Die Wirksamkeit von Verhaltens- und Verhältnisprävention in verschiedenen Settings

Ähnliche Dokumente
Was wirklich wirkt? Zur Wirksamkeit alkoholspezifischer Prävention für Jugendliche

Alkoholprävention: Was wirkt und warum?

Möglichkeiten eines evidenzbasierten

Arnold Schwarzenegger oder die Alkoholprävention bei Jugendlichen

Alkoholprävention: Was wirkt und warum?

Tabak- und Alkoholprävention: Nutzen wir die Synergien!

Effektive Suchtprävention: wissenschaftliche Befunde, praktische Erfahrungen, politische Notwendigkeiten

Weiche Erfolgsindikatoren in der kommunalen Alkoholprävention was ist das? (Kritischer) Blick aus der Evaluationsperspektive

Systematik der SFA. Nationale Fachtagung «Worauf basiert die Suchtprävention?» 24. Mai Jacqueline Sidler Leiterin der Präventionsabteilung

Evidenzbasierung in der Suchtprävention Überforderung, Notwendigkeit oder Chance?

Kriminalprävention und Suchtprävention Schnittstellen-Effektivität und Zukunftsfähigkeit: Was muss sich ändern?

Einführung Quantitative Sozialforschung. WS IV Good Practice Strategie kommunaler Suchtprävention am Beispiel der Stadt Delmenhorst

Ursachen für problematischen Suchtmittelkonsum/Abhängigkeit

Kooperationstag Sucht und Drogen 2011

Oftmals werden Anforderungen an die Offene Kinder- und Jugendarbeit gestellt, die auf den ersten Blick eher belastend wirken.

Suchtpräventive Ansätze bei Cannabiskonsum

Verhaltens- und Verhältnisprävention: (k)ein Widerspruch

Ist die Suchtprävention ihr Geld wert? Erkenntnisse der Evaluationsforschung

Stefanie Helmer, Hajo Zeeb

Effekte von Maßnahmen der GS-Prävention - internationaler Überblick. Dr. Jens Kalke Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS)

Was wissen wir über das Ausmaß jugendlichen Rauschmittelmissbrauchs und jugendlichen Suchtverhaltens?

Prävalenz, Ätiologie und Therapie von Cannabisabhängigkeit

LehrerInnen von Pflichtschulen und höheren Schulen ab der 5. Schulstufe

Update NPS-Konsum neue Ergebnisse aus der Epidemiologie

Prävention der Glücksspielsucht - Ergebnisse einer Expertenbefragung

Suchtprävention durch mediale Gesundheitskommunikation. - am Beispiel der Jugendkampagne Alkohol? Kenn dein Limit.

Check it! Eine Unterrichtsreihe zur schulischen Suchtvorbeugung

Austauschtreffen Schulische Suchtvorbeugung am in Aachen

PRÄVENTIONS- KATALOG

Ziel: Gesund aufwachsen Zielgruppen: Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende

Präventive Sucht- und Drogenpolitik

DAS WÜRFEL-MODELL. Bisher: Vier-Säulen-Modell. Erste Dimension. Prävention Therapie Schadensminderung Repression

Früherkennung und Frühintervention im Internet:

Expertenanhörung

Gesundheitsförderung, Prävention, Früherkennung

>>Ignorieren oder informieren?

Suchtprävention in der Heimerziehung als gemeinsame Aufgabe der Jugend- und Suchthilfe

Das Suchtmittelkonsumverhalten von 18- bis 25-Jährigen in Hamburg 2017 Ausgewählte Ergebnisse der JEBUS-Studie

Mobiltelefonbasierte Suchtprävention durch die Förderung von Lebenskompetenzen bei Jugendlichen

Früherkennung und Frühintervention Schwerpunkt der Kinder- und Jugendgesundheit des BAG

Klar sehen nichts vernebeln

Gesundheits- und Risikoverhalten von Berliner Kindern und Jugendlichen

Qualitätssicherungsprozess der BZgA. Schlussfolgerungen aus der EvAKuJ-Studie

Gesundheitszielprozesse und prioritäre Handlungsfelder des Themenbereichs Rauchfrei leben / Tabakkonsum reduzieren

Häufigkeit des Crystal-Konsums und Zahl der Abhängigen - Was passiert, wenn es keine epidemiologischen Daten gibt? Andreas Böhm

Verkehrssicherheit neue Herausforderungen

Prävention und Gesundheitsförderung für Kinder und Jugendliche. Präventionsstraße oder highway to health?

Strategien erfolgreicher Prävention. J. Wolstein, Bamberg

Arbeitsprogramm des Drogen- und Suchtrates

Was tun, wenn Jugendliche Alkohol und Drogen konsumieren?

ÖSTERREICHWEITE ANGEBOTE DER SUCHTPRÄVENTION FÜR SCHULEN, JUGENDLICHE UND ELTERN: PLUS FREE YOUR MIND - ELTERNKURZINTERVENTION

»Kommunale Alkoholprävention Erfahrungen aus Hessen«

Qualitätssicherung und Zielorientierung der Beitrag der BZgA

Elternabend OST Meilen, Wer jung mit Kiffen beginnt, hat ein Problem... Und was hat mein Kind damit zu tun?

Projekt Sekundäre Suchtprävention im Mehrebenenansatz für spätausgesiedelte junge Menschen (SeM)

ERFOLGREICH GEGEN SUCHT

Konsum illegaler Drogen

Gesundheitskompetenz stärken

Modellprojekt. Qualitätsentwicklung in der Beratung und Prävention im Kontext von Drogen und Sexualität bei schwulen Männern

Kinder Suchterkrankter

15. Bayerisches Forum Suchtprävention, Ismaning, Oktober

1 Vorwort Vorwort zur 2. Auflage Vorwort zur 1. Auflage... 16

Crystal und Prävention

Sven Frisch Dipl. Sozialpäd. (FH) Fachambulanz für junge Suchtkranke, München AVerCa- Cannabis Talk, München am

voja Projekt ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung

Genuss, riskanter Konsum oder doch schon Sucht? Förderung genussorientierter Konsummuster

Familien im Fokus der Prävention -

Überregionale Suchtprävention als Impulsgeber für Vernetzung. Fachtagung Kommunale Suchtprävention Potsdam

Beispiel für eine Internetplattform mit einem vielfältigem Angebot

Auszubildende & Gesundheit Ein Investment in die Zukunft des Unternehmens

Kinderliedertour der BZgA im Rhein-Sieg-Kreis Rhein-Sieg-Kreis Unterwegs nach Tutmirgut. Tutmirgut Gesundheitsförderung

Die Vierte Delmenhorster Schülerstudie

Schutz- und Risikofaktoren jugendlicher Suchtentwicklung. Dr. Marianne Klein Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

Zwölf Jahre Drogen. Martin Sieber. Verlaufsuntersuchung des Alkohol-, Tabak- und Haschischkomsums. Verlag Hans Huber Bern Stuttgart Toronto

7/15/2014. Die SEYLE-Studie. Selbstmordversuche (Heidelberger Schulstudie 2004/05) Schulbasierte Prävention. Die SEYLE-Studie

Man kann nicht nicht evaluieren

Verleihung des BKK Innovationspreises Gesundheit 2016 Armut und Gesundheit am 13. September 2017 in Frankfurt a. M.

Pädagogische Handlungsempfehlungen

prae-venio e.v. - Gesundheit, Prävention, Beratung Blumenstraße 70 (Haus 1) Erfurt Tel: Fax: Anzahl Maßnahmen

SUCHTPRÄVENTION BEREICH AUSBILDUNG. Dresden, Sirko Schamel

LBISucht seit 1972 und AKIS seit 2000 beide am Anton-Proksch-Institut in Wien Kalksburg Zielsetzungen: Forschung in allen Bereichen der Sucht Wissensc

Caritasverband Rhein-Hunsrück-Nahe e.v. Fundus ein Methodenkoffer zur Suchtprävention

Multipler Substanzkonsum bei Jugendlichen. Drogenkonferenz DIE JUGEND VON HEUTE Referent: Dr. phil. Samuel Tomczyk


Kurzkonzept. Jugendliche produzieren Präventionsmaterial für Jugendliche in Form von City Cards, Plakaten und Videos

Mit Suchtfamilien arbeiten

Gesundheitsstrategie Baden-Württemberg- Generierung und Umsetzung von Gesundheitszielen im Rahmen einer Public Health Initiative

Alkoholmissbrauch im Jugendalter - Strategien zur Prävention und Intervention in Städten und Gemeinden -

Prävalenz und Determinanten des Tabakkonsums im frühen Jugendalter: Aktuelle Ergebnisse der HBSC-Studie 2005/06

Sophia Fachtagung Migrationshintergrund: ein Einflussfaktor auf die kindliche Entwicklung?

KiGGS-Symposium. Rauchen in der Schwangerschaft. Dr. Benjamin Kuntz Berlin, 15. März 2018

Hirndoping und Alkoholrausch contra Unistress? Herausforderung Suchtprävention in der Hochschule

Ausarbeitung einer multisektoriellen Alkoholstrategie: die Projekte des Kantons Genf

Transkript:

Die Wirksamkeit von Verhaltens- und Verhältnisprävention in verschiedenen Settings Dipl.-Psych. Daniela Piontek 4. Nordrhein-Westfälischer Kooperationstag Sucht und Drogen Dortmund, 12. 09. 2007

Gliederung Daten zum Substanzkonsum bei Jugendlichen Theoretische Grundlagen Ergebnisse der Expertise zur Prävention des Substanzmissbrauchs

Daten zum Substanzkonsum Aktuelles Rauchen Jungen Mädchen 100% 80% 60% 40% 20% 0% 11 12 13 14 15 16 17 Alter (Jahre) Quelle: Lampert & Thamm (2007)

Daten zum Substanzkonsum Regelmäßiger Alkoholkonsum Jungen Mädchen 100% 80% 60% 40% 20% 0% 11 12 13 14 15 16 17 Alter (Jahre) Quelle: Lampert & Thamm (2007)

Daten zum Substanzkonsum Cannabiskonsum (12 Monate) Jungen Mädchen 100% 80% 60% 40% 20% 0% 11 12 13 14 15 16 17 Alter (Jahre) Quelle: Lampert & Thamm (2007)

Theoretische Grundlagen Verhaltens- und Verhältnisprävention Verhaltensprävention Einflussnahme auf den individuellen Gesundheitszustand oder auf individuelles Gesundheitsverhalten Verhältnisprävention Einflussnahme auf Gesundheit/Krankheit durch Veränderung der Lebensbedingungen/Umwelt von Personen

Theoretische Grundlagen Ökologie der Entwicklung Medien Gesellschaft Community Familie Individuum Freunde Schule

Theoretische Grundlagen Risiko- und Schutzfaktoren Risikofaktoren Schutzfaktoren Substanzmissbrauch Suchtprävention

Expertise zur Prävention des Substanzmissbrauchs Ziel: neuester Stand der Forschung über Wirksamkeit von Suchtprävention mit Kindern und Jugendlichen Methode: systematische Suche und Auswertung von 49 qualitativ hochwertigen wissenschaftlichen Überblicksartikeln Ergebnis: Evidenzbasierte Schlussfolgerungen zu präventiven Effekten (Verhinderung, Verzögerung oder Reduktion des Konsums) Status quo, Durchschnitt, universelle Prävention

Ergebnisse der Expertise Setting Familie Umfassende familiäre Ansätze haben präventive Effekte auf Konsumverhalten (Alkohol) Eltern-, Kinder- und Familientraining Maßnahmen zur Einbeziehung schwer erreichbarer Familien sind erfolgreich Präventive Maßnahmen für Kleinkinder sollten familienorientiert sein

Ergebnisse der Expertise Setting Schule (1) Interaktive schulbasierte Programme haben präventive Effekte (Tabak, Alkohol, Cannabis, illegale Drogen) Konzept des sozialen Einflusses und Lebenskompetenz Non-interaktive Programme sind nicht effektiv Alleinige Informationsvermittlung, affektive Erziehung, Wertevermittlung/Entscheidungsbildung, DARE-ähnliche Ansätze

Ergebnisse der Expertise Setting Schule (2) Effekte sind für Tabak und Alkohol langfristiger (2 3 Jahre), für Cannabis und illegale Drogen unklar (bis 1 Jahr) Ausrichtung auf eine Substanz ist für Tabakprävention besser, für Alkoholprävention nicht ausschlaggebend Kurzfristige Effekte haben gute Prognose für langfristige Effektivität

Ergebnisse der Expertise Setting Schule (3) Unklar Nutzen zusätzlicher systemübergreifender Komponenten Höherer Nutzen für jüngere/unerfahrene Schüler Einsatz von Peers Intensität und Länge der Maßnahme Training von Ablehnfertigkeiten Einsatz von Auffrischungssitzungen

Ergebnisse der Expertise Setting Freunde/Freizeit Keine zusammengefasste Information erhältlich

Ergebnisse der Expertise Setting Medien Massenmediale Kampagnen in Kombination mit anderen Komponenten haben präventive Effekte auf Konsumverhalten (Tabak) Isolierte massenmediale Kampagnen verringern das Konsumrisiko nicht (Tabak)

Ergebnisse der Expertise Setting Community (1) (a) Regionale Netzwerkbildung Aufbau von Handlungskapazität Integration von Hilfsangeboten Beeinflussung politischer Entscheidungen Regionale Netzwerkbildung mit dem Ziel der Einführung gesetzlicher Bestimmungen ist effektiv

Ergebnisse der Expertise Setting Community (2) (b) Systemübergreifende Projekte Maßnahmen in unterschiedlichen Systemen (Schule, Medien, Familie, gesetzgeberische Maßnahmen) Präventive Effekte solcher Projekte auf das Konsumverhalten sind umstritten

Ergebnisse der Expertise Setting Gesellschaft/gesetzliche Bedingungen (1) Höhere Preise reduzieren die Verbreitung und Menge des Tabakkonsums Isolierte Maßnahmen zur Verhinderung des Verkaufs von Tabak an Jugendliche verringern den Konsum nicht

Ergebnisse der Expertise Setting Gesellschaft/gesetzliche Bedingungen (2) Heraufsetzen der legalen Altersgrenze verringert den Alkoholkonsum Höhere volle Alkoholpreise haben präventive Effekte auf den Konsum Dekriminalisierung von Cannabis erhöht den Konsum nicht

Ergebnisse der Expertise Spezielle Gruppen Konsumverhalten von Mädchen lässt sich stärker beeinflussen Prävention mit Risikogruppen senkt das Konsumverhalten Schulbasierte Kompetenzprogramme, Mentorenprogramme Nicht unerhebliche Gefahr, dass bei Risikogruppen unerwünschte Effekte auftreten

Verhaltens- vs. Verhältnisprävention (1) Keine wissenschaftliche Studie, die Strategien gegeneinander testet Vergleichbarkeit zwischen Studien kritisch Störgrößen in Evaluation von Verhältnisprävention viel weniger kontrolliert als in Verhaltensprävention Effizienz Kosten-Nutzen-Vergleiche in Prävention noch schwieriger als in Therapie

Verhaltens- vs. Verhältnisprävention (2) Wirkungsbreite (Reach) & Wirkungsspektrum (Scope) Gesetzliche Maßnahmen weitreichend und spezifisch Verhaltensprävention begrenzt und für viele psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten Empirisch abgesicherte Theorien Verhalten = Person * Umwelt Entwicklung im Kontext Kombination von Verhaltens- und Verhältnisprävention

Zusammenfassung Maßnahmen zur Prävention des Substanzmissbrauchs sind nötig und effektiv Dabei ist vor allem auf langfristig angelegte, im Hinblick auf die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen verzahnte Konzepte auf der Ebene der Verhaltens- und Verhältnisprävention zu achten. (Bühler & Kröger, 2006, S. 120)

Bühler, A. & Kröger, C. (2006). Expertise zur Prävention des Substanzmissbrauchs. Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung, Band 29. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Danke für Ihre Aufmerksamkeit! piontek@ift.de