globalen Mitverantwortung Militärische Mittel ein Teil der Sicherungsinstrumentarien

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Transkript:

1 Rede vom Kommandeur der Einsatzflottille 2, Flottillenadmiral Thorsten Kähler, zum gemeinsamen Neujahrsempfang von Marine und Stadt am Sontag, dem 10. Januar 2010 Meine sehr geehrten Damen und Herren, Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt heute weniger als 100 km von der Küste entfernt. Die Anziehungskraft der großen Küstenmetropolen ist ungebrochen. Viele Menschen sind auf das Meer als Rohstoff- und Nahrungsquelle oder als Transportweg angewiesen, andere nutzen die See als Erholungsraum oder sehen sie als Warnindikator für die Entwicklung des Weltklimas. Ein weiterer Grund für die weltweit stärkere maritime Orientierung - manch einer bezeichnet das 21. Jahrhundert auch als maritimes Jahrhundert - ist in der Globalisierung zu finden. Globalisierung lässt sich vereinfacht als zunehmende internationale Vernetzung beschreiben. Diese birgt einerseits Gefahren einer wechselseitigen Abhängigkeit und Verwundbarkeit gegenüber störenden Entwicklungen in sich. Auf der anderen Seite eröffnet sie aber auch Chancen für eine Verbreiterung der internationalen Handels- und Informationsbeziehungen bis hin zu einer globalen Arbeitsteilung. Insbesondere Deutschland braucht den freien Austausch von Ideen, Gütern und Rohstoffen. Wir verfügen nur über geringe Rohstoffvorkommen, und unsere größte Ressource ist immer noch die Leistungsfähigkeit unserer Menschen bei der Entwicklung und Herstellung von am Weltmarkt begehrten Produkten. Rund 20% des deutschen Außenhandelsvolumens werden über See abgewickelt. Die See ist aber weit mehr als ein globales Verkehrsnetz, sie definiert Wirtschaftsräume wie den asiatisch-pazifischen oder in kleinerem Maßstab den der Ostsee, und sie stiftet in zunehmendem Maße auch kulturelle Identität. Wer wüsste die wachsende Rolle und Bedeutung der See besser einzuschätzen als die Menschen an der Küste und insbesondere die Menschen in Wilhelmshaven. Die Jadestadt ist in vielfältiger Weise mit dem Meer verbunden, über den Umschlag von Rohöl, die privilegierte Lage als tidenunabhängiger Tiefseehafen an der Nordsee, die Betriebe der See- und Hafenwirtschaft, den Tourismus und Wassersport, und nicht zuletzt die Marine, deren größter Standort Wilhelmshaven ist. Über 4.000 Soldaten und Zivilbedienstete gehören allein zur Einsatzflottille 2, der überwiegende Teil von ihnen dient als Besatzungen auf unseren Fregatten und Versorgungseinheiten. Eine verantwortungsvolle Nutzung der See ist für uns von essentieller Bedeutung. Für die Menschen in Deutschland haben Störungen wichtiger Seeverkehrsverbindungen, auch wenn diese tausende von Seemeilen von uns entfernt stattfinden, genauso Konsequenzen wie Umweltzerstörung und Klimaveränderungen. Destabilisierung von Ländern, Regionen und Seegebieten durch Terrorismus und seit einigen Jahren zunehmend durch Piraterie gefährdet den friedlichen Welthandel. Sie bedroht im Extremfall den Weltfrieden und damit direkt unsere Sicherheit.

2 Spätestens seit der Wiedervereinigung Deutschlands können wir uns unserer globalen Mitverantwortung für die Sicherung und den Erhalt des Weltfriedens nicht entziehen. Militärische Mittel, zu denen auch unsere Marine gehört, sind ein Teil der Sicherungsinstrumentarien, die uns zur Verhinderung oder Eindämmung von Krisen und Konflikten zur Verfügung stehen. Sie mögen nicht die erste Wahl der Politik sein. Manchmal jedoch bleibt keine andere Wahl als sie so rechtzeitig einzusetzen, dass Gefahren für unsere Sicherheit von uns ferngehalten werden. Viele der aktuellen internationalen Krisen und Konflikte haben eine maritime Dimension. Das folgende Zahlenbeispiel mag dieses verdeutlichen: Die Teilstreitkraft Marine macht rund acht Prozent des Gesamtpersonalumfanges der Bundeswehr aus, ist aber mit einem Personalanteil von 15% an den Einsätzen beteiligt. Eine Erklärung für die überproportionale Einsatzbelastung unserer Schiffe, Boote und Flugzeuge ist der offensichtliche Bedarf an maritimen militärischen Fähigkeiten. Unsere Marine muss darauf ausgerichtet sein, langfristig im multinationalen Rahmen auch in großer Entfernung von der Heimat und unter Bedrohung zu operieren, um die friedliche Nutzung der See und der maritimen Verkehrswege sicher zu- stellen. Das erfordert eine ausreichende Seeausdauer, die Durchsetzungsfähigkeit gegen ein breites Spektrum an Bedrohungen sowie die Einsatztauglichkeit unter allen Seegangs- und Klimabedingungen. Diese Fähigkeiten werden wesentlich durch die Einsatzflottille 2 bereit gestellt. Auch wenn die Beteiligung der Einheiten der Flottille an den Operationen ENDURING FREEDOM, ACTIVE ENDEAVOUR, UNIFIL und ATALANTA den Kern der aktuellen Einsätze ausmacht, besteht ein bedeutsamer Anteil an Einsatzverpflichtungen seit 1964 in der kontinuierlich durchgeführten Teilnahme an den Standing NATO Maritime Groups, den Einsatzverbänden der NATO. Diese sind ein wichtiger Teil des maritimen Sicherheitsdispositivs unseres Bündnisses. Die Einsatzflottille 2 unterstützt diese Verbände mit Fregatten, Einsatzgruppenversorgern oder unseren zivil besetzten Betriebsstofftransportern. An der Operation ENDURING FREEDOM, kurz OEF genannt, die als Reaktion auf die Terroranschläge auf das World Trade Center im September 2001 begann, beteiligt sich die deutsche Marine seit Februar 2002. Auftrag des OEF-Einsatzverbandes ist nach wie vor die Seeraumüberwachung am Horn von Afrika, im Gebiet der Arabischen Halbinsel sowie der Schutz der dort verlaufenden Seeverbindungslinien. Darüber hinaus sollen in dieser Region der Handel und Transport von Drogen, Waffen und Munition zur Unterstützung des internationalen Terrorismus unterbunden werden. Verdächtige Schiffe werden identifiziert und gegebenenfalls untersucht. Gegenwärtig befindet sich die Fregatte AUGSBURG im Einsatzgebiet. Als Beitrag der NATO zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus wurde die Operation ACTIVE ENDEAVOUR etabliert, an der sich die Deutsche Marine ebenfalls beteiligt. Wesentliche Aufgabe ist die Überwachung und Dokumentation des zivilen Seeverkehrs in ausgewählten Gebieten des Mittelmeeres. Ziel ist es,

3 illegale Aktivitäten mit möglichem Terrorismusbezug frühzeitig zu erkennen und präventiv gegen sie vorzugehen. Vor wenigen Wochen ist die Fregatte SCHLESWIG-HOLSTEIN aus den Gewässern vor der Küste des Libanon nach Wilhelmshaven zurückgekehrt. Sie war als deutsches Flaggschiff für die Einheiten der Marineoperation UNIFIL unter dem Kommando der Vereinten Nationen eingesetzt. Als Folge der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Israel und den Hisbollah-Milizen im August 2006 im Libanon wurden erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen die Blauhelmsoldaten an Land durch einen multinationalen Verband von Marineeinheiten unterstützt. Der Einsatzverband überwacht die Küstengewässer Libanons. Er trägt dazu bei, dem Libanon zu helfen, Schritt für Schritt die volle Souveränität über seine Hoheitsgewässer auszuüben. Der Auftrag ist, illegalen Schmuggel von Waffen und militärischen Nachschubgütern über See zu unterbinden. Ein Teil des Gesamtkonzeptes ist der Aufbau und die Ausbildung einer libanesischen Küstenwachorganisation mit deutscher Hilfe. Politisch und in der Öffentlichkeit einhellig akzeptiert ist der Einsatz von Schiffen der Marine im Rahmen der von der Europäischen Union geführten Anti-Piraterie Mission ATALANTA. Die seit Mitte 2008 sprunghaft angestiegenen Piratenüberfälle vor den Küsten Somalias haben sich zu einer erheblichen Bedrohung der Sicherheit des internationalen Seeverkehrs in der Region entwickelt. Die Kompetenz von Marinestreitkräften zum Schutz des Welthandels wird nirgendwo deutlicher als in dieser Operation. Inzwischen wurde ATALANTA um ein weiteres Jahr bis Ende 2010 verlängert. Deutschland beteiligt sich an der Operation durchgängig mit einer Fregatte. EMDEN ist gestern ausgelaufen, um die Fregatte BREMEN abzulösen. Ziel von ATALANTA ist es, humanitäre Hilfslieferungen nach Somalia und anderen Schiffsverkehr zu schützen, die Piraten vor den Küsten Somalias abzuschrecken und die Seeräuberei einzudämmen. Die Europäische Union verzichtet darauf, nur Schiffen unter der Flagge eines EU-Mitgliedslandes Schutz zu gewähren. Durch die Internationalisierung des Seetransports (als theoretisches Beispiel: Mittelamerika, europäischer Eigner, asiatischer Charterer, internationale Besatzung, internationale Ladung) können in jedem von Seeschiffen transportierten Container auch EU- Interessen stecken. In den ersten zwölf Monaten der Operation ATALANTA hat das internationale Engagement Wirkung gezeigt. Jüngste Vorfälle machen allerdings deutlich, dass es trotz Überwachung durch Einheiten mehrerer Einsatzverbände selbst im Golf von Aden keine völlige Sicherheit gibt. Die Europäische Union bemüht sich daher, weitere Länder wie China und Russland in gemeinsame Operationen zum Schutz der Handelsschifffahrt einzubinden. Im Somalia Becken operieren die Piraten in einem Seegebiet von der achtfachen Größe der Bundesrepublik Deutschland. Somit ist es ungleich schwieriger als im Golf von Aden, Übergriffe auf Handelsschiffe zu unterbinden. Wenngleich inzwischen unsere Erkenntnisse über die Vorgehensweise der Piraten erheblich besser geworden sind, ist es den Marineeinheiten nur möglich, das Phänomen der Piraterie einzudämmen. Dessen Ursachen lassen sich allein durch die langfristige Herstellung stabiler staatlicher Verhältnisse in Somalia und eine dauerhafte Verbesserung der persönlichen Lebensbedingungen der Menschen dort beseitigen.

4 In 2010 werden wir uns neben der Beteiligung an den mandatierten Auslandseinsätzen erneut in den NATO-Einsatzverbänden engagieren. Wie auch in den vergangenen Jahren haben wir einen Einsatzausbildungsverband zusammengestellt, der heute auslaufen wird. Im Rahmen der Ausbildung unserer Offiziersanwärter werden unter anderem Häfen im Mittelmeer und an der afrikanischen Westküste angesteuert. Mit der südafrikanischen Marine, zu der wir sehr enge und freundschaftliche Beziehungen unterhalten, wird gemeinsam geübt. Erstmalig wird die Fregatte HESSEN für einige Zeit zusammen mit einer amerikanischen Flugzeugträgergruppe operieren. Die vorbereitende Ausbildung dafür hat das Schiff bereits in den vergangenen Monaten vor der Ostküste der Vereinigten Staaten absolviert. Bevor wir jedoch Schiffe in Einsätze entsenden, müssen die Besatzungen intensiv ausgebildet und vorbereitet werden. Hierzu durchlaufen sie ein fünfmonatiges Einsatzausbildungsprogramm, das wir kontinuierlich an die aktuellen Erfordernisse anpassen. In 2010 werden insgesamt fünf Fregatten sowie der Einsatzgruppenversorger Berlin diese Ausbildung absolvieren und sie mit einem sechswöchigen Operationstraining unter britischer Leitung in den Gewässern vor Plymouth abschließen. Die anschließende Teilnahme an nationalen und internationalen Manövern ist erforderlich, um die erreichte Einsatzfähigkeit zu erhalten. Das intensive Jahresprogramm unserer Schiffe mit zum Teil fast 3.000 Betriebsstunden pro Jahr stellt nicht nur für die Besatzungen, sondern auch für die Materialerhaltung eine besondere Herausforderung dar. Die Fregatten der Klasse 122 erfordern mit einem Alter von bis zu 28 Jahren einen nicht unerheblichen Aufwand bei der Instandhaltung. Für die Fregatten der Klasse 123, die sich immerhin auch schon seit über 10 Jahren im Dienst befinden, ist eine grundlegende Modernisierung erforderlich. Diese soll unter dem Stichwort Fähigkeitsanpassung ab dem zweiten Quartal beginnen. In einem ersten Schritt werden wir die Führungsfähigkeit der Schiffe verbessern und modernisieren sowie die Voraussetzungen für die Einrüstung neuer Flugkörpersysteme schaffen. Das Modernisierungsprogramm wird uns über die kommenden Jahre beschäftigen. Einen wesentlichen Anteil am reibungslosen Ablauf aller Instandhaltungsmaßnahmen hat das Marinearsenal. Unvorhergesehene Ausfälle bei den Anlagen der Schiffe erfordern insbesondere in den Einsätzen schnelle Reaktionen. Aber nicht nur das Arsenal, sondern auch die hier ansässige Werftindustrie und viele Firmen aus Wilhelmshaven und der Region sind für uns wichtige Ansprechpartner, die durch ihre Arbeitsleistung und hohe Flexibilität erheblich zum Erhalt der technischen Einsatzfähigkeit der Einheiten beitragen. Als Nachfolger für die ersten vier Fregatten der Bremen-Klasse ist im Jahr 2007 der Bauvertrag für die Fregatten der Klasse 125 geschlossen worden. Trotz anfänglicher Verzögerungen kommt das Neubauprogramm gut voran. Mit dem Zweibesatzungskonzept für diese Schiffe erwarten uns neue Herausforderungen bei der Ausbildung der Bordbesatzungen. Der Erhalt der Fähigkeiten und Kenntnisse der nicht im Einsatz befindlichen Besatzungsangehörigen muss strukturiert im Hafen erfolgen. Deshalb gilt der

5 Ausgestaltung des Konzepts zur stützpunktnahen einsatzorientierten Ausbildung unser besonderes Augenmerk. Zur Schaffung der notwendigen Infrastruktur für diese Ausbildung und die Unterbringung der Zweitbesatzungen sind in den nächsten Jahren in der 4. Einfahrt umfangreiche Baumaßnahmen projektiert. Schon 2014 müssen wir die erste Besatzung für die Fregatten-Klasse 125 bereitstellen, um nach der Hafenerprobung und Erstausbildung pünktlich Anfang 2015 mit den Funktionsnachweisen in See beginnen zu können. Den Zulauf der neuen Fregatten erwarten wir zwischen Anfang 2016 und Ende 2018. Mit der Indienststellungsplanung soll die Außerdienststellung von Fregatten der Klasse 122 harmonisiert stattfinden. Auch ein neuer Einsatzgruppenversorger soll ab 2012 gemeinsam mit seinen Schwesterschiffen in Wilhelmshaven stationiert werden. Die Bedeutung der Stadt als Marinestandort wird dadurch weiter steigen. Wilhelmshaven bietet für Seefahrer, egal ob militärisch oder zivil, eine gut ausgebaute Infrastruktur auf logistischem und technischem Gebiet. Mit dem Bau des Jade-Weser-Ports wird trotz der gegenwärtigen Flaute bei den internationalen Frachtraten auch die Rolle Wilhelmshavens als Umschlagplatz für Containerfracht entscheidend wachsen. Und lassen Sie mich zum Schluss einen Exkurs in zwei Sätzen wagen: Wilhelmshaven hat sich zusammen mit den umliegenden Gemeinden den Charme einer beliebten Urlaubsregion erhalten, wo auch der maritim interessierte Tourismus seinen Stellenwert hat. Denn wenn man genauer hinsieht, ist es in Deutschland nicht nur dort schön, wo es Berge gibt. Ein ganz wesentliches Plus dieser Stadt ist jedoch das Verständnis der Menschen für die Bedeutung der See und damit auch für die Rolle unserer Marine bei der Gewährleistung einer friedlichen Nutzung der Meere. Dieses maritime Bewusstsein wünsche ich mir für unsere gesamte Gesellschaft, damit das 21. Jahrhundert in den Köpfen der Menschen in unserem Lande als maritimes Jahrhundert vor allem mit seinen Chancen und Möglichkeiten begriffen wird.