Beurteilung verkehrslenkender Massnahmen beim Einkaufsverkehr unter besonderer Berücksichtigung verhaltensökonomischer Erkenntnisse

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Transkript:

Beurteilung verkehrslenkender Massnahmen beim Einkaufsverkehr unter besonderer Berücksichtigung verhaltensökonomischer Erkenntnisse Referat gehalten an der Fachtagung der Schweizerischen Bausekretärenkonferenz, am 27.06.2013 in Zug Gerhard Fehr, FehrAdvice & Partners AG

Inhalt 1. Was ist Verhaltensökonomie? 2. Relevante verhaltensökonomische Erkenntnisse für das Mobilitätsverhalten 3. Resultate einer Studie zu verkehrslenkenden Massnahmen beim Einkaufsverkehr FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 2

Bitte beantworten Sie nun folgende Fragen (I/III) 1 Ein Schläger und ein Ball kosten zusammen CHF 1.10. Wenn der Schläger einen Franken mehr kostet als der Ball, wie viel kostet dann der Ball? Resultate aus der Live-Abstimmung im Saal: 1. CHF 1.05 2. CHF 1.00 3. CHF 0.20 4. CHF 0.10 5. CHF 0.05 70% 17% 7% 3% 3% 1 2 3 4 5 FehrAdvice & Partners AG, Juli 13 3

Bitte beantworten Sie nun folgende Fragen (II/III) 2 Wenn es bei 5 Maschinen 5 Minuten braucht um 5 Produkte zu fertigen, wie lange brauchen 100 Maschinen um 100 Produkte zu fertigen? Resultate aus der Live-Abstimmung im Saal: 1. 1 Minuten 2. 5 Minuten 3. 10 Minuten 4. 20 Minuten 5. 100 Minuten 57% 17% 10% 7% 10% 1 2 3 4 5 FehrAdvice & Partners AG, Juli 13 4

Bitte beantworten Sie nun folgende Fragen (III/III) 3 In einem See wird eine Fläche von Seerosen bedeckt. Da die Seerosen neue Blätter bilden, verdoppelt sich die bedeckte Fläche jeden Tag. Wenn es 48 Tage dauert, bis die Seerosen den gesamten See bedecken, wie lange dauert es, bis die Seerosen den halben See bedecken? Resultate aus der Live-Abstimmung im Saal: 1. 6 Tage 2. 12 Tage 3. 24 Tage 4. 36 Tage 5. 47 Tage 30% 57% 10% 0% 3% 1 2 3 4 5 FehrAdvice & Partners AG, Juli 13 5

Der Mensch denkt in zwei verschiedenen Systemen einerseits intuitiv und impulsiv sowie andererseits rational und langsam Die vorherigen Fragen stammen aus dem Cognitive Reflection Test von Shane Frederick Die richtigen Antworten sind die folgenden: Der Ball kostet 5 Rappen (intuitiv: 10 Rappen) Die 100 Maschinen brauchen 5 Minuten (intuitiv: 100 Minuten) für 100 Produkte Es dauert 47 Tage (intuitiv: 24 Tage) bis die Seerosen den halben See bedecken Menschen denken in zwei Systemen*: System 1 ist......intuitiv,...schnell und...impulsiv. System 2 im Gegensatz ist......rational,...langsam und...faul. System 1 bewirkt, dass Leute in gewissen Situationen ungeduldig sind eine geringe Selbstkontrolle haben und ein geringes Durchhaltevermögen aufweisen. System 2 ist problemlos in der Lage, die gestellten Aufgaben zu lösen, wird oft aber gar nicht erst in die Entscheidung involviert. *Kahneman, D. (2011). Thinking, Fast and Slow. FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 6

Sie möchten gerne ein Wochenende in einer europäischen Stadt verbringen. Bitte entnehmen Sie dem Handout die verschiedenen Angebote und wählen Sie eines davon aus. 4 Welches Angebot wählen Sie? (Die entsprechenden Fragen des Handouts sind der nächsten Seite zu entnehmen) Resultate aus der Live-Abstimmung im Saal: Gruppe 1 Gruppe 2 100% 100% 80% 80% 73% 1. Option 1 2. Option 2 3. Option 3 60% 40% 20% 0% 56% 44% 1 2 60% 40% 20% 0% 27% 0% 1 2 3 FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 7

Die Berücksichtigung scheinbar irrelevanter Optionen beeinflusst Entscheidungen massgeblich Choice Architecture Die Entscheidung hängt stark von der Gestaltung der Optionen ab Die Menschen bewerten die Alternativen meist relativ zueinander Prinzip der Asymmetric Dominance Auch eine minderwertige Alternative beeinflusst die Entscheidung: Sogar wenn diese Option von niemandem gewählt wird, wirkt sie als Entscheidungshilfe Paris oder Rom Wochenend-Ausflug* Wählen Sie aus den folgenden Angeboten ihr favorisiertes Reisepaket aus: Paris oder Rom Wochenend-Ausflug* Wählen Sie aus den folgenden Angeboten ihr favorisiertes Reisepaket aus: 1. Ein Wochenende in Paris mit kostenlosem Frühstück 2. Ein Wochenende in Rom mit kostenlosem Frühstück 52% 48% 1. Ein Wochenende in Paris mit kostenlosem Frühstück 2. Ein Wochenende in Paris ohne kostenloses Frühstück 3. Ein Wochenende in Rom mit kostenlosem Frühstück 84% 0% 16% *Ariely, D. (2008). Predictably Irrational: The Hidden Forces That Shape Our Decisions. FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 8

Ihre Einschätzung ist gefragt! 5 Was denken Sie passiert, wenn ein Kindergarten Strafgebühren einführt für Eltern, die ihre Kinder zu spät abholen? Resultate aus der Live-Abstimmung im Saal: 39% 1. Die Eltern kommen viel pünktlicher 2. Die Eltern kommen ein bisschen pünktlicher 3. Die Eltern kommen noch später 4. Nichts 27% 21% 12% 1 2 3 4 FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 9

Die Einführung einer Strafgebühr hat einen gegenteiligen Effekt auf das Verhalten der Eltern Die Pünktlichkeit von fast doppelt so vielen Eltern verschlechtert sich Die Strafgebühr wird zum Preis: Eine Studie testete die Einführung einer Strafgebühr von umgerechnet 2,55 CHF für Eltern, die ihre Kinder mehr als zehn Minuten zu spät abholen Die Folge war, dass immer mehr Eltern zu spät kamen, teilweise sogar später als zuvor Dies besserte sich auch nach der Abschaffung der Strafgebühr nicht mehr Vor der Einführung der Strafgebühr wussten Eltern nicht, wie schlecht es war zu spät zu kommen Die Gebühr gab den Eltern einen Preis für die Schwere des Zuspätkommens Dies widerspricht der Hypothese der hinreichenden Abschreckung, nach der Sanktionen, die alles andere unverändert lassen, das Vorkommen des sanktionierten Verhaltens tatsächlich senken Quelle: Gneezy und Rustichini (2000). A fine is a price. FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 10

Ihre Fähigkeiten als Autofahrer sind gefragt! 6 Wie schätzen Sie Ihre Fähigkeiten als Autofahrer im Vergleich zu den Kollegen im Raum ein? Resultate aus der Live-Abstimmung im Saal: 30% 33% 1. Viel besser 2. Ein bisschen besser 3. Etwa gleich 4. Ein bisschen schlechter 5. Viel schlechter 9% 21% 6% 1 2 3 4 5 FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 11

Overconfidence ist ein weitverbreitetes Phänomen Overconfidence im Autoverkehr erschwert die Einführung von Massnahmen zur Verhaltensänderung Überschätzung der eigenen Fähigkeiten: Da es sich um eine relative Betrachtung der anwesenden Personen handelt, sollten die Anteile unter und über dem Durchschnitt gleich gross sein Annahme: ungefähr eine Normalverteilung ++ + Ø - -- Eine Vielzahl empirischer Studien belegen, dass Menschen ihre Fähigkeiten und Leistung systematisch überschätzen Männer überschätzen sich stärker als Frauen (was sich schon im Kindesalter zeigt) Dies kann dazu führen, dass Individuen die Auswirkungen ihres Mobilitätsverhalten schlechter einschätzen können und somit nicht bereit sind, Verhaltensänderungsmassnahmen wahrzunehmen FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 12

Das standardökonomische Modell des rational handelnden «homo oeconomicus» scheint in den meisten Fällen nicht zu greifen Standardökonomisches Modell des menschlichen Verhaltens Der Mensch handelt eigeninteressiert und rational, d.h. er/sie verfügt über vollständige Informationen und wägt alle Kosten und Restriktionen im Verkehr ab, um sein/ihr Verkehrsverhalten möglichst nutzenmaximierend zu gestalten. Nutzenfunktion des Individuums Kosten Nutzen Die vorherigen Beispiele zeigen, dass die Annahme des allzeit rational handelnden Individuums revidiert werden muss Menschen handeln oft nicht rational! FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 13

Empirische Daten belegen, dass der Mensch systematische Abweichungen von rationalem Verhalten aufweist Die experimentelle, evidenzbasierte Ökonomie hat nachgewiesen, dass Menschen systematisch vom rationalen Verhalten abweichen Diese Muster in der Fachsprache oft als «biases» oder Verzerrungen bezeichnet werden seit rund 30 Jahren mittels Labor- und Feldexperimenten empirisch erforscht Verhaltensökonomische Erkenntnisse als Erweiterung des klassischen Modells Viele Autofahrer berechnen die Zeit für die Parkplatzsuche nicht ein, wenn sie ihre Fahrzeit mit der Fahrzeit mit Öffentlichen Verkehrsmitteln (ÖV) vergleichen Unsichere/inexakte Einschätzungen Begrenzte Willenskraft Manche Verkehrsteilnehmer fahren zur Spitzenzeit, weil sie nicht früher aufstehen wollen Autofahrer gewichten Umweltanliegen weniger stark als ÖV-Fahrer Eigennutz vs. Soziale Präferenzen Soziale Normen Manche Verkehrsteilnehmer fahren zur Spitzenzeit, weil sie zur gleichen Zeit wie ihre Kollegen ankommen wollen FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 14

Inhalt 1. Was ist Verhaltensökonomie? 2. Relevante verhaltensökonomische Erkenntnisse für das Mobilitätsverhalten 3. Resultate einer Studie zu verkehrslenkenden Massnahmen beim Einkaufsverkehr FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 15

Ihre Einschätzung ist gefragt! 7 Ist die Wahrscheinlichkeit grösser, durch eine Haiattacke oder durch vom Himmel fallende Flugzeugteile zu sterben? Resultate aus der Live-Abstimmung im Saal: 76% 1. Haiattacke 2. Vom Himmel fallende Flugzeugteile 24% 1 2 FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 16

Der Mensch wählt häufig die scheinbar naheliegendste Alternative Die meisten Menschen glauben, dass die Wahrscheinlichkeit grösser ist, durch eine Haiattacke zu sterben Jedoch ist das Gegenteil der Fall im Verhältnis 30:1 Availability Bias (Verfügbarkeitsheuristik) Beispiel aus dem Mobilitätsbereich: Alternativen, die kognitiv leichter verfügbar sind, werden häufiger gewählt als solche, die weniger gut verfügbar sind Personen wählen deshalb oft die scheinbar naheliegendste Alternative Das Auto stellt für Autofahrer die subjektiv naheliegendste Alternative dar Autofahrer wählen auch dann das Auto, selbst wenn der ÖV objektiv mehr Vorteile aufweist FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 17

Bitte lesen Sie nun die Frage auf Ihrem Handout und treffen Sie eine Investitionsentscheidung 8 Welche Option wählen Sie? (Die entsprechenden Fragen des Handouts sind der nächsten Seite zu entnehmen) Resultate aus der Live-Abstimmung im Saal: Gruppe 1 Gruppe 2 100% 100% 93% 80% 72% 80% 60% 60% 1. Option 1 40% 28% 40% 2. Option 2 20% 20% 7% 0% 1 2 0% 1 2 FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 18

Wie eine Entscheidung geframed wird, hat einen massgeblichen Einfluss darauf, wie sich Menschen entscheiden Je nach Framing über Gewinne oder Verluste werden andere Risikopräferenzen aktiviert Gruppe A: Stellen Sie sich vor, dass Ihre Firma 300 Mio. CHF Cash übrig hat. Bei einem laufenden Projekt haben Sie nur zwei verschiedene Investitionsmöglichkeiten: Gruppe B: Stellen Sie sich vor, dass Ihre Firma 500 Mio. CHF Cash übrig hat. Bei einem laufenden Projekt haben Sie nur zwei verschiedene Investitionsmöglichkeiten: Option 1: Ein garantierter Gewinn von CHF 100 Mio Option 2: Mit 50% Wahrscheinlichkeit machen Sie einen Gewinn von CHF 200 Mio und mit 50% Wahrscheinlichkeit keinen Gewinn Option 1: Ein garantierter Verlust von CHF 100 Mio Option 2: Mit 50% Wahrscheinlichkeit verlieren Sie nichts und mit 50% Wahrscheinlichkeit verlieren Sie CHF 200 Mio in Cash FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 19

Disnutzen Nutzen Die Prospect Theory von Kahneman erklärt, wie Framing-Effekte wirken Das Framing bestimmt, ob etwas als Gewinn oder Verlust empfunden wird Verluste haben ein stärkeres Gewicht als Gewinne in derselben Grösse Verlustaversion und Status Quo Bias: Beispiel aus dem Mobilitätsbereich: Prospect Theory* Referenzpunkt Verluste Gewinne Eine Verbesserung der ÖV-Infrastruktur stellt zwar einen Gewinn dar, wiegt aber weniger stark für Autofahrer Autofahrer behalten den status quo bei und fahren weiter Auto Autofahrer, die mit weniger Parkplätzen an ihrem Einkaufsort konfrontiert sind, gehen oft ein Risiko ein Sie fahren zu einem anderen Einkaufsort und riskieren noch mehr Zeit durch Parkplatzsuche zu verlieren Quelle: Kahneman und Tversky (1979) * Kahneman, D., Tversky. A. (1979): Prospect Theory FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 20

Versetzen Sie sich in die Situation auf Ihrem Handout: Wie würden Sie entscheiden? 9 Werden Sie die Schuhe in Zukunft tragen? (Die entsprechenden Fragen des Handouts sind der nächsten Seite zu entnehmen) Resultate aus der Live-Abstimmung im Saal: Gruppe 1 Gruppe 2 100% 80% 100% 80% 88% 1. Ja 60% 40% 56% 44% 60% 40% 2. Nein 20% 20% 13% 0% 1 2 0% 1 2 FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 21

Vor dieselbe Entscheidung gestellt, verhalten sich Menschen unterschiedlich je nach Ausgangslage Ob eine Investition selbst getätigt wurde oder ein Geschenk war, beeinflusst das menschliche Verhalten in einer Entscheidungssituation Gruppe A: Gruppe B: Sie haben ein schönes neues Paar Schuhe für CHF 350 gekauft. Als Sie die Schuhe am nächsten Tag anziehen, merken Sie, dass die Schuhe ziemlich unbequem sind, wenn Sie laufen. Werden Sie die Schuhe in Zukunft tragen? Sie haben ein schönes neues Paar Schuhe für CHF 350 geschenkt bekommen. Als Sie die Schuhe am nächsten Tag anziehen, merken Sie, dass die Schuhe ziemlich unbequem sind, wenn Sie laufen. Werden Sie die Schuhe in Zukunft tragen? 1. Ja 2. Nein 1. Ja 2. Nein FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 22

Menschen tendieren dazu ihre Entscheidung von getätigten Ausgaben abhängig zu machen Bereits angefallene (irreversible) Kosten werden oft irrational für momentane Entscheidungen berücksichtigt Sunk Cost Fallacy Beispiel aus dem Mobilitätsbereich: Die Sunk Cost Fallacy beschreibt die Tendenz, vergangene Investitionen in einen Entscheidungsprozess mit einzubeziehen Dies, obwohl diese Kosten zum Zeitpunkt der Entscheidung keine Rolle mehr spielen sollten Vergangene Investitionen in ein Auto werden nicht als sunk betrachtet, folglich wird das Auto öfters verwendet («man muss es ja ausnutzen») Autofahrer denken: Ich habe ein Auto gekauft, also benutze ich es auch 81% der Besitzer eines teuren Autos (>40 000 CHF) und 60% der Besitzer eines günstigen Autos (<15 000 CHF) nutzen dieses für den Arbeitsweg Dies, obwohl ihnen bekannt ist, dass die Benutzung des ÖV günstiger wäre Quelle: FehrAdvice Research FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 23

Systematische Verzerrungen, die das Verkehrsverhalten beeinflussen Availability Bias Der Availability Bias bezeichnet eine Heuristik (Faustregel), die auf Verfügbarkeit basiert. So werden Alternativen, welche kognitiv leichter verfügbar sind, häufiger gewählt als solche, die weniger gut verfügbar sind. Autofahrer, beispielsweise, verwenden ihr Auto oft auch, weil dies das scheinbar naheliegendste Verkehrsmittel darstellt Status Quo Bias Mit Status Quo Bias ist die Tendenz von Menschen gemeint, Dinge so zu belassen wie sie sind. So ist auch das Verkehrsverhalten häufig von Gewohnheiten geprägt: Für MIV-Fahrer scheinen die potenziellen Nachteile eines Wechsels auf den ÖV schwerer zu wiegen als deren mögliche Vorteile Sunk Cost Fallacy Die Sunk Cost Fallacy kommt zur Geltung, wenn Menschen aktuelle Entscheidungen mit in der Vergangenheit getätigten Ausgaben begründen, obwohl die Kosten zum Zeitpunkt der Entscheidung aus rationaler Sicht keine Rolle mehr spielen dürften. Beispielsweise hat die Anschaffung eines Autos häufig eine Auswirkung auf das Verhalten der Verkehrsteilnehmer und verringert die Wechselbereitschaft auf den ÖV FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 24

Inhalt 1. Was ist Verhaltensökonomie? 2. Relevante verhaltensökonomische Erkenntnisse für das Mobilitätsverhalten 3. Resultate einer Studie zu verkehrslenkenden Massnahmen beim Einkaufsverkehr FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 25

Verhaltensmuster im Kontext verkehrslenkender Massnahmen beim Einkaufsverkehr (I/II) Ausser diesen allgemeinen systematischen Verzerrungen, die sich auch im Mobilitätsverhalten des Menschen widerspiegeln, gibt es zusätzlich Verhaltensmuster, die einen besonderen Bezug auf verkehrslenkende Massnahmen beim Einkaufsverkehr haben: Niedrige Preiselastizität: Nicht-Substituierbarkeit von Auto und ÖV : Im Bereich der Mobilität gilt oft eine niedrige Preiselastizität Dies gilt sowohl für den Benzinpreis als auch für Parkgebühren Parkplatzgebühren machen im Verhältnis zum verfügbaren Budget lediglich einen geringen Teil aus Die Preiselastizität beim Einkaufsverkehr ist noch dazu geringer als bei anderen Verkehrszwecken Menschen handeln oft nur bedingt rational und treffen unsichere Einschätzungen Es gelingt ihnen nicht immer, alle Informationen adäquat zu verarbeiten Auto und ÖV werden oft subjektiv nicht als gleichwertige bzw. austauschbare Substitute wahrgenommen, auch wenn dies aus objektiv rationaler Sicht durchaus denkbar ist FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 26

Verhaltensmuster im Kontext verkehrslenkender Massnahmen beim Einkaufsverkehr (II/II) Weniger starke Wahrnehmung von Gewinnen: Bessere ÖV-Erschliessungsqualität wird von den Kunden in der Regel grundsätzlich als Gewinn betrachtet Die verhaltensökonomische Forschung zeigt jedoch, dass Gewinne in der Regel subjektiv weniger stark wahrgenommen werden als gleichwertige Verluste Die Erweiterung des ÖV-Angebots ist für den MIV-Kunden mit keinerlei Verlusten verbunden Aus Sicht des MIV-Kunden wird sich der Nutzenunterschied zwischen ÖV und MIV nur schwach verändern FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 27

Begrenzt rationale Verhaltensmuster beeinflussen das menschliche Verhalten beim Einkaufsverkehr Verkehrslenkenden Massnahmen beim Einkaufsverkehr werden in ihrer Wirkung durch folgende Verhaltensmuster beeinflusst: Availability Bias Status Quo Bias Sunk Cost Fallacy Subjektiv wahrgenommene Nicht-Substituierbarkeit von MIV und ÖV Niedrige Preiselastizität im Bereich der Einkaufsmobilität Geringe Belastung des verfügbaren Budgets durch zusätzliche Gebühren FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 28

Untersuchte verkehrslenkende Massnahmen beim Einkaufsverkehr Direkt wirkende verkehrslenkende Massnahmen: 1 2 3 Parkplatzbewirtschaftungspflicht Beschränkung der Parkplatzzahl Erhöhung der ÖV- Erschliessungsqualität Erhebung von Parkplatzgebühren auf öffentlich zugänglichen, aber in privatem Eigentum stehenden Parkplätzen Quantitative Beschränkung der Anzahl von Parkplätzen auf öffentlich zugänglichen, aber in privatem Eigentum stehenden Parkplätzen Angebotserweiterung des ÖV, welche jedoch bei Autofahrern nicht in bestehende Verhaltensstrukturen eingreift Nicht direkt wirkende verkehrslenkende Massnahmen: 4 5 6 Fahrtenmodell Fahrleistungsmodell Modal-Split-Vorgaben Beschränkung der Anzahl der Fahrten pro Zeiteinheit Fahrleistungskontingentierung Festgelegte MIV-ÖV-Anteile am Verkehrsaufkommen Reine Zielvorgaben Keine direkte Wirkung per se Bei Überschreitung der Vorgaben müssen zusätzliche Massnahmen ergriffen werden (siehe Massnahmen 1-3) FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 29

Eine PP-Bewirtschaftungspflicht, eine PP-Beschränkung sowie eine höhere ÖV- Erschliessung haben fast gar keinen Einfluss auf das Mobilitätsverhalten Parkplatzbewirtschaftungspflicht Die Einführung von Parkplatzgebühren bewirkt in der Regel keine Verhaltensänderung Möglicherweise fahren einige wenige Autofahrer zu einem anderen Einkaufsort, falls im Umkreis eine angemessene Alternative vorhanden ist Insgesamt ist höchstens mit einem minimalen Umsteigeeffekt von Auto auf ÖV zu rechnen Beschränkung der Parkplatzzahl Für regelmässige Einkäufe des täglichen Bedarfs ist eine Fahrtenverlagerung zu einer alternativen Einkaufsmöglichkeit eher wahrscheinlich; für unregelmässige Einkäufe dagegen eher unwahrscheinlich Insgesamt ist höchstens mit einem minimalen Umsteigeeffekt von Auto auf ÖV zu rechnen Erhöhung der ÖV- Erschliessungsqualität Autofahrer ziehen eine Fahrtenverlagerung als Verhaltensanpassung nicht in Betracht, da die Massnahme nicht beschränkend wird Allenfalls ein minimaler Anteil an Autofahrern steigt auf den ÖV um Sowohl die Parkplatzbewirtschaftungspflicht als auch die Beschränkung der Parkplatzzahl führen in der Regel aufgrund der beschriebenen begrenzt rationalen menschlichen Verhaltensmuster höchstens zu Fahrtenverlagerungen Eine Erhöhung der ÖV-Erschliessungsqualität wird obwohl es sich um eine Angebotserweiterung handelt von den MIV-Kunden subjektiv nicht als solche wahrgenommen und deshalb kaum genutzt Deshalb sind bei allen Massnahmen nur minimale Umsteigeeffekte von MIV auf ÖV/LV zu erwarten FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 30

Wissen statt Glauben! Die Nachfrage nach evidenzbasierten Lösungen im Mobilitätsbereich steigt: Damit wichtige Verkehrsfragen in Zukunft weniger von ideologischen Konflikten und vordergründig plausiblen, aber letztlich spekulativen Meinungen geprägt sind, benötigen wir eine politische Kultur der «evidenzbasierten Entscheidungsfindung». Nicht glauben, sondern wissen so muss die Maxime in Zukunft lauten! Amt für Verkehr Zürich http://www.zukunft-urbane-mobilitaet.ch Bundesamt für Raumentwicklung FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 31

Wir beraten Sie gerne, wenn es um innovative Lösungen von Verkehrsproblemen in Ihrer Region geht Das Management Team von FehrAdvice besteht aus Experten aus Wirtschaft und Praxis: Univ. Prof. Ernst Fehr Chairman of the Board Bergstrasse 114 8032 Zürich Tel: +41 44 256 79 00 ernst.fehr@fehradvice.com Harald P. Stoehr Managing Partner Bergstrasse 114 8032 Zürich Tel: +41 44 256 79 00 harald.stoehr@fehradvice.com Gerhard Fehr CEO and Managing Partner Bergstrasse 114 8032 Zürich Tel: +41 44 256 79 00 gerhard.fehr@fehradvice.com FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 32

Kontakt FehrAdvice & Partners AG Bergstrasse 114 8032 Zürich info@fehradvice.com www.fehradvice.com FehrAdvice & Partners AG, Juni 2013 33