Der Bischof von Essen Dr. Franz-Josef Overbeck

Ähnliche Dokumente
Ärztliche Sterbebegleitung Rolle, Aufgaben und ethische Grenzen für den Arzt

Ethische Fragen am Lebensende der ärztlich assistierte Suizid

Informationen Argumente

Thomas Rachel MdB. Redebeitrag zur Debatte des Deutschen Bundestages zum Thema. Sterbebegleitung

Patientenverfügung. - aus der Sicht des Arztes

1. Was diskutieren wir?

Hospizbewegung. Norbert Heyman Katholischer Krankenhausseelsorger

Ethische Herausforderungen in der Sterbebegleitung

Statement. In Würde sterben Zur aktuellen Diskussion über Sterbehilfe, Hospiz- und Palliativstrukturen. Sterbehilfe im Sinne einer Sterbebegleitung

Dem Menschen mit all seinen Bedürfnissen begegnen

Leben bis zuletzt Die hospizliche und palliative Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen

Entscheidungen am Lebensende - rechtliche Rahmenbedingungen. Bochum, den Prof. Dr. Ruth Rissing-van Saan, VRiBGH a.d.

Patientenverfügungen, Ärztliche Suizidhilfe (aktive Sterbehilfe)

Die Würde des Menschen ist unantastbar Eine Herausforderung moderner Palliativmedizin

Rechtliche Dimensionen der Sterbehilfe

Vorwort Einfuhrung der 1. Auflage von Auszüge aus Texten der Evangelischen Kirche in Deutschland 17

Erklärung. Augsburger Hospiz- und Palliativversorgung e.v.

Sterben im Kulturellen Kontext

Autonomie am Lebensende ist denn das die Möglichkeit? Katrin Schlachte Hospizdienst Elisa Zwickau Sächsische Krebsgesellschaft Bad Elster 7.9.

DÜRFEN ÄRZTE BEIM STERBEN HELFEN? Pfarrer Richard Schuster Ethikforum Klinikum Nürnberg 2. Vorsitzender

Hospiz und Palliativpflege im stationären Bereich

Gefahr einer Verrechtlichung des Sterbens begegnen

Stellungnahme. des. Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands. zur

Sterben in Würde DEBATTE: LEBENSENDE

Patientenverfügungen in der klinischen Praxis

Würde des Menschen im letzten Lebensabschnitt Palliativ- u. Hospiz-Versorgung sichern

Ethische Fragen am Lebensende. Landeskirchlicher Hospiztag Hannover, Programm

Palliativ Care Rechtliche Aspekte. Hygienetag 2018

Leitbild. In einer erweiterten Perspektive hat Omega 90 das Ziel, eine Kultur des Lebens zu fördern, die die Realität des Todes miteinschließt.

Sterben zulassen. Ernst Ankermann. Selbstbestimmung und ärztliche Hilfe am Ende des Lebens. Ernst Reinhardt Verlag München Basel

Julia Klöckner, MdL. Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz. Orientierungsdebatte zur Sterbebegleitung


Ärztlich assistierte Selbsttötung. Normative und praktische Herausforderungen Villigst Gliederung

Selbst bestimmt sterben Was es bedeutet was uns daran hindert wie wir es erreichen können

Wie möchten die Menschen sterben. Welche Probleme ergeben sich daraus? Dr.med. Regula Schmitt Tila Stiftung, Bern

Der Patientenwille. Ein Ratgeber für Angehörige, Betreuer, Bevollmächtigte, Ärzte, Pflegekräfte, Seelsorger und andere. von Dr. med.

WIR BEGLEITEN MENSCHEN

Palliative Basisversorgung

In Würde sterben. Leitantrag der Jungen Union Schleswig-Holstein. zum Schleswig-Holstein-Rat. am 30. November 2014 in Scharbeutz

Nordische Hospiz- und Palliativtage Zukunft: bewahren verändern gestalten

Beihilfe zur Selbsttötung, Tötung aus Mitleid, Tötung auf Verlangen?

Sterbehilfe in Deutschland Begriffe Ängste - Perspektiven

Gemeinsame Stellungnahme

046 Bedürfnisse in der letzten Lebensphase: Wenn nichts mehr zu machen ist...

Und wo bleibt da die Ethik?

Palliative Care Kompetenzzentrum. Palliative Care Kompetenzzentrum. Akutspital Psychiatrie Geriatrie Palliative Care

Wertigkeit von Patientenverfügungen aus ärztlicher Sicht

Ich will nicht mehr leben!

PD Dr. med. Jan Schildmann, M.A. Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin Ruhr-Universität Bochum

Suizid und Suizidbeihilfe Sitzung des Deutschen Ethikrats

Im Wohnheim sterben? Ausgangslage und Handlungsmöglichkeiten in den Schweizer Wohnheimen der Behindertenhilfe.

Rede zum Thema. Patientenverfügung. gehalten vor dem XVI. Deutschen Bundestag Berlin, den 29. März Sperrfrist: Beginn der Rede!

Recht zu leben. Recht zu sterben Ä R Z T E K A M M E R B E R L I N

Selbstbestimmtes Entscheiden im Krankheitsfall

Palliative Versorgung dementer Patienten in Pflegeheimen. Elke Fischer

Palliative Care. In der Begleitung von Menschen mit geistiger Behinderung


Katholische Hospitalgesellschaft Südwestfalen ggmbh

Charta Palliative Care. Grundsätze der palliativen Behandlung und Betreuung im Kanton Nidwalden

i n Inhaltsverzeichnis

Palliativmedizin - Individualisierte Therapie und psychosoziale Versorgung - Ulrike Bock / Hubert J. Bardenheuer

Befragung der Mitarbeitenden

Zulässigkeit der Sterbe- und Suizidhilfe in den EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz

P A L L I A T I V E PA C L A L R IA E T IVE C A R E

Die Würde des Menschen ist unantastbar

Inhalt. Autonomie, Abhängigkeit und Würde am Lebensende. Wie ich sterben will 5

Grauzone Sterbehilfe Sterben an der Hand statt durch die Hand

Wie sterben Menschen in Deutschland

Prof. Dr. Volker Lipp. Patientenautonomie. in der Rettungsmedizin. Prof. Dr. iur. Volker Lipp. Zentrum für Medizinrecht, Universität Göttingen

Sterben in Würde. Worum geht es eigentlich?

25. Dresdner Pflegestammtisch

Selbstbestimmt Leben

Dialyse bei hochbetagten Patienten Ethische Aspekte D R. M E D. S U S A N N E K U H L M A N N, M. M E L

Haltungen in der Bevölkerung zur Palliativversorgung und zur ärztlich assistierten Selbsttötung eine repräsentative Umfrage

Unheilbar krank und jetzt?

Das Thema Suizidassistenz in Deutschland Eine Studie von infratest dimap im Auftrag der Deutschen PalliativStiftung

Ethik in der Pflege unter besonderer Berücksichtigung der Hospiz- und Palliativversorgung

Best Practice erfolgreiche Projekte aus der Praxis Palliative Care

Informationsveranstaltung: Patientenvorsorge

Patientenverfügung. Ich,. wohnhaft in

Selbstbestimmt sterben

Kurzbeschreibung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV)

Rechtliches am Lebensende

Grundsätze für die Begleitung von Sterbenden

Interprofessioneller Pflegekongress Rechtliche Grauzone in der Versorgung von älteren Palliativ-Patienten

Palliativmedizinischer Konsiliardienst Informationen für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter

Sterbebegleitung Sterbehilfe gegen die Begriffsverwirrung und für christliche Zuwendung auf einem entscheidenden Weg Sterbebegleitung aktiv indirekt a

Therapieentscheidungen und vorausschauende Planung für die letzte Lebensphase

Unheilbar krank und jetzt?

Patientenverfügung. Ich: geb. am: wohnhaft in:

Sterbehilfe - Gesetzliche Regelung? Befragte ab 18 Jahren

Patientenverfügung. Ich,. geb. am. wohnhaft in...

Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen 09/2005 Averosa Auszug Quelle: Deutsches Zentrum für Altersfragen/ Runder Tisch Pflege

Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen

Patientenverfügung, die Freiheit nehme ich mir. Verbindlichkeit und Grenzen der Patientenautonomie.

WHO Definition von "Palliative Care

Therapieentscheidungen am Lebensende

Selbstbestimmt leben bis zuletzt


Transkript:

Initiative zur sterbebegleitung des Bischofs von Essen, Des rates für Gesundheit und Medizinethik im Bistum Essen, Des Juristenrates im Bistum Essen und der Katholischen Akademie Die Wolfsburg Der Bischof von Essen Dr. Franz-Josef Overbeck

Impressum Katholische Akademie Die Wolfsburg Falkenweg 6 45478 Mülheim an der Ruhr www.die-wolfsburg.de Gestaltung: Ludger Klingeberg

Initiative zur Sterbebegleitung Initiative zur Sterbebegleitung Die nachfolgenden Thesen sind das Ergebnis intensiver Beratungen zwischen Vertretern der gesellschaftspolitischen Räte des Bischofs von Essen, des Rates für Gesundheit und Medizinethik und des Juristenrates sowie der Katholischen Akademie Die Wolfsburg. Außerdem gingen ihnen Diskussionsveranstaltungen voraus, bei denen die Thematik aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick genommen wurde, an denen sich beteiligten: Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck Dr. Volker Beck MdB, innen- und religionspolitischer Sprecher, Bündnis 90/Die Grünen; Kerstin Griese MdB, Vorsitzende des Ausschuss für Arbeit und Soziales; Prof. Dr. Andreas Jurgeleit, Richter am Bundesgerichtshof; Alexander Mauer und Stefan Schulte, Sprecher des Juristenrates im Bistum Essen; Prof. Dr. Christoph Müller-Busch, Palliativmediziner; Prof. Dr. Hans Georg Nehen, Geriater, Sprecher des Rates für Gesundheit und Medizinethik; Prof. Dr. Stella Reiter-Theil, Professorin für Medizin und Gesundheitsethik, Universitätsspital Basel; Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff, Moraltheologe, Freiburg und Mitglied des Deutschen Ethikrates; Abgeordnete der CDU/CSU Bundestagsfraktion, das Kommissariat der Deutschen Bischöfe Katholisches Büro in Berlin und die Mitglieder des Juristenrates und des Rates für Gesundheit und Medizinethik; Dr. Michael Schlagheck, Direktor der Katholischen Akademie Die Wolfsburg; Dr. Judith Wolf, Sozial- und Medizinethikerin, Katholische Akademie Die Wolfsburg; Dr. Stefan Nacke, Referent des Bischofs von Essen für Politik, Wirtschaft und Soziales; Tobias Henrix, Geschäftsführer der gesellschaftspolitischen Räte des Bischofs von Essen 3

Thesen 1. Die Debatte um die Beihilfe zum Suizid ist mit einem einseitigen Autonomiebegriff verbunden. Autonomie und Angewiesenheit gehören in gleicher Weise zur Grundkonstitution des Menschen. Der Mensch ist frei und zugleich als soziales Wesen immer auf andere angewiesen. Die Achtung vor der Selbstbestimmung Schwerkranker und Sterbender ist von hoher Bedeutung. Zugleich geht es aber nicht nur um das einseitige Ideal der Selbstbestimmung. Die Achtung vor der Würde des schwer kranken und sterbenden Menschen braucht mehr als bloßen Respekt vor dessen Selbstbestimmung. Schwerkranke und Sterbende sind wie andere Menschen in anderen Lebensphasen auch auf Fürsorge und Unterstützung, auf ausreichende medizinische Versorgung und pflegerische Betreuung, insbesondere aber auch mitmenschliche Nähe und Zuwendung angewiesen. Autonomie und Fürsorge gehören zur Grundkonstitution des Menschen. Die Achtung vor der Person des Schwerkranken und Sterbenden erfordert daher die Bereitschaft, ihm in der letzten Phase seines Lebens beizustehen und dafür ein Klima der Selbstverständlichkeit entstehen zu lassen, in dem sich jeder Mensch, alt oder jung, gesund oder krank, uneingeschränkt oder eingeschränkt leistungsfähig, vollständig akzeptiert weiß. 2. Es besteht grundsätzlich kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Die Rechtslage verwirklicht das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und ermöglicht ein menschenwürdiges Sterben. Die jetzige Rechtslage verwirklicht das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und ermöglicht ein menschenwürdiges Sterben. Jeder Patient hat das Recht zu bestimmen, ob und wie er behandelt wird. Er hat sogar das Recht, straffrei selbst aus dem Leben zu scheiden. Die Beihilfe zu einer solchen freiverantwortlichen Selbsttötung ist straflos. Das gilt auch für ärztliche Mitwirkungshandlungen. Die grundsätzliche Straflosigkeit der Beihilfe zur Selbsttötung ist im europäischen Kontext nicht selbstverständlich. So sehen England, Irland, Italien, Österreich, Polen, Portugal, Spanien und Wales ein vollständiges Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung vor. Dieses Selbstbestimmungsrecht gilt auch, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, seinen aktuellen Willen kundzutun. Die gültige Rechtslage ist geprägt durch das zum 01. September 2009 in Kraft getretene Patientenverfügungsgesetz, das die bisherige Rechtslage durchgreifend geändert hatte. Hiernach steht es jedem frei, durch die Bestimmung eines Bevollmächtigten und konkrete Anordnungen in Patientenverfügungen dafür Sorge zu tragen, dass ohne gerichtliche Verfahren ungewollte ärztliche 4

Initiative zur Sterbebegleitung Maßnahmen unterbleiben. Der Furcht einer Übertherapie ausgesetzt zu sein oder sich ungewollten Behandlungen unterziehen zu müssen, kann dadurch auch bei Nichteinwilligungsfähigkeit begegnet werden. Durch die heutigen Möglichkeiten der Palliativmedizin ist ein würdevolles Sterben innerhalb des rechtlichen Rahmens möglich, so wie es dem Patientenwunsch entspricht. Lehnt der Patient eine ärztlich angebotene Behandlung ab und nimmt damit einen schnelleren Todeseintritt in Kauf, muss der Arzt dem Willen des Patienten folgen. Dieser Vorgang wäre eine Änderung des Behandlungsziels und als Sterben lassen zu bezeichnen und ausdrücklich erlaubt. Er ist verbunden mit einer palliativen Versorgung, die das Leiden des Patienten, körperliche und seelische Schmerzen lindert. Umfragen zeigen, dass sich 60% der Befragten über die derzeitigen Regelungen nicht hinreichend informiert fühlen. Es bedarf einer weitergehenden Aufklärung sowohl der Patientinnen und Patienten als auch der Ärzte und Ärztinnen über das Patientenverfügungsgesetz von 2009 als auch über die Möglichkeiten der palliativen Versorgung. Die Dialogkompetenz von Ärzten und therapeutischen Teams in diesen Fragen muss gestärkt werden. 3. Die geschäftsmäßige bzw. organisierte Beihilfe zum Suizid sollte unter Strafe gestellt werden. Davon könnten Sterbehilfevereine aller Art und Mediziner erfasst werden, die die Beihilfe zur Selbsttötung als ärztliche Aufgabe verstehen. Sterbehilfevereine also kommerzielle oder ehrenamtliche Sterbeorganisationen und auch einzelne Ärzte, nutzen die Straffreiheit einer Beihilfe zum Suizid aus. Ihr Vorhandensein oder gar ihre Implementierung in das Gesundheitsrecht wären Ausdruck eines gesellschaftlichen Klimas, das geeignet ist, die Menschen in ihrer Entscheidung negativ zu beeinflussen. Es könnte mit zunehmender gesellschaftlicher Akzeptanz Druck auf Pflegebedürftige, Schwerkranke, und Angehörige entstehen. Ein besonderes Risiko besteht insbesondere unter dem starken Kostendruck im Gesundheitswesen. Bei der Diskussion um den ärztlich assistierten Suizid werden immer wieder qualvolle Todesverläufe angeführt, anhand derer nachvollzogen werden soll, warum ein Mensch nur noch diesen Ausweg aus seinem Leiden nehmen kann. Dies sind jedoch wenige Ausnahmen, wie alle Erfahrungen der Palliativmedizin zeigen. Bei einem Gesetzentwurf darf die Ausnahme nicht zur Regel werden. 5

4. Eine einheitliche Fassung des ärztlichen Standesrechtes im Sinne der Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung wäre wünschenswert, könnte insbesondere regionale Abweichungen und Inkonsistenzen beseitigen und die Rechte und Pflichten ärztlicher Kunst am Lebensende des Patienten nachvollziehbar und erkennbar einheitlich regeln. Die öffentlichen Diskussionen über die gesetzlich geregelte ärztliche Beihilfe zum Suizid haben gezeigt, dass in der Wahrnehmung vieler die Tatherrschaft in der Frage der Beihilfe zum Suizid nicht mehr beim Patienten, sondern eher beim Arzt liegt. Hier könnte eine Entwicklung ihren Gang nehmen, die Beihilfe zum Suizid als Aufgabe des Arztes betrachtet. Die Beihilfe zum Suizid als ärztliche Leistung widerspricht aber dem ärztlichen Ethos. 5. Die Möglichkeiten der Palliativmedizin müssen ausgebaut werden. Dies betrifft sowohl die palliative Versorgung in den Krankenhäusern, die spezialisierte ambulante Palliativmedizin als auch die allgemeine palliative Versorgung. Die Vermittlung von Kenntnissen in der Palliativmedizin müssen noch mehr als bisher in die ärztliche und pflegerische Ausbildung einbezogen werden. Ambulante palliative Dienste müssen gestärkt und ausgebaut werden. Nur ein wirklich flächendeckendes Netz, das palliative Versorgung unkompliziert sicherstellt, kann Betroffenen und deren Angehörigen Sicherheit für den letzten Lebensabschnitt geben. Hier müssen durch politische Entscheidungen die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden. Es ist eine öffentliche Debatte darüber notwendig, wie eine palliative Haltung und Versorgung gefördert werden kann. 6. Die jetzige Debatte muss als Wiederentdeckung einer Kultur des Lebens und Sterbens verstanden werden. Das Sterben ist integraler Bestandteil menschlichen Lebens und wird unter den richtigen Rahmenbedingungen zu einer intensiven Lebensphase. Die unterschiedlichen Phasen des Sterbens müssen als Teil des Lebens begriffen werden. Aus Studien zur Lebensqualität ist bekannt, dass Patienten Situationen, die sie in gesunden Tagen als nicht lebenswert erachtet haben, nun eine hohe Lebensqualität beimessen. Der Effekt beruht auf der Verschiebung von Wertigkeiten, die die Erkrankung mit sich bringt. Untersuchungen belegen, dass existenzielles Leiden bzw. schwere Erkrankung die Wahrnehmung körperlicher und geistiger Integrität und das subjektive Wohlbefinden in fundamentaler Weise verändern. Die Suche nach einer 6

Initiative zur Sterbebegleitung letzten gültigen Lebenserklärung bzw. einem Lebenssinn im Denken der Patienten gewinnt dabei tragende Bedeutung. Dieser Tatsache muss im Umgang mit Schwerstkranken und Sterbenden mehr Bedeutung zugemessen werden. Außerdem muss es darum gehen, Menschen in frühen Phasen, in denen sie mit der Diagnose einer zum Tode führenden Krankheit konfrontiert werden und sich mit dem baldigen Tod auseinandersetzen müssen, zu begleiten. In dieser frühen Phase und nicht vor allem am Lebensende werden Begleitende oft mit dem Suizidwunsch des Kranken konfrontiert. Deshalb muss es auch darum gehen, dass Ärzte, therapeutische Teams, Familien und andere Begleiter jedem Menschen am Ende des Lebens die Geborgenheit vermitteln, aus der eine autonome Entscheidung für das eigene Sterben getroffen werden kann. 7. Eine gute palliative Versorgung muss zum Profil jeder katholischen Einrichtung im Gesundheitswesen gehören. Die Kirchen als Träger zahlreicher Einrichtungen im Gesundheitswesen, insbesondere von Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten, müssen in ihren eigenen Einrichtungen eine Priorität auf den Ausbau palliativer Versorgung setzen und sie so weit voran treiben, wie es unter den gegebenen Rahmenbedingungen möglich ist. Außerdem muss in den Einrichtungen eine Auseinandersetzung mit dem ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Handeln in den Sterbeprozessen stattfinden. Alle Einrichtungen benötigen eine Sterbe- und Trauerkultur. Im Bistum Essen wird an diesem Prozess bereits intensiv gearbeitet. Das Projekt Christliches Profil Katholischer Krankenhäuser, ein gemeinsames Projekt der Katholischen Akademie Die Wolfsburg und der Kosmas und Damian GmbH, thematisiert dies mit den großen Krankenhausgesellschaften im Bistum. 7