Lernbücher Jura. Sachenrecht. von Prof. Dr. Wolfgang Lüke. 2. Auflage

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Lernbücher Jura Sachenrecht von Prof. Dr. Wolfgang Lüke 2. Auflage Sachenrecht Lüke schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Gesamtdarstellungen Verlag C.H. Beck München 2010 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 406 60690 8 Inhaltsverzeichnis: Sachenrecht Lüke

I. Funktionen und Wirkung des Grundbuchs 139 Zudem geht von der eingetragenen Löschung auch die Vermutung aus, dass das zur Aufhebung (und nicht zur Berichtigung) gelöschte Recht bis zu seiner Löschung bestanden hat. Eine weitergehende Vermutung (negative Vollständigkeitsvermutung), dass nur die eingetragenen Rechte am Grundstück bestehen, trägt 891 nicht, da dafür eine Vermutungsgrundlage (Eintragung oder Löschung) fehlt. Die widerlegliche Vermutung wirkt für und gegen jedermann (anders als 1006, der nur zugunsten des Besitzers wirkt). Sie hebt sich allerdings bei widersprechenden Doppelbuchungen in demselben oder verschiedenen Grundbüchern auf (RGZ 56, 60). Die Vermutung gilt ebenso nicht, wenn die gegenteilige Rechtslage offenkundig ist (s. 291 ZPO). Vermutungswirkung des Grundbuchs, 891 1. positive Vermutung, 891 Abs. 1 Bestehen eines Rechts für den es eingetragen ist 2. negative Vermutung, 891 Abs. 2 Nichtbestehen eines gelöschten Rechts und dessen Bestehen bis zur Löschung 3. keine negative Vollständigkeitsvermutung keine Vermutungswirkung dahingehend, dass nur die eingetragenen Rechte bestehen 349 3. Öffentlicher Glaube des Grundbuchs Neben der Vermutungswirkung des Grundbuchs begründet dieses öffentlichen Glauben. Zwar setzt eine wirksame Verfügung voraus, dass der Verfügende hierzu berechtigt ist. Zum Schutze des Rechtsverkehrs sieht das Gesetz aber auch bei Grundstücksgeschäften einen gutgläubigen Erwerb vor. Hier wirkt sich der öffentliche Glaube des Grundbuchs aus, welcher den Rechtsverkehr fördert. 892 erweitert diesen Gutglaubensschutz auf den Inhalt des Grundbuchs, indem die Vorschrift drei Fiktionen anordnet der eingetragene Berechtigte gilt als wahrer Berechtigter, diese Wirkung erstreckt sich auf den eingetragenen Gegenstand, den Inhalt des Rechts und seinen Rang; das eingetragene Recht gilt als unbeschränkt durch nie eingetragene oder gelöschte Rechte, die der Eintragung bedürfen; der gelöschte Berechtigte gilt als Nicht-mehr-Berechtigter, sein Recht gilt als nicht mehr bestehend; zu Unrecht nicht/oder wegen Löschung nicht mehr eingetragene, aber eintragungsfähige Verfügungsbeschränkungen bestehen nicht. Keine Gutglaubenswirkung gibt es dagegen für das Bestehen zu Unrecht eingetragener Verfügungsbeschränkungen (s. auch u. Rn. 421). 350

140 9. Das Grundbuch Merksatz: Anders als bei 932 geht vom Grundbuch auch eine negative Publizität aus, indem der Erwerber sich darauf verlassen kann, dass nicht Eingetragenes auch nicht besteht. Allerdings hat das Grundbuch bei Verfügungsbeschränkungen anders als bei eingetragenen Rechten keine positive Publizität in dem Sinne, dass sich der Erwerber auf die eingetragene Verfügungsbeschränkung als bestehend verlassen kann. Der gute Glaube des Grundbuchs erstreckt sich ebenfalls nicht auf rein tatsächliche Angaben, wie etwa die Größe und Wirtschaftsart des Grundstücks (zu Wohn- oder Gewerbezwecken genutztes Grundstück oder dgl.). Auch nicht eintragbare Rechte, Belastungen und Beschränkungen werden von der Wirkung nicht erfasst. Gleiches gilt für die persönlichen Verhältnisse, wie etwa die Rechtsfähigkeit des Vereins, wenn dieser als Eigentümer eingetragen ist (zur Publizität bei der GbR s. 899a und Rn. 380 Kontrollfrage 2). 351 In Fällen notwendiger Eintragung im Grundbuch ist die Kenntnis bei Stellung des Eintragungsantrags maßgeblich, sofern die Einigung vorausgeht; bei nachfolgender Einigung ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ( 892 Abs. 2). 352 Gutglaubensträger ist mit anderen Worten der Grundbucheintrag, der nur bei Bösgläubigkeit (anders als in 932 Abs. 2 verlangt dies stets positive Kenntnis) des Rechtserwerbers oder einem eingetragenen Widerspruch nicht wirkt. Der Grundbuchrichtigkeit kommt somit auch im Interesse des wahren Rechtsinhabers eine enorme Bedeutung zu. Das Gesetz ermöglicht daher die sog. Grundbuchberichtigung ( 894, s. u. Rn. 466 ff.). Allerdings hängt der gutgläubige Erwerb nicht davon ab, ob der Erwerber sich Kenntnis vom Grundbuchinhalt verschafft hat (s. hierzu Brehm/Berger, 10 Rn. 8 a. E.; sog. abstrakter guter Glaube). 353 Am öffentlichen Glauben nehmen nur eintragungsfähige Rechte teil. Dies sind alle dinglichen Rechte an Grundstücken und grundstücksgleiche Rechte ( 892 Abs. 1 S. 1). Weiterhin fallen hierunter alle dinglichen Rechte an Grundstücksrechten (z. B. Nießbrauch an einer Hypothek) sowie Verfügungsbeschränkungen ( 892 Abs. 1 S. 2). Merksatz: Der öffentliche Glaube des Grundbuchs ( 892) führt zu drei Fiktionen: (1) Zu Unrecht eingetragene eintragungsfähige Rechte bestehen. (2) Zu Unrecht nicht eingetragene oder zu Unrecht gelöschte, nicht mehr eingetragene, eintragungsfähige Rechte bestehen nicht. (3) Zu Unrecht nicht oder nicht mehr eingetragene eintragungsfähige Verfügungsbeschränkungen bestehen ebenfalls nicht. 354 Eintragungsfähig sind daneben der Widerspruch (hierzu s. u. Rn. 475 ff.) sowie die Vormerkung (s. u. Rn. 423 ff.). Andere Rechte an Grundstücken, insbesondere obligatorische Rechte wie etwa Miete und Pacht sind nicht eintragungsfähig. Auch absolute Verfügungsbeschränkungen, die schon kraft Gesetzes gegenüber jedermann wirken (z. B. 1365; s. o. Rn. 197), sind nicht

II. Äußere Form des Grundbuchs 141 eintragungsfähig. Anders ist es aber bei 80 InsO: zur Verhinderung eines gutgläubigen Erwerbs wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Insolvenzvermerk eingetragen, 32 InsO. Ebenso nicht eintragungsfähig sind rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen (sie haben keine dingliche Wirkung, 137) sowie öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse und Belastungen (hierzu wird von den Verwaltungsbehörden ein sog. Baulastenverzeichnis geführt; s. auch u. Rn. 797). Baulasten sind öffentlich-rechtliche Beschränkungen zugunsten der Behörde. Die Einzelheiten zum Baulastenverzeichnis regelt das Bauordnungsrecht des jeweiligen Landes (z. B. 65 BbgBO, 75 HBO, 93 NBauO, 83 SächsBO). II. Äußere Form des Grundbuchs 1. Gliederung des Grundbuchs Das Grundbuch gliedert sich in ein Bestandsverzeichnis und drei Abteilungen. Im Bestandsverzeichnis wird dem Grundstück eine laufende Nummer gegeben. Weiterhin sind bestimmte aus dem Kataster zu entnehmende Angaben über die Gemarkung und neben weiteren Angaben auch die Größe des Grundstücks, die Wirtschaftsart sowie die Lage und die mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Rechte aufgenommen. Die Angaben ermöglichen, sich ein Bild von Größe und räumlicher Lage des Grundstücks zu machen. Abteilung I nennt den Eigentümer und den Erwerbsgrund für das Eigentum. Abteilung III die Hypotheken-, Grund- und Rentenschuld und Abteilung II alle übrigen Lasten und Beschränkungen, wie etwa Nießbrauch, Grunddienstbarkeit, Nacherbfolge und Insolvenzeröffnung. 2. Einsichtsrecht Damit das Grundbuch seine Publizitätsfunktion (s. o. Rn. 344) erfüllen 357 kann, bedarf es eines Einsichtsrechts. Nach 12 Abs. 1 GBO kann jeder das Grundbuch einsehen, der ein verständliches berechtigtes Interesse darlegt. Dieses Einsichtsrecht wird auch als formelle Publizität im Gegensatz zu der beschriebenen materiellen Publizität, die die Übertragungs-, Vermutungs- und Gutglaubenswirkung umfasst, bezeichnet (vgl. Rn. 350). Das Einsichtsrecht besteht schon bei jedem begründeten sachlichen Interesse, das nicht notwendigerweise ein rechtliches Interesse sein muss. Das Gericht (hierzu u. Rn. 360) wird nur dann eine Einsicht nicht zulassen, wenn die Verfolgung unbefugter Zwecke oder eine Einsichtnahme aus bloßer Neugier zu besorgen ist. Einsicht in die übrigen vom Grundbuchamt geführten Verzeichnisse kann 358 nicht verlangt werden; insoweit besteht unter den in 12a Abs. 1 S. 3 GBO genannten Voraussetzungen grundsätzlich nur ein Anspruch auf Auskunft. 355 356

142 9. Das Grundbuch 359 Bei einem elektronischen Grundbuch ist Teilnehmern die Einsichtnahme über das Internet möglich. So steht Behörden, Gerichten, Notaren und öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren der Zugang zum uneingeschränkten Grundbuchabrufverfahren offen. Das beschränkte Grundbuchabrufverfahren gem. 133 Abs. 4 GBO i. V. m. 82 GBV steht dagegen Personen offen, deren Einsicht der Eigentümer des Grundstücks oder der Wohnung oder der Inhaber des Erbbaurechts auf diesem Wege zugestimmt haben. Dasselbe gilt, wenn die Zwangsvollstreckung in Grundstücks-, Gebäude- oder Erbbaueigentum betrieben werden soll und der Antragsteller dies in entsprechender elektronischer Form versichert. 3. Das Grundbuchamt Zuständigkeiten 360 Das Grundbuch wird in ausschließlicher Zuständigkeit von den Amtsgerichten als Grundbuchämtern geführt ( 1 GBO) und stellt daher gerichtliche Tätigkeit und nicht Verwaltung dar. Die Grundbuchämter bilden eine Abteilung bei den Amtsgerichten. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach der Belegenheit des Grundstücks. Das Amtsgericht ist für alle in seinem Bezirk befindlichen Grundstücke zuständig. Grundbuchbeamter ist zwar der Richter, die funktionelle Zuständigkeit liegt regelmäßig jedoch beim Rechtspfleger, dem die Grundbuchsachen gem. 3 Nr. 1 lit. h RPflG übertragen sind. III. Grundsätze des Eintragungsverfahrens 361 Um ein Grundverständnis für die Eintragung von dinglichen Rechten zu gewinnen, sollen im Folgenden die Grundprinzipien des Eintragungsverfahrens dargestellt werden. Die Eintragung erfolgt im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, das als Teil des sog. klassischen Bereichs den Regeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegt. Soweit die Grundbuchordnung keine speziellen Regelungen enthält, greifen die allgemeinen Bestimmungen des FamFG. Im Einzelnen gelten folgende wichtige Grundsätze. 1. Antragsprinzip 362 Das Grundbuchamt wird in der Regel nur auf Antrag tätig ( 13 Abs. 1 S. 1 GBO). Mit dem Antrag wird der Umfang der Tätigkeit des Grundbuchamtes bestimmt. Antragsberechtigt sind sowohl Personen, deren dingliche Rechte von der Verfügung betroffen sind, wie auch diejenigen, die ein Recht an dem Grundstück erwerben ( 13 Abs. 1 S. 2 GBO). Der Antrag ist mit Eingang beim Grundbuchamt wirksam. Dieser Zeitpunkt ist vor allem für die Bearbeitung mehrerer Anträge von Bedeutung. Hier hat die Eintragung in der Reihenfolge der Antragstellung zu erfolgen ( 17 GBO).

III. Grundsätze des Eintragungsverfahrens 143 2. Bewilligungsgrundsatz Jede Eintragung in das Grundbuch setzt eine Bewilligung desjenigen voraus, dessen Recht von ihr betroffen ist ( 19 GBO). Man spricht insoweit vom formellen Konsensprinzip. Die Bewilligung erfolgt als rein verfahrensrechtliche Erklärung (h. M., vgl. Prütting, Rn. 277). Sie wird erst wirksam, wenn sie entweder dem Grundbuchamt oder demjenigen, zu dessen Gunsten die Eintragung erfolgen soll, mit der Bestimmung zugeht, dass sie dem Grundbuchamt vorzulegen ist. Das Grundbuchamt prüft also grundsätzlich nicht, ob zwischen den Parteien eine dingliche Einigung stattfand. Von diesem Grundsatz werden in verschiedenen Situationen Ausnahmen gemacht. Wichtigster Fall ist der Grundstückserwerb. 20 GBO verlangt für die Eintragung als Eigentümer, dass die Auflassung ( 925; s. u. Rn. 389 ff.) zwischen den Parteien erfolgt ist (hierbei spricht man vom materiellen Konsensprinzip). Die Bewilligung ist von der Einigung nach 873 streng zu trennen. Hier an ändert der Umstand nichts, dass eine Erklärung beide Rechtsakte enthalten kann. Der Inhalt der Erklärung ist jeweils durch Auslegung ( 133, 157) zu ermitteln. Die praktische Bedeutung der Unterscheidung liegt vor allem in den anzuwendenden Vorschriften, um ihre Wirksamkeit beurteilen zu können. Soweit es sich um eine Einigung nach 873 handelt, gelten die allgemeinen Regeln zur rechtsgeschäftlichen Vertragslehre. Demgegenüber wird die Eintragungsbewilligung überwiegend als eine verfahrensrechtliche Willenserklärung gedeutet (s. o. Rn. 363). Voraussetzungen und Wirkungen der Eintragungsbewilligung richten sich damit grundsätzlich nach Grundbuchoder Verfahrensrecht. Das schließt eine analoge Anwendung bürgerlichrechtlicher Prinzipien nicht aus. Eine weitere Einschränkung des Bewilligungsgrundsatzes neben 20 GBO besteht für subjektiv dingliche Rechte, die nicht auf dem Blatt des Grundstücks vermerkt sind ( 21 GBO). Zur Vereinfachung des Grundstücksverkehrs haben die von einer Eintragung mittelbar betroffenen Rechtsinhaber, die auf dem Blatt des herrschenden Grundstücks nicht vermerkt sind, der Eintragung zwar sachlichrechtlich zuzustimmen, diese aber nicht grundbuchrechtlich zu bewilligen. Keiner Bewilligung bedarf es im Übrigen, wenn die Unrichtigkeit in der Form des 29 GBO nachgewiesen wird. Weitere Ausnahmen vom Bewilligungsgrundsatz enthalten die 23 bis 26 GBO. 3. Voreintragung des Betroffenen Gem. 39 Abs. 1 GBO setzt die Eintragung des Rechtserwerbers eine Beantragung des Bewilligenden voraus. Damit soll dem Grundbuchamt die Nachprüfung der materiellen Rechtsinhaberschaft abgenommen werden. Die Vermutungswirkung des 891 (s. o. Rn. 347 ff.) setzt sich hier fort. Das 363 364 365 366

144 9. Das Grundbuch Grundbuch lässt zugleich die rechtliche Geschichte des Grundstücks, d. h. alle die an ihm bisher bestandenen und gegenwärtig noch bestehenden Rechte erkennen. Vom Grundsatz der Voreintragung werden verschiedene Ausnahmen gemacht. Vor allem ist hier 40 GBO zu nennen, der auf eine Zwischeneintragung der Erben bei Veräußerung durch sie verzichtet. Darüber hinaus spielt die Übertragung von Briefpfandrechten als weitere Ausnahme eine praktisch erhebliche Rolle. Hier ersetzen die Übergabe des Briefes und die öffentlich beglaubigte Abtretungserklärung die Eintragung im Grundbuch ( 1155, s. u. Rn. 704). IV. Verfahren und Eintragung 367 Das Gericht prüft grundsätzlich nur die Eintragungserfordernisse der 19, 20, 39 GBO. Materielle Voraussetzungen werden von ihm regelmäßig nicht festgestellt. Allerdings darf das Grundbuchamt eine Eintragung nicht vornehmen, wenn der Mangel eines Rechtsgeschäftes offensichtlich ist. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Ziel, eine Unrichtigkeit des Grundbuches zu vermeiden. 368 Die Eintragungsbewilligung und die sonstigen zur Eintragung erforderlichen Erklärungen sind durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen ( 29 Abs. 1 S. 1 GBO). Das führt im Ergebnis dazu, dass selbst bei fehlendem materiellrechtlichen Formbedürfnis (z. B. gilt 313b Abs. 1 nur für das Verpflichtungsgeschäft) die dingliche Einigung nach 873 Abs. 1 notariell beurkundet wird, damit auf diese Weise dem nach Verfahrensrecht bestehenden Erfordernis genügt wird. Andere Voraussetzungen der Eintragung sind soweit sie nicht dem Grundbuchamt offenkundig sind durch öffentliche Urkunden nachzuweisen ( 29 Abs. 1 S. 2 GBO). 369 Das Gericht nimmt die Eintragung vor, wenn alle Eintragungsvoraussetzungen vorliegen. Intern geschieht dies durch eine entsprechende Verfügung. Ein Rechtsbehelf ist hiergegen nur gem. 71 Abs. 2 S. 2 GBO mit dem Inhalt statthaft, dass das Grundbuchamt angewiesen wird, nach 53 GBO einen Widerspruch einzutragen (s. hierzu u. Rn. 482 ff.) oder eine Löschung vorzunehmen. Auf diese Weise soll der Rechtssicherheit gedient werden, ohne dabei den in seinem Recht Betroffenen den Risiken des gutgläubigen Erwerbs auszusetzen. Es bleibt dem Betroffenen überlassen, eine Grundbuchberichtigung nach 894 durchzusetzen (s. u. Rn. 466). Damit wird dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs Rechnung getragen. Bei heilbaren Eintragungshindernissen erlässt das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung ( 18 Abs. 1 S. 1 Fall 2 GBO). Mit der Zwischenverfügung wird sichergestellt, dass die Eintragung im Rang der Antragstellung erfolgt (s. 18 Abs. 2 GBO). Eine Zurückweisung des Antrags hätte dagegen einen Verlust der Rangstelle zur Folge (s. auch u. Rn. 484).

V. Rang der Grundstücksrechte 145 Ansonsten lehnt es einen Antrag ab, wenn die Eintragungsvoraussetzungen 370 nicht vorliegen ( 18 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GBO). Hiergegen steht dem Antragsteller die Beschwerde gem. 71 GBO zu. Grundsätzlich ist eine Eintragung für das Grundbuchamt unabänderlich. 371 Hiervon gibt es aber Ausnahmen. Kommt es zu einer unrichtigen Eintragung, so darf das Gericht in zwei Fällen von Amts wegen tätig werden: (1) Die Eintragung wurde unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen und durch die Eintragung ist das Grundbuch unrichtig geworden ( 53 Abs. 1 S. 1 GBO). In diesem Fall ist ein Widerspruch einzutragen (s. auch u. Rn. 482 ff.). (2) Eine Eintragung ist ihrem Inhalt nach unzulässig. Hier ist sie von Amts wegen zu löschen. Im Übrigen ist es den Betroffenen überlassen, für die Richtigkeit des Grundbuchs zu sorgen. V. Rang der Grundstücksrechte 1. Bedeutung und Wirkung des Rangs An einem Grundstück können mehrere Nutzungs- oder Verwertungsrechte bestehen. Reicht bei Verwertung des Grundstücks der Erlös nicht zur Befriedigung aller aus, so stellt sich die Frage, wie der Erlös zu verteilen ist. Im deutschen Recht bestimmt sich die Befriedigung nach dem Rang des Rechts. Der Prioritätsgrundsatz, nach dem sich der Rang des Rechts nach der Reihenfolge der Eintragung bestimmt ( 879), setzt sich in der Zwangsversteigerung im Deckungsprinzip ( 44 Abs. 1 ZVG) konsequent fort. Danach darf der Zuschlag nur bei Deckung aller Rechte erfolgen, die dem Recht des die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigers vorausgehen. Betreibt etwa bei zwei an einem Grundstück bestehenden Grundpfandrechten der an zweiter Rangstelle Eingetragene die Zwangsvollstreckung, erbringt aber der Erlös nicht den Betrag für beide Grundpfandrechte, so wird zunächst der erstrangige Grundpfandrechtsinhaber voll befriedigt. Der Restbetrag steht dem Zweitrangigen zu, dessen Grundpfandrecht bei Zwangsversteigerung erlischt ( 52 Abs. 1 S. 2, 91 Abs. 1 ZVG; ebenfalls erlöschen alle gleichstehenden und nachrangigen Rechte, die nicht in das geringste Gebot fallen und auf den Barerlös verwiesen sind). Nur dieser Teil des Versteigerungserlöses muss tatsächlich gezahlt werden, da das Pfandrecht des vorrangigen Gläubigers bestehen bleibt und vom Ersteigerer übernommen wird (Übernahmeprinzip, 52 Abs. 1 S. 1 ZVG). Dadurch ermäßigt sich der vom Ersteigerer zu zahlende Betrag (sog. Bargebot, 49 Abs. 1, 10, 12 ZVG) um den Wert der bestehen bleibenden Rechte (hier das erstrangige Grundpfandrecht). Für den Ersteigernden hat das den großen Vorteil, dass er zwar eine dingliche Haftung übernimmt, die zum Erwerb des Grundstücks 372

146 9. Das Grundbuch erforderlichen liquiden Mittel aber geringer sind. In der Sache führt diese Übernahme zu einer Erleichterung, sofern man davon ausgeht, dass auch der Grundstückserwerber die Bezahlung des Grundstücks hätte finanzieren müssen. 373 Das Risiko für den im Beispiel an zweiter Rangstelle stehenden Grundpfandrechtsgläubiger ist damit offensichtlich. Die Bedeutung des Rangs besteht darin, dass er ein gegenüber dem erstrangig gesicherten Grundpfandrechtsgläubiger höheres Ausfallrisiko trägt. Dieses wird durch die Möglichkeit, dass der erstrangig gesicherte Grundpfandrechtsgläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, gesteigert. In diesem Fall ist nämlich sein Grundpfandrecht nicht vom sog. Deckungsprinzip (s. o. Rn. 372, Löschungsprinzip) erfasst, da es gegenüber dem des die Zwangsvollstreckung Betreibenden nachrangig ist. Angesichts des höheren Risikos akzeptieren manche Banken von vornherein keine zweitrangige Sicherheit. Im Übrigen lassen sich die Kreditinstitute die schlechtere Rangstelle einer Sicherheit durch höheren Zins entgelten. 374 Das Rangverhältnis besteht auch zwischen Eintragungen in verschiedenen Abteilungen (hierzu o. Rn. 356). Es drückt sich etwa darin aus, dass ein Nutzungsrecht bei Betreiben der Vollstreckung durch den Pfandrechtsinhaber nur dann bestehen bleibt ( 54, 52 ZVG), wenn es dem Pfandrecht vorgeht. Neben Nutzungs- und Verwertungsrechten nimmt auch die Vormerkung nach h. M. an der Rangordnung teil (BGHZ 46, 124; str., dagegen Stadler, AcP 189 (1989), 425, 436). 2. Bestimmung des Rangs 375 Das Grundprinzip des BGB besteht darin, dass dem zeitlich früher entstandenen Recht der Vorrang gebührt ( 879). Bei Rechten in derselben Abteilung ergibt sich die Rangordnung angesichts des hierfür bestehenden Verfahrensrechts ( 17, 45 GBO) aus der Reihenfolge des Antragseingangs und damit aus der Reihenfolge, in der die Rechte im Grundbuch eingetragen werden. Dieser auch Locusprinzip genannte Grundsatz versagt freilich bei Eintragung in verschiedenen Abteilungen. Hier entscheidet das Eintragungsdatum ( 879 Abs. 1 S. 2, Tempusprinzip ). 376 Die Grundbuchordnung schreibt zwingend vor, in welcher Reihenfolge Rechte einzutragen ist. Das BGB dagegen geht von der vorgenommenen Eintragung aus, selbst wenn das Grundbuchamt diesen Vorschriften zuwidergehandelt hat. Die tatsächliche Reihenfolge der Eintragung ist auch dann ausschlaggebend, wenn der Rechtsentstehungstatbestand (etwa weil die Einigung später erfolgte) erst zu einem danach liegenden Zeitpunkt vollendet wird.