Chemotherapie I apl. Prof. Dr. med. A. Lupp Institut für Pharmakologie und Toxikologie Universitätsklinikum Jena Drackendorfer Str. 1, 07747 Jena Tel.: 03641-9-32-5678 e-mail: Amelie.Lupp@med.uni-jena.de
Begriffsbestimmung Antibiotika primär von Mikroorganismen gebildete Substanzen, die andere Mikroorganismen im Wachstum hemmen oder abtöten Chemotherapeutika synthetisch hergestellte Substanzen mit antimikrobieller Wirkung Ausdehnung des Begriffes auch auf Tumorzellen
Antiinfektiva Wirkungsbereich Bakterielle Infektionserkrankungen z.b. Scharlach, Diphtherie, Keuchhusten, Typhus, Paratyphus, Gonorrhö, Syphilis, Lepra, Tuberkulose Viruserkrankungen z.b. Herpes simplex, Masern, Röteln, Poliomyelitis, Hepatitis, HIV Mykosen z.b. Candidosen, Dermatophyten, Aspergillosen Protozoenerkrankungen z.b. Malaria, Toxoplasmose Wurmkrankheiten z.b. Madenwürmer, Spulwürmer, Bandwürmer Bandwurm Herpes simplex Scharlach Candida (Soor)
Geschichte Paul Ehrlich 1906: Forderung nach Selektivität der Chemotherapie Entwicklung von Salvarsan (Therapie der Syphilis) Gerhard Domagk 1932: Entdeckung von Prontosil ( Sulfanilamid) Alexander Fleming 1929: Entdeckung von Penicillin 1940: Großtechnische Herstellung (E. Chain, H.W. Florey)
Geschichte Salvarsan (Therapie der Syphilis / Lues) Paul Ehrlich (1906)
Geschichte Paul Ehrlich 1906: Forderung nach Selektivität der Chemotherapie Entwicklung von Salvarsan (Therapie der Syphilis) Gerhard Domagk 1932: Entdeckung von Prontosil ( Sulfanilamid) Alexander Fleming 1929: Entdeckung von Penicillin 1940: Großtechnische Herstellung (E. Chain, H.W. Florey)
Strukturmerkmale Prokaryonten einzellig DNA frei im Cytoplasma liegend Zellwand 70S-Ribosomen Bakterien
Gram-Färbung (I) Hans Christian J. Gram (1853-1938) Arzt und Pharmakologe, Kopenhagen Entdeckung der Gram-Färbung 1884 in seinem Berliner Labor Zugrundeliegendes Phänomen: Bakterien sind in unterschiedlichem Maße in der Lage, Gentianaviolett nach Auswaschen mit Jod-Kalium-Lösung und Alkohol zurückzuhalten
Bakterien-Arten Grampositive Kokken (Staphylokokken, Streptokokken, Pneumokokken) Gramnegative Kokken (Neisserien) (Gonokokken, Meningokokken) Grampositive Stäbchen (Bacillus (anthracis) [Milzbranderreger], Clostridien [Tetanus, Botulismus], Actinomyces, Corynebakterien [Diphtherie]) Gramnegative Stäbchen (Salmonellen, Shigellen, Proteus, Klebsiellen, Pseudomonas) Spirochäten (Treponemen, Borellien, Leptospiren) Sonderformen (Mykoplasmen, Rickettsien, Chlamydien)
Angriffsmöglichkeiten der Antibiotika Hemmung der Zellwandsynthese Beta-Lactam-Antibiotika, Glykopeptide Störung der Zytoplasmamembran-Permeabilität Amphotericin B, Nystatin Hemmung der Proteinsynthese Aminoglykoside, Tetrazykline, Chloramphenicol, Makrolide Hemmung der Nukleinsäure-Synthese Sulfonamide, Gyrase-Hemmer, Rifampicin
Wirkungstyp der Antibiotika Bakteriostase Hemmung der Keimvermehrung (z.b. Tetrazykline, Makrolide, Sulfonamide, Chloramphenicol) Bakteriozidie Keim-Abtötung nur proliferierende Keime (z.b. Beta-Lactam-AB) alle Entwicklungsstufen (z.b. Aminoglykoside, Gyrase- Hemmer)
Wirkungstyp der Antibiotika Bakteriostase Hemmung der Keimvermehrung (z.b. Tetrazykline, Makrolide, Sulfonamide, Chloramphenicol) Bakteriozidie Keim-Abtötung nur proliferierende Keime (z.b. Beta-Lactam-AB) alle Entwicklungsstufen (z.b. Aminoglykoside, Gyrase- Hemmer) Wichtig: Synergismus zwischen AB-Wirkung und körpereigener Abwehr!
Wirkungstyp der Antibiotika MHK = minimale Hemmkonzentration Konzentration eines Antibiotikums, die unter standardisierten Bedingungen den Erreger gerade noch hemmt niedrigste Konzentration für bakteriostatische Wirkung MBK = minimale bakterizide Konzentration Konzentration eines Antibiotikums, die unter standardisierten Bedingungen den Erreger gerade noch abtötet niedrigste Konzentration für bakterizide Wirkung
Wirkungstyp der Antibiotika Abtötungskinetik konzentrationsabhängige Abtötung - je höher Antibiotika-Konzentration, desto stärker antibiotischer Effekt - Beispiele: Aminoglykoside, Fluorochinolone zeitabhängige Abtötung - determinierende Größe: Dauer der Antibiotika-Gabe - höhere Konzentrationen bringen keine Wirkungssteigerung - β-lactam-antibiotika, Vancomycin, Makrolide unterschiedliche Dosierungsschemata z.b. Aminoglykoside: Gabe als Kurzinfusion 1x/Tag
Persister und Resistenz Persister primär sensible, trotz wirksamer Chemotherapie überlebende Keime Ursache von Rezidiven Gründe: - Ruhestoffwechsel - Änderung des ph-wertes am Infektionsort - schlechte Penetration des Antibiotikums in das betroffene Gebiet - Abszess, Nekrosenbildung Resistenz Erregervermehrung trotz wirksamer Konzentration des Antibiotikums am Wirkort
Resistenz Primäre Resistenz genetisch bedingt, immer vorhanden Sekundäre Resistenz während der Therapie erworben Formen: - Einschritt-Resistenz (INH, Rifampicin, Streptomycin) häufiger Rezidive - Mehrschritt-Resistenz (Penicilline, Tetracycline) Chromosomale - Extrachromosomale Resistenz (Plasmide) Übertragbare Resistenz (gramnegative Stäbchen, Staphylokokken) durch Konjugation, Transduktion, Transposons
Resistenz Konjugation auch zwischen verschiedenen gramnegativen Bakterienarten möglich
Resistenz Kreuzresistenz Resistenz auch gegen andere Antibiotika die chemisch verwandt sind und/oder die den gleichen Wirkmechanismus haben Beispiel: Penicilline - Cephalosporine
Resistenz Resistenzmechanismen verminderte Aufnahme des Antibiotikums verstärkte Ausschleusung des Antibiotikums veränderte Zielstruktur verminderte Affinität des Antibiotikums verstärkte Expression von Antibiotika-inaktivierenden Enzymen Risikofaktoren für Selektion multiresistenter Keime vorangegangene Krankenhausaufenthalte Patient aus Pflegeheim schwere Grunderkrankung (Beatmung, große OPs) Immunsuppression vorangegangene (meist multiple) (Breitspektrum-)Antibiotika-Therapien
Antibiose Strategien Gezielte Therapie (sollte die Regel sein) Einsatz von Wirkstoffen, gegen die der jeweilige Erreger sensibel ist Voraussetzung: - Nachweis der infektionsauslösenden Erreger - Kenntnis der Sensibilität der Erreger (Antibiogramm) Kalkulierte Therapie meist zu Beginn der Therapie einer schweren, lebensbedrohlichen Infektion (Interventionstherapie) Abdecken eines möglichst breiten Bakterienspektrums Ziel zunächst: Verhinderung einer Ausbreitung der Infektion gefolgt von gezielter Therapie nach Isolation des Erregers
Antibiose Wirkung eines Antibiotikums abhängig von Affinität zur Zielstruktur Penetrationsmöglickeiten zur Zielstruktur Stabilität der Substanz MHK, MBK Abtötungskinetik (konzentrationsabhängig vs. zeitabhängig) postantibiotischem Effekt körpereigener Abwehr Stoffwechsellage der Bakterien, Autolyseneigung der Bakterien ph-wert des infizierten Gewebes Infektionsort, intrazellulär/extrazellulär
Antibiose Grundsätze einer Antibiose ausreichend hohe Konzentration des Wirkstoffes am Wirkort ausreichende Therapiedauer bei zu niedriger Dosierung / zu kurzer Behandlungsdauer Gefahr der Resistenzbildung bei zu hoher Dosierung / zu langer Behandlung Gefahr von verstärkten Nebenwirkungen
Antibiose Kombinationstherapie oft bei Mischinfektionen oder im Rahmen einer Interventionstherapie notwendig Schließen von Wirkungslücken synergistische Effekte (Beispiel: β-lactam-antibiotika und Aminoglykoside: Schädigung der Zellwand durch β-lactam-antibiotika verbessert Eindringen der Aminoglykoside in Bakterienzelle) sinnvoll bei Wirkstoffen und Bakterien, bei denen die Gefahr einer sekundären Resistenzentwicklung während der Therapie besonders hoch ist (Beispiel: Kombinationstherapie bei der Behandlung der Tuberkulose)
Antibiose Möglichkeiten der Kombination Doppelblockade eines metabolischen Systems (Beispiel: Blockade von zwei aufeinanderfolgenden Schritten in der Folsäure-Synthese durch das Sulfonamid Sulfmethoxazol und Trimethoprim) Blockade eines inaktivierenden Enzyms (Beispiel: zuätzliche Gabe von β-lactamase-hemmern zu Penicillinen) unterschiedliche Angriffspunkte innerhalb der Bakterienzelle (Beispiel: β-lactam-antibiotika und Aminoglykoside)
Antibiose Chemoprophylaxe in vielen Fällen nutzlos bzw. gefährlich - Selektion resistenter Keime - Verschleierung der Krankheitssymptome - Sensibilisierung gegen das Antibiotikum sinnvolle Chemoprophylaxe - Infektionsprophylaxe nach Exposition gegen Scharlach-Erreger oder Meningokokken, bei Säuglingen auch bei Keuchhusten, Tuberkulose - HIV-Prophylaxe z.b. nach Stichverletzung - Rezidivprophylaxe bei akutem rheumatischem Fieber - Komplikationsprophylaxe bei Operationen in einem infizierten Gebiet, in der Herzchirurgie, bei Patienten mit Agranulozytose oder Immunsuppression
Herxheimer-Reaktion = Herxheimer-Jarisch-Reaktion Allgemeinreaktion durch Freisetzung toxischer Zerfallsprodukte (Endotoxine) aus abgetöteten Erregern Symptome: Fieber, Schüttelfrost z.b. nach Therapie der Syphilis oder von Leptospirosen mit Penicillin G, nach Therapie des Typhus abdominalis mit Chloramphenicol Therapie: - Bettruhe, Antipyretikum - kein Therapieabbruch Nebenwirkungen
Nebenwirkungen Allergische Reaktionen leichte Hauterscheinungen bis hin zu Lyell-Syndrom und anaphylaktischem Schock prinzipiell bei allen Antibiotika möglich; besonders häufig: Sulfonamide, Penicilline Gastrointestinale Nebenwirkungen Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle durch Störung der normalen Darmflora
Nebenwirkungen Antibiotika-assoziierte Enterokolitis Ursache: Verdrängung der normalen Darmflora durch Antibiotika und Überwucherung mit fakultativ pathogenen Keimen Pseudomembranöse Enterokolitis durch Selektion von Clostridium difficile (Enterotoxin A und B) - schwere, blutige Durchfälle mit Wasser- und Elektrolytverlusten - pseudomembranöse Fibrinfetzen im Stuhl - Schock, Kreislaufversagen, hohe Letalität Therapie: - Absetzen des auslösenden Medikaments - Metronidazol (1. Wahl) oral oder i.v. - Vancomycin oral (2. Wahl) - Wasser- und Elektrolytsubstitution