Strategieentwicklung eingebunden. Als Generierungskompetenzen sind die organisationale Suchkom- petenz, die Reflexionskompetenz sowie die Absorptionskompetenz definiert. Die Suchkompetenz meint die Fähigkeit eines Unternehmens, durch etablierte Routinen Umweltbeobachtungen durchzuführen, um dadurch effektiv Innovationsmöglichkeiten zu erkennen. Während große Unternehmen in der Regel eigene Abteilungen (z. B. Marktforschung) haben, ist in KMU aus Ressourcengründen die Suchkompetenz häufig über unterschiedliche Stellen verteilt und passiert nebenbei : So nehmen etwa einzelne MitarbeiterInnen an Konferenzen teil, oder erhalten Newsletter von relevanten Netzwerken. Die Reflexionskompetenz entspricht der organisationalen Fähigkeit zur Beobachtung der eigenen Organisation durch etablierte Routinen der Fremdund Selbstreflexion. Zum Beispiel könnten nach dem Abschluss von Projekten die positiven und negativen Erfahrungen gesammelt und dokumentiert werden. Absorptionskompetenz bedeutet die organisationale Fähigkeit, durch etablierte Routinen Wissen aufzunehmen, zu transformieren und in die organisationale Wissensbasis zu integrieren. Absorptionskompetenz kann sich unter anderem darin äußern, dass basierend auf Informationen über neue Branchentrends im Unternehmen innovative Produktideen entwickelt werden können. Die Umsetzungskompetenzen umfassen die organisationle Planungskompetenz und die Handlungskompetenz. Planungskompetenz ist die Fähigkeit des Unternehmens zur Operationalisierung der strategischen Zielvor- gaben und umfasst die Erstellung von Umsetzungsplänen sowie die Identifikation von Barrieren. Häufig besteht in KMU ein großes Problem darin, dass die MitarbeiterInnen vollständig für Kundenaufträge verplant sind. Die Planungskompetenz ist beispielsweise hoch, wenn Veränderungsvorhaben so geplant werden, dass sie sich neben dem Tagesgeschäft realisieren lassen. Die organisationale Handlungskompetenz meint schließlich die Fähigkeit des Unternehmens, geplante Veränderungsvorhaben erfolgreich in die Umsetzung zu bringen. Dazu gehört die ausreichende Qualifikation der MitarbeiterInnen oder die Anschaffung von erforderlichen Arbeitsgeräten. Diagnose und Entwicklung strategischer Veränderungskompetenzen Die Förderung der Entwicklung der organisationalen Veränderungskompetenz in KMU bedarf einer gezielten Vorgehensweise. In einem ersten Schritt sollte eine Analyse der Ausprägung der Veränderungskompetenz im jeweiligen Unternehmen durchgeführt werden. Dazu eignen sich die in Tabelle 1 aufgelisteten Leitfragen, die sich das Management eines KMU alleine oder gemeinsam mit externen BeraterInnen stellen kann. Die in Tabelle 1 aufgelisteten Leitfragen stellen zwar kein Diagnoseinstrument im engeren Sinn dar, können jedoch einen ersten Eindruck über die Ausprägung der Veränderungskompetenzen im betrachteten Unternehmen geben: HR Consulting Review, Band 4 / 2014, OnlineFirst 7

Förderung der strategischen Veränderungskompetenz von KMU Tabelle 1: Leitfragen zur (Selbst-)Diagnose der strategischen Veränderungskompetenz Veränderungskompetenz Strategieentwicklung Suche Reflexion Absorption Planung Handlung Leitfragen zur (Selbst-)Diagnose Wie gut gelingt es dem Unternehmen, sich bewusst und strategisch weiter zu entwickeln? Gibt es ein übergeordnetes Ziel (Vision) des Unternehmens? Ist dieses Ziel den MitarbeiterInnen bekannt? Gibt es ein klares Verständnis darüber, wie das Unternehmen versucht, dieses Ziel zu erreichen (Strategie)? Sind die relevanten Aspekte der Strategie den MitarbeiterInnen bekannt? Wie gut gelingt es dem Unternehmen, über neue Trends und Innovationen in der Branche auf dem Laufenden zu bleiben? Gibt es geeignete Kanäle über die neue Informationen ins Unternehmen gelangen? Sind diese Informationen ausreichend, sodass keine potenziell relevanten Trends übersehen werden? Werden alle potenziell relevanten Quellen genutzt? Wie gut gelingt es dem Unternehmen, aus eigenen Erfahrungen (Fehlern, Erfolgen) zu lernen? Ist klar, welches die Kernaufgaben- und Prozesse sind, in denen sich das Unternehmen kontinuierlich verbessern möchte? Findet an diesen Stellen kontinuierliche Verbesserung statt? Wie gut gelingt es dem Unternehmen, neue Ideen zu verinnerlichen? Gibt es geeignete Kanäle über die neue Informationen im Unternehmen weitergegeben können? Ist die Weitergabe von Informationen ausreichend? Werden diese Informationen im Unternehmen in ausreichendem Maß genutzt? Wie gut gelingt es dem Unternehmen, strategische Veränderungen bei der Planung zu berücksichtigen? Wird die Strategie (oder Vision) in die Planung einbezogen? Werden die für die Veränderung notwendigen Ressourcen realistisch geplant? Ist die Planung flexibel für Abweichungen? Wie gut gelingt es dem Unternehmen, strategisch geplante Veränderungen auch umzusetzen? Ermöglichen Strukturen und Abläufe im Unternehmen die geplanten Veränderungen bzw. werden diese gegebenenfalls angepasst? Werden bei geplanten Veränderungen erforderliche Weiterbildungen der MitarbeiterInnen berücksichtigt? Werden Zielvorgaben und Belohnungssysteme an die Veränderungen angepasst? durch einen konstruktiven Umgang mit Fehlern. Beim Aufbau strategischer Veränderungskompetenz in KMU kommt Führungskräften eine Schlüsselrolle zu. Führungskräfte leben durch ihr Verhalten und ihren Führungsstil Unternehmenswerte vor (Mohn, 2012). Darüber hinaus fördert ein wertschätzender Umgang mit MitarbeiterInnen das persönliches Engagement und die Bereitschaft, Ideen und Verbesserungsvorschläge einzubringen. Während die Diagnose von Verän- Je mehr der Fragen in Tabelle 1 mit Ja beantwortet werden können, desto höher ist die entsprechende Veränderungskompetenz ausgeprägt. Zeigt diese erste (Selbst-) Diagnose der strategischen Veränderungskompetenzen einen Entwicklungsbedarf auf, gibt es unterschiedliche Methoden, mit denen in die Strategieentwicklungs-, Generierungs- und Umsetzungskompetenzen in Unternehmen verbessert werden können (siehe Tabelle 2). Diskussion Im vorliegenden Artikel wurden unterschiedliche Komponenten von strategischer Veränderungskompetenz beschrieben, die zentral für die Veränderungsfähigkeit von KMU sind. Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der einzelnen Kompetenzkomponenten ist der Aufbau einer entsprechenden Unternehmenskultur (vgl. Schein, 1990). Eine förderliche Kultur ist geprägt durch Vertrauen, Kritikfähigkeit, Offenheit für Neues und HR Consulting Review, Band 4 / 2014, OnlineFirst 8

Förderung der strategischen Veränderungskompetenz von KMU Tabelle 2: Methoden zur Verbesserung der strategischen Veränderungskompetenzen Veränderungskompetenz Strategieentwicklung Suche Reflexion Absorption Planung Handlung Methoden und Instrumente zur Kompetenzentwicklung, die sich für KMU eignen SWOT-Analyse; Effectuation; Stakeholder-Netzwerk-Analyse Porter s 5-Forces; systematische Auswertung von Kundenanfragen Reflexions-Workshops (abteilungsübergreifend); Datenauswertung zur Erhebung des Ist-Standes; Einzel- und Teamsupervision Technologie-gestützte Wissensmanagement-Systeme, die einfachen Wissensaustausch ermöglichen (z. B. Wikis); Teamarbeit und wechselnde Team-Zusammensetzungen Kompetenzmodelle (z. B. Aufgaben-Kompetenz-Matrix); strategische Personalplanung; operative Pläne für Veränderungsprojekte; Allokation von zeitlichen Ressourcen für Innovation und Veränderung Integration der strategisch geplanten Veränderungen in die Zielvorgaben; gezielte Weiterbildungsplanung; Anpassung der Evaluierungs- und Belohnungssysteme; Entwicklung von neuen Prozessen und Routinen derungskompetenz eine isolierte Betrachtung der einzelnen Kompetenzkomponenten erfordert, existieren diese natürlich nicht unabhängig voneinander. Die Strategieentwicklungskompetenz hängt beispielsweise eng mit der Entscheidung zusammen, welche Quellen bei der Suche nach externen Informationen berücksichtigt (Suchkompetenz) oder welche Kernprozesse regelmäßig hinterfragt werden sollen (Reflexionskompetenz). Die Frage, wie wichtig die einzelnen Komponenten für die gesamte strategische Veränderungskompetenz eines Unternehmens sind, beziehungsweise welche komplexen Wechselwirkungen zwischen den Komponenten existieren, ist Gegenstand zukünftiger Forschungen. Literatur Bussiek, J. (1996). Anwendungsorientierte Betriebswirtschaftslehre für Klein- und Mittelunternehmen. 2. Auflage, Oldenbourg. Frank, H.; Güttel, W.; Keßler, A. (2008). Dynamic Capabilities: How They Become What They Are. Strategic Management Society (SMS) 28 th Annual International Conference, Cologne, Deutschland, 12.10-15.10. Fichtner, H. (2008): Unternehmenskultur und strategisches Kompetenzmanagement, Wiesbaden. Güttel, W. (2006). Corporate Entrepreneurship als Strategie. In: H. Frank (Ed.), Corporate Entrepreneurship (pp. 80-111). Wien: Wiener Universitätsverlag. Madsen, E.L; Alsos, G.A.; Borch, O.J; Ljunggren, E.; Brastad, B. (2006). Developing entrepreneurial orientation The role of dynamic capabilities and intangible resources, RENT XX: Research in Entrepreneurship and Small Business: Brussels (Belgium). Mohn, L. (2012). Unternehmenskultur und Führung: Erfolgsfaktoren zur Gestaltung der Zukunft in Wirtschaft und Unternehmen. In H. Bruch, B. Vogel, & S. Krummaker (Hg.), Leadership-Best Practices und Trends (2. Aufl., pp. 209-218). Wiesbaden: Springer Gabler. Schein, E. H. (1990). Organizational culture. American Psychologist, 45(2), 109-119. Schweiger, C. (2012). Junge Technologieunternehmen. Systemische Personal- und Organisationsentwicklung. Wiesbaden: Springer Gabler. Volkmann, C. K., & Tokarski, K. O. (2006). Entrepreneurship. Gründung und Wachstum von jungen Unternehmen. Stuttgart: Lucius & Lucius. Xing-Profil Barbara Kump Xing-Profil Christina Schweiger HR Consulting Review, Band 4 / 2014, OnlineFirst 9

Interview mit Barbara Kump Im Artikel ist die Rede von der Anpassung an veränderte Umweltbedingungen. Welchen Veränderungen stehen KMU heutzutage gegenüber? Ich glaube, man kann das so pauschal nicht sagen. Nicht nur KMU sind mit Veränderungen konfrontiert, sondern die Anforderungen sind für viele Unternehmen gleich. Die KMU tun sich schwerer damit umzugehen, da sie deutlich weniger Ressourcen zur Verfügung haben und schwächer vom Personal aufgestellt sind. Ich glaube nicht, dass die Anforderungen an die KMU anders sind als für andere Unternehmen, sondern sie unterscheiden sich darin, wie sie damit umgehen. Ein Beispiel ist die Baubranche in Österreich, in der immer mehr Zuwanderer aus den östlichen Ländern Leistungen zu sehr niedrigen Preisen anbieten und somit der hohe Preiskampf in der Branche dazu führt, dass die KMU nicht mehr mitkommen. In den letzten zehn Jahren hat es auch technische Veränderungen, wie z. B. das Internet gegeben, die v. a. KMU getroffen haben, wie z. B. in der Hotelbranche. Es werden verschiedene notwendige Unternehmenskompetenzen vorgestellt. Sind diese alle gleich bedeutsam, um als KMU in der heutigen Zeit überleben zu können oder würden Sie einige von ihnen als wichtiger einstufen als andere? Ich denke, die müssen alle zusam- menspielen. Wenn man eine davon gar nicht hat, wird es schwierig, denn eine tolle Idee ohne Umsetzung hilft nichts. Sehr wichtig sind die strategische Positionierung bei Veränderungen, das Wahrnehmen von Trends sowie dass Entscheidungen konsequent durchgehalten werden. KMU haben, wie wir es oft wahrnehmen, eine Schwäche darin, den Markt zu beobachten vor dem Hintergrund ihres normalen Tagesgeschäfts und sie scheitern oft an kurzfristigen Verlockungen, sodass sie Entscheidungen nicht standhaft beibehalten. Tagesgeschäft. KMU scheitern oft an kurzfristigen Verlockungen. Wie können Mitarbeiter von KMU den Anpassungsvorgang ihres Unternehmens stützen? Ich glaube, dass Mitarbeiter einen starken Einfluss haben, wenn die Unternehmenskultur das zulässt. Da ist sehr viel Potenzial bei den Mitarbeitern, die aber auch ermutigt und motiviert werden müssen, ihre Ideen einzubringen. Es muss dafür aber auch Transparenz über die Ziele herrschen, offen kommuniziert werden und belohnt werden, wenn Mitarbeiter selbst etwas einbringen. Es gibt Potenzial, dass Mitarbeiter den Vorgang aktiv unterstützen und regulierend wirken, wofür es aber Klarheit und Offenheit in der Unternehmenskultur braucht. Inwiefern haben KMU gegenüber Großunternehmen einen Vorteil im Rahmen von Veränderungs- prozessen? Sie sind einfach schneller. Es gibt unterschiedliche Größen von KMU. Wir haben KMU mit einer Größe von 100-150 Mitarbeitern betrachtet. Dabei gibt es deutlich weniger starre Abläufe, kürzere Produktionswege etc. im Vergleich zu Großunternehmen, sodass KMU schneller reagieren können und flexibel sind. Was kann bei dem Versuch der Unternehmensgestaltung Ansätze, die in großen Unternehmen funktionieren auf KMU zu übertragen problematisch werden? Unternehmensgestaltung bezieht sich auf große Veränderungsprojekte. Für kleinere Unternehmen, die weniger Ressourcen haben, sind solche häufig zu groß. Die Veränderungsprogramme der Großunternehmen sind oft zu überdimensioniert für kleine Unternehmen, da sie zu viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nehmen, die für kleinere Unternehmen nicht umsetzbar bzw. gar nicht erforderlich sind. Bei kleineren Unternehmen kann man gezielter arbeiten u. a. aufgrund kürzeren Kommunikationswegen. Wir haben versucht, Methoden zu entwickeln, die auch für kleinere Unternehmen passen, sodass man nicht zu viele Leute involviert. Man muss mit KMU anders umgehen, da sie weniger Zeit haben, sich mit sich selbst zu beschäftigen. HR Consulting Review, Band 4 / 2014, OnlineFirst 10