Simultane Kopplung quantitativer Untersuchungsverfahren im Schwimmen 1



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211 Simultane Kopplung quantitativer Untersuchungsverfahren im Schwimmen 1 1 Problem Lutz Schega (Projektleiter), Jan Pabst Universität Leipzig Institut für Rehabilitation, Sporttherapie und Behindertensport Der Einsatz quantitativer Untersuchungsmethoden und -verfahren sowie deren simultane Kopplung wird seit einigen Jahren im Schwimmsport genutzt. Für den Bereich des Schwimmens von Menschen mit Behinderungen liegen diesbezüglich nur sehr wenige Erfahrungen in der Anwendung dieses komplexen Untersuchungsansatzes vor (de Witte, 1988; Mühlbauer & Schega, 2000; Schega & Scharf, 1999; Schega et al., 2000; Schega et al., 2003). Vor allem die ständig zunehmende Leistungsdichte und Professionalisierung auch in diesem sportartspezifischen Handlungsfeld fordern dieses leistungsdiagnostische Vorgehen. Basierend auf dem zugrunde gelegten interdisziplinären und komplexdiagnostischen Untersuchungsansatz (Schega, 1999), kann die individuelle sportartspezifische Leistungsfähigkeit charakterisiert und eingeschätzt werden. Auf diesem Wege wird den gestiegenen Anforderungen und Erwartungen an eine zielorientierte Leistungsentwicklung entsprochen. Dementsprechend liefern Kenntnisse über konditionelle, koordinative und psycho-physische Beanspruchungsreaktionen auf der Grundlage individuell festgelegter Belastungsanforderungen und unter Berücksichtigung der vorliegenden funktionellen Beeinträchtigung der Athleten wichtige Hinweise für die Ableitung individueller bewegungs- und trainingswissenschaftlicher Empfehlungen sowohl für den Trainer als auch für die Sportler. 2 Methode Untersucht wurden insgesamt 16 nationale Kaderschwimmer (A- und B-Kader) mit unterschiedlichen Körperbehinderungen (Lähmungen, Amputationen und cerebralen Bewegungsstörungen). Anhand einer Brustschwimmerin (20 Jahre; 62 kg, 178 cm) mit einer Dysmelie des linken Oberarms (Startklasse SB8) wird das analytische Vorgehen erläutert und werden die Er- 1 VF 0407/04/07/1999-2000

212 Simultane Kopplung quantitativer Untersuchungsverfahren im Schwimmen gebnisse exemplarisch dargestellt. Die Athletin absolvierte einen ansteigenden Stufentest (Zusatzkraftbeaufschlagung: -5N, 0N, +5N, +10N) im Schwimmkanal bei konstanter Kanalgeschwindigkeit (vk = 0,7m/s). Bewegungsanalyse: Zur lateralen Aufzeichnung der Schwimmbewegung wurde eine Videokamera (Aufnahmefrequenz 50 Hz) verwendet. Die Datenauswertung der markierten Körpergelenkspunkte (Hand-, Hüft-, Fußgelenk) erfolgte mit Hilfe der Software SIMI- Motion. In Anlehnung an das Phasenmodell von Jähnig et al. (1973) wurde die Analyse der Schwimmbewegung vorgenommen. Oberflächenelektromyographie: Für die oberflächenelektromyographische Erfassung der Muskelaktivitäten von sechs paarweise abgeleiteten Muskeln wurde ein telemetrisches Messsystem der Firma Noraxon eingesetzt. Die digital erfassten Signale konnten mit Hilfe der Software MyoResearch 98 (Firma Noraxon ) vollgleichgerichtet, gefiltert, geglättet, amplituden- und zeitnormalisiert werden. Anhand des integrierten EMG (iemg), als Amplitudenparameter, erfolgte die Charakterisierung der muskulären Aktivität. Spiroergometrie: Der Einsatz der Spiroergometrie im Wasser geht auf das von Niklas et al. (1998) entwickelte Verfahren und Vorrichtung zur Spiroergometrie im Wasser zurück. Dabei wurden als Beanspruchungsindikatoren folgende Messgrößen erfasst und in Beziehung gesetzt: Sauerstoffaufnahme ( V O2 ), Kohlendioxidabgabe ( V CO2 ), Widerstandskraft F ), mechanische Leistung (P mech ), Wirkungsgrad ( ). ( D Coping: Auf der Grundlage eines post-hoc durchgeführten halbstrukturierten Interviews wurden angewandte Copingstrategien ermittelt und inhaltsanalytisch ausgewertet (nach Mayring, 1995). Weiterführend wurde das Copingverhalten nach Schlicht (1989) problemlöseorientiert vs. emotionszentriert eingeschätzt. 3 Darstellung und Diskussion der Ergebnisse Zur Bewegungsanalyse Bei der Analyse des Verlaufs der Hüftgeschwindigkeit ist eine Ausprägung von zwei unterschiedlich großen lokalen Maxima und nur einem lokalen Minimum zu erkennen (Abb. 1). Die lokalen Maxima liegen zeitlich jeweils am Ende der Hauptphase der Armund Beinbewegung. Begründet werden sie durch den separaten Antrieb der Bein- bzw. Armbewegung und deren Übertragung auf die Hüftgeschwindigkeit. Das lokale Minimum resultiert aus der Antriebspause, die durch die Vorbereitung einer neuen Antriebsphase entsteht. Die Geschwindigkeit-Zeit-Verläufe der Hüfte verdeutlichen, in Orientierung an Schramm (1987), dass die Brustschwimmerin eine gut ausgebildete Koordination zwischen

Simultane Kopplung quantitativer Untersuchungsverfahren im Schwimmen 213 Arm- und Beinantrieb hat. Aufgrund der stärker ausgeprägten Vortriebswirkung der Arme kann in diesem Fall eher von einer Armschwimmerin ausgegangen werden (nach Pfeifer, 1991). Die in der Tabelle 1 dargestellten intrazyklischen Hüftgeschwindigkeitswerte zeigen die Entwicklung über die Belastungsstufen 0N und + 5N. Dabei ist eine deutliche Zunahme der Variabilität der Hüftgeschwindigkeit mit zunehmender Belastung zu erkennen. Gekennzeichnet wird diese durch eine im Vergleich der Hüftgeschwindigkeitswerte auftretende Vergrößerung des Maximums und eine Verkleinerung des Minimums der Hüftgeschwindigkeit. Abb. 1: Darstellung der Geschwindigkeit-Zeit-Verlaufe (Hand, Hüfte und Fuß) von zehn aufeinander folgenden zeitnormalisierten Brustschwimmzyklen mit Kennzeichnung der Schwimmphasen (einleitende Phase eph, Hauptphase Hph, überleitende Phase üph und vorbereitende Phase vph). Tab. 1: Vergleich der absoluten intrazyklischen Hüftgeschwindigkeitswerte [m/s]. Stufe V xhüfte ( X ) li. [m/s] V xhüfte (min.) li. [m/s] V xhüfte (max.) li. [m/s] V xhüfte li. [m/s] +/- 0N 0,70 0,47 1,18 0,71 + 5N 0,70 0,31 1,30 0,99

214 Simultane Kopplung quantitativer Untersuchungsverfahren im Schwimmen Zur leistungsphysiologischen Adaptation Die in Tabelle 2 dargestellten Werte kennzeichnen die physiologischen Beanspruchungsreaktionen über ansteigende Belastungen (+/- 0N und 5N). Im Vergleich der Arbeitssauerstoffaufnahme ( V O2 ) ist von einer Zunahme der Arbeitskapazität auszugehen, auch wenn nicht von einer Ausbelastungssituation ausgegangen werden kann. Bestätigt wird diese Aussage durch die Entwicklung des Respiratorischen Quotienten (RQ), der von 0,90 (+/- 0N) auf 0,94 (+5N) ansteigt. Es ist eine beanspruchungsbedingte Zunahme der metabolen Stoffwechsellage unterhalb der aerob-anaeroben Schwelle erkennbar. Die Steigerung des Gesamtwirkungsgrades (η) lässt vermuten, dass der beanspruchungsbedingte Einfluss einer sich ändernden Bewegungsausführung (Schwimmtechnik) für die gekennzeichnete Erhöhung der leistungsphysiologisch-energetischen Situation mit verantwortlich ist. Tab. 2: Vergleich der leistungsphysiologischen Adaptation Stufe Fd [N] P mech [Watt] η [%] V O2 [ml/min] RQ +/- 0N 26,5 18,6 2,97 1793 0,90 + 5N 27,7 19,4 3,06 2172 0,94 Zur muskulären Aktivität Abbildung 2 kennzeichnet die Höhe der muskulären Aktivitäten in der Hauptphase der Oberarm-Stumpfbewegung. Der M. triceps brachii, der M. biceps brachii, der M. pectoralis major und der M. latissimus dorsi erreichen eine hohe muskuläre Aktivität. Dagegen zeigt der M. erector spinae lumbalis die höchste und der M. deltoideus die geringste muskuläre Aktivität in der Hauptphase der Brustschwimmbewegung. Aufgrund der anatomischen und brustschwimmspezifischen Bewegungsfunktionen dieser Muskeln war eine solche räumliche Koordination nicht unbedingt zu erwarten. Beim prozentualen Vergleich der paarig abgeleiteten Muskeln wird deutlich, dass der M. bizeps brachii, der M. trizeps brachii, der M. pectoralis major und der M. erector spinae lumbalis der linken Körperseite deutlich höhere Aktivitäten zeigen als die jeweiligen Muskeln der rechten Körperseite. In Betrachtung der muskulären Aktivität des M. deltoideus und M. latissimus dorsi ist ein entgegengesetztes Aktivitätsverhalten auffällig. Als Kompensation der verminderten Vortriebswirkung des Oberarm-Stumpfes (li.) können vor allem die erhöhten Aktivitätsniveaus des M. trizeps brachii und M. latissimus dorsi der linken Körperseite sowie des M. deltoideus und M. latissimus dorsi der rechten Körperseite angesehen werden. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Behinderung ist die wesentlich höhere muskuläre Aktivität des M. erector spinae li. für den kompensatorischen Ausgleich des geringen Aktivitätsniveaus der rechten Körperseite verantwortlich

Simultane Kopplung quantitativer Untersuchungsverfahren im Schwimmen 215 und resultiert aus dem Bemühen, einer widerstandsarmen Gesamtkörperlage aufrecht zu erhalten. Abb. 2: Prozentualer Vergleich der maximalen dynamischen Muskelaktivitäten aller paarig abgeleiteten Muskeln in der Hauptphase der Oberarm-Stumpfbewegung eines durchschnittlichen Brustschwimmzyklus ohne Zusatzkraftbeaufschlagung (+/ 0N) in Referenz zum MVC-Wert im Wasser. Zur Einschätzung der psycho-physischen Beanspruchung Bei der Analyse des Copingverhaltens wird deutlich, dass die Brustschwimmerin in 56,5% aller subjektiv kontrollierbaren Situationen (13) problemlöseorientiert bewältigte. Eine emotionszentrierte Bewältigung wurde in acht nicht kontrollierbaren Situationen (34,8%) gewählt. Von den insgesamt 23 kritischen Situationen konnten nur zwei (8,7 %) nicht adäquat sensu Schlicht (1989) bewältigt werden. 4 Zusammenfassung Die simultane Erfassung und Bewertung kinematischer, physiologischer, muskulärer und psychischer Funktionsparameter ermöglicht die individuelle Ableitung von behinderungsund funktionsspezifischen Besonderheiten beim Schwimmen. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Behinderung mit ihrer funktionellen Beeinträchtigung lassen sich Variationen der Schwimmtechnik als Ausdruck für die Adaptations- und Kompensationsfähigkeit der Sportler nachweisen. Anhand der Interpretation der individuellen Bewegungsausführung der Schwimmtechnik, der zugeordneten muskulären Koordination im räumlichen und zeitlichen Verlauf, der leistungsphysiologischen Adaptation und erfasster psychischer Komponenten sind trainingsmethodische Ableitungen möglich.

216 Simultane Kopplung quantitativer Untersuchungsverfahren im Schwimmen 5 Literatur Abele, A. & Brehm, W. (1986). Zur Konzeptualisierung und Messung von Befindlichkeit. Die Entwicklung der Befindlichkeitsskalen (BFS). Diagnostica, 32, 209-228. De Witt, B. (1988). The activity of trunk muscles in paraplegic patient after breaststroke initiation. In: B.E. Ungerechts, K. Wilke, & K. Reischle (Eds.), Swimming Science V. (International Series on Sport Science Vol. 18, 319-331). Champaign (Ill.). Jähnig, G., Wünsch, D. & Wiegand, K. (1973). Untersuchungen zur Optimierung der Technik der Sportschwimmarten: Brust-, Kraul- und Rückenschwimmen des DDR- Leistungskaders. Dissertation, Martin Luther Universität Halle-Wittenberg. Mayring, P. (1995). Qualitative Inhaltsanalyse (5. Aufl.). Weinheim. Mühlbauer, Th. & Schega, L. (2000). Oberflächenelektromyographie und videogestützte Bewegungsanalyse zur Charakterisierung schadens- und funktionsspezifischer Besonderheiten im Behindertenschwimmen (Schwimmen 2000-IV). Herzogenhorn. Niklas, A., Fuhrmann, P., Hottowitz, R., Walther, G. & Welger, K. (1988). Verfahren und Vorrichtung zur Spiroergometrie im Wasser. Medizin und Sport, 28 (5), 150-153 Pfeifer, H. (1991). Schwimmen. Berlin. Schega, L. & Scharf, T. (1999). Elektromographie im Wasser eine Methodendarstellung. Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge 49 (2), 117-130 Schega, L. (2000). Estimation of the Mechanical Efficiency in Disability Swimmers. Paralympic Congress. Sydney. Schega, L. (1999). Ein Belastungs-Beanspruchungskonzept für die sporttherapeutische Betreuung in der Rehabilitation von Herz-Kreislauf-Patienten. In J. Innenmoser (Hrsg.). 1. Leipziger Symposium Rehabilitationssport, Sporttherapie und Behindertensport Standortbestimmungen (S. 149-160). Köln. Schega, L., Pabst, J. & Witte, K. (2003). Comparitiv study on able-bodied and disabled freestyle swimmer. In E. Müller, H. Schwameder, G. Zalinger & V. Fastenbauer. (Eds.), Proceedings of the 8 th Annual Congress European College of Sport Science (CD-ROM). Salzburg. Schlicht, W. (1989). Belastung, Beanspruchung und Bewältigung: Erster Teil. Theoretische Grundlagen. Sportpsychologie, 3, 10-17 Schramm, E. (1987). Hochschullehrbuch Sportschwimmen. Berlin.