Demographischer Wandel und Fachkräfteentwicklung Konsequenzen für Bildung und Handwerk Symposium ifo Institut/Bayerischer Handwerkstag, München, 23. Februar 2011 Wie können Schulen die nötige Bildungsqualität bereitstellen? Prof. Dr. Ludger Wößmann ifo Institut für Wirtschaftsforschung und Ludwig-Maximilians-Universität München
Fachkräfteentwicklung und Wandel 1. Wie wichtig ist die Bildungsqualität für die Wirtschaft? 2. Wie haben sich die Qualifikationen verändert? 3. Was bedeutet das für das Schulsystem? 4. Was bedeutet das für die berufliche Ausbildung?
1.Wie wichtig ist die Qualität der Bildung für die Wirtschaft?
Je höher der Bildungsabschluss, desto geringer die Gefahr arbeitslos zu werden (Fach-)Hochschule 2,5 Lehre/Fachschule 6,6 ohne Berufsabschluss 21,9 0 5 10 15 20 25 Arbeitslosenrate nach höchstem Bildungsabschluss, in Prozent, 2009. Quelle: IAB (2011).
Je höher der Bildungsabschluss, desto höher das Einkommen Universität 4156 Fachhochschule 4063 Fachschule/Meister 3261 Abitur/Fachhochschulreife 2998 Lehre 2661 Haupt- oder Realschulabschluss Kein Schulabschluss 1928 2370 Durchschnittlicher Brutto-Monatsverdienst in Euro nach höchstem Bildungsabschluss, Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren in Vollzeitbeschäftigung, 2003. 0 1000 2000 3000 4000
Mit besseren Schülerleistungen steigt das Wirtschaftswachstum Zusammenhang zwischen Schülerleistungen (äquivalent zu PISA-Testpunkten) und Pro-Kopf- Wirtschaftswachstum (1960 bis 2000) nach Herausrechnung weiterer Einflussfaktoren; jeder Punkt steht für ein Land. Quelle: Basierend auf Hanushek und Wößmann (JEL 2008). Spitze oder und Breite?! Innovation oder und Umsetzung?!
Volkswirtschaftliche Folgekosten unzureichender Bildung Kosten dadurch, dass in Deutschland jeder fünfte 15-Jährige nicht über Grundschulniveau hinaus kommt: 2,8 Billionen Euro (2.800.000.000.000 ) Bayern: 343 Milliarden Euro Horrende Kosten von Nichtstun und wirkungslosem Aktionismus Langfristiger Horizont für nachhaltige Bildungspolitik notwendig In der Klimapolitik schon lange Selbstverständlichkeit
2.Wie haben sich die Qualifikationen verändert?
Früher war alles besser.? Die Bundesrepublik steht in der vergleichenden Schulstatistik am untersten Ende der europäischen Länder. Georg Picht (Bildungsforscher, 1964) Die Zeit 20.9.1974
Trends in Testleistungen 560 Japan Japan Korea 540 Korea Finland Netherlands N. Zealand Canada Australia UK Darstellung anhand der PISA-2000-Leistung und einer Rückwärtsinduktion anhand des Koeffizienten einer Zeitvariablen einer Regression aller verfügbaren internationalen Testleistungen (nach Jahr, Altersgruppe und Fach) auf die Zeitvariable und Indikatoren für Altergruppen und Fächer. 520 500 480 460 N. Zealand Norway Australia Netherlands UK Sweden France Finland Belgium France Belgium Norway Canada USA Sweden Germany Germany USA Italy Italy 1975 2000
Kompetenzschwund der Lehrlinge? Der Spiegel 18.2.1953
Qualifikationsstruktur der Erwerbspersonen 80% 70% 60% 55,5% mit abgeschlossener beruflicher Ausbildung 65,3% 50% 40% 30% 37,5% ohne Ausbildung 20% 18,2% 10% 6,9% mit Hochschulausbildung 16,5% 0% 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Kein beruflicher Bildungsabschluss: 17,3% (2008) (30- bis 35-Jährige) 17,0% (2006)
Qualifikationsspezifische Arbeitslosigkeit
Gestiegene Nachfrage nach Qualifikationen Durch Globalisierung, technologischen Wandel und Strukturwandel Höhere Anforderungen Jobs am Fließband? CAD Schreibkräfte Größere Herausforderung für Schulen und Schulpolitik
3. Was bedeutet das für das Schulsystem? Nicht einfach: mehr Geld ins System Sondern: wie wird es ausgegeben? Institutionelle Rahmenbedingungen für effizientes Bildungssystem Anreize, damit sich die Anstrengung für gute Bildung lohnt 1. Externe Leistungsüberprüfungen schaffen Lernanreize 2. Mehr Selbständigkeit für Schulen 3. Wettbewerb zwischen Schulen durch elterliche Wahlfreiheit und freie Schulträgerschaft
Standards extern überprüfen und den Weg dorthin den Schulen überlassen Leistungsvorsprung in TIMSS-Mathematik- Punkten (gegenüber der niedrigsten Kategorie) 80 70 60 55.5 76.2 50 40 30 20 23.7 10 Ja 0 0.0 Nein Ja Selbständige Entscheidung der Schule über Lehrergehälter Nein Externe Abschlussprüfung Leistungsunterschied im Verhältnis zur niedrigsten Ergebniskategorie, nach Herausrechnung zahlreicher weiterer Einflussfaktoren.
Die Schüler lernen am meisten, wenn die Schulen privat geleitet, aber öffentlich finanziert werden Leistungsvorsprung in PISA-Mathematik- Punkten (gegenüber der niedrigsten Kategorie) 80 70 60 50 70,9 40 33,9 30 36,9 20 10 0 0% 0,0 Private Trägerschaft 60% 55% 100% Staatliche Finanzierung Die beiden Prozentwerte entsprechen jeweils dem 1. und 9. Dezil der Variable. Leistungsunterschied im Verhältnis zur niedrigsten Ergebniskategorie, nach Herausrechnung zahlreicher weiterer Einflussfaktoren.
4. Was bedeutet das für die berufliche Ausbildung? Herausforderungen des dualen Ausbildungssystems im beschleunigten Strukturwandel Pragmatischer Kompromiss aus theoretischem Lernen und praktischer Berufserfahrung Beschleunigung des technischen und damit auch (berufs-) strukturellen Wandels unserer Wirtschaft verlangt Kompetenzen, die sich regelmäßig weiterentwickeln Fraglich, inwieweit deutscher Sonderweg der dualen Ausbildung in heutiger Form den Flexibilisierungserfordernissen gewachsen ist Frühe und starke Fokussierung auf auszuübende Tätigkeit Vorteil: erleichtert Übergang von Schul- in Arbeitswelt Gefahr: (berufs-)spezifische Kompetenzen werden immer schneller obsolet
Berufsausbildung breiter ausrichten Verringerung Anzahl spezifischer Ausbildungsberufe 348 spezifische Ausbildungsberufe fast 120 mehr als in Österreich und fast 150 mehr als in der Schweiz Kaufmännische Ausbildungsberufe: Deutschland: 28 (Kaufmann für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen, für Bürokommunikation, ); Österreich: 11; Schweiz: 1 Stärkung allgemeiner Ausbildungsinhalte Größere Anpassungsfähigkeit der Einzelnen an existierende und zukünftige globale Veränderungen im Laufe des Berufslebens Flexibilisierung nach Prinzip der Ausbildungsbausteine Erleichterter Einstieg in und Aufstieg aus Berufsbildung Hohe Selektivität an vorgelagerter Schwelle von Schule in Ausbildung Abbrecherquote im Berufsausbildungssystem von 20 Prozent Einstiegshilfen für Geringqualifizierte Bessere Verzahnung von dualer Ausbildung und Fachhochschule; duale Studiengänge
Fachkräfteentwicklung und Wandel 1. Unternehmen haben recht, wenn sie betonen, wie wichtig gut qualifizierte Fachkräfte und Basiskompetenzen der Azubis für langfristige Entwicklung der Volkswirtschaft sind 2. Wenig Anzeichen, dass Schulabgänger heute wesentlich schlechtere Voraussetzungen haben - Beobachtete Probleme bei Ausbildungsfähigkeit: eher Veränderung des Pools an Bewerbern und gestiegene Qualifikationsanforderungen 3. Erfordert zusätzliche Anstrengungen im schulischen Bereich - Nicht so sehr zusätzliche finanzielle Mittel als vielmehr institutionelle Reformen, die zu stärkerem Wettbewerb der Schulen führen 4. Berufliche Ausbildung: Weniger spezifische Ausbildungsberufe und mehr allgemeine Ausbildungsinhalte - Und: Offensive, die unfruchtbare Übergangssysteme zurückdrängt und größeren Anteil der Bewerber am unteren Rand in Ausbildung bringt