Kongressbericht Der Neurologe & Psychiater 2010 (zur Veröffentlichung angenommen) Autorin: Fr. Dr. Grübler, Hannover

Ähnliche Dokumente
5. Nordwestdeutscher Psychiatrie- und Psychotherapietag (NWPT)

Vorwort (Paulitsch, Karwautz) Geleitwort (Lenz) I Einführung (Paulitsch) Begriffsbestimmung Historische Aspekte...

Essstörungen Häufigste Essstörungen.

Psychotherapie bei bipolaren Störungen - Erkenntnisstand

Stellung der Psychotherapie im Krankenhaus

Bulimie bei Diabetespatientinnen: Psychotherapie hilft

Syndromspezifische Hilfe oder Empfundene Gängelung?

Geringe Verhaltensflexibilität durch Veränderungen im Gehirn

Störungsspezifische Behandlung der Zwangsstörungen

Generalisierte Angststörung im Alter: Diagnose sichern, mit Pregabalin therapieren

Diagnose Depression effektive Behandlung in der Hausarztpraxis

Vergleich unterschiedlicher Therapiemöglichkeiten der Magersucht

Mittwoch, Uhr. Depression Grundlagen, Diagnostik und Therapie: eine Zwischenbilanz. Fortbildungsreihe 2016

Deutsche Multicenter-Studien erforschen die Wirksamkeit der Psychotherapie chronischer Depression und ihre neurobiologischen Wirkmechanismen

Stellungnahme der Bundesärztekammer

Erwachsenenpsychiatrie

Kinder und Jugendliche im Gefühlschaos

Übergewicht, Anorexia nervosa und Veränderung der motorischen Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland

Anke Kock. Magersucht

Therapie der Magersucht und Bulimia nervosa

Bedarf neuer Psychopharmaka aus Sicht psychiatrischpsychosomatischer. Univ.-Prof. Dr.med.Dipl.-Psych.Gerd Laux Wasserburg-Gabersee/München

Inhaltsverzeichnis. 1 1 Organische psychische Störungen (ICD-10 F0) 1.1 Diagnostik der Demenz. 1.2 Therapie demenzieller Syndrome. 1.

»Is(s) was?!« Diagnostik Therapieformen Therapieerleben. Von Monika Gerlinghoff und Herbert Backmund

Sinn und Segen von Psychotherapie 20 Jahre Psychologische Dienste in Südtirol

Prävention und Frühintervention bei Anorexie (Magersucht)

1. Da muss ich allein durch - wer braucht die Psychiatrie und Psychotherapie und was versteht man darunter? 21

Ausbildungsinhalte zum Arzt für Allgemeinmedizin. Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin

Psychosomatische Grundversorgung

Inhalt. Institutionen, Therapien, Medikamente 17. Vorwort 15

Empfehlungen zur abgestuften Behandlung von Essstörungen im Kindes- und Jugendalter

Manualisierte vs. individualisierte Psychotherapie

Forderungen der DGPPN zur Bundestagswahl 2017

Depressive Kinder und Jugendliche

Wer bei psychischen Krisen hilft. Wer bei psychischen Krisen hilft. Was unterscheidet Psychologen, Psychotherapeuten, Neurologen und Psychiater?

Anorexie und die Wunderlampe

Gegenwart und Zukunft der Psychotherapie in Institutionen

Sexueller Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung: Erkennung, Therapie und Prävention der Folgen früher Stresserfahrungen

Integrierte Versorgung Depression DAK-HMK Modell. Ingeborg Behling-Hass, Nervenärztin Harburg Hans-Peter Unger, Ltd.Arzt, Asklepios Klinik Harburg

«Die Tagesklinik schliesst die Lücke zwischen dem stationären Aufenthalt in der Klinik und den ambulanten Angeboten.»

Seroquel Prolong ermöglicht kontinuierliche Therapie über alle Phasen

Institut für klinische Psychologie Patienteninformation

Von dysfunktionalen Kompensationen zur Balance zwischen Polaritäten Eine Einführung in das Thema Dr. H. Terdenge, Fachtagung am 22.

Allgemeine Angaben der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie

Is(s) was?! Ess-Störungen

Symptome einer Bipolar-I-Störung erfolgreich behandeln

Sektorenübergreifende Qualitätssicherung zur Versorgung bei psychischen Erkrankungen: Auftrag und aktueller Stand

DEPRESSIVER STÖRUNGEN BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN

Klinische Psychologie und Psychotherapie

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Ulrich Cuntz Schön Klinik Roseneck Prien am Chiemsee

Stationäre Psychotherapie Wann ist sie sinnvoll?

Anlage zur Vereinbarung gemäß 118 Abs. 28GB V vom

Essstörungen LSSH. Vortragsveranstaltung Dr. Regina Kostrzewa

Herzlich Willkommen zum öffentlichen Vortrag. Psychotherapie Was ist das? Dr. biol. hum. Dipl. Psychologe Bernd Lehle

Themenblock 4: Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von ADHS und ihre Umsetzung

Psychosen bei Jugendlichen

3. Grazer Psychosentage

Psychische Störungen in der hausärztlichen Versorgung

KJPPP Behandlung der agersucht

Adoleszentenzentrum für Störungen der Emotionsregulation Prof. Dr. Christian Schmahl Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin

Praxis der Psychosomatischen Grundversorgung

Junge Erwachsene Psychiatrie

Inhaltsverzeichnis. 1. Geschichte und Gegenwart der Psychotherapie... 1

Leitfaden zur Erstellung eines internen psychologischen Berichts in der medizinischen Rehabilitation

LWL-Klinik Lengerich. Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Ibbenbüren. TAGESKLINIK FÜR PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE Ibbenbüren

Psychotherapiebereich und Bereich zur Behandlung akuter Krisen unter einem Dach

Inhaltsverzeichnis. Allgemeine Einführung in die Ursachen psychischer Erkrankungen sowie deren Bedeutung

Die Bedeutung des Menschenbildes für die Behandlung psychischer Erkrankungen. Wiesbaden. 25. Januar 2017 Kaiser-Friedrich-Residenz

Chirurgische Therapie der Adipositas

BUCH ADHS THERAPIE GEMEINSAM BEGEGNEN MEDICE DIE ERSTE WAHL. Mein persönliches

Kosten und Nutzen ambulanter Psychotherapie

Die Dialektisch Behaviorale Therapie bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen

Anorexia nervosa in der Klinik

ADHS und Persönlichkeitsentwicklung

Depressive Kinder und Jugendliche

Mythos Psychiatrische Pflege

Entwicklungen bei Behandlung und Versorgung von Menschen mit Essstörungen Maria Spahn, Ärztin für Psychiatrie

Psychologische Faktoren im Krankheitsverlauf. Myelomtage Heidelberg Patiententag

Hilfsangebote im Kontext von Psychotherapie

Ambulante Dienstleistungen

Ganzheitliches Verständnis für Körper und Psyche

Telepsychiatrischer Konsiliardienst

69115 Heidelberg. Dr. med. Irmgard Pfaffinger Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Türkenstraße München

Einbezug von Angehörigen in die Therapie

Psychotherapeutische Praxis

Psychische Gesundheit. Claudia Hornberg / Claudia Bürmann

Bipolare Störungen und ADHS. Dr. med. M. Roy

Medizinisch-Psychosomatische Klinik Bad Bramstedt. Essstörungen Bulimie und Magersucht. K. Schedler Bad Segeberg,

Innovative Versorgungskonzepte aus Sicht der Rentenversicherung: Klinische und wissenschaftliche Gesichtspunkte

Therapeutisches Drug Monitoring der Antidepressiva Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin und Maprotilin unter naturalistischen Bedingungen

Integrierte Sucht-Psychose Station

Depression als Risikofaktor für Adipositas und Kachexie

Psychische Komorbidität und Syndrome bei radioonkologischen Patienten - gibt es Unterschiede bei den einzelnen Tumorentitäten?

Anmeldung zur Psychotherapie

Übermäßige Sorgen bei anderen psychischen Störungen

Workshop C: psychiatrische und somatische Begleiterkrankungen von Suchtkranken und deren Therapie

Erstinterview. Aufgaben des psychosomatischen Erstgesprächs. 1. Die Erfassung der Beschwerden des Patienten

Was ist eigentlich Psychotherapie?

Einladung zum Waldau-Symposium Donnerstag, 8. September 2016

Akutpsychosomatik für Erwachsene

Transkript:

Kongressbericht Der Neurologe & Psychiater 2010 (zur Veröffentlichung angenommen) Autorin: Fr. Dr. Grübler, Hannover Psychotherapieforschung und praktische Umsetzung 5. Nordwestdeutscher Psychiatrie- und Psychotherapietag Quakenbrücker Jahressymposium zur Psychologischen Medizin (NWPT), 17. April 2010 Veranstalter: Zentrum für Psychologische und Psychosoziale Medizin/ Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Christlichen Krankenhauses Quakenbrück GmbH Zum fünften Mal fand in Quakenbrück der NWPT statt, der sich als wissenschaftlich hochkarätiges Weiterbildungssymposium über die Nord-West-Region hinaus etabliert hat. Sein Markenzeichen ist die Verbindung von Grundlagenforschung und klinischer Praxis bei psychischen Störungen. Das Symposium stieß auch in diesem Jahr bei den über 100 Fachärzten und Fachpsychotherapeuten sowie Meinungsbildnern der Region auf eine sehr positive Resonanz. Der 6. NWPT wird im Frühjahr 2011 stattfinden. Abb.: Referenten des 5. NWPT in Dinklage (v. links n. rechts): Prof. Dr. Franz Caspar, Prof. Dr. Klaus Wiedemann, Dr. med. Dipl. Psych. Reinhard J. Boerner, Prof. Dr. Stephan Herpertz

Gewichtszunahme als entscheidender Therapiemarker bei Anorexie Den Auftaktvortrag hielt Prof. Stephan Herpertz, Direktor der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in der Uniklinik Dortmund zum Thema Therapie der Essstörungen was wissen wir, was wissen wir nicht? Er wies zunächst darauf hin, dass die Anorexia nervosa multifaktorielle Ursachen hat und weder psychodynamische Erklärungsansätze (Fixierung auf die orale Entwicklungsphase, Versuch der Vermeidung der adoleszenten Ablösung) noch die familiendynamische Perspektive (überprotektive Mutter des magersüchtigen Kindes) das Krankheitsbild vollständig erfassen. Kennzeichen der überwiegend bei Mädchen auftretenden Pubertätsmagersucht ist ein Gewichtsverlust oder eine fehlende Gewichtszunahme bei einem BMI von < 17,5 kg/m 2, wobei der Gewichtsverlust durch Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel selbst herbeigeführt wird. Die Betroffenen legen eine sehr niedrige Gewichtsschwelle fest, oberhalb derer sie sich als zu dick empfinden. Die verzerrte Selbstwahrnehmung führt zu einer Körperschemastörung, die bei Chronifizierung nur noch schwer zu korrigieren ist. Nur etwa der Hälfte der jungen Frauen wird nach einer Magersucht wieder normalgewichtig. Etwa 10 Prozent zeigen auch noch 20 Jahre nach Erstdiagnose das Vollbild das Anorexia nervosa, weitere 20 Prozent bleiben dauerhaft suchtgefährdet. Bis zu 15 Prozent der Patienten sterben langfristig an der Magersucht oder ihren Folgen, so Herpertz, damit ist dies die psychiatrische Krankheit mit der höchsten Letalität. Da offenbar der frühe Krankheitsverlauf für die Prognose entscheidend ist, sollte möglichst rasch nach Diagnosestellung eine Gewichtszunahme oder zumindest -stabilisierung erreicht werden. In Ermangelung von S3-Leitlinien eine solche wird aber voraussichtlich noch dieses Jahr vorgelegt werden stützt sich die Therapie der Anorexia nervosa auf die Erfahrungen vornehmlich stationärer Therapieeinrichtungen mit verschiedenen psychotherapeutischen Verfahren. Wie glauben zu wissen, so Herpertz, dass die Familientherapie der individuellen Psychotherapie bei jugendlichen Patienten und einer Magersucht-Anamnese von weniger als drei Jahren überlegen ist. Bei erwachsenen Patienten sei dem gegenüber die Einzeltherapie wirksamer. Ferner sei die kognitive Verhaltenstherapie nachweislich effektiver als eine reine Diätberatung. Ferner ist eine stationäre Psychotherapie mit Focus auf Essverhalten und Gewicht erfolgreicher als eine unspezifische Behandlung, so Herpertz. Eine spezifische Pharmokotherapie stehe nicht zur Verfügung, vereinzelt werde über gute Erfahrungen mit atypischen Antipsychotika berichtet, die gegen die wahnhafte Angst vor Gewichtszunahme eingesetzt wurden. Für erwachsene Anorexia-Patienten gebe es wenig Daten zur Wirksamkeit therapeutischer Interventionen, unklar sei auch, ob bei ihnen eine stationäre Therapie mehr Erfolg verspricht als eine ambulante Versorgung. Die Dortmunder Klinik arbeitet mit einem gestuften Therapiekonzept, für das zunächst einmal die Patientin gewonnen werden muss, indem sie ihr Verhalten als Magersucht erkennt und in ein therapeutisches Arbeitsbündnis einwilligt.

Anfangs ist die Gewichtszunahme das zentrale Anliegen, deswegen lassen wir die Patientinnen Esstagebücher führen und thematisieren immer wieder den Gewichtsverlauf. Angestrebt wird eine langsame Gewichtszunahme mit zweimal wiegen pro Woche, erreicht wird dies durch klare Zielvorgaben der stationären Psychotherapie. Da jedes Gramm mehr auf der Waage von der Patientin als Kontrollverlust empfunden wird, wird das Projekt Gewichtszunahme von den Patientinnen immer wieder in Frage gestellt und bei fehlender Sanktionierung auch entsprechend oft abgebrochen. Wir schließen deshalb mit der Betroffenen einen Behandlungsvertrag darüber ab, was der Zeiger auf der Waage nach vier Wochen anzeigen soll, sagte Herpertz. Wird das nicht erreicht, muss die Patientin die Klinik unter Umständen verlassen, denn ohne ihre Mitarbeit können wir ihr nicht helfen. Mit dieser Konsequenz vor Augen steigt die Motivation der Patientin, von Anfang an oder auch nach kurzzeitiger Unterbrechung die Therapie anzunehmen. Begrenzte Tauglichkeit der evidenzbasierten Psychotherapieforschung für die klinische Praxis Prof. Caspar, Lehrstuhlinhaber für klinische Psychologie an der Universität Bern und europaweit anerkannter Psychotherapieforschung befasste sich in seinem Vortrag mit der Praxisrelevanz psychotherapeutischer Forschung mit Schwerpunkt der Verhaltenstherapie. Laut Caspar unterliegen mit der Etablierung randomisiert-kontrollierter Studien (RCT) zur Wirksamkeit von psychotherapeutischen Interventionen diese Therapieansätze nunmehr den gleichen Bewertungskriterien wie die Psychopharmakotherapie. Allerdings werfen die RCT s eine Reihe von wichtigen methodischen Fragen auf, die von hoher Bedeutung für die Übertragbarkeit auf die klinische Alltagspraxis sind: Beispielsweise die Homogenität der gewählten Studiengruppen, ihrer Repräsentativität in Bezug auf die Studienergebnisse (Intent-to-Treat-Analyse vs. Per-Protocol-Analyse) und dem Einsatz kontextfreier Techniken. Da die Ergebnisse von RCT s oft die Grundlage für Leitlinien bzw. Manuale sind, ist auch deren Wertigkeit für den Praxisalltag kritisch zu hinterfragen, so Caspar. Salopp formuliert: Therapeuten, die sich blind auf Manuale verlassen, sind nicht zwangläufig die besten. Vereinzelt gibt es sogar Hinweise, dass die Nicht-Befolgung von Handlungsempfehlungen dem Patienten sogar zu Gute kommt. Das ist nach Angaben von Caspar nur allzu verständlich, da sich viele Patienten nicht in starre Diagnose-Schemata pressen lassen und zudem mit einer einzelnen störungsspezifischen Intervention nicht ausreichend behandelt sind. Folglich müssen mehrere Therapieansätze kombiniert werden, was derzeit mit der nötigen Evidenz nicht abgesichert ist. Caspar betonte, dass er keineswegs die großen Erfolge der störungsspezifischen Ansätze in Frage stellen wolle, da mit diesem Weg die Therapieeffektivität, etwa bei der Borderline- Störung oder chronischer Depression erheblich verbessert worden sei. Wolle man diesen Weg jedoch konsequent weiter beschreiten, müsse noch eine Vielzahl umfangreicher Manuale auf den Weg gebracht werden. Das ist extrem aufwändig und teuer, außerdem wird der einzelne Therapeut mit kaum mehr als zwei Manualen tatsächlich arbeiten können, so Caspar. Es finde deshalb wieder eine Rückbesinnung auf eine eher gröbere Einteilung der psychischen Störungen statt, die eine mehr modular aufgebaute Therapie ermöglicht.

Compliance in der Therapie psychotischer Patienten - Ein ungelöstes Problem Prof. Klaus Wiedemann vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf behandelte in seinem Referat praxisrelevante Probleme der medikamentösen Psychosetherapie. Der Therapieerfolg werde insbesondere durch mangelnde Compliance gefährdet. Dass die Patienten von einer Langzeit-Therapie grundsätzlich profitieren, stehe außer Frage, so Wiedemann. Bei einer Therapieunterbrechung steigt das Risiko für erneute stationäre Aufenthalte. Auch treten dann vermehrt Rezidive auf, die zudem immer schlechter auf Pharmakotherapien ansprechen. Hohe Non-Compliance-Raten sind aber nicht nur in der Therapie mit klassischen Antipsychotika ein Problem, sondern auch ein wichtiges Thema bei der Therapie mit modernen Medikamenten. So verblieben in der naturalistisch angelegten USA CATIE-Studie nach einem Jahr nur noch 30 40% der Patienten unter Therapie mit atypischen Neuroleptika (Lieberman JA et al. NEJM 2005;353:1209 1223). Dies konnte auch in den ebenfalls praxisnah angelegten Studien CAFE (Lieberman JA et al. Eur Neuropsychopharmacol 2005; Suppl 3: S525) und SOHO (Lambert M et al. J Clin Psychiatry 2006;67:1690-1697) festgestellt werden. Einen Ausweg bietet nach Wiedemann möglicherweise die vermehrte Anwendung von Depot-Präparaten. Er verwies auf eine 2-Jahres-Studie, die gezeigt habe, dass das Rezidivrisiko bei Behandlung mit langwirksamem Risperidon nur halb so hoch ausfiel wie bei Verordnung eines oralen Atypikums. Wichtige Merkmale zur Beurteilung der Medikamente aus klinischen Studien seien die Effektstärke und das Nebenwirkungsprofil (cave: Gewichtszunahme) der verschiedenen Antipsychotika. Unterschiede in der Gewichtsentwicklung scheinen sich allerdings über die Zeit zu relativieren, so Wiedemann. Dies könne aus einer offenen Langzeitstudie (CAFE) entnommen werden, die für die Praxis von hohem Wert sei. ADHS im Erwachenenalter: Schwierige Diagnose, häufig nur mäßiger Therapieerfolg "Dr. med. Dipl. Psych. R.J. Boerner nahm als Gastgeber in seinem Vortrag zur ADHS im Erwachsenenalter Stellung und gab einen methoden- und inhaltskritischen Überblick zum Stand der Forschung. Er wies auf die zum Teil erheblichen diagnostischen Schwierigkeiten hin. Haupthindernis für die Diagnosestellung sei einerseits, dass die klinische Symptomatik sich zum Teil anders darstellt wie im Kindes- und Jugendalter, spezifische Diagnosekriterien im ICD-10 fehlen. Hinzu kommt die ausgeprägte Komorbidität mit Manien, bipolaren- und Persönlichkeitsstörungen, die die Symptomatik maskieren kann. Hinsichtlich der Verbreiterung ist ein abschließendes Urteil schwierig, möglicherweise sind die behaupteten epidemiologischen Zahlen zu hoch bewertet. Viele ADHS-Patienten werden jedoch weiterhin nicht diagnostiziert.

Die Behandlung mit Psychostimulantien ist zentral, eine Alternative wäre das in Studien untersuchte Atomoxitin. Die Datenlage für Antidepressiva oder andere Psychopharmaka ist eher unbefriedigend. Boerner wies darauf hin, dass die in klinischen Studien gezeigte Wirksamkeit unter Berücksichtigung des geringen Responsekriteriums von 30 % und des untypischen monosymptomatischen Bildes nicht hoch ist. Strategien zur Augmentation sowie bei Therapienonrespondern fehlen bislang. Die Verhaltenstherapie ist derzeit als einziges geprüftes psychotherapeutisches Verfahren in Ergänzung zur Pharmakotherapie möglich. Ziel ist hierbei die bessere Bewältigung der Erkrankung. Die Datenlage aus Psychotherapiestudien ist allerdings noch eher mäßig."