VERGABERECHT FÜR GEMEINDEN Update zu Neuerungen im Vergaberecht für Gemeinden RA MMag. Dr. Philipp Götzl Zivil-/Vertragsrecht RA Dr. Robert Bukovc
Vergaberecht ist aller Bauten Anfang
Bauzeitplan
Bauzeitplan Vergaberecht für Gemeinden
Vergaberechtliche Tipps für Gemeinden als Auftraggeber Inhalt A. Grundlagen des Vergaberechts B. Tipps für Gemeinden als Auftraggeber Ausnahmen vom Vergaberecht Richtige Formulierung von Ausschreibungen Begründungspflicht von Entscheidungen des Auftraggebers C. Vertragsrecht / Zivilrecht Rechtliche Form der Projektabwicklung / Finanzierung Notwendige Verträge Rechtsfragen nach Vertragsabschluss D. Wichtigste Neuerungen durch die aktuelle BVergG Novelle Bestbieterprinzip Elektronische Vergabe Einheitliche europäische Eigenerklärung Interkommunale Kooperation Grundbegriffe und Grundfragen, Ausschreibungspflicht, öffentlicher Auftraggeber
A. Grundlagen des Vergaberechts
Was ist Vergaberecht? Der Hauptzweck des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe besteht allgemein darin, zu gewährleisten, dass öffentliche Mittel redlich und effizient, auf der Grundlage einer ernsthaften Beurteilung, ohne Bevorzugung irgendeiner Art und ohne politische oder ungerechtfertigt finanzielle Gegenleistung ausgegeben werden. (BVA 12.4.2002, N-128/01-72)
Die 4 Grundsäulen des Vergaberechts 1. Ist ein Vergabeverfahren durchzuführen und wenn ja, welches? Öffentlicher Auftraggeber, Wahl des Vergabeverfahrens Schwellenwerte (Neu: 209.000.- LA und DlA; 5.225.000.- für BauA) Vergabefrei: Direktvergabe bis 100.000.- (bis 31.12.2016) 2. Dokumentation des Vergabeverfahrens: Die Dokumente müssen neutral, vollständig und so umfassend sein, dass der Auftraggeber und alle Bieter Bescheid wissen. Hier für AG: Frage der richtigen Formulierung/Konkretisierung von Ausschreibungen 3. Prüfung der Unternehmer (Eignung) und der Angebote muss sorgfältig, fair und nachvollziehbar sein. Hier enthalten: Frage der richtigen Bewerbung /Angebotslegung bei Ausschreibungen 4. (effektiver) Rechtsschutz muss möglich sein: Anfechtung gesondert anfechtbarer Entscheidungen ( 2 Z 16 BVergG)
Kernfrage 1: Persönlicher Geltungsbereich des BVergG- Öffentlicher Auftraggeber 3 BVergG Gebietskörperschaften Bund, Land, Gemeinden und Gemeindeverbände ( 3 Abs 1 Z1) Staatsnahe Einrichtungen (Z2), die im Allgemeininteresse liegende Aufgaben, nicht gewerblicher Art erfüllen (lit a), zumindest teilrechtsfähig sind (lit b) und von Gebietskörperschaften oder anderen staatsnahen Einrichtungen finanziert werden oder (im weitesten Sinne) deren Aufsicht oder Leitung unterliegen. (lit c) Mischverbände (Z 3) Achtung (neu): Auch Tourismusverbände sind öffentliche Auftraggeber Via Kurtaxe überwiegend finanziert: VwGH 16.12.2015, Ro 2014/04/0065-3
Kernfrage 2: Sachlicher Geltungsbereich des BVergG: Geschätzter Auftragswert, Vorhabensbegriff VwGH 22.6.2011, 2011/04/0116 = RPA 2011, 328 (Reinigung, Entnahme, Abtransport und Entsorgung von Sickerwässer) Einheitliches Vergabevorhaben: Fachgebiet, sachlicher und örtlicher Zusammenhang, gemeinsamer Zweck und gemeinsame Planung maßgeblich. EuGH 15.3.2012, C-574/10, Kommission/Deutschland, Autalhalle Funktionale Betrachtungsweise: Inhalt und die Natur der Architektenleistungen, die in verschiedenen Abschnitten erbracht werden Sämtliche (gleichartige) Planungsleistungen eines (Bau-) Vorhabens (Architektenleistungen) sind für die Auftragswertberechnung zusammenzuzählen EuG 29.5.2013, T-384/10, Bauaufträge Spanien Bauwerke gehören zusammen, wenn sie dieselbe wirtschaftliche oder technische Funktion ausführen; zeitlicher Zusammenhang, gleichartige AU, räumlicher Zusammenhang und Identität des AG sind Indizien Neu: Große Losregelung in Novelle 2015/16
Überblick zu wesentlichen vergaberechtlichen Schritten im Projekt Ende des Vergabeverfahrens Beginn der Stillhaltefrist 29.02.2016
Aktuelle Neuerungen Im Vergaberecht BVergG-Novelle 2015/16 Salzburger Fairnesskatalog 2014 Aktuelle Neuerungen in EU (RL, VO), aktuelle Judikatur (VwGH, EuGH) Zielsetzung: Elektronische Vergabe Vermeidung von Sozial- und Lohndumping Bestangebotsprinzip Politischer Wunsch: faire und qualitätsvolle Verfahren
B. Vergaberechtliche Tipps für Gemeinden 1. Ausnahmen vom Vergaberecht prüfen! 2. Für fachlich und sachlich richtige Formulierung von Ausschreibungen sorgen! 3. Begründungspflicht nicht vernachlässigen!
Ad 1 Ausnahmen prüfen (Überblick) 10 BVergG Inhouse-Vergabe Rs Teckal: vergabefrei, wenn AG über AN Kontrolle wie über eigene Dienststelle AN Tätigkeit überwiegend für AG ausübt Neu: Interkommunale Kooperation Spezielle Aufträge über Immobilien echte Miete oder Erwerb von Grundstücken Arbeitsverträge Finanzdienstleistungen im Rahmen des public dept managements Geld und Kreditbeschaffung der öffentlichen Hand, Geld- und Kreditpolitik Ausnahmetatbestände sind eng auszulegen! (EuGH Rs C-414, Kommission/Spanien ua.)
Ad 1 Ausnahmen prüfen: Interkommunale Kooperation Interkommunale Kooperationen (neu) Nur Dienstleistungsaufträge umfasst. Zusammenarbeit gleichgestellter öffentlicher Auftraggeber; horizontale Struktur keine Beteiligung Privater bei der Zusammenarbeit; die Ausführung dient der Erreichung gemeinsamer Ziele; die Zusammenarbeit liegt ausschließlich im öffentlichen Interesse; die öffentlichen Auftraggeber erbringen auf dem offenen Markt gemeinsam weniger als 20 % der durch die Zusammenarbeit erfassten Tätigkeiten. Bisher durch Judikatur bestimmt (zuletzt: VwGH 17.06.2014, 2013/04/0020, Korneuburg, EuGH 13.06.2013, Rs C- 386/11, Piepenbrock) In Vergaberichtlinien neu festgelegt (Art 12 Abs 4 und 5 Richtlinie 2014/24/EU und Art 28 Abs 4 und 5 Richtlinie 2014/25/EU)
Ad 1 Ausnahmen prüfen: Spezielle Immobilengeschäfte Echte Miete oder Kauf von Grundstücken vergabefrei. Beachte: Erbringung Bauleistung durch Dritte 4 Z 3 BVergG: Ausschreibungspflicht Gebäude darf nicht nach Vorgaben der öffentlichen Hand errichtet sein Zweckbestimmung des zu errichtenden Gebäudes maßgeblich (EuGH Rs-C-470/99, Daseinsvorsorge). Reiner Grundstücksverkauf ist vergabefrei: EuGH 25.3.2010, Rs C-451/08, Wittekind-Kaserne Grundstückskauf samt nachfolgender Bauauftragserteilung ist dann nicht als Einheit zu sehen, wenn Kaufvertrag keine Bauverpflichtung enthält Bloße Ausübung städtebaulicher Regelungszuständigkeiten ist noch keine Bauleistung im unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse des Auftraggebers.
Ad 2 Fachlich und sachlich richtige Formulierung von Ausschreibungsunterlagen Richtige Formulierung von Zuschlagskriterien; Bestbieterprinzip als Grundsatz (neu) Leistung bzw. technische Spezifikationen für das Leistungsziel hinreichend genau und neutral formulieren. Vergleichbarkeit der Angebote muss gewährleistet sein, vgl 96 BVergG. Wettbewerbsvorteile einzelner Bieter ausschließen, Vorarbeitenproblematik vermeiden: 20 Abs 5 BVergG Losreglung (neu) beachten 17
Ad 2 Gegenstand und Art der Konkretisierung einer Ausschreibung Gegenstand auch K-Blätter, ÖNORMen, technische Angaben Überschriften oder Vermerke an ungewöhnlicher Stelle Konkretisierung durch verbale Begründung und eindeutige Begriffe, Nachvollziehbarkeit; Worthülsen reichen nicht (Willkürverbot) (zb. 13.4.2004, 15N-06/04-29- arch Qualität) Tipp an den AG: Alles Wesentliche dokumentieren, aber: unnötige Vermerke weglassen! Nicht vor Ende des Vergabeverfahrens an die Medien gehen!
Ad 3 Begründungspflicht Bieter hat Recht auf Begründung der für ihn letzten Auftraggeberentscheidung im Vergabeverfahren Zuschlagsentscheidung, Widerrufsentscheidung BVA 2.5.2011, N0021-BVA/102011-33, Hörsaalbestuhlung Universität Salzburg, RPA 2011, 203 [Götzl]; Begründungspflicht auch von Ausscheidensentscheidungen. BVA 17.8.2011, N/0062-BVA/06/2011-28, ZVB 2011, 450. Überlegungen der Auftraggeberin, weshalb sie wie viele Punkte vergeben hat, einschlägig Berufung auf ein Geheimhaltungserfordernis stellt im Sinne der Effektivität des Rechtschutzes eine restriktiv zu handhabende Ausnahme von der Begründungspflicht dar
C. Vertragsrecht / Zivilrecht Rechtliche Form der Projektabwicklung / Finanzierung Notwendige Verträge Rechtsfragen nach Vertragsabschluss
Rechtliche Form der Projektabwicklung / Finanzierung Die Struktur der Projektabwicklung muss zeitnah nach der grundsätzlichen Entscheidung feststehen Liegenschaftskauf und Bebauung Baurecht und Bebauung Bestandvertrag und Superädifikat Baurecht vergeben und Mieten Architektenwerkvertrag ÖBA Einzelne Professionisten Generalunternehmer / -übernehmer
Notwendige Verträge Die notwendigen Verträge müssen soweit für die Abwicklung des Projektes notwendig bereits für die Ausschreibung der jeweiligen Leistungen vorliegen. Dazu bedarf es auch der rechtzeitigen Prüfung in steuerrechtlicher Hinsicht, sowie Prüfung im Zusammenhang mit etwaigen Förderungen. Liegenschaftskaufvertrag Leasingvertrag Mietvertrag Baurechtsvertrag Superädifikatserrichtungsvertrag Architektenwerkvertrag Bauwerkvertrag
Rechtsfragen nach Vertragsabschluss Die rechtliche Umsetzung des Projektes ist mit Vertragsabschluss nicht beendet. Die rechtzeitige Einbindung (nicht zwingend Leistungserbringung) des Rechtsberaters verhindert Schaden und Kosten während und nach Umsetzung des Projektes Zusammenarbeit und Dokumentation mit ÖBA Gewährleistungen / Schadenersatz durchsetzen Sicherheiten prüfen (Bankgarantie ist nicht Bankgarantie) Insolvenz des Werkunternehmers (Haftung des Auftraggebers für Sozialversicherungsbeiträge)
D. Wichtigste Neuerungen für Gemeinden durch die BVergG Novelle 2015/16
Wichtigste Neuerungen durch die aktuelle BVergG Novelle und die VergabeRL Stärkung des Bestangebotsprinzip (= Bestbieterprinzip ) Große Losregelung besondere Nachnennungspflichten bei Subvergaben Einheitliche europäische Eigenerklärung (eigene Durchführungsverordnung mit Formular) Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping Die Einführung der verpflichtenden AVRAG-Abfrage Förderung KMUs durch alternative Zuschlagskriterien wie Lehrlingsbetrieb oder Beschäftigung älterer Dienstnehmer Interkommunale Kooperation (dazu bereits oben) Ausschreibungspflicht für Dienstleistungskonzessionen Verpflichtung zur elektronischen Vergabe (richtlinienkonform bis 18.10.2018)
Wichtigste Neuerung: Bestbieterprinzip BVergG idf Novelle 2015/16 legt Bereiche fest, in denen das Bestangebotsprinzip jedenfalls verpflichtend ist ( 79 Abs. 3 Z 1 bis 8 und 236 Abs. 3 Z 1 bis 8 BVergG) geistige Dienstleistungen, Vergaben mit zulässigen Alternativangeboten, funktionaler Leistungsbeschreibung oder wenn bei Vergaben von geeigneten Leitlinien abgewichen wird Bei Verhandlungsverfahren (aufgrund nicht möglicher globaler Preisgestaltung) wenn neben dem Anschaffungspreis auch zukünftige Folgekosten getrennt bewertet werden sollen Bauaufträge bei gleichzeitiger Ausführung und Planung des Bauvorhabens ( 4 Z 1 BVergG), über 1 Mio Auftragswert
Ergebnis: Tipps für Vergaben von Gemeinden Ausreichend klare Ausschreibungsbestimmungen schaffen Alle für die Ausarbeitung der Angebote maßgeblichen Umstände sollten (spätestens) zum Zeitpunkt Beginn Angebotsfrist/ Aufforderung zur Angebotsabgabe klar sein. Ausreichende Begründung von Entscheidungen insb Zuschlags-, Ausscheidens- und Widerrufsentscheidungen). Grundsatz (neu): Bestbieterprinzip beachten Neue (alte) große Losregelung Tipp: Zur Behebung von Fehlern beachte: Neue Festlegungen während der Angebotsfrist Präklusion Zivilrechtlich: 879 Abs 3 ABGB
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!