Wie groß ist der klinische Fortschritt?

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Transkript:

203 Neue Erkenntnisse zum NSCLC als Highlight vom ESMO 2012 Wie groß ist der klinische Fortschritt? Neben den Ergebnissen großer kontrollierter klinischer Studien wurden auf dem ESMO 2012 auch neue Erkenntnisse aus der Versorgungsforschung vorgestellt. Die so genannte Versorgungsforschung bei Routinepatienten gewinnt zunehmend an Bedeutung, ist nützlich und von Interesse. Dies berücksichtigt auch den Wunsch nach Reproduzierbarkeit in der klinischen Routine sowie Pharmako-Ökonomie. Gesamtüberleben von 20,5 Monaten erreicht, das 5-Jahres-Überleben betrug 22%. Die weitere Auswertung der Daten soll dazu beitragen, um Algorithmen insbesondere zum klinischen Management von Patienten mit negativen Prädiktoren zu entwickeln, so die Autoren. Quelle: Jahrestagung der European Society for Medical Oncology (ESMO) vom 28. September bis 2. Oktober 2012, Wien. Eine Innsbrucker Arbeitsgruppe um Univ.-Doz. Dr. Michael Fiegl konnte bei einer Auswertung der Verläufe von 484 Patienten (67% Männer, Ø 62,1 Jahre, 80,9 Stadium IIIB-IV) in der Routineversorgung (TYROL Study SCLC Project) zeigen, dass 56% der Patienten auf eine palliative medikamentöse Therapie ansprachen. Nach Beginn der Therapie dauerte es im Durchschnitt 6,9, bis die eine Progression festgestellt wurde. Das 5-Jahre-Überleben betrug 9,3%. Hier schnitten Frauen insgesamt etwas besser ab, Patienten mit Entzündungszeichen (erhöhtes C-reaktives Protein) schlechter. Ein weiterer negativer Prädiktor waren eine erhöhte Laktat- Dehydrogenase als Zeichen von Gewebeumbau sowie ein schlechterer Allgemeinzustand. Im Durchschnitt überlebten die Patienten 11,3 Monate unter der medikamentösen Therapie. Eine Subgruppe von Patienten überlebte jedoch fünf Jahre (9,3%). Dies waren zum größten Teil Patienten mit begrenzter Tumorlast bei der Erstdiagnose, die in der Folge eine kombinierte Chemo- und Strahlenbehandlung erhielten. In diesen Fällen wurde ein medianes Mit mehr als 16 000 Teilnehmern aus über 120 Ländern stellt der ESMO 2012 in Wien einen neuen Besucherrekord auf. Gesamtüberleben unter Pemetrexed-Erhaltungstherapie Auch NSCLC-Patienten über 70 Jahre profitieren Die Verbesserung des Gesamtüberlebens unter einer Erhaltungstherapie mit Pemetrexed (Alimta ) beschränkt sich nicht nur äuf jüngere Patienten. Eine auf dem ESMO 2012 vorgestellte Subgruppenanalyse der prospektiven japanischen JACAL-Studie zeigt für Patienten 70 Jahre eine vergleichbar gutes progressionsfreies Überleben sowie ein Gesamtüberleben, das in beiden Gruppen über dem in der PARAMOUNT-Studie lag. Die Daten aus der PARAMOUNT-Studie zeigen für die Gesamtgruppe von Patienten mit fortgeschrittenem nicht-plattenepithelialen nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC, Adenound großzelliges Karzinom) einen signifikanten Überlebensvorteil unter einer Continuation Maintenance-Therapie mit Pemetrexed 500 mg/m 2 d1/q3w (13,9 Monate unter Pemetrexed-Erhaltung vs. 11,0 Monate unter Placebo, gerechnet ab Beginn der Erhaltungstherapie; HR = 0,78; p = 0,0195) (1). Eine auf dem ESMO 2012 vorgestellte Subgruppenauswertung der prospektiven japanischen JACAL-Studie (n = 109) bestätigt die Ergebnisse der Paramount-Studie, dass auch ältere NSCLC-Patienten davon profitieren (2). Das mediane progressionsfreie Überleben nach 4 Zyklen Pemetrexed unterschied sich bei den Patienten <70 Jahre und der Gruppe 70 Jahre nur marginal (<70 Jahre: 5,8 Monate (95% KI 4,3 7,4; 70 Jahre: 5,2 Monate (95% KI 3,5 8,2). Die Best Tumor Response betrug 74% (<70 Jahre) bzw. 69% ( 70 Jahre). Das Gesamtüberleben lag in beiden Gruppen über den Ergebnisse der PARAMOUNT-Studie (<70 Jahre: 20,5 Monate; 70 Jahre: 16,8 Monate). Insgesamt 73% der Patienten <70 Jahre und 56% der Patienten 70 Jahre absolvierten alle geplanten 4 Zyklen. Die Toxizitäten unter Pemetrexed wurden als akzeptabel und beherrschbar eingestuft. Die älteren Patienten benötigten öfter eine Nebenwirkungs-bedingte Dosisreduktion (25% vs. 15%). Allerdings war der Anteil jüngerer Patienten, bei denen der Abstand zwischen den Zyklen aufgrund von Nebenwirkungen vergrößert wurde mit 58% vs. 50% größer. 1. Paz-Ares L et al. J Clin Oncol 2012; 30(suppl.): Abstract LBA7507. 2. Nogami N et al. ESMO 2012; Abstract 1206P. Schattauer 2012 Onkologische Welt 5/2012

204 Die individualisierte Therapie beim NSCLC Fortschritte und Rückschläge Der diesjährige Europäische Krebskongress (ESMO) zeigte, dass die Einführung zielgerichteter Medikamente beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) Fortschritte macht. So überzeugte Crizotinib in einer Phase-III-Studie. Allerdings machte andererseits die MISSION-Studie mit Sorafenib deutlich, dass noch längst nicht alle Strategien beim NSCLC so greifen, wie gewünscht. Angesichts von immer noch jährlich 40 000 Todesfälle in Deutschland durch Lungenkrebs bleibt die Therapie eine deutliche Herausforderung. Testen das scheint das Gebot der Stunde beim NSCLC zu sein. Denn die Voraussetzung für den Einsatz der neuen zielgerichteten Therapien wird es sein, die richtigen Patientengruppen heraus zu finden, die von der jeweiligen Substanz profitieren. So steht vor dem therapeutischen Einsatz von Crizotinib, einem oralen Hemmer der Anaplastischen Lymphomkinase (ALK), der Test, ob der Tumor ALK-positiv ist. Die EML4-ALK Mutation findet sich laut Prof. Alice Shaw, Boston/USA, allerdings nur bei 3 bis 7% aller Patienten mit einem NSCLC. Bei Adenokarzinomen der Lunge ist sie in 10 bis 20% der Tumoren nachweisbar. Signifikant längeres Überleben als durch die Standardtherapie Die nun aktuell präsentierte Studie verglich die Wirksamkeit und Sicherheit von Crizotinib gegenüber der Standard-Chemotherapie mit Pemetrexed oder Docetaxel bei 347 Patienten mit ALK-positiven Lungenkarzinom, die bereits mit Chemotherapie vorbehandelt worden waren (1). Crizotinib erhöhte danach das progressionsfreie Überleben um durchschnittlich 7,7 Monate gegenüber 3 Monaten mit der herkömmlichen Chemotherapie (Hazard Ratio 0.49; 95% KI 0,37 0,64; p<0,0001). Die gesamte Ansprechrate war bei den mit Crizotinib behandelten Patienten ebenso signifikant höher (65% vs. 20%; p<0,0001). Das Gesamtüberleben ist zum momentanen Zeitpunkt noch nicht aussagekräftig, da aus der Crizotinib-Gruppe bisher wesentlich weniger Patienten als aus dem Kontrollarm gestorben sind (47 vs. 27). Zudem war ein Cross-over erlaubt. Obwohl die Crizotinib-Therapie mehr unerwünschte Wirkungen wie Sehstörungen, Übelkeit und Diarrhö verursachte, schätzten die Patienten in der ALK-Hemmer-Gruppe ihre Lebensqualität als höher ein. Dies mag laut Shaw damit zusammenhängen, dass die mediane Zeit bis zur Rückkehr der Symptome des NSCLC unter Crizotinib 5,6 Monate im Vergleich zu nur 1,4 Monatne dauerte (p<0,0001). Weiterhin untersucht werden sollte auch nach Meinung der Expertin, warum das Ansprechen im Chemotherapie-Arm so unterschiedlich war 6,9% für Docetaxel und 29% unter Pemetrexed. Ich gehe davon aus, dass Crizotinib der neue Standard für Patienten mit einem fortgeschrittenen und vorbehandelten ALK-positiven Lungenkarzinom wird. KRAS kein prädiktiver Marker für Sorafenib? Gleich die nächste große Studie zum NSCLC machte deutlich, welche Schwierigkeiten noch im Detail beim NSCLC stecken. In der MISSION- Studie waren immerhin 703 Patienten aufgenommen worden, die entweder Sorafenib 400 mg/bid oder Placebo als Dritt- oder Viertlinien-Therapie erhielten (2). Das mediane Überleben war in beiden Armen ähnlich (248 Tage vs. 253 Tage; p = 0,4687), obwohl beim medianen progressionsfreien Überleben Sorafenib signifikant überlegen war (p<0,0001). Eine separate Post-hoc-Analyse machte klar, dass es jedoch Patienten gab, die deutlich von der TKI-Therapie profitierten (3). Prof. Tony Mok, Hongkong, erklärte, dass Patienten mit EGFR-Mutationen unter Sorafenib doppelt so lang lebten als unter Placebo. Andererseits fanden wir heraus, so Mok weiter KRAS scheint im Fall von Sorafenib kein prädiktiver Marker zu sein. Neue Substanz mit Potenzial Vielleicht spielen auch erworbene Resistenzen bei diesen vielfach vorbehandelten Patienten eine Rolle. Die Resistenzentwicklung gegenüber EGFR-Inhibitoren wie Erlotinib wurde in Wien ausführlich diskutiert. Dagegen könnte vielleicht der Wechsel des Wirkprinzips helfen. Eine Phase-II-Studie Untersuchung mit Dacomitinib, einem neuen, irreversiblen pan-her- Inhibitor, zeigte, dass diese Substanzen in EGFR- und HER2-mutierten NSCLC-Patienten ein Ansprechen bei 34 von 45 Patienten erzeugen konnte (4). Weitere 10 Patienten erlebten eine Krankheitsstabilisierung. Prof. Pais Jänne vom Dana-Farber-Institute in Boston/USA, meinte abschließend: Voraussetzung für einen effektiven Einsatz ist jedoch die genaue Charakterisierung des Tumors einschließlich der speziellen Mutationen. Bettina Reich, Hamburg 1. Shaw AT, et al. ESMO 2012; Abstract LBA1. 2. Paz-Ares L et al. ESMO 2012, Abstract LBA9. 3. Mok T. et al ESMO 2012, Abstract LBA33. 4. Jänne P et al. ESMO 2012, Abstract 228O.

206 Dacomitinib versus Erlotinib Breiteres TKI-Wirkprofil vorteil - hafter beim NSCLC? Erstmals wurde bei Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) mit Dacomitinib ein irreversibler Inhibitor der EGF-Rezeptor-Tyrosinkinasen HER1, HER2 und HER4 mit dem reversiblen EGFR-HER1-Inhibitor Erlotinib verglichen. Die breitere inhibitorische Aktivität von Dacomitinib resultierte in einer signifikanten Verlängerung des medianen progressionsfreien Überlebens (PFS). Dacomitinib erwies sich in früheren Phase-I/II- Pilotstudien als wirksam beim NSCLC. Die Substanz wurde jetzt mit einer Fixdosis von 45 mg/d erstmals in einer offenen, randomisierten, multizentrischen Vergleichsstudie mit dem reversiblen EGFR-Inhibitor Erlotinib 150 mg/d verglichen. Teilnehmer waren 188 Patienten mit einem fortgeschrittenen NSCLC (Performancestatus 0 2), die unter 1 2 vorangegangenen Chemotherapien einen Progress erlitten, aber noch keine HER-gerichtete Behandlung bekommen hatten. Das mediane PFS in der Gesamtgruppe (primärer Studienendpunkt) war unter Dacomitinib mit 2,86 Monaten signifikant länger als unter Erlotinib (1,91 Monate; HR 0,66, p = 0,012). Subgruppenanalysen in Abhängigkeit von molekularen Markern ergaben eine Überlegenheit von Dacomitinib auch bei Patienten mit KRAS Wildtyp (wt) unabhängig vom EGF-Status (3,71 vs. 1,91 Monate; HR, 0,55; p = 0,006) sowie mit KRAS wt und EGFR wt (2,21 vs. 1,84 Monate; HR, 0,61; p = 0,043). Bei Patienten mit EGFR- Mutationen war das mediane PFS in beiden Gruppe gleich (7,44 Monate). Das mediane Gesamtüberleben (OS) war unter Dacomitinib mit 9,53 Monaten tendenziell, aber nicht-signifikant länger als unter Erlotinib (7,44 Monate). Phase-III-Studie angelaufen Therapie-assoziierte unerwünschte Ereignisse waren unter Dacomitinib häufiger als unter Erlotinib. Dabei handelte es sich vorwiegend um dermatologische und gastrointestinale Nebenwirkungen Grad 1/2. Die erhöhte Toxizität von Dacomitinib wird von den Studienautoren auch als Folge des breiteren Rezeptorprofils und seiner höheren Affinität erklärt. Angesichts der guten Wirksamkeit bei NSCLC-Patienten mit KRAS wt wurde die Phase-III-Vergleichsstudie ARCHER 1009 (Advanced Research for Cancer targeted pan-her therapy) zur Zweit-/Drittlinientheerapie mit Dacomitinib 45 mg vs. Erlotinib 150 mg initiiert. Die Auswertung soll auf der Basis zwei ko-primärer Studienpopulationen (alle NSCLC-Patienten und NSCLC-Patienten mit KRAS wt) erfolgen. 1. Ramalingam SS et al. Randomized Phase II Study of Dacomitinib (PF-00299804), an Irreversible Pan Human Epidermal Growth Factor Receptor Inhibitor, Versus Erlotinib in Patients With Advanced Non Small-Cell Lung Cancer J Clin Oncol 2012; 30(27): 3337 3344. Molekulare Testung auf prädiktive Biomarker NSCLC-Diagnostik funktioniert auch außerhalb von Zentren Die Therapie des NSCLC erfordert häufig eine molekulare Testung auf prädiktive Biomarker eine vom Universitätsklinikum Köln durchgeführte Studie zeigt, dass durch Etablierung eines entsprechenden Netzwerkes eine Vielzahl von Gewebeproben gescreent werden können. Translokationen sowie jeweils 2% BRAF-, PIK3CA- und ERBB2-Mutationen bzw. Amplifikationen. 15% der SQ hatten eine FGFR1-Amplifikation. Bei 40% der Patienten wurde eine personalisierte NSCLC-Therapie entsprechend dem Mutationsstatus eingeleitet. Die Kosten für den Testsatz betragen nach Angaben der Autoren etwa 500 1000 Euro. Das ist nicht viel im Hinblick darauf, dass den Patienten mit Hilfe der Testung eine maßgeschneiderte Therapie angeboten werden kann, so ihr Fazit. Dr. Beate Grübler, Hannover Die Kölner Pathologen untersuchten im Rahmen eines solchen überregionalen Screening- Netzwerkes insgesamt 2 032 NSCLC-Biopsien und erreichten damit fast 70% der NSCLC-Patienten im Raum Köln-Bonn (1). 77% der Proben waren auswertbar, bei 63% handelte es sich um Adenokarzinome (AC), bei 27% um Plattenepithelkarzinome (SQ). Die AC wiesen folgendes Mutationsmuster auf: 32% KRAS- Mutationen, 13% EGFR-Mutationen, 3% ALK- 1. Zander Z et al. J Clin Oncol 2012; 30(suppl): Abstract CRA10529.

207 Molekulare Marker beim NSCLC Vorreiter bei der personalisierten Therapie Die Zahl der bekannten genomischen Aberrationen nimmt beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) mit rasanter Geschwindigkeit zu. Auch beim Plattenepithelkarzinom der Lunge gibt es inzwischen Hinweise auf definierte genetische Veränderungen bei einem Teil der Patienten. Sind solche Veränderungen auf molekularer Ebene bekannt, so kann oftmals eine zielgerichtete Therapie erfolgen oder, sofern sie noch nicht möglich ist, entwickelt werden. Damit ist dann auch das Konzept der personalisierten Therapie in der zu realisieren, so Prof. Jürgen Wolf, Köln. Es setzt nach seiner Darstellung voraus, dass ein molekularer Defekt identifiziert wird und Therapeutika angewandt werden, die sich genau gegen diese Veränderung richten. Das wird in der öffentlichen Diskussion oft noch missverständlich dargestellt, monierte der Onkologe auf einem Pressegespräch in Köln. Vor allem dem Lungenkarzinom kommt hinsichtlich der molekularen Diagnostik und damit auch der personalisierten Medizin laut Prof. Reinhard Büttner, Köln eine Art Vorreiterrolle zu. Die Biologie des Tumors wird zunehmend besser verstanden, erklärte der Pathologe. Es gelingt dadurch immer besser, mit Medikamenten der Targeted Therapy den Patienten Überlebensvorteile zu sichern. Das zeigt das Beispiel des EGFR-Inhibitors Erlotinib. Dieser wurde anfangs bei einem unselektierten Patientenkollektiv eingesetzt, was das Gesamtüberleben im Mittel um rund zwei Monate verlängerte. Die mediane Überlebenszeit lag dennoch weiter unter 12 Monaten und konnte laut Wolf erst durch den gezielten Einsatz des Wirkstoffs bei Patienten mit dokumentierter EGFR-Mutation auf median 27 bis 33 Monate gesteigert werden. Inzwischen sind laut Wolf zahlreiche Veränderungen beim Lungenkrebs als driver mutations identifiziert worden und es gelingt vergleichsweise rasch, gezielt Medikamente gegen solche Mutationen entwickeln. Nicht selten kommen diese aber nur bei einem kleinen Prozentsatz der Patienten zur Anwendung wie etwa der Wirkstoff Crizotinib bei Patienten mit ALK-Genmutation. Diese Mutation findet sich laut Büttner bei rund drei Prozent der Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom, bei denen somit dank Crizotinib eine personalisierte Therapie möglich wird. Die Beispiele verdeutlichen auch, dass es zunehmend auf eine enge Zusammenarbeit der beteiligten Fachdisziplinen ankommt, um die erzielten Fortschritte und die neuen Erkenntnisse rasch von Bench to Bedside zu bringen. Die betroffenen Patienten müssen unmittelbar entsprechenden Studien zugeführt werden. Das aber erfordert nach Wolf ein zunehmend vernetztes Arbeiten der beteiligten Fachdisziplinen und insgesamt neue, interdisziplinäre und sektorübergreifende Versorgungsstrukturen. Christine Vetter, Köln Quelle: Fachmedienveranstaltung Unverzichtbar: Molekulare Diagnostik als Basis für eine personalisierte Therapie beim Lungenkrebs am 30. August 2012, Köln, Veranstalter: Pfizer Oncology Deutschland. Continuation Maintenance beim NSCLC Die Überlebenszeit-Analyse einer Phase-III- Studie mit Pemetrexed als Erhaltungstherapie beim fortgeschrittenen NSCLC weist für die durchgehend mit Pemetrexed behandelten Patienten (erst Induktion mit Cisplatin/Pemetrexed, dann Erhaltungstherapie mit Pemetrexed) einen Überlebensvorteil nach. Die so behandelten Patienten lebten median 16,9 Monaten (ab Beginn der Induktion) im Vergleich zu median 14 Monaten in der Kontrollgruppe ohne Erhaltungstherapie. Der Unterschied war signifikant (HR 0,78; p = 0,0195) und belegt nach Angabe der Autoren den Nutzen einer continuation maintenance, bei der eine aktive (und verträgliche) Komponente der Erstlinientherapie möglichst lange beibehalten wird (1). Dr. Beate Grübler, Hannover 1. Paz-Ares L et al. J Clin Oncol 2012; 30(suppl): Abstract LBA7507. Schattauer 2012 Onkologische Welt 5/2012

208 Icotinib bei NSCLC-Patienten mit EGFR-Mutationen Chinesische Eigenentwicklung will auf den Weltmarkt Mit Icotinib schickt sich eine weitere, gegen Mutationen des EGF-Rezeptors (EGFRm+) gerichtete Therapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) an, nach China auch die Zulassung in Europa und USA zu erreichen. Dies berichtete Dr. Sun Yan, Beijing, kürzlich auf der 15. Jahrestagung der Chinese Society of Clinical Oncology (CSCO). Dafür sind allerdings noch einige Verbesserungen am Studiendesign, vor allem bei der molekularen Charakterisierung der Patienten, notwendig, kritisierte Prof. Tony Mok, Honkong. Icotinib ist in China seit August 2011 zur Therapie des NSCLC bei Patienten mit EGFR-Mutationen verfügbar. Inzwischen liegen Daten zur Behandlung von mehr als 9000 Patienten vor. In der ersten Phase-III-Studie ICOGEN mit 399 Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC erreichte Icotinib in der Gesamtgruppe mit 13, Monaten ein ebenso gutes Gesamtüberleben wie Gefitinib (13,9 Monate) (1). Die Mutationsrate betrug 43% in der Icotinib-Gruppe und 59% in der Gefitinib-Gruppe. Im Vergleich zum EGFR-Wildtyp (wt) war das progressionsfreie Überleben von Patienten mit EGFRm+ signifikant länger (median 6,2 Monate vs. 2,3 Monate; p = 0,00001), ebenso das Gesamtüberleben (median 20,5 Monate vs. 7,7 Monate; p=0,00001). Zwischen beiden Behandlungsarmen bestand weder bei Patienten mit EGFRm+ noch mit EGFRwt ein statistisch signifikanter Unterschied. Ausgefeilteres Studiendesign verlangt Auf dem CSCO-Kongress stellte Yan die Ergebnisse einer neuen einarmigen Phase-III-Studie (1) vor, in der Icotinib als Zweit- oder Drittlinientherapie bei 128 NSCLC-Patienten mit einem Progress unter einer Chemotherapie, vor allem Cisplatin-basiert, gegeben wurde. In der Studie betrug der Zeitraum bis zur Progression unter Icotinib median 5,4 Monate und das Gesamtansprechrate 25,8%. Die Krankheitskontrollrate wurde mit 67,7% errechnet. Das Gesamtüberleben konnte noch nicht endgültig bestimmt werden, da der statistische Endpunkt noch nicht erreicht wurde. Interimsanalysen zufolge könnte das zensierte Gesamtüberleben um 17,6 Monate betragen. Insgesamt 47,7% der Patienten berichteten über unerwünschte Effekte, vor allem Hautausschlag (25%), Diarrhoe (11,9%) und Erhöhungen der Leberenzyme (14,1%). Sein chinesischer Kollege Mok forderte in seiner Diskussion der Ergebnisse die Durchführung von Phase-III-Studien mit einer Kontrollbzw. aktiven Vergleichsgruppe, um validere Aussagen zu bekommen und eine Zulassung außerhalb von China zu erhalten. Darüber hinaus müssten die Teilnehmer bereits vor Studienbeginn im Hinblick auf molekulare Mutationen untersucht und entsprechend selektiert werden, um den wahren klinischen Stellenwert der Substanz kennen zu lernen. Nicht selektierte Patientengruppen entsprechen nach seiner Ansicht nicht mehr dem aktuellen Erkenntnisstand beim NSCLC. Um international erfolgreich zu sein, sind nach seiner Ansicht 2 Phase- II-Studien mit 120 150 Patienten mit EGFRm+ sowie Phase-III-Studien mit jeweils mindestens 300 500 Patienten nötig. 1. Yan S et al. Final overall survival and updated biomarker analysis results from the randomized phase III ICOGEN trial. J Clin Oncol 2012; 30 (suppl.); abstr 7559. Quelle: 15. Jahrestagung der Chinese Society of Clinical Oncology (CSCO vom 19. bis 23. September. 2012, Beijing; Abstract BIO19. Orales Vinorelbin beim NSCLC zugelassen Seit kurzem steht für die Behandlung von Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) im Stadium 3 oder 4 auch orales Vinorelbin (Navelbine Oral) zur Verfügung. Dies bedeutet, dass Vinorelbin sowohl in jeder Kombination mit anderen antineoplastischen Therapeutika als auch mit Strahlentherapie zum Einsatz kommen kann, soweit sich diese Kombinationen als wirksam und verträglich erweisen haben. Darüber hinaus lässt diese Zulassung auch die adjuvante Therapie mit Navelbine Oral von NSCLC-Patienten im Stadium III zu. Damit handelt es sich um die erste Substanz, die zumindest für Stadium III-Patienten zulassungskonform in der Adjuvanz verabreicht werden kann. Red.