Univ. Prof. Dr. S. Winter Lehrstuhl für Human Resource Management Ruhr-Universität Bochum. Diplomarbeit Zur Erlangung des Grades eines Diplom Ökonom



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Transkript:

Univ. Prof. Dr. S. Winter Lehrstuhl für Human Resource Management Ruhr-Universität Bochum Diplomarbeit Zur Erlangung des Grades eines Diplom Ökonom über das Thema Zur Fremdfinanzierbarkeit von Humankapitalinvestitionen vorgelegt am 16. August 2010 von: Marc-Georg Dickmann Eichendorffstr. 104 46242 Bottrop Telefonnr: 02041/764082 Matrikelnr: 108 002 237 687 Email: Marc-Georg.Dickmann@rub.de

Inhaltsverzeichnis I. Abkürzungsverzeichnis I 1. Einleitung 1 2. Theoretische Grundlagen 3 2.1 Die Humankapitaltheorie 3 2.2 Die Principal Agent Theorie 5 2.3 Die Finanzierung von Bildungsangebot und -nachfrage 8 3. Finanzierungsmodelle für Humankapitalinvestition 12 3.1 Annuitätendarlehen 12 3.2 Einkommensabhängige Darlehen 13 3.3 Graduate Tax 19 3.4 Human Capital Contract 21 4. Modelle zur Finanzierung primärer und sekundärer Bildung 28 4.1 Conditional Cash Transfer - Opportunidades 29 4.3 State Human Capital Contract 33 4.3 Education Contract 40 5. Schlussbemerkung 46 II. Literaturverzeichnis II

I. Abkürzungsverzeichnis ICL HCC SHCC Income Contingent Loan Human Capital Contract State Human Capital Contract I

1. Einleitung Seit der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 in Paris ist das Recht auf Bildung für jedes Individuum in Artikel 26 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. Ein Kernpunkt des Artikels ist die kostenlose Verfügbarkeit von elementarer Schul- bzw. Grundbildung. 1 Seit der 55. Generalversammlung der Vereinten Nationen, vom 6. bis zum 8. September 2000 in New York, existieren die sogenannten Millennium Goals. Millennium Goal Nr. 2 besagt, dass bis ins Jahr 2015 für alle Kinder weltweit und geschlechterunabhängig, eine universelle, primäre Schulbildung verfügbar sein muss. 2 Die gesellschaftliche Bedeutung vom Zugang und der Möglichkeit zur Aneignung grundlegender Bildung respektive grundlegenden Humankapitals, sowie die Attraktivität von entsprechenden Investitionen und deren gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Profitabilität, wurden damit und durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt. 3 So sind vor allem im Bereich primärer und sekundärer Bildung für Investoren die höchsten Renditen zu erzielen. 4 Bildung und demnach Humankapital hat nicht nur einen starken positiven Einfluss auf die Entwicklung einzelner Individuen, sondern ist die Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Entwicklung. Mit anderen Worten muss die Entwicklung einer Gesellschaft den Weg über die Entwicklung jedes einzelnen Mitglieds gehen, insbesondere über die Entwicklung von Kindern und damit über die zukünftiger Generationen, speziell in den ärmsten Regionen der Welt. 5 Nur so kann sich ein wirtschaftlich und sozial kohäsives Gefüge erwachsen. 6 Die Realität zeigt aber, dass aktuell etwa 72 Millionen Kinder weltweit keinen Zugang zu Schulbildung haben. Zwar ist diese Zahl im Vergleich zum Jahr 2000 um ca. 33 Millionen gesunken, Fortschritte werden jedoch nur langsam erreicht. 7 Denn der Prozess steht oft vor großen ökonomischen Hindernissen, die es zunächst zur Annäherung an das Ziel zu überwinden gilt. Um kostenlose Bildung gewährleisten zu können, muss ein Zustand bzw. ein System geschaffen werden, in dem die Finanzierung derart gesichert werden kann, dass eine Beteiligung derer, die die Bildung erfahren, nicht nötig ist. Zwar werden Kinder und Minderjährige 1 Vgl. UNITED NATIONS HUMAN RIGHTS (2010). 2 Vgl. MILLENIUM GOALS (2010); vgl. HUNT (2001). 3 Vgl. EICHER (2000), S. 33f. 4 Vgl. BARNETT (2008), S. 12. 5 Vgl. HUNT (2001), S. 579 und 581f. 6 Vgl. KAZAMAKI OTTERSTEN/JENNETT (2004), S. 142. 7 Vgl. SPIELEL (2010). 1

nicht direkt mit den Kosten von Schulbildung belastet, ihre Familien hingegen sind bei der Bewältigung aller Kosten, die den Schulbesuch eines Kindes direkt oder indirekt betreffen, häufig erheblichen Finanzierungsproblemen ausgesetzt. Gerade in Entwicklungsländern sind Familien daher nicht selten dazu gezwungen Kindern den Schulbesuch zu verwehren. Wie kann also diese Finanzierung gewährleistet werden, wenn einerseits den Familien die entsprechenden Mittel fehlen, und andererseits auch der Staat nicht in der Lage ist universelle Bildung bereitzustellen? Wenn öffentliches Kapital nicht ausreichend zur Verfügung steht, ist es die Aufgabe des Staates, zusätzliche Investoren und Ressourcen zu gewinnen. Eine andere Möglichkeit ist die direkte Finanzierung von privaten oder staatlichen Humankapitalinvestitionen durch private Investoren. Inwieweit und ob eine solche, kommerziell ausgerichtete Art der Bildungsfinanzierung überhaupt möglich ist, soll daher in dieser Arbeit untersucht werden. Der Großteil der vorhandenen Forschungsliteratur beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit der Finanzierung von Hochschulbildung, während der Fremdfinanzierbarkeit im primären und sekundären Bildungssektor vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt wird. Daher soll an dieser Stelle, auf Grundlage der Ansätze, Erkenntnisse und Problemfelder der Finanzierung von Hochschulbildung, ein Überblick über die Finanzierungsmöglichkeiten im Bereich der (Grund-)Schulbildung geliefert werden, verschiedene Finanzierungsansätze dazu untersucht werden, sowie Probleme, eventuelle neue Möglichkeiten und Forschungsperspektiven aufgezeigt werden. Kapitel 2 liefert die fundamentalen wissenschaftlichen Ansätze und Annahmen von Humankapital- und Principal Agent Theorie und gibt für die für den Bildungsbereich relevante Richtung der auf dieser Basis aufbauenden Untersuchungen vor. Kapitel 3 liefert einen Überblick zu Finanzierungsmechanismen, die insbesondere im Bereich von Hochschulbildung in Theorie und Praxis Anwendung finden. Zudem werden die Ansätze auf ihre Problematik und ihre Eignung untersucht, so dass auch erste Ergebnisse für ähnliche bzw. modifizierte Anwendungen im Bereich primärer und sekundärer Bildung abgeleitet werden können. Modelle, die konkret die Fremdfinanzierung von Humankapitalinvestitionen für Minderjährige bzw. Kinder als Ziel haben, werden in Kapitel 4 untersucht. Hier wird Aufschluss darüber gegeben, welche Bedingungen für den Einsatz der Modelle geschaffen werden müssen, welche Probleme auftreten und gezielt bekämpft werden müssen, und welche Perspektiven und Möglichkeiten weiterer (ökonomischer) Untersuchungen bedürfen. Die Schlussbemerkung dient der Zusammenfassung der erarbeiteten Ergebnisse und soll einen Ausblick auf weitere interessante Aspekte der Fremdfinanzierbarkeit von Humankapitalinves- 2

titionen im primären und sekundären Bildungssektor liefern. 2. Theoretische Grundlagen Als wissenschaftliche Basis dieser Arbeit dienen im Wesentlichen Spezialbereiche der Humankapitaltheorie und der Principal Agent Theorie, welche im Folgenden benannt, beschrieben und erläutert werden. Weiter wird durch bestimmte Annahmen ein Rahmen vorgegeben, der die noch aufzuführenden Überlegungen einfasst. Zudem wird als Grundlage für alle folgenden Ausführungen, Untersuchungen und Diskussionen das relevante ökonomische Gebiet der Finanzierung von Humankapitalinvestitionen erläutert und abgegrenzt. 2.1 Die Humankapitaltheorie T. W. Schultz beschreibt den Begriff Humankapital als die Summe aller angeborenen und erworbenen menschlichen Fähigkeiten. 8 Wissen und Fertigkeiten sind maßgebend für die Produktivität eines Menschen und untrennbar mit dem jeweiligen Individuum verbunden. Zusätzlich erworbene Fähigkeiten gehen immer mit Aufwendungen bzw. Kosten einher, stiften aber auch stets einen Nutzen, so dass sich hinsichtlich zusätzlicher Humankapitalinvestitionen eine Entscheidungssituation ergibt, die aus ökonomischer Perspektive analysiert werden kann. 9 Die dabei zum Einsatz kommende Entscheidungsregel lautet wie folgt: Rationale Individuen investieren nur solange in zusätzliches Humankapital, wie die Rendite dieser Investitionen die Rendite einer Investitionsalternative übersteigt. 10 Hierbei sind vor allem zwei Dinge zu beachten: 1. Einen Großteil der Gesamtkosten der Schulbildung machen die Opportunitätskosten der Schulbildung aus. Denn während der Ausbildungszeit entgehen dem Schüler Einkünfte und damit auch Konsummöglichkeiten. Die übrigen Kosten entfallen beispielsweise auf Schulgebühren und andere direkt mit dem Schul- 8 Vgl. SCHULTZ (1986), S. 26. 9 Vgl. MINCER (1984), S. 196. 10 Vgl. AMMERMÜLLER/DOHMEN (2004), S. 13. 3

besuch verbundene Kosten. 2. Im Gegensatz zu Produktivitätssteigerungen, und damit verbundenen (höheren) Einkünften aus Investitionen in Humankapital, die überwiegend erst nach Beendigung der Ausbildung genutzt werden können, fallen die Investitionskosten sofort und/oder über die gesamte Ausbildungszeit an. Als Kalkül ergibt sich daher die Differenz aus den gesamten Kosten der Investition und den diskontierten, zukünftigen Erträgen. 11 Es kommt demzufolge nur zu einer Investition in Humankapital, wenn vermutet werden kann, dass sie zukünftig zu einer Produktivitätssteigerung führt und sich daraus Vorteile ergeben, beispielsweise in Form von höheren Löhnen. Die weiteren Ausführungen beschränken sich auf Humankapitalinvestitionen im Zusammenhang mit Schulbildung bis zum Grad der Hochschulreife bzw. in Teilen der Arbeit hinsichtlich Hochschulbildung auch darüber hinaus, weswegen eine gründlichere Beschreibung des Begriffs Humankapital, wie er in dieser Arbeit benutzt wird, notwendig ist. Eine exaktere Differenzierung von Humankapital findet sich nach Becker zunächst vor allem im beruflichen Humankapital. Es wird zwischen allgemeinem und spezifischem Humankapital unterschieden, wobei ersteres universell einsetzbar und nicht an ein Unternehmen gebunden ist, 12 und im Gegensatz dazu die zusätzliche Produktivität des letzteren nur in dem Unternehmen voll ausgeschöpft werden kann, in dem es erlangt wurde. 13 In der Schule erlerntes Wissen lässt sich mit allgemeinem beruflichem Humankapital vergleichen, da schulisches Humankapital die Grenzproduktivität ebenfalls grundsätzlich erhöht, unabhängig davon, wo es erworben wird; Unterschiede in der Qualität einmal ausgeschlossen. 14 Um Missverständnissen vorzubeugen sei an dieser Stelle gesagt, dass der Begriff Humankapital in dieser Arbeit synonym für Humankapital mit allgemeinem Charakter, das im Rahmen schulischer Ausbildung erworben wurde, benutzt wird, wenn nicht auf eine anderweitige Bedeutung hingewiesen wird. Die Kosten für Investitionen in allgemeines, berufliches Humankapital werden allein vom Arbeitnehmer getragen, da kein Arbeitgeber bereit ist diese zu übernehmen. 15 Unter der Annahme eines vollkommenen Arbeitsmarktes entspricht die Höhe des Lohnes eines Arbeitnehmers dem, was er rein aufgrund seiner marginalen Produktivität zu leisten im Stande ist. Durch Aneignung von zusätzlichem, allgemeinem, beruflichem Humankapital steigt, unabhängig vom Unternehmen, die Grenzproduktivität und damit der Lohn. Übernimmt der Arbeitgeber die Kosten für allgemeine Aus- oder Weiterbildung, so ist eine Gewinnerzielung aus 11 Vgl. ebd. 12 Vgl. BECKER (1964), S. 11. 13 Vgl. BECKER (1964), S. 18. 14 Vgl. BECKER (1964), S. 31. 15 Vgl. BECKER (1962), S. 16. 4

dieser Investition für ihn nur möglich, wenn das Wachstum der Grenzproduktivität das Wachstum der Löhne übersteigt bzw. er Löhne zahlen kann, die unterhalb des Wertes der zusätzlichen Grenzproduktivität liegen. 16 Um zu verhindern, dass eigens ausgebildete Arbeitnehmer zu anderen Unternehmen wechseln und dadurch irreversible Kosten entstehen, muss der Arbeitgeber jedoch der Grenzproduktivität entsprechende Löhne zahlen. Es ergibt sich daraus die Konsequenz, dass Arbeitgeber nur dann allgemeine Aus- und Weiterbildung anbieten werden, wenn dies kostenlos möglich ist. 17 In allen anderen Fällen trägt der Arbeitnehmer die Kosten allein, so wie ein Schüler bzw. Studierender die Kosten für seine Ausbildung trägt. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Arbeitnehmer, auf unseren Zusammenhang bezogen besser gesagt, Schüler, bzw. deren Eltern, oder Studierende immer genau die effiziente Menge an Investitionen in allgemeines Humankapital vornehmen. Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass die finanziellen Mittel nicht limitiert sind. Dieser theoretische Optimalzustand tritt in der Realität jedoch kaum auf, so dass es aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht zu effizienter sondern zu Unterinvestition in Humankapital kommt. Verhindert werden kann dies nur, wenn die Kosten übernommen werden und so die Investitionen in Humankapital finanzierbar sind, beispielsweise durch Eltern für Schüler oder Studierende, oder durch den Staat oder Investoren für Eltern, Schüler oder Studierende. 18 Um für private oder staatliche Investoren Anreize zu schaffen, die Finanzierung solcher Investitionen zu tragen und das finanzielle Potenzial von Bildungsinvestitionen darzustellen, ist es notwendig, ökonomisch rationale Vertragsformen zu erarbeiten. Um die Ausgestaltung notwendiger Verträge zur Sicherung von Humankapitalinvestition untersuchen und entwickeln zu können, sind die Annahmen und Ergebnisse der Principal Agent Theorie unverzichtbar. Diese werden im folgenden Kapitel dargestellt und auf den Zusammenhang übertragen. 2.2 Die Principal Agent Theorie Die Principal Agent Theorie untersucht Beziehungen und Vereinbarungen zwischen einem Auftraggeber, dem Prinzipal, und einem Beauftragten, dem Agenten, vor dem Hintergrund, welche Leistungen in solch einer Beziehung erbracht werden, welche Kosten dabei jeweils 16 Vgl. SIMONIC (2010), S. 139. 17 Vgl. SIMONIC (2010), S. 21f.; vgl. SIMONIC (2010), S. 12f.; vgl. BECKER (1962), S. 13. 18 Vgl. SIMONIC (2010), S. 22. 5

entstehen, und welchen Nutzen die Akteure dabei erzielen. So liegt eine Prinzipal-Agenten- Beziehung erst dann vor, wenn angenommen werden kann, dass die Handlungen, Entscheidungen, Eigenschaften und Motive des Agenten nicht nur Auswirkungen auf seine eigene Situation haben, sondern auch die Situation des Prinzipals beeinflussen. Entscheidend sind dabei besonders die Veränderungen der jeweiligen Nutzenniveaus der Akteure. Für beide Seiten ist es von fundamentaler Bedeutung möglichst gut über das Gegenüber informiert zu sein. Beabsichtigen Prinzipal und Agent Verträge über die Erbringung von Leistungen abzuschließen, müssen sie in der Lage sein diese Situation ex ante einschätzen und analysieren zu können, damit die Möglichkeit besteht eventuelle Probleme zu erkennen und in der vertraglichen Gestaltung zu regulieren. Ex post müssen sie dazu im Stande sein die Leistungsbeziehung zu kontrollieren, zu überwachen und die vertraglich festgehaltenen Verpflichtungen und Ansprüche entsprechend durchsetzen zu können. Nur theoretisch können Situationen geschaffen werden, in denen absolute, lückenlose Informationen universell und kostenlos verfügbar sind. 19 So gehen beispielsweise die in Kapitel 2.1 beschriebenen Implikationen der Humankapitaltheorie auf die Annahme vollkommener Märkte und damit auf absolute Markttransparenz zurück. 20 Für die Realität muss angenommen werden, dass Informationen durch verschiedene Hindernisse und Probleme nur äußerst kompliziert und aufwendig zu beschaffen sein können. Dabei entstehen Kosten, deren Umfang bei entsprechender Höhe vertragliche Beziehungen bereits im Vorfeld behindert oder verhindert, sowie während der Vertragslaufzeit zusammenbrechen lassen kann, wodurch bei den Akteuren erhebliche Schäden entstehen. 21 Verträge zwischen Prinzipal und Agent stehen nicht selten vor dem Problem einer asymmetrischen Informationsverteilung zu Lasten des Prinzipals, welche bei der Konzeption einer effizienten Vereinbarung beachtet werden muss. 22 Für die weiteren Ausführungen werden grundsätzlich risikoaverse Agenten, deren Aversion stärker ist je schlechter ihre finanzielle Ausstattung ist, und weniger risikoaverse bzw. risikoneutrale Prinzipale angenommen. Auch übertragen auf den Kontext der Fremdfinanzierung von Humankapitalinvestitionen beispielsweise durch Banken oder externe Investoren bzw. Kapitalgeber müssen Probleme der Principal Agent Theorie betrachtet werden, die ihren Ursprung in der asymmetrischen Verteilung von Informationen zwischen den Beteiligten haben. Hinzukommen Situationen, die vor und nach Vertragsabschluss auf- 19 Vgl. PICOT/DIETL/FRANK (2008), S. 73ff. 20 Vgl. CEZANNE (2005), S. 156. 21 Vgl. PICOT/DIETL/FRANK (2008), S. 73ff. 22 Vgl. JOST (2001), S. 21. 6

grund unterschiedlicher Ziele und Interessen zu Konflikten führen können. Oft sind diese Konflikte im opportunistischen Verhalten des Agenten begründet. 23 Ein Kreditgeber ist nur erheblich eingeschränkt in der Lage, ex ante die Bonität eines Kreditnehmers zu überprüfen und kann daher nicht exakt zwischen den verschiedenen Ausprägungen potenzieller Kreditnehmer differenzieren. Kredite und Kreditvergabe werden also möglichst risikominimierend hinsichtlich der genannten Probleme gestaltet. Dadurch wird insbesondere für Studierende, Schüler, Eltern, die über keinerlei oder wenig Sicherheiten verfügen, der Zugang zum Kreditmarkt erschwert. Weiter kann ein externer Kreditgeber ex post nur mit erheblichen Aufwendungen und Kosten überprüfen, ob und in welchem Maße der Kredit wirklich für Investitionen in Humankapital benutzt wird und ob der Kreditnehmer in der Lage ist und die Absicht hat den Kredit zurückzuzahlen. Diese Risiken der Veruntreuung und des Zahlungsausfalls stellen für den Kreditgeber ein erhebliches Anreizproblem dar. In der Literatur spricht man auch vom Moral Hazard oder moralischem Risiko. Hervorgerufen wird es zum einen durch verborgene, für den Prinzipal unbeobachtbare Handlungen des Agenten, zum anderen durch unbeobachtbare, verborgene Informationen, wobei der Prinzipal hier die Handlungen des Agenten beobachten kann, eine Bewertung der Handlungen für ihn allerdings nicht möglich ist. 24 Beide Zustände ergeben sich erst nach Vertragsabschluss. Sofern der Prinzipal irreversible Ausgaben getätigt hat, kann es nach Vertragsschluss sogar zu einer Ausbeutung durch den Agenten kommen. Dieser hat dann ex ante vorsätzlich seine Absichten verborgen, was auch als Hidden Intention bezeichnet wird, und nutzt ex post seinen Informationsvorsprung gegenüber dem Prinzipal aus. Im Extremfall kann der Prinzipal nur noch auf Kosten der bereits getätigten Ausgaben auf dieses Verhalten reagieren, so dass die eingesetzten Mittel verloren gehen. 25 Ein sich bereits vor Vertragsschluss ergebendes Problem resultiert aus verborgenen, unbeobachtbaren Eigenschaften des Agenten, so genannten Hidden Characteristics. Das Risiko für den Prinzipal besteht in diesem Fall darin, Verträge mit Agenten abzuschließen, deren individuelle, nicht erkennbare Eigenschaften schlechter bzw. weniger den vertraglichen Anforderungen entsprechen als erwartet. Im Gegenzug werden Agenten mit besseren Charakteristika keinen Vertrag mit dem Prinzipal abschließen, da der auf Basis von Erwartungswerten für eine Situation mit guten und schlechten Agenten entworfene Vertrag für sie nicht attraktiv genug ist. Schlussendlich kommen nur noch Verträge mit schlechten Agenten zu- 23 Vgl. JOST (2001), S. 24f. 24 Vgl. JOST (2001), S. 24f.; vgl. SIMONIC (2010), S. 40. 25 Vgl. JOST (2001), S. 23-31; vgl. PICOT/DIETL/FRANK (2008), S. 75. 7

stande; man spricht hier von adverser Selektion. 26 Sowohl für den Prinzipal als auch für den Agenten gibt es Möglichkeiten diese zu vermeiden. Beispielsweise kann ein Prinzipal dem potenziellen Agenten eine Auswahl verschiedener Verträge offerieren und anhand ihrer Entscheidungen seine Zielgruppe durch dieses sogenannte Screening differenziert beurteilen. Dabei werden produktivere bzw. geeignetere Agenten von weniger produktiven bzw. geeigneten anhand zuvor festgelegter Kriterien unterschieden und selektiert. 27 Agenten können durch proaktive Offenbarung von Informationen bzw. proaktives Verhalten, das auf bestimmte Eigenschaften schließen lässt oder diese offenlegt, ein Signal an den Prinzipalen senden. Dieser hat so die Möglichkeiten, dank der neuen Informationen, die Agenten eindeutiger zu beurteilen. Die Glaubwürdigkeit eines solchen Signals steigt mit der Höhe der dafür beim Agenten entstehenden Kosten und Aufwendungen. 28 Diese beschriebenen Situationen und Probleme lassen sich weitestgehend auf die Finanzierung von Schulbildung übertragen und werden in den folgenden Kapiteln in diesem Zusammenhang und in Verbindung mit verschiedenen Finanzierungsmechanismen abgehandelt. Vor dem Hintergrund der Fragestellung, welche Bedingungen geschaffen werden müssen, um eine Investition in Humankapital im Bereich von primärer, sekundärer und tertiärer Bildung zu fördern bzw. zu ermöglichen, spielt die Principal Agent Theorie bei der Untersuchung eine entscheidende Rolle. Zwischen den Akteur-Gruppen von Investoren, Staaten, Eltern bzw. Familien, sowie minderjährigen und volljährigen Schülern und Studierenden gibt es verschiedene Kombinationen für Principal-Agent-Beziehungen, in denen bindende Verträge abgeschlossen werden können. Dabei gilt es Informationsasymmetrien zu überwinden und Anreize für alle Vertragspartner und Finanzierungsmodelle zu schaffen, die ein höchstmögliches Maß an Sicherheit für alle Beteiligten bieten. 2.3 Die Finanzierung von Bildungsangebot und -nachfrage Um angepasste Finanzierungsstrategien zur umfassenden Bereitstellung von Schulbildung 26 Vgl. AKERLOF (1970), S. 488ff.; vgl. JOST (2001), S. 23-31; vgl. PICOT/DIETL/FRANK (2008), S. 74f. 27 Vgl. JOST (2001), S. 23-31; vgl. PICOT/DIETL/FRANK (2008), S. 78; vgl. AMMERMÜLLER/DOHMEN (2004), S. 7. 28 Vgl. JOST (2001), S. 23-31; vgl. PICOT/DIETL/FRANK (2008), S. 78. 8

entwickeln zu können und schließlich durch deren Umsetzung möglichst vielen Schülern den Zugang so unproblematisch wie möglich zu machen, ist es notwendig zu analysieren, wo die größten Barrieren liegen. Mangelt es auf der Angebotsseite an Schulen, Lehrern oder Materialien? Ist auf der Nachfrageseite die Anzahl angemeldeter Schüler oder die Anwesenheitsquote zu niedrig? Fehlen die Anreize oder Möglichkeiten für Eltern ihre Kinder in die Schule zu schicken? Ist Schulbildung in der lokal angebotenen Qualität überhaupt erstrebenswert? Oder gibt es gleich in allen Bereichen erhebliche Defizite? Die Richtung der Finanzierung muss dem Ursprung des Problems entsprechen, um effiziente Ergebnisse erzielen zu können. Eine angebotsseitige Finanzierung von Humankapitalinvestitionen wird ihre Wirkung nicht voll entfalten können, wenn die Probleme auf der Nachfrageseite liegen. 29 So können bestimmte ökonomische oder soziokulturelle Umstände Eltern davon abhalten ihre Kinder in die Schule zu schicken, obwohl gute infrastrukturelle Voraussetzungen gegeben sind. 30 Eine differenzierte Betrachtung von angebots- und nachfrageseitiger Finanzierung ist also angebracht. Flammer (2009) beleuchtet in ihrer Arbeit über die Finanzierung von Schulbildung vor allem die Nachfrageseite, Behrman (2010) hält es jedoch für unabdingbar sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite hinsichtlich Investitionen und Anreizen zu untersuchen. 31 Denn schließlich liefern die angebotenen Bildungsdienstleistungen den institutionellen Rahmen, in dem Bildung letztlich nachgefragt wird. Abhängig von der Existenz von Hindernissen verschiedener Art kann sich dort ein Finanzierungsbedarf ergeben. 32 Die nachfrageseitige Finanzierung von Humankapitalinvestitionen richtet sich direkt an die Schüler bzw. Eltern oder Familien und fördert gezielt den Konsum von respektive die Investition in Bildung. So kommen die entsprechenden Mittel direkt denen zu, die sie nachfragen oder zur Nachfragebedienung benötigen, ohne eine anbietende Instanz dazwischen zu schalten. 33 Die Bandbreite der Eingriffe geht dabei von Bargeld, über Materialien, bis hin zu Maßnahmen, die mehr Freiheit bei der Auswahl von beispielsweise der Schule oder der Universität gewährleisten. 34 Verfolgte Hauptziele der nachfrageseitigen Finanzierung sind dabei möglichst geringe Klassenwiederholungen sowie geringe Abbruchraten und hohe Anwesenheitsquoten. Nur dann können Erfolge in Form von Abschlüssen erzielt werden. Hierzu muss außerdem die Wertschätzung von Schule und Bildung dahingehend gesteigert und gefestigt wer- 29 Vgl. SON (2008), S. 1. 30 Vgl. PATRINOS (2007), S. 7. 31 Vgl. FLAMMER (2009), S. 3f.; vgl. BEHRMAN (2010), S. 4885f. 32 Vgl. BEHRMAN (2010), S. 4885. 33 Vgl. PATRINOS (2007), S. 1. 34 Vgl. PATRINOS (2007), S. 7. 9

den, dass Kinder nicht nur die Schule besuchen, sondern auch möglichst viele aufeinander aufbauende Bildungsstufen durchlaufen. Entsprechend werden Anreize gesetzt, die das Verhalten von Eltern und Kindern in diese Richtung lenken bzw. ändern. Eine Motivation liefern beispielsweise direkte Geldtransfers an die Familien oder das Angebot von Mahlzeiten in der Schule. Wichtig ist, dass Familien und Schüler nicht nur hinsichtlich der direkten Kosten des Schulbesuchs Unterstützung erfahren, sondern vor allem die Opportunitätskosten des Schulbesuchs verringert werden, um mittel- bis langfristig dauerhaft und nachhaltig Barrieren zu beseitigen. 35 Die nachfrageseitige Finanzierung ist zudem in der Lage, direkt und indirekt, Probleme der Angebotsseite zu erreichen. Die angebotsseitige Finanzierung kann dies umgekehrt nicht in gleichem Maße leisten. Die vor allem auf die institutionelle Bereitstellung und die Sicherung bzw. Weiterentwicklung der Qualität ausgerichtete Finanzierung des Bildungsangebots hat nur eine indirekte Wirkung auf einen besseren Zugang zu Schulbildung. Barrieren für Kinder aus sehr armen Familien bzw. Regionen werden also nicht gezielt beseitigt. Hinsichtlich der Bildungsqualität profitieren daher insbesondere Kinder, die bereits die Schule besuchen, von diesen Investitionen. Auch wenn die infrastrukturellen Rahmenbedingungen vorhanden sind, ist ein direkter, positiver Einfluss auf Nachfragehürden, wie beispielsweise hohe Opportunitätskosten des Schulbesuchs, nicht automatisch gegeben. Andererseits kann ohne Schulen, Materialen, Personal etc. auch keine nachfragefördernde Maßnahme greifen. Ideal scheinen daher Finanzierungsmechanismen, deren absolute Priorität zwar die Unterstützung der Nachfrage ist, die aber gleichzeitig auch bewusst auf die Beseitigung von Schwierigkeiten der Angebotsseite ausgerichtet sind. 36 Daher liegt der Schwerpunkt im Folgenden speziell auf der Finanzierung der Nachfrage nach Bildung bzw. Humankapitalinvestitionen. Da aber in der Theorie oft der Ansatz verfolgt wird, über die Nachfragefinanzierung den Wettbewerb auf der Angebotsseite zu erhöhen, werden entsprechende Wirkungen mit in die Untersuchungen einbezogen. Die Art der Finanzierung wird noch weiter differenziert in kostendeckende und nichtkostendeckende Mechanismen. Nicht kostendeckende Finanzierungsmodelle, wie der Begriff schon schließen lässt, können nur solange verfolgt und angewendet werden, wie entsprechendes Kapital vorhanden ist. Der Effektivität sind dadurch klare Grenzen gesetzt. Weil die Systeme keine integrierte Refinanzierung vorsehen, werden irgendwann zwangsläufig neue Ressourcen benötigt. Diese kommen z. B. aus der Staatskasse, von Sponsoren oder Spendern. So 35 Vgl. PATRINOS (2007), S. 5. 36 Vgl. FLAMMER (2009), S. 3-5; vgl. SON (2008), S. 3. 10

sind es häufig Spendenfonds oder Entwicklungshilfeorganisationen, die ehrenamtliche Arbeit verrichten, die mit nicht-kostendeckender Bildungsfinanzierung in Zusammenhang gebracht werden. Diese haben in der Regel keine kommerziellen Interessen, sondern sind rein karitativ motiviert. Übernimmt der Staat die nicht-kostendeckende Finanzierung und verwendet er dazu finanzielle Mittel aus Staatsbeständen, um die aufgrund ihrer begrenzten Verfügbarkeit in der Regierung konkurriert wird, da eventuell ihre Verwendung an anderer Stelle effizienter eingeschätzt wird, geht die Erreichung des Ziels, den Zugang zu Bildung zu erleichtern, auf Kosten der Erreichung des Ziels, die Bildungsqualität zu verbessern. Aus Gründen der Effizienz sollten limitierte Mittel zunächst auf das prioritäre Ziel konzentriert werden, auch wenn dies nur auf Kosten des sekundären Ziels möglich ist. 37 Kostendeckende Bildungsfinanzierungsmodelle beteiligen die Empfänger der Finanzierung an einem Teil der Kosten. Dies scheint gerechtfertigt, da ihnen ein nicht unerheblicher individueller Nutzen zukommt, beispielsweise in Form von höheren Einkommen, und somit der Gefahr der Armut zu entkommen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass es gerade den Menschen mit dem größten Bedarf aufgrund mangelnder finanzieller Mittel nicht möglich ist, sich an den Kosten zu beteiligen, und ihnen dadurch der Zugang zur Bildung verwehrt bleibt. Kostendeckende Finanzierungsmechanismen versuchen daher mit umfassenden, problemübergreifenden Investitionen eine Stabilisierung und Weiterentwicklung des Bildungsbereichs zu erreichen. Die anfallenden Aufwendungen und Kosten für diese Maßnahmen werden, zumindest in der Theorie, wieder ausgeglichen. So kann eine Erleichterung des Bildungszugangs erreicht werden und zusätzlich kann zeitgleich eine Verbesserung der Bildungsqualität verfolgt werden. Die Systeme sehen vor, dass durch verschiedenartige Mechanismen investiertes Geld wieder an die Investoren rückerstattet wird. Meist liegen jedoch zwischen der ersten Auszahlung und der ersten Rückzahlung mehrere Jahre. 38 Vor dem Hintergrund der Fragestellung, inwieweit es möglich ist, Bildungsinvestitionen durch private Investoren finanzieren zu lassen, muss der Fokus dieser Arbeit auf kostendeckenden Mechanismen liegen, um aus diesen Erkenntnisse ableiten zu können, ob und wie Finanzierungsmodelle möglich sind, mit denen Investoren Gewinne erwirtschaften können. Für derartige kommerzielle Zielvorstellungen sind Ansätze, die nicht mindestens die Kosten egalisieren, ungeeignet und werden daher an dieser Stelle nicht weiter betrachtet. 37 Vgl. FLAMMER (2009), S. 3-5. 38 Vgl. FLAMMER (2009), S. 4f.; vgl. PATRINOS (2007), S. 1f. 11

3. Finanzierungsmodelle für Humankapitalinvestition Nachdem im vorangehenden Kapitel eine theoretische Basis geschaffen wurde, werden in diesem Kapitel verschiedene Finanzierungssysteme und -modelle auf ihre Eignung zum Einsatz bei Humankapitalinvestitionen untersucht. Dabei werden zunächst Ansätze betrachtet, die auch oder vornehmlich bei der Finanzierung von Hochschulbildung in Theorie und Praxis Anwendung finden oder dafür konzipiert wurden. Dies ist notwendig, um einerseits einen Überblick über die generellen Finanzierungsmöglichkeiten zu erlangen, andererseits sollen so aus den Erkenntnissen und Problemstellungen der Finanzierung höherer Bildung Konzepte, Ergebnisse und Ideen für die Finanzierung von primärer und sekundärer Bildung für Kinder respektive Minderjährige abgeleitet, angepasst und weiterentwickelt werden. Beschrieben werden im Einzelnen Annuitätendarlehen und einkommensabhängige Darlehen bzw. Förderungen und Steuern. Da gezeigt werden soll, dass Annuitätendarlehen nur in geringem Maße zur Finanzierung von Humankapitalinvestitionen geeignet sind, liegt der Schwerpunkt auf der Beschreibung und Untersuchung von Ausprägungen einkommensabhängiger Darlehen. 3.1 Annuitätendarlehen Eine häufig gewählte Methode zur Finanzierung von Investitionen ist die Aufnahme eines Darlehens bzw. Kredites. 39 In der Regel wird von einem Investor oder einer Institution ein Geldbetrag gewährt und über eine festgelegte Laufzeit zu einem fixen Zinssatz getilgt. Aufgrund der vergleichsweise unkomplizierten Inanspruchnahme und Umsetzung sind Kredite auch zur Bildungsfinanzierung ein häufig eingesetztes Instrument. Investoren bzw. Institutionen verlangen für die Vergabe von Krediten in den meisten Fällen den Nachweis von Sicherheiten oder einem kreditwürdigen Bürgen. Als Sicherheit kann grundsätzlich auch das Investitionsobjekt selbst dienen, sofern es veräußerbar ist. Da Humankapital als immaterielles Gut stets an ein Individuum gebunden ist, kann im Falle der Bildungsfinanzierung das Investitionsobjekt nicht als Sicherheit fungieren. Erschwert wird dieses Problem dadurch, dass der Kreditnehmer seine Fähigkeiten und Absichten besser kennt und 39 Vgl. im Folgenden PALACIOS (2003), S.13f.; FLAMMER (2009), S. 5f.; KIRCHNER (2007), S. 37-40. 12

beurteilen kann als der Kreditgeber, und der Kreditgeber sich daher unbedingt zusätzlich gegen dieses Informationsdefizit absichern muss, was sich in der Gestaltung der Vertragsbedingungen wie z. B. im Zinssatz bemerkbar macht. Sind nun keine anderen Sicherheiten oder entsprechendes Kapital zur Absicherung der genannten Risiken vorhanden, wird in den wenigsten Fällen ein Kredit vergeben. Diese Zugangsbarriere trifft vor allem die Studierenden oder Schüler, deren Familien über die geringsten finanziellen Mittel verfügen. Hinzukommt, dass Investitionen in Humankapital erst nach mehreren Jahren Erträge einbringen, deren Höhe zusätzlich mit einem Risiko behaftet ist. Darüber hinaus kann sich eine Situation ergeben, in der der Kreditnehmer aufgrund der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schwierigen Prognostizierbarkeit zukünftiger Einkünfte bei einem relativ niedrigen Einkommen die fixen Tilgungsraten nicht mehr bedienen kann. Diese Situation kann sich im Laufe des Berufslebens mehrmals wiederholen. Dabei steigt die noch zu begleichende Schuld jedes Mal um zusätzlich anfallende Zinsen und eventuelle Säumnisgebühren, etc. Fallen Rückzahlungen absehbar dauerhaft aus, hat das erhebliche, negative Konsequenzen für die Kreditwürdigkeit des Schuldners. Für das weitere Leben werden dadurch die Chancen auf Folgekredite verringert. Vor allem für Studierende aus finanzschwachen Verhältnissen, deren Risikoaversion am stärksten ausgeprägt ist, stellt dieses Risiko eine äußerst abschreckende Barriere dar. Angenommen klassische Kredite bzw. Darlehen stellen die einzige Finanzierungsoption für Humankapital dar, ist Unterinvestition in Humankapital nicht zu vermeiden. Dadurch wird sowohl die Entwicklung jedes Einzelnen nicht seinen Fähigkeiten entsprechend gefördert, als auch die der gesamten Gesellschaft stark eingeschränkt. Es lässt sich zusammenfassen, dass Kredite oder Darlehen in den beschriebenen Formen zur Bildungsfinanzierung kaum geeignet sind, vor allem nicht vor dem Hintergrund, den Zugang zu Bildung für finanziell benachteiligte Studierende/Schüler zu erleichtern. 40 3.2 Einkommensabhängige Darlehen Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Annuitätenkrediten passen sich einkommensabhängige Darlehen oder Income Contingent Loans der aktuellen finanziellen Situation der 40 PALACIOS (2003), FLAMMER (2009) und KIRCHNER (2007) stimmen hier in ihren Ergebnissen im Wesentlichen überein. 13

Schuldner an. Während einer festgelegten Rückzahlungsphase, die im Falle einer Finanzierung von Bildung nach Abschluss des Studiums bzw. bei Eintritt ins Berufsleben startet, wird ein vereinbarter, prozentualer Anteil vom Einkommen des Kreditnehmers als Tilgung geleistet, bis die Rückzahlungsphase abgelaufen oder der gesamte Betrag zuzüglich Zinsen zurückgezahlt wurde. So wird aufgrund nur mit Unsicherheit abschätzbarer, zukünftiger Einkommen finanziell angespannten Situationen derart Rechnung getragen, dass Absolventen jederzeit in der Lage sind ihre Rückzahlung zu leisten. 41 Wegen der befristeten Rückzahlungsphase kann es dazu kommen, dass Absolventen mit vergleichsweise niedrigeren Einkommen nicht die gesamte Darlehenssumme zurückzahlen. Um diese Lücken zu schließen, stehen zwei Alternativen zur Verfügung. 42 Eine Möglichkeit, die entstandene Differenz auszugleichen, ist die Bildung von Studierenden- Gruppen, über die das beschriebene Risiko gebündelt wird. Studierende mit höheren Einkünften zahlen entsprechend höhere Raten und kompensieren in dieser Ausgestaltung die Fehlbeträge der Studierenden mit geringerem Einkommen so lange, bis die Summe aller Kreditbeträge inklusive Zinsen zurückgezahlt wurde. So wird die Summe der Rückzahlungen jedes vergleichsweise viel verdienenden Einzelnen in konditionale Abhängigkeit zu den Ausfällen durch die Mitglieder der Gruppe gesetzt, die vergleichsweise wenig verdienen und zurückzahlen. Damit tragen alle Studierenden einer Gruppe nicht nur das eigene Risiko, sondern auch zusätzlich Teile des Risikos aller anderen und umgekehrt. 43 Studierende mit guten Aussichten auf vergleichsweise hohe Einkommen werden von dieser Regelung jedoch abgeschreckt, so dass früher oder später nur noch Studierende mit eher schlechten Einkommensaussichten ausnutzen wollen, dass Absolventen mit höheren Einkommen einen Teil ihrer Rückzahlung übernehmen, oder Studierende mit keiner anderen Finanzierungsalternative ICLs mit Risikobündelung annehmen werden. Es ergibt sich das in Kapitel 2.2 beschriebene Problem der Negativauslese. 44 Hinzukommt ein Anreiz für Absolventen, ihre Einkommen derart zu verringern bzw. anzupassen, dass während der Rückzahlungsphase relativ schlecht bezahlte Jobs mit nicht-monetären Bestandteilen, z. B. Incentives oder ähnliches angenommen, bzw. Einkommenszahlungen gezielt auf die Zeit nach dem Ende der Rückzahlungsphase verschoben werden. Es kommt zum Moral Hazard - Problem. Als mögliche Lösung der beschriebenen Probleme schlagen Flammer (2009) und 41 Vgl. FLAMMER (2009), S. 6. Unter der Annahme, dass ein Einkommen erzielt wird und der Studierende keinen anderen finanziellen Verpflichtungen gegenübersteht, die eine Begleichung seiner Kreditschuld unmöglich machen. 42 Vgl. PALACIOS (2004), S.44. 43 Vgl. FLAMMER (2009), S. 6f.; vgl. CHAPMAN (2005), S. 19f. 44 Vgl. ebd. 14

Chapman (2005) eine Verpflichtung zu ICLs mit Risikobündelung vor. 45 Eine zweite Möglichkeit besteht in der Verteilung des Risikos auf ganze Gruppen von Studierenden, so dass die Rückzahlungsphase erst endet, wenn letztlich jeder Schuldner sein individuelles Darlehen isoliert zurückgezahlt hat. Sofort sichtbar ergibt sich für den ICL-Anbieter das Problem unbestimmt langer Rückzahlungsphasen mit eventuell langen Wartezeiten. Zugleich werden jedoch das Ausfallrisiko und die genannten Probleme bei Risikobündelung gemindert bzw. beseitigt. Aus der Schuldnerperspektive besteht dementsprechend auch kein Ausfallrisiko. Allerdings kann sich bei permanent sehr niedrigem oder keinem Einkommen eine andauernde Verschuldung entwickeln. Je schlechter die finanzielle Grundausstattung des Einzelnen, desto höher ist das Risiko einer dauerhaften, im schlimmsten Fall permanenten Verschuldung. Folgerichtig entstehen dem Kreditgeber Verluste, die nur unter der Voraussetzung ausgeglichen werden können, dass der ICL-Anbieter aus einer öffentlichen, respektive staatlichen Einrichtung besteht. Dann könnte in Ausnahmesituationen ein Schuldenerlass erteilt werden, woraufhin das entstandene Defizit durch Steuereinnahmen ausgeglichen wird. Im direkten Vergleich scheint daher eine Risikoverteilung über die Gruppe für ICLs besser geeignet als eine Risikobündelung. 46 Die Entscheidungen über eine Investition in Bildung gehen immer mit der Möglichkeit einher, im Studium zu scheitern, und aus der sich Folgeprobleme am Arbeitsmarkt und/oder lebenslang niedrige Einkünfte entwickeln können. Durch eine Finanzierung der Investition mit ICLs lassen sich diese Hindernisse absichern, da Studierende im schlechtesten Fall nicht zwangsläufig einer lebenslangen Verschuldung ausgeliefert sind. 47 Insbesondere für Studierende aus finanziell schwachen Verhältnissen werden so Zugangsbarrieren abgebaut. ICLs beurteilen immer wieder aufs Neue die Vermögenssituation der Studierenden, anstatt sie aufgrund ihrer anfänglichen finanziellen Ausstattung einmalig einer bestimmten Kategorie zuzuordnen, in der sie dann verbleiben. So werden auch vermögendere Studierende unterstützt, die in ihrem Ausbildungs- und Berufsleben finanziell schwierige Phasen durchlaufen, anstatt sie ausgehend vom Startkapital sich selbst zu überlassen. 48 Zugangsbarrieren werden so abgebaut und jeder Studierende hat die Möglichkeit seine Ausbildung über ICLs zu finanzieren. Hinsichtlich der Fairness des Modells lässt sich sagen, dass zwar ausschließlich Studierende mit hinreichend hohem Bedarf während der Tilgungsphase unterstützt werden, hingegen für Studierende mit hohen Einkünften ebenfalls die Möglichkeit besteht, unverhältnismäßige Vorteile 45 Vgl. ebd. 46 Vgl. PALACIOS (2003), S. 20f.; vgl. FLAMMER (2009), S. 6ff. 47 Vgl. PALACIOS (2004), S.69f. 48 Vgl. PALACIOS (2004), S. 73. 15

erzielen können, wenn das ICL einmal abbezahlt ist. 49 Anhand eines Praxisbeispiels soll nun der Einsatz von ICLs mit Risikoverteilung durch das in Australien zur Finanzierung von Hochschulbildung verwendete HECS-System und zudem die Einholung der Rückzahlungen über das Steuersystem dargestellt und untersucht werden: In Australien haben Studierende die Möglichkeit zur Studienfinanzierung einen HECS- HELP 50 oder FEE-HELP Kredit aufzunehmen. In seiner aktuellen Form existiert das System seit 2005, ist aber bereits seit 1989 in Anwendung und durchlief seitdem mehrere Reformen. 51 Sofern Studierende dazu berechtigt sind, erhalten sie einen Kredit zur Finanzierung der anfallenden Studiengebühren. Berechtigt für HECS-HELP sind Studierende, die einen vom Commonwealth getragenen Studienplatz innehaben. Studierende, die die vollen Studiengebühren für einen nicht vom Commonwealth unterstützten Studienplatz zahlen müssen, können die sogenannte FEE-HELP beantragen. Die Höhe der Gebühren mit HECS-HELP und FEE- HELP, sowie die Höhe der vom Staat für HECS-HELP-Studierenden zu entrichtenden Zuschüsse an die Hochschulen, sind abhängig von dem jeweiligen Studiengang. Dabei fallen die Gebühren für Studiengänge von nationalem und gesellschaftlichem Interesse bzw. Bedarf am niedrigsten aus, wodurch die staatliche Förderung der Hochschulen entsprechend höher ausfällt. 52 Nach Abschluss der Hochschulausbildung wird so lange ein festgelegter prozentualer Anteil vom Einkommen als Rate zurückgezahlt, bis der gesamte Kredit zuzüglich Zinsen getilgt ist. In diesem Fall bedeutet das, dass der reale Zinssatz Null beträgt, der Kredit dafür aber laufend an die Inflation angepasst wird. 53 Die Rückzahlung ist direkt an das Steuersystem gekoppelt, dennoch darf das System nicht mit einer Graduate Tax verwechselt werden, die im nachfolgenden Abschnitt erläutert wird. Das australische Finanzamt erfasst die unterstützten Studierenden anhand ihrer Steuernummer, speichert bzw. verwaltet alle Daten bezüglich der ausstehenden Tilgungen und berechnet auf Grundlage der Steuerbescheide bzw. -erklärungen die Höhe der jeweiligen fälligen Rückzahlungen. Überschreitet das Einkommen der Absolventen bestimmte studiengang- und abschlussspezifische Freigrenzen, werden die Rückzahlungsbeträge (zwischen vier und acht Prozent des Einkommens) automatisch eingezogen. 54 Das HECS-System ist wie ein ICL mit Risikoverteilung ausgestaltet, d. h. jeder Absolvent 49 Vgl. PALACIOS (2003), S. 21. 50 HECS bedeutet Higher Education Contribution System; HELP bedeutet Higher Education Loan Programme. 51 Vgl. BIRCH/MILLER (2006), S. 97ff. 52 Vgl. HECS (2010). 53 Vgl. BIRCH/MILLER (2006), S. 104; vgl. KIRCHNER (2007), S. 81. 54 Vgl. KIRCHNER (2007), S. 89; vgl. BIRCH/MILLER (2006), S. 103. 16

zahlt nur so lange zurück, bis sein individueller Kredit komplett getilgt ist. Es besteht also für keinen Studierenden das Risiko aufgrund hoher Einkünfte mehr bezahlen zu müssen als ihm ursprünglich zur Verfügung gestellt worden ist. So ist das System in dieser Hinsicht absolut fair. Ist das Einkommen eines Absolventen während seines Berufslebens niedriger als eine bestimmte Untergrenze, sind so lange keine Rückzahlungen zu leisten, bis der Mindestwert wieder erreicht wird. 55 Die für den Staat durch Nichtbegleichen der Schuld entstehenden Verluste werden vom Steuerzahler aufgefangen, so dass auch in diesem Zusammenhang für Studierende und/oder Absolventen keine zusätzliche Belastung entsteht. 56 Die maximale Summe eines FEE-HELP Kredits, die ein Studierender im Laufe seines Lebens aufnehmen kann, ist gedeckelt und beträgt aktuell AU$ 85.062,- ( 59.331,-), für medizinische Studiengänge bzw. Hochschulausbildungen sogar AU$ 106.328,- ( 73.696,-). 57 Diese Deckelung dient vor allem dem Schutz vor einer zu großen Summe fraglicher oder ausfallender Kreditbeträge. Viele Studiengänge liegen mit ihren Gebühren über diesen Limits oder erfordern ein lange Studiendauer, so dass eine Fremdfinanzierung rein über FEE-HELP nicht möglich ist. 58 Studierende, die Fächer mit lukrativen Einkommensaussichten anstreben, erhalten bei der Kreditvergabe die gleichen Konditionen wie alle anderen, obwohl sie potenziell vergleichsweise seltener in die Situation kommen ihre Schuld nicht begleichen zu können. Kritiker sehen an dieser Stelle einen erheblichen Verbesserungsbedarf hin zu einer individuelleren Anpassung. Eine bloße Begrenzung der möglichen Kreditsumme sei die falsche Stellschraube für das Problem unsicherer bzw. ausfallgefährdeter Darlehen. Clark (2006) kritisiert zudem, dass die vom Staat gedeckelte Kreditsumme weder die Bereitstellungskosten, noch die Nachfrage nach Studienplätzen internalisiert und in keiner Weise auf Ungleichgewichte hinsichtlich Angebot und Nachfrage reagiert. 59 Als Lösung für die beschriebenen Probleme sieht Clark (2006) die Abkehr von einer Finanzierung aus staatlichen Mitteln hin zu privaten Mitteln. Das Ziel von HECS ist es, Studierende aus jeglichen sozialen Schichten Hochschulbildung zu ermöglichen und so Ungleichgewichte abzubauen. Gemäß Marks (2008) gibt es wenig belastbare Befunde, dass dies nicht erreicht wurde, bzw. dass seit Einführung von HECS Dysbalancen aufgrund unterschiedlicher sozioökonomischer Charakteristika der Studierenden 55 Vgl. KIRCHNER (2007), S. 89; vgl. BIRCH/MILLER (2006), S. 103. 56 Vgl. HOFFMANN/OCHEL (2005), S. 25; vgl. KIRCHNER (2007), S. 90. 57 Vgl. HECS (2010). 58 Vgl. NORTON (2006). 59 Vgl. CLARK (2006), S. 4. 17

gewachsen sind. Marks zieht bestätigende Ergebnisse von Andrews (1999) hinzu, die verdeutlichen, dass bei den Immatrikulationen der Anteil der Studierenden aus finanziell schwächeren Verhältnissen seit 1997 in etwa gleich geblieben ist, sich aber nicht verringert hat. Er verweist weiter auf die Ergebnisse von Chapman und Ryan (2005), die ebenfalls zeigen, dass die Verteilung der Studierenden hinsichtlich ihrer finanziellen Ausstattung nicht nur gleichgeblieben ist, sondern sich besonders bei den Studierenden mit einem sozialen Hintergrund in der mittleren Einkommensschicht Einschreibungen erhöht haben. 60 Chapman (2007) selber konstatiert, dass mit der Einführung des HECS eine Steigerung der gesamten Anmeldungen an Universitäten verbunden werden kann und der Studierendenanteil aus sozial vergleichsweise schwächerem Umfeld nicht kleiner geworden ist. Die Auswirkungen durch diese Systemeinführungen auf den Zugang zu Hochschulbildung für angehende Studierende mit finanziell schwachem Hintergrund seien jedoch insgesamt gering. In der Zeit von 1988 bis 2007 ist die Zahl der Teilnehmer am HECS um etwa 70% angestiegen. Die Summe der Gewinne für den Staat durch das System beziffert Chapman (2007) mit AU$ 13 Milliarden; verwendet wurde das Geld in erster Linie zur Entlastung der Steuerzahler, durch die durch das System entstandene Verluste aufgefangen und ausgeglichen werden. Die Verwaltungskosten liegen dabei mit weniger als fünf Prozent der jährlichen Einnahmen bei etwa AU$ 60 Millionen. 61 Ein ICL-System mit Risikoverteilung scheint also in der Lage zu sein, in der Praxis Zustände stabilisieren zu können. Um eine reale Verbesserung der Situation zu bewirken, bedarf es einer wesentlich früher einsetzenden Methode als vor dem unmittelbaren Beginn in die universitäre Ausbildung. Denn einerseits hat Bildung abnehmende Grenzerträge, so dass Investitionen in die primäre Ausbildung noch lohnenswerter sind als Investitionen in die sekundäre Ausbildung usw. 62, andererseits haben Schüler aus finanziell und sozial schwachen Verhältnissen bereits während der Schulzeit unterschiedliche soziale und die Bildung betreffende Barrieren zu überwinden. Einige dieser Schüler verlassen so vor dem Erreichen der Hochschulreife die Schule, um sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. In ihren Familien kommt es oftmals nicht zu der Entscheidungssituation, ob sie ein Studium beginnen sollten oder nicht. Um dieser Selektion vorzubeugen, müssen fähige und talentierte Schüler so unterstützt werden, dass sie die Berechtigung zu einer universitären Ausbildung erlangen. Ziel sollte es sein, für alle angehenden Studierenden einen Zustand der Chancengleichheit im Wettbewerb um 60 Vgl. MARKS (2008), S. 74. Marks gibt hier einen guten Forschungsüberblick der Wirkungen bzw. Auswirkungen der HECS. 61 Vgl. CHAPMAN (2007), S. 60. 62 Vgl. PALACIOS (2004), S. 20. 18

Studienplätze zu schaffen, trotz unterschiedlicher, sozioökonomischer Charakteristika. 63 Für die Fremdfinanzierbarkeit von Humankapitalinvestitionen im Bereich primärer und sekundärer Bildung bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass, wenn Annuitätendarlehen und ICLs verglichen werden und ausgeblendet wird, dass Minderjährige keine belastenden Schuldverträge abschließen können, einkommensabhängige Darlehen daher aufgrund der individuellen Anpassungen in Verbindung mit der Möglichkeit zur Risikodiversifikation, sowohl für Investoren, als auch für Kreditnehmer die geeignetere Alternative darstellen. 3.3 Graduate Tax Zur Finanzierung der Investitionen in Bildung zahlen Studierende nach Studienabschluss vom Anfang bis zum Ende des Berufslebens, einen fixen, prozentualen Anteil ihres Einkommens als Ausbildungssteuer und sind vorab nicht dazu verpflichtet, Studiengebühren zu zahlen, da diese vom Staat übernommen werden. Die Rückzahlung geht also unter Umständen über die bloße Tilgung der zur Verfügung gestellten Summe hinaus. Studierende mit aussichtsreichen Karrierechancen werden sich daher kaum für diese Art der Finanzierung entscheiden, um einer möglicherweise überproportionalen Rückzahlung aus dem Weg zu gehen. So kann es sogar vorteilhaft sein, einen eher gering entlohnten Job anzunehmen oder nach Ende des Studiums das Land zu verlassen. Bildung erhöht immer auch die Mobilität von Individuen, was aufgrund der Steuererhebung allerdings die Abwanderung von Fachkräften, Spezialisten, Wissenschaftlern, etc. zur Folge haben kann. Insbesondere für Aufbauprozesse in Entwicklungsländern hat dieser so genannte Brain Drain äußerst negative Konsequenzen. Vereinbarungen zwischen Ländern zur Erhebung der Steuer auch nach Emigration können zumindest hinsichtlich der Einholung der Rückzahlungen Abhilfe schaffen. 64 Die Höhe der prozentualen Abgabe sieht Palacios (2003) weniger als Resultat einer intensiven Analyse der Nutzen und ökonomischer Werte von Bildung, sondern als vor politischem Hintergrund definierte Größe. Er folgert daraus, dass ein vollkommen unabhängig von Studienrichtung, Hochschule, Chancen und vermutlichen Markwerten ermittelter Standardsteuersatz 63 Vgl. KIRCHNER (2007), S. 79; vgl. MARKS (2008), S. 83. 64 Vgl. KIRCHNER (2007), S. 50ff.; vgl. FLAMMER (2009), S. 8; vgl. CHAPMAN (2005), S. 27f.; vgl. PALACIOS (2003), S. 17ff. 19