Schule als Bildungsinstitution und Rolle der Lehrperson

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Transkript:

Schule als Bildungsinstitution und Rolle der Lehrperson WS 2015/16 Termin 10 Christian Kraler Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung School of Education, Universität Innsbruck Christian.Kraler@uibk.ac.at http://homepage.uibk.ac.at/~c62552

I. Organisatorisches und Einleitung II. Schule als Spiegel der Gesellschaft II.1. Historisch-gesellschaftlicher Kontext II.2. big picture : sozioökonomischer Kontext II.3. Bildungsreform konkret III. Lernen und Lehren III.1. Grundbegriffe/Terminologie III.2. EPIK & 5 Dimensionen III.3. Lernen im Kontext IV. Beobachten Grundlagen lernen Bildungsgang Christian.Kraler@uibk.ac.at 2

Klausur: Termin 1 Datum: 08.02.2016 Uhrzeit: 09:00-11:00 Ort: Hörsaal A/B (Technik) Termin 2 Datum: 03.03.2016 Uhrzeit: 09:00-11:00 Ort: Hörsaal B (Technik) Christian.Kraler@uibk.ac.at 3

Anmeldung: ACHTUNG: Die Anmeldung gilt als Prüfungsantritt! Anmeldefenster (online) Termin 1: 12.1. 3.2. (8.2.: 9:00-11:00, HS A+B) Termin 2: 9.2. -28.2. (3.3.: 9:00-11:00, HS B) 626.001 Details Anmeldung Daten (Button) Aufbau: Multiple Choice Fragen Offene Fragen Unterlagen und technische Hilfsmittel sind nicht erlaubt! Christian.Kraler@uibk.ac.at 4

Forschung: Frage: gibt es hier noch etwas zu beforschen? Antwort: Handbücher Zeitschriften Christian.Kraler@uibk.ac.at 5

Blömeke et al. 2004 Helsper/Böhme 2004/08/12 Nolle 2004 Rothland 2012 Helmke 2008 Blömeke et al. 2009 Zlatkin-Troitschanskaia et al. 2009 Terhart et al. 2011 Ingenkamp/Lissmann 2008 Hesse/Latzko 2011 & Spezialliteratur: Leistungsbeurteilung Praktika Christian.Kraler@uibk.ac.at 6

Forschung a) Konzeptuell/programmatisch/ theoretisch b) (empirisch) feldorientiert Untersuchung (Meth: Stichprobe, Fragebogen, Beobachtung, ) Platon vs. Aristoteles: Idealismus/Rationalismus vs. Empirismus Rationalismus: Quelle der Erkenntnis ist die Vernunft Empirismus: Erkenntnis beruht primär auf Erfahrung Geschichte der Wissenschaften Christian.Kraler@uibk.ac.at 7

Bsp: Relativitätstheorie Bezugskonzept: Mathematik (Logik), Naturwissenschaftlichphysikalische Gesetze Einstein: Gedankenexperimente rationaler Zugang Entwurf einer Theorie: SRT, ART A. Eddington (1919): Beobachtung Ablenkung des Sternenlichts neben der Sonne K. Popper: Falsifikationsprinzip z.b. Newtons Zeitkonzept Christian.Kraler@uibk.ac.at 8

Wenn man das Wort beobachten hört, so denkt man nicht unbedingt an eine sehr schwer Aufgabe, ein bisschen zuschauen, was kann daran so schwierig sein? [ Beispiel ] Ich für meinen Teil habe diese Sache gewaltig unterschätzt. Aussage einer/eines Studierenden, in de Boer 2012, p. 65 Christian.Kraler@uibk.ac.at 9

Beobachtung für Unterrichtsarbeit grundlegend: Feld erschließen (soziales Feld) Funktionen: als LehrerIn ( Unterricht: Classroom management, Diagnose, Beurteilung) Lehr-/Lernseits als ForscherIn: Forschungsfrage generieren/beantworten - Forschungszyklus - Dissemination - z.b. Aktionsforschung Christian.Kraler@uibk.ac.at 10

Beobachtung: Interaktionsmoment (vgl. Quantentheorie: es gibt keine interaktionsfreie Beobachtung!) kontextsensitiv etw. sehen ~> ~> beobachten & festhalten Kommunikationsmoment subjektiv-wertend vs. objektiv-beschreibend Systematisierung & Formalisierung ~> Objektivität Christian.Kraler@uibk.ac.at 11

fremder Blick philosophisches Staunen über scheinbar Alltägliches (vgl. Sokrates in platonischen Dialogen was ist? Erarbeiten & Beibehalten professionsspezifischer Multiperspektivität - Personen: LehrerIn, SchülerIn, Gruppe, Eltern, - thematisch: schulfachspezifisch, pädagogisch, - systemisch-strukturell (Mikro-, Meso-, Makroebene) Christian.Kraler@uibk.ac.at 12

Beispiel: Initialpraktikum Spezifischer Beobachtungsort Schule formale Bildung 12/13 Jahre Schulerfahrung selektiv (Rolle, Orte, Zeit, Gruppe, ) Neuer, fremder Blick auf scheinbar/tw./vermeintlich bekanntes Feld Praktikumsschule(n): spezifische Schulkultur ( eintauchen ) - weiche Faktoren : Stimmung, Gebote/Verbote, Rituale - harte Faktoren : Lage, Schulart, Besucherrolle (LA-Studierende/r) Professionsspezifisches beobachtungsmodulierendes Wissen Christian.Kraler@uibk.ac.at 13

Schulkultur (Fortsetzung, vgl. de Boer 2012) Ziel: individuelle Schule funktioniert Menschen: SchülerInnen, LehrerInnen, Sekretariat, Hausmeister, Schularzt/ärztin, PraktikantInnen, Schulbehörde, Eltern, Funktionieren wird unterschiedlich interpretiert Differenzen und Widersprüche bzgl. Vorstellungen/Ziele Gewohnheiten, gesetzliche Regelungen, Grundannahmen Rahmenbedingungen (Standort, Schulart, ) Über Zusammenwirken der Beteiligten entstehen und wirken - Handlungsmuster - Deutungsmuster - Routinen Zusammenwirken aller Beteiligten = individuelle Schulkultur - multifaktoriell - relativ viskos (Zeit) - formativ! - prozessual Christian.Kraler@uibk.ac.at 14

Beobachten und Schulkultur vs. Interpretation von Beobachtungen (Handlungen, Äußerungen, Objekten, ) ist kontextabhängig Christian.Kraler@uibk.ac.at 15

Schulkultur (Fortsetzung, vgl. de Boer 2012) Gesamtheit der kollektiven Orientierungsmuster der in Schule agierenden abgrenzbaren Gruppe von Personen einschließlich der Gegenstände vor Ort. PraktikantIn: i.d.r. fremder Blick auf fremde individuelle Schulkultur Drei Praktikumsphase (bzgl. Beobachtung ): - Eintritt - Beobachtung/Feldphase - Nachbereitung Phase 1 Durchgang durch Eintrittstor (Funktionen der Schule!) Aufsichtspflicht geschl. Klassen (Panoptikum) schulfremde Person Christian.Kraler@uibk.ac.at 16

Schulkultur (Fortsetzung, vgl. de Boer 2012) Phase 2 Aufenthalt Vorstellen (Schulleitung, (Betreuungs-)LehrerInnen, Klassen, Sekretariate ) Eigener Platz (in Leherzimmer, Klasse, ) Was wird beobachtet (Fremd- und Selbstbeobachtung) Darf ich helfen? Darf ich disziplinieren? Darf ich mitspielen/mitmachen? Interaktionsniveau mit SuS Überraschungen Fotos/Videos Christian.Kraler@uibk.ac.at 17

Was beobachten/fokus: Personen: S, L, sich selbst, Gegenstände, Spezielles: Interaktion, Verlauf, Detail, Ganzes Blick auf das Lernen Christian.Kraler@uibk.ac.at 18

W-Fragen (für Beobachtung ) Christian.Kraler@uibk.ac.at 19

Beobachten beschreiben interpretieren bewerten Unterschied zwischen einem ängstlichen und nicht ängstlichen Menschen: - Beobachtung (Emotionen!) - Beschreibung & Interpretation - Bewertung: X will mit Sonnenbrille cool aussehen vs. X ist arrogant (Interpretation vs. Bewertung) Y redet wenig mit anderen vs. Y ist langweilig (Beschreibung vs. Bewertung) Z hat ein dunkelblaues T-Shirt und eine lachsfarbene Hose an vs. Z sieht hässlich aus (Beschreibung vs. Bewertung) beobachten beschreiben interpretieren objektiv subjektiv Christian.Kraler@uibk.ac.at 20

Wissenschaftlicher Zugang basiert auf: 1) Beobachterperspektive: möglichst viele Einzelheiten eines Phänomens genau erfassen. 2) Zweiter Schritt: (gemessenen) Daten methoden- und theoriegestützt auswerten 3) Dritter Schritt: Auswertung theoriegestützt interpretieren. ~> gegebenenfalls Modell/Theorie adaptieren (vgl. Popper) Fehlerquellen: Anekdotische Evidenz Stereotype Vorurteile Christian.Kraler@uibk.ac.at 21

Beobachtung: Datensammlung Was wird beobachtet? Max schaut während der Mathematikstunde aus dem Fenster Interpretation & Bewertung: Datenanalyse & Wertung (wie werden die Daten interpretieren) Max Beobachtungsfehler: Erst-Eindruck (Primacy Effekt) Vorurteile (Rosenthal-Effekt) Global-Eindruck (Halo-Effekt) Inferenz Effekt Hawthorne-Effekt Christian.Kraler@uibk.ac.at 22