Was macht erfolgreichen Unterricht aus? Antworten der internationalen empirischen Unterrichtsforschung Prof. Dr. Rainer Dollase Universität Bielefeld, Abt. Psychologie SINUS an Grundschulen Halberstadt, den 6.Juni 2013
Meine Gleichaltrigen
1970-2011 in der Lehrer- und Lehrerinnenausbildung tätig ca.4000 LA Prüfungen
Biographische Vorbemerkungen...
Otto Coenen ausschließlich Frontalunterricht
Günther Tannwitz Ausschließlich Frontalunterricht
Haben wir früher nur Vorträge konsumiert? Unterricht Hausaufgaben Feedback: Hausaufgaben jedes mal nachgesehen Feedback: Lange Rückmeldungen nach Klassenarbeiten
Prinzipien
Prinzip 1: Jede Alltagserfahrung muss mit einer richtigen Theorie erklärt werden können - alles andere wäre Schwäche der Theorie
Prinzip 2: Empirische Wissenschaft erklärt nicht alles- Notwendigkeit des praktischen Handelns
Prinzip 3 Fälschungen müssen entlarvt werden
Die Originale Chi u.a. 1983 bzw. Dale
Von den Besten lernen? z.b.finnland Finnland Bewertung Hattie,2009 Situation in Deutschland Bildungsgerechtigkeit, Gesamtschule Gesamtschule lehrerzentrierter Unterricht fast nur Akademikerkinder kommen an die Uni haben auch PISA Verlierer ability grouping d=+0,11 positiv (d = +0,60) activator vs. facilitator wurde lange verschwiegen hier ein erstrebenswertes Ziel für viele gilt hier als altmodisch, wird kritisiert Einschulung mit 7 Jahren positiv (d=+0,50) gilt hier als altmodisch strenge Auswahl der Bewerber für das Lehramt 2,5% der SchülerInnen haben Zuwanderungshintergrund Lehrerausbildung wie bei uns positiv (d immer über +0,50) ist eine Erleichterung unklar Lehrermangel verhindert Selektion Land hat neue Zuwanderung nötig Ratlosigkeit - keiner macht die eigentlich Schuldigen aus multiprofessionelle Teams positiv gilt hier als unfinanzierbar
Prinzip 4 Praxisbeobachtungen wichtig auch das pädagogisch Wertvolle, z.b. Gruppenarbeit und Experimente können misslingen...
PISA E 2009
Bsp. trockene Destillation... Spiritusbrenner, Reagenzglas mit organischem Material, Halter für Reagenzglas
Prinzip 5 Anspruchsniveau erhöhen: What works? oder What works best? (Hattie 2009)
Hattie, (2009)
Prinzip 6 Wissenschaft muss praktischer werden - Praxis wissenschaftlicher
Gliederung 1. Guter Unterricht im Spiegel der internationalen empirischen Unterrichtsforschung 2. Classroom Management: Beobachtungen - Probleme- Perspektiven der Optimierung 3. Wie bringt man Menschen zur Veränderung ihres Verhaltens?
1. Guter Unterricht im Spiegel der internationalen empirischen Unterrichtsforschung
Was ist empirische Unterrichtsforschung? experimentelle Überprüfung der Effekte von Unterrichtsmethoden - Versuchs- und Kontrollgruppe nötig (Bsp. Rechtschreibwerkstatt) oder Vergleichsgruppe (Bsp. Puhani und Weber) Längsschnittliche Überprüfung der Effekte von Unterrichtsmethoden (Bsp. PISA Längsschnitt, 2006) One shot Messungen - z.b. PISA, Vergleichsarbeiten (keine sicheren Kausalitäten ermittelbar) Korrelative Studien - one shot und Zusammenhänge (Bsp. Volkswirtschaftliche Daten der Länder und PISA Mittelwert; sog. Bildungsforschung ) (keine sicheren Kausalitäten ermittelbar)
Überinformation - Hits in Datenbanken zu Unterrichtsthemen (2007) (ERIC, Psycinfo, PsycBOOKS, PSYNDEX) education = 1.042.376 aggression = 34.293 prejudice = 9.359 heterogeneous groups = 561 teaching = 311.349 instruction = 268.349 class = 114.490 tuition = 5.945 learning = 487.543
Von Metaanalysen lernen...... die Zusammenfassung möglichst vieler Untersuchungen, auch solcher, die keine sicheren kausalen Schlüsse erlauben - Ergebniswiederholungen an verschiedenen Stichproben (Replikationen) machen aber kausale Schlussfolgerungen etwas sicherer..
Hattie (2009) Die Sensation in Fachkreisen Zusammenfassung von ca.60 000 Studien deutsche Übersetzung 23.April 2013, Schneider Verlag Hohengehren
Dezember 2011 dt. Januar 2014 Januar 2013
Haupttendenzen der Zusammenstellung von Hattie Bedeutung des Lehrers ist groß (teacher matters) (Organisatorische und strukturelle Variablen sind schwächer) Lehrerzentrierter Unterricht ist bei aktivem Lernen der Schüler besser - reformpädagogische Ansätze schneiden nur schwach ab innere wie äußere Differenzierung wirken nur schwach
Bedeutung des Lehrers ist groß (teacher matters)
Achtung: nicht identisch - andere Aussage aus Hattie 2003
GEO 2/2011, S.32
GEO 2/2011, S.32
Die Lehrer- Schüler Beziehung ist wichtig
Lehrerzentrierter Unterricht ist bei aktivem Lernen der Schüler besser - reformpädagogische Ansätze schneiden nur schwach ab
aktives Lernen + explizites Lehren (Terhart 2011 über Hattie 2009) reformpädagogische Ansätze meist schwächer
Diese Ergebnisse zeigen, dass (vom Lehrer ausgeführte) aktive und geführte Instruktion sehr viel erfolgreicher ist als ungeführtes, facilitative Lernen. (Hattie, 2009, S.243, Übersetzung R.D.) reciprocal teaching= Dialog L - S; e.g. summarizing, questioning, clarifying, predicting behavioral organizers = e.g.advance organizers
Angeleitetes Lernen kann effizienter sein Versprachlichung komplexer Vorgänge unnötig kompliziert - Vormachen/nachmachen günstiger (Bedienungsanleitung) Personale Vermittlung motiviert mehr, korrigiert interaktiv, erspart Umwege (Fehlschläge programmiertes Lernen )
Is traditional teaching really all that bad? A withinstudent between-subject approach 1 Guido Schwerdt a,,, Amelie C. Wuppermann b, 2 3 a CESifo and Ifo Institute for Economic Research, Poschingerstr. 5, 81679 Munich, Germany b University of Mainz, Jakob-Welder-Weg 4, 55128 Mainz, Germany Results indicate that traditional lecture style teaching is associated with significantly higher student achievement. No support for detrimental effects of lecture style teaching can be found even when evaluating possible selection biases due to unobservable teacher characteristics. «Wenden Lehrer nur 10 Prozent mehr Zeit für Frontalunterricht auf, zeigen die Schüler einen Leistungsvorsprung, der einem Wissenszuwachs von 1 bis 2 Monaten Schulbildung entspricht», sagt Schwerdt. Für die Schüler heisst das vor allem: mehr zuhören, weniger diskutieren, mehr üben statt experimentieren. Doch ob von dieser Methode alle Schüler profitieren? «Mehr Frontalunterricht verbessert die schulische Leistung sowohl von schwächeren als auch von begabteren Schülern», sagt Guido Schwerdt. deutscher Text: Interview mit den Autoren in der NZZ vom 6.1.2013, S. 53
Eine kürzlich publizierte Studie aus Israel kommt zu einem vergleichbaren Schluss Eigenständiges Lernen bringt Schüler nicht zu besseren Leistungen. Die beste Wirkung zeigte das, was die israelischen Wissenschafter als «traditionelles Unterrichten» bezeichnen: Wissen pauken, das Gelernte in Übungen vertiefen. Interview mit den Autoren in: NZZ am Sonntag, 6.1.2013,S.53
2. Classroom Management: Beobachtungen - Probleme- Perspektiven der Optimierung
Drei unabhängige Kompetenzen für erfolgreichen Unterricht Fähigkeit zur Gruppenführung (group management, Vollbeschäftigung im Unterricht, entrainment - Mc Grath, Kompensation der Nachteile der großen Zahl, Organisation von Lernprozessen bei vielen) Fähigkeit zur Beeinflussung Anderer (veranlassen, überzeugen, erziehen, verändern, zur Selbststeuerung anregen etc.) Fähigkeit zum Unterrichten (Fachkenntnisse haben und vermitteln können, Übungs- und Kontrollaufgaben stellen können, Lernarrangements und Material herstellen können, Antworten und Lösungen bewerten können etc.)
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Gruppenführung vergrößert oder verkleinert man planmäßig Gruppen, so gelingt es einigen beobachteten Menschen, auch noch große Gruppen glänzend zu steuern, während andere, die kleinere Gruppen relativ geschickt lenken können, bei größeren Gruppen versagen Winnefeld, 1948, 143 begnadete Einzelerzieher versagen als Klassenlehrer Kerschensteiner, 1921
vs. 1.Komplexitätsaspekt 2.Zuschaueraspekt (sozialer Vergleich) 3.Strukturaspekt (Soziometrie)
Nachteile von Klassen Leerlauf wahrscheinlich Störung durch andere Unterforderung oder Überforderung Frustration, Neid, Demotivation, Wut
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Regel 1: Heterogenität verlangt Komplexitätsreduktion (Komplexitätsaspekt der Gruppe) Regel 2: Was Du einem gesagt hast, hast Du allen gesagt (Zuschaueraspekt der Gruppe) Regel 3: Alle Vorgänge in der Klasse werden von allen wahrgenommen (Zuschaueraspekt der Gruppe) Regel 4: Alle Vorgänge in der Klasse werden strukturell bewertet (Strukturaspekt der Gruppe
Winnefeld Komplexkapazität Wahrnehmungskapazität Kontaktkapazität personale Geräumigkeit
Kounins Methode Videostudie 50 Klassen, Frontal - und Gruppenunterricht, normale und E-Schüler Rückspulen des Bandes bei Eskalation:Was ging dem an Lehrerverhalten voraus? Kriterien: Mitarbeitsrate und Fehlverhaltensrate Hohe Zusammenhänge (bis r =.64)
Bahnbrechende Studie von Kounin Kounin, 1970, Classroom management Bescheidwissen (möglichst viele Vorgänge in der Gruppe richtig wahrnehmen, Zeit- und Objektfehler vermeiden) Überlappung ( zwei und mehr Abläufe gleichzeitig steuern können) Reibungslosigkeit (Vermeiden von Sprunghaftigkeit, Abbruch, thematische Inkonsequenz, Unentschlossenheit, Unvermitteltheiten, Reizabhängigkeit) Schwung (Verzögerungen vermeiden, z.b. Überproblematisierungen, Zerlegen von Verhaltenseinheiten) Aufrechterhaltung des Gruppenfokus (Gruppenmobilisierung, Beschäftigungsradius, Rechenschaftsprinzip)
Kounin hat keine Theorie Versuch einer Theorie die psychologische Verkleinerung der Gruppe gefühlte Verkleinerung jeder Schüler hat das Gefühl, mehr von der Lehrkraft zu haben (Bescheidwissen, Überlappung, Aufrechterhaltung des Grppenfokus) und das Gefühl, dass die große Zahl nicht stört
Classroom management auf Leistung: d=0,52 im Durchschnitt withitness über d= 1,2 (Meta von Marzano) Hattie (2009) Haupteffekt auf Mitarbeit und Ausbleibendes Fehlverhalten
Drei Lösungen des classroom Managements: 1. Multitasking entwickeln (wie Kounin) 2. Innere Differenzierung durch heterogene Gruppen 3. Lehrerzentrierte Differenzierung
Schüleraktivität bei Binnendifferenzierung Vollbeschäftigung nicht automatisch erreicht, große Teile der Schülerschaft oft inaktiv Aktivierungs- und Motivierungsproblem der Kinder (wird später noch einmal behandelt) Störung durch andere kommt häufig vor
Äußere Differenzierung verlagert sich in Binnendifferenzierung Binnendifferenzierung kann diskriminieren: bei Aufgabenzuweisung, Hilfe und Kontrolle!!
z.b.paraphrasieren z.b. einfache Fragen an gute Schüler stellen z.b. schwierige Fragen an schlechte Schüler stellen z.b. framing von Fragen, so dass sie schwer erscheinen, obwohl sie leicht zu beantworten sind z.b. sich als L selbst als Kooperationspartner bei PA oder GA anbieten - mal bei guten, mal bei schlechten z.b. Kontrolle der behindertenfeindlichen Äußerungen von Schülern im lz U leichter als in GA
Mitchell, 2008
Mitchell 2008 - direct instruction (DI) Research studies have consistently shown that DI has a positive effect across a range of learners and across various subject areas d Werte von 4 Metaanalysen: 0,85-0,90-0,82-0,84
Alle Unterrichtsmethoden kann man schlecht - aber auch gut machen!
Viele Unterrichtsformen sind gut Weinert/Helmke 1997, 250
Zitat Helmke (2006): Es gibt nicht das richtige Profil, das zu erreichen man sich als Lehrperson bemühen sollte, sondern es führen sehr unterschiedliche Wege zum Erfolg. Mit anderen Worten: Je nach Talent und Neigung gibt es viele Möglichkeiten zu unterrichten: Schwächen oder Defizite bei einem Merkmal lassen sich auf vielfache - aber nicht beliebige Weise - durch Stärken in anderen Bereichen kompensieren oder substituieren. (S.44, Pädagogik,2/06)
Meine Interpretation: Optimierung der jeweiligen Methode in Richtung Vollbeschäftigung im Unterricht bzw. Optimierung der psychologischen Reduzierung der Gruppengröße d.h. gefühlter individueller Rapport
3. Wie bringt man Menschen zur Veränderung ihres Verhaltens?
Gute Führung concern for production - Aufgabenorientierung concern for people, Personenorientierung (Mouton u.a. Managerial grid etc.)
Neue Konzepte und Untersuchungen guided participation epistemic authorities consense implies correctness (Kruglanski u.a. 2006) Chan,T.W. & Koo, A. Parenting Style and Youth Outcome in the UK Oxford Sociology Working Paper 6, 11/2008
Die Methoden der Überzeugung Robert Cialdini Die Psychologie des Überzeugens 1.Mit anderen im Ausgleich leben wollen: es ist mir unangenehm, auf Kosten anderer zu leben, wer mir was gibt, dem gebe ich zurück 2.Verpflichtungen einhalten: wer A sagt, muß auch B sagen, wenn ich etwas versprochen habe, halte ich mich daran 3.Tun, was sich bewährt hat: alle tun es, alle haben es, es hat großen Erfolg, es gibt tolle Vorbilder, deswegen tue ich es auch 4.Sympathischen Menschen folgen: war attraktiv, hat mich gelobt, war kooperationsbereit, deswegen tue ich es auch 5. Kompetenten Ratgebern folgen: besaß fachliche Autorität, wußte genau Bescheid, hat alles richtig vorhergesagt, deswegen tue ich es
Wie ändert man sich? Rückmeldungen einholen,z.b. Camcorder Schülerrückmeldungen (anonym) Kollegiale Supervision Kollege besucht Kollege Gute Beispiele beobachten
ENDE