K4 Bedingte Wahrscheinlichkeiten. 4.1 Definition Die bedingte Wahrscheinlichkeit von A bei gegebenem B:

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Transkript:

K4 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 4.1 Definition Die bedingte Wahrscheinlichkeit von A bei gegebenem B: P(A B) = P(A B)/P(B) (4.1.1) Meistens benutzen wir diese Form: P(A B) = P(A B)*P(B) weil P(A B) schwer zu berechnen ist. z.b. Lebensdauer p k = P(jemand im k.ten Lebensjahr stirbt) unabhängig von seinem Geburtsjahr P(jemand das k.te Jahr erreicht) s k = p k + p k+1 +... P(im Alter von r zu sterben, wenn man schon k erreicht hat) = 0 r < k = p r /s k r k

z.b. Lotto Angenommen # Gewinner, X ~ P(λ) (i) Gegeben, dass der Jackpot gewonnen wird, was ist die Wahrscheinlichkeit, dass er geteilt wird? P(X > 1 X> 0) = (1 - e -λ - λ e -λ )/(1 - e -λ ) (ii) Gegeben, dass ich den Jackpot gewonnen habe, was ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich ihn teilen muss? Sei p = P(ich gewinne den Jackpot) P(ich und x andere gewinnen) = p*λ x e -λ /x! => P(x andere gewinnen ich) = λ x e -λ /x! => P(ich den Jackpot teilen muss) = 1 - e -λ

4.2 Formel von Bayes (1) Formel von der totalen Wahrscheinlichkeit {B 1, B 2, B 3,... } heißt Zerlegung von Ω, wenn die B i disjunkt sind, und ihre Vereinigung Ω ist. Für jede Zerlegung und jedes Ereignis A gilt P(A) = P(B k )*P(A B k ) (4.2.1) (Ist P(B k ) = 0, so ist P(A B k ) nicht definiert aber das Produkt kann = 0 gesetzt werden.) (2) Bayes Gilt P(A) > 0, und gelten alle Voraussetzungen von (1), so ist für alle i P(B i A) = P(B i )*P(A B i )/ P(B k )*P(A B k ) (4.2.2)

Beweis von (4.2.2) (Bayes Formel) => P(A B i ) = P(A B i )*P(B i ) = P(B i A)*P(A) P(B i A) = P(B i )* P(A B i )/P(A) = P(B i )*P(A B i )/ P(B k )*P(A B k ) {P(B i )} sind die apriori Wahrscheinlichkeiten {P(B i A)} die aposteriori Wahrscheinlichkeiten Mit Bayes werden Wahrscheinlichkeiten berechnet. Das erlaubt aber keinen Rückschluss auf etwaige Kausalzusammenhänge zwischen den Ereignissen.

4.3.1 Beispiel mit Bayes (Autoversicherung) Drei Gruppen: Gut Mittelmäßig Schlecht G M S Nehmen wir an, dass P(Unfall im Jahr G ) = 0.01 P(Unfall im Jahr M ) = 0.03 P(Unfall im Jahr S ) = 0.10 und P(G) = 0.3, P(M) = 0.5, P(S) = 0.2 Jemand hat im Jahr einen Unfall, wie sehen die aposteriori Wahrscheinlichkeiten aus? P(S Unfall) = 0.5263 [ = (0.2*0.1)/(0.2*0.1+0.5*0.03+0.3*0.01)]

4.3.2 Beispiel mit Bayes (Sport-Kommentatoren) Köln gewinnt, wenn Podolski trifft Nehmen wir an, dass P(Köln gewinnt) = 0.4 P(Köln gewinnt Podolski Tor) = 0.9 P(Podolski Tor) = 0.3 Dann P(Podolski Tor Köln gewinnt) =

4.3.3 Beispiel mit Bayes (Das Auto und Ziegen Problem) Es gibt drei Türe: A, B, und C. Hinter einer Tür steht ein Auto und hinter den anderen zwei steht je eine Ziege. Sie wählen eine Tür aus. Bevor der Moderator die Tür öffnet, öffnet er eine der anderen, um eine Ziege zu zeigen. Gut, dass Sie diese Tür nicht gewählt haben! sagt er. Jetzt bietet er Ihnen, die Möglichkeit, Ihre Tür zu wechseln, sollten Sie? o.b.d.a. wählen Sie zuerst Tür A. P(Auto hinter Tür A steht) = 1/3 Der Moderator öffnet Tür B. Was ist P(Auto hinter A A gewählt, B geöffnet)? = (1/3)*(1/2)/[ (1/3)*(1/2)+ (1/3)*1]

4.4 Wahrscheinlichkeit in der Genetik 4.4.1 Hardy-Weinberg Gesetz In einer idealen Population ändert sich die Häufigkeit der Gene nicht, wenn kein äußerer Einfluss wie Migration, Selektion oder Mutation einwirkt. Die Allelfrequenzen bleiben konstant. (Die Population ist sehr groß und alle Paarungen sind gleich wahrscheinlich und gleich erfolgreich.) Wenn die Genotypen AA, Aa, aa mit diesen Häufigkeiten vorhanden sind: AA Aa aa u 2v w (u, v, w > 0 und u + 2v + w = 1) gibt es im Genpool p = (u + v) A Gene und q = (v + w) a Gene

Wir behaupten, daß jedes Kind ein Gen vom männlichen Genpool und ein Gen vom weiblichen zufällig bekommt. Dann hat ein Kind die Genotypen mit Wahrscheinlichkeiten: AA Aa aa p2 2pq q2 oder (u + v)2 2(u + v)(v + w) (v + w)2 Sonst finden wir die Wahrscheinlichkeiten von Eltern und Nachkommen als: Vater Mutter W P(AA) P(Aa) P(aa) AA AA u2 1 0 0 AA Aa 2uv 1/2 1/2 0 AA aa uw 0 1 0 Aa AA 2uv 1/2 1/2 0 Aa Aa 4v2 1/4 1/2 1/4 Aa aa 2vw 0 1/2 1/2 aa AA uw 0 1 0 aa Aa 2vw 0 1/2 1/2 aa aa v2 0 0 1

Nehmen wir an, u i = P(AA) in der i-ten Generation 2v i = P(Aa) in der i-ten Generation w i = P(aa) in der i-ten Generation u 0 = u v 0 = v w 0 = w u 1 = (u + v)2 2v 1 = 2(u + v)(v + w) w 1 = (v + w)2 Die Wahrscheinlichkeiten für ein Kind in der nächsten Generation werden: u 2 = (u 1 + v 1 )2 = ((u + v)2 + (u + v)(v + w))2 = (u + v)2(u + v + v + w)2 = (u + v)2 = u 1 und u n = u 1 v n = v 1 w n = w 1 n eine stationäre Verteilung. (Zur Errinerung, die Annahmen : große Population, keine Migration, keine Mutationen, keine Selektion, gleiche Paarungschancen)

4.4.2 Hardy-Weinberg Beispiele 1) Seltene rezessive Gene Phänotypen (AA, Aa) und (aa) z. B. cystic fibrosis P(Kind hat die Krankheit) = 0.0005 P(a) = (0.0005) = 0.022 P(Aa) = 2*0.022*0.978 = 0.044 (4.4% der Bevölkerung) Mukoviszidose (Cystische Fibrose) Die Mukoviszidose ist eine Erbkrankheit. Sie ist durch eine Veränderung (Gen- Mutation) auf dem langen Arm des Chromosoms 7 verankert. Bis heute kennt man schon über 800 Mutationen, die zu Mukoviszidose führen. 4 % in Deutschland sind Merkmalsträger 1 von 3000 Neugeborenen Mukoviszidose 5 000 Mukoviszidose-Patienten hier

Wenn beide die Erbanlage für Mukoviszidose haben, ist theoretisch jedes 4. Kind an Mukoviszidose erkrankt und 50 % der Kinder sind - wie die Eltern - Merkmalsträger, aber gesund. In Wirklichkeit kann es aber vorkommen, daß in einer Familie die Anzahl der Kinder mit Mukoviszidose überwiegt (z.b. 2 kranke Kinder, 1 gesundes Kind). www.uniklinikumgiessen.de/pneumologie/vererbung.html

(a) Hardy-Weinberg (i) Sind die Daten mit H-W konsistent? (ii) Stimmen die H-W Annahmen? (b) Was ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie einen Merkmalsträger sind, eine Merkmalsträgerin heiraten und zwei Kinder ohne der Krankheit haben? (c) Was ist die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens eine Frau und ein Mann hier Merkmalsträger sind? (d) Gegeben, dass Sie ein Kind mit der Krankheit haben, was ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide Ihre Eltern Träger waren?

2) Dominante Gene Phänotypen (AA, Aa) und (aa) z. B. Fähigkeit PTC zu kosten P(in USA 1932, PTC) = 0.702 q = P(a) = (1-0.702) = 0.546 (immer noch c 70% s. z.b. 75% in extension.usu.edu/aitc/teachers/pdf/ heredity/comparing_traits.pdf) Phenylthiocarbamid; ein experimenteller Tyrosinase-Hemmstoff. Der PTC-Geschmackstest prüft die z.b. bei ca. 70% der Europäer genetisch fixierte Fähigkeit, PTC als bitter zu empfinden. www.gesundheit.de/roche/ro30000/r32021.html

3) Co-dominante Gene Phänotypen AA, Aa, aa z. B. Blutgruppe MN mit Phänotypen M, MN, N Britische Stichprobe (?) in 1962: M MN N 363 634 282 28.38% 49.57% 22.05% p = (363 + 634/2)/(363 + 634 +282) = 53.17% u = p2 = 28.27% w = q2 = 21.93% 2v = 1 - u - w = 49.80% HW => u = (u + v) 2 oder u = 0.5 v ± 0.5 (1-4v)