Rede von Herrn Oberbürgermeister Jürgen Roters anlässlich des 3. Internationalen Tages der Integration am 14. Oktober 2011, 9 Uhr, Villa Horion, Horionplatz 1, Düsseldorf Es gilt das gesprochene Wort! Sehr geehrte Frau Browne, sehr geehrter Herr Keymis, sehr geehrter Herr Töns, sehr geehrter Herr Basar, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich, zum 3. Internationalen Tag der Integration bei Ihnen sein zu können. Meine Damen und Herren, wenn wir von Integration im Allgemeinen sprechen, so dürfen wir nicht vergessen, dass die aktuelle Integrations-Diskussion auf wissenschaftlicher, politischer und alltäglicher Ebene belegt, dass es eine allgemeingültige Definition des Begriffes Integration nicht geben kann. Was wir aber wissen, ist: Integration ist keine einseitige Anpassung an bestehende Strukturen, sondern immer mit Veränderungsprozessen von allen Beteiligten verbunden. Der Integrationsprozess von Menschen mit Migrationsgeschichte vollzieht sich dabei grundsätzlich auf unterschiedlichen Ebenen und ist in Abhängigkeit von gesellschaftlichen und persönlichen Voraussetzungen des jeweils einzelnen Menschen zu sehen. Generell gilt, dass die persönlichen Möglichkeiten des Einzelnen, sich erfolgreich zu integrieren und als gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft anerkannt zu werden, insgesamt stärker vom Bildungshintergrund, der Verankerung in sozialen Netzwerken und den sozial-ökonomischen Ressourcen geprägt sind als von der ethnischen Herkunft. 1
Die Sinus Milieu-Studien belegen dies eindrucksvoll. Der Kölner Integrationsrat hat es sich daher gemeinsam mit der Stadt Köln zur Aufgabe gemacht, immer wieder auf diesen Sachverhalt hinzuweisen. In der Broschüre 100% Köln werden vor diesem Hintergrund acht Kölnerinnen und Kölner mit Migrationshintergrund aus den unterschiedlichen Milieus vorgestellt. Diese acht Menschen haben nicht nur den Mut bewiesen, ein Stück ihrer Lebensgeschichte preiszugeben. Sie weisen uns auch darauf hin, dass Heterogenität der Lebensentwürfe kein Alleinstellungsmerkmal der sogenannten Mehrheitsgesellschaft ist das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Dies hat zur Folge, dass Integrationsprozesse individuell verschieden sind und sich in unterschiedlichen Zusammenhängen vollziehen. Die gesellschaftliche Veränderung, die sich in der Zuwanderung heute als Normalfall dokumentiert, prägt das moderne Gesellschaftsverständnis und die daraus abgeleiteten Anforderungen an kommunale Strukturen und Beteiligungsverfahren nachhaltig. Aufgrund der Tatsache, dass der überwiegende Teil der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in Großstädten wie beispielsweise Köln lebt und dort das Zusammenleben in besonderer Weise prägt, sind die damit verbundenen Anforderungen vor allem in diesen zu bewältigen und konstruktiv zu lösen. Systemische Inklusion, soziale Integration, gesellschaftliche Teilhabe und Mitwirkung sind die grundlegenden Pfeiler des aktuellen und modernen Verständnisses von Zivilgesellschaft. Meine Damen und Herren, die Kölner Kommunalpolitik verfolgt seit vielen Jahren das Ziel, in diesem Sinne ein zuwanderungsfreundliches Klima in unserer Stadt zu schaffen. Die Offenheit aller Bürgerinnen und Bürger sowie die Integrationsbereitschaft der Zugewanderten sollen dabei gefördert und allen Bewohnerinnen und Bewohnern Kölns soll eine gleichberechtigte Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen ermöglicht werden. Bereits in den 1970er, 80er und 90er Jahren wurden in Köln Untersuchungen und Programme zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund durchgeführt. 2
Auch der Kölner Ausländerbeirat, heute Integrationsrat, wirkt schon seit den 1980er Jahren im Sinne einer gleichberechtigten Teilhabe der Kölnerinnen und Kölner mit Migrationsgeschichte. Und vor der Einrichtung des Interkulturellen Referates der Stadt Köln im Jahr 1996 bestand bereits seit einigen Jahren die Stelle des Ausländerbeauftragten. Wie Sie der Aufzählung entnehmen können, meine Damen und Herren, wird das Thema Zuwanderung und Integration bereits seit vielen Jahren als wichtige Aufgabe mit hoher Priorität in Köln wahrgenommen. Dennoch gibt es auch in Köln in zahlreichen Bereichen noch diesbezügliche Verbesserungsmöglichkeiten. Aus diesem Grund wurde von der Kölner Verwaltung gemeinsam mit den Akteuren aus der Kölner Trägerlandschaft das Konzept zur Stärkung der integrativen Stadtgesellschaft erarbeitet. Im Rahmen dieses Prozesses war der Blick stets auf die Chancen und Möglichkeiten gerichtet, welche sich Köln durch die zugewanderten Bürgerinnen und Bürger eröffnen. Aber auch die Herausforderungen, die mit der Vielfalt von Menschen aus über 180 Nationen und ihren unterschiedlichen kulturellen Prägungen verbunden sind, haben wir dabei nie aus dem Blick verloren. Die über zwei Jahre konstruktiv und engagiert geführte Debatte und fachliche Auseinandersetzung im Rahmen des Erarbeitungsprozesses hat das vorliegende Konzept in hohem Maße geprägt. Sie ist zudem die wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Ergebnis als tragfähige Grundlage der gemeinsamen Arbeit der nächsten Jahre vermutlich Bestand haben und Akzeptanz finden wird. Sowohl der Prozess der Erarbeitung als auch die Diskussion und Umsetzung des Rahmenkonzeptes tragen dazu bei, dass die notwendigen öffentlichen Diskussionen über gesellschaftliche Veränderungsprozesse und Herausforderungen der Zuwanderung auf lokaler Ebene konstruktiv geführt werden können. Integrationserfolge und -schwierigkeiten, Zusammenleben in Vielfalt, Chancengerechtigkeit, gleichberechtigte Teilhabe und Ausgrenzung das alles sind Erfahrungen, die von Menschen mit Migrationshintergrund und von Menschen, die 3
sich schon lange zur Mehrheitsgesellschaft zugehörig fühlen, sehr unterschiedlich wahrgenommen werden können. Das Konzept zur Stärkung der integrativen Stadtgesellschaft soll aus diesem Grunde als Rahmenkonzept nicht nur Leitlinie des Handelns sein, sondern auch einen Beitrag dazu leisten, die Unterschiede und die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Bewertungen der gesellschaftlichen Wirklichkeit benennen und bündeln zu können. Hinter den Begriffen, die wir heute im Handlungsfeld Migration und Integration verwenden, verbergen sich unterschiedliche Migrationsgründe und Aufenthaltsberechtigungen. Vor allem verbergen sich dahinter jedoch Menschen, die selbst gewandert oder als Flüchtlinge zu uns gekommen sind, sowie Menschen, deren familiärer Hintergrund in der Elterngeneration oder auch der Generation der Großeltern durch Migration geprägt ist und dies unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Doch auch Begriffe wie die Einheimischen, die Mehrheitsgesellschaft, die Aufnahmegesellschaft oder auch die Deutschen besitzen zunehmend weniger erklärende Aussagekraft. Ob jemand selbst eingewandert oder schon in der zweiten oder dritten Generation hier geboren und aufgewachsen ist, sagt dabei wenig über die lebensgeschichtliche Erfahrung und den tatsächlichen Grad der Integration des Einzelnen aus. Was wir aber feststellen können, ist: Statistisch gesehen sind sowohl selbst Zugewanderte als auch Menschen mit erkennbarem familiären Migrationshintergrund, die selbst keine eigene Migrationserfahrung besitzen, im Durchschnitt sozial und wirtschaftlich schlechter gestellt als die Mehrheitsgesellschaft. Aufgabe der Kommune ist es daher, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Menschen unabhängig von ihrer Herkunft gleichberechtigte Möglichkeiten zu einer gesellschaftlichen Teilhabe erhalten. 4
Vor dem Hintergrund des gewachsenen und weiter wachsenden Bevölkerungsanteils von Menschen mit Zuwanderungshintergrund haben die Herausforderungen der Querschnittaufgabe Integration dabei weiter an Bedeutung gewonnen. Wir sind gewillt, meine Damen und Herren, diese Herausforderung anzunehmen und erfolgreich die in dem Kölner Konzept formulierten Ziele zu erreichen! Einige dieser Ziele möchte ich hier gerne exemplarisch in Form von Leitlinien der Kölner Integrationspolitik nennen: 1. Köln ist seit jeher eine Stadt, die von Zuwanderung geprägt ist. Integration ist somit heute und auch in Zukunft für alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche von zentraler Bedeutung. 2. Integration ist eine dauerhafte politische und gesellschaftliche Aufgabe der gesamten Stadtgesellschaft, zu der Menschen mit Migrationsgeschichte und die Mehrheitsbevölkerung zählen. Integration ist ein Prozess der gegenseitigen Verständigung und der Aushandlung bei Interessengegensätzen. Integration stärkt die Solidarität in der Stadt. 3. Integration bedeutet, Vielfalt anzuerkennen und zu gestalten. Die mit der Zuwanderung verbundene kulturelle Vielfalt in der Stadt ist als Chance zu verstehen, welche die Begegnung der unterschiedlichen Gruppen und den Zusammenhalt der Gesellschaft fördert. Integration setzt bei den vorhandenen interkulturellen Potenzialen der in Köln lebenden Menschen an. 4. Integration bedeutet, weiterhin politische Partizipation und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und Chancengleichheit zu verwirklichen. Integration bietet gleichberechtigten Zugang insbesondere zu Bildung, Erwerbsarbeit, gesundheitlicher Versorgung, Informationen, Kultur, sozialen Dienstleistungen, Sport und Wohnraum. 5. Integration heißt, entschieden gegen Diskriminierung und Rassismus vorzugehen und Benachteiligungen abzubauen. 6. Bildung von vorschulischer Bildung über die Berufsfindung bis zur Weiterbildung ist die Grundlage und der Ausgangspunkt für die Integration in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen. In diesem Sinne spielt Bildung auch eine Schlüsselrolle für die Integration von Migrantinnen und Migranten in der Stadt. 7. Integration setzt die interkulturelle Orientierung und Öffnung von Institutionen voraus. 5
Meine Damen und Herren, was unternehmen wir nun in Köln konkret, um diesen Anforderungen gerecht zu werden? Die Stadt stellt sich den Herausforderungen sowohl durch die Schaffung von Strukturen als auch durch konkrete Angebotsformen. Strukturelle Formen sind zum Beispiel das Interkulturelles Referat der Stadt Köln. Als koordinierende und konzeptionell arbeitende Dienststelle der Stadt Köln hat es die Aufgabe, das friedliche und konstruktive Zusammenleben der unterschiedlichen kulturellen und ethnischen Bevölkerungsgruppen in Köln durch geeignete soziale, wirtschaftliche und kulturelle Maßnahmen zu fördern. die Interkulturellen Dienste im Jugendamt. Sie bieten sozialräumliche Hilfen im Bereich der Jugend- und Familienarbeit an. das Zentrum für Mehrsprachigkeit und Integration. Dieses ist ein Zusammenschluss von Stadt, Hochschule und Bezirksregierung zur Förderung der Sprachkompetenz und Mehrsprachigkeit in der Schule. die Fachstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Sie bietet Informationsveranstaltungen zur Aufklärung der Bevölkerung und als Arbeitsschwerpunkt in Schulen an. Als konkretes Angebot möchte ich nennen die Förderung der Selbstorganisation der Migrantinnen und Migranten. Dies schließt eine Förderung der (aktuell 34) Interkulturellen Zentren mit Schwerpunkt Jugendarbeit ein. Konkrete Angebote betreffen auch die Kinderbetreuung, die Schule und die Bildung allgemein. Die Sprachförderung im Vorschulbereich soll intensiviert (zweisprachige Gruppen in Kitas) und die interkulturelle Elternarbeit in der Schule durch Träger im Bereich der Zentrenarbeit gefördert werden. Als Beispiele möchte ich in diesem Zusammenhang das Projekt Rucksack 6
anführen, das eine Mütterqualifizierung im Bereich der Bildungsarbeit / Schule zum Ziel hat, sowie das Projekt Stadtteilmütter, das eine Vermittlungsfunktion in das lokale Beratungsangebot besitzt. den Bereich Gesundheit. Beispiele hierfür sind das Gesundheitszentrum für Migrantinnen und Migranten, die Kölner Gesundheitskonferenz mit dem Konzept Gesundheit und Migration, das lokales Netzwerk Gesundheit in Mülheim sowie der Gesundheitswegweiser für Migrantinnen und Migranten, gesamtstädtisch oder auch neu als lokaler vernetzter Ansatz. die Antidiskriminierungsarbeit. Als Beispiele hierfür möchte ich das Kölner Drei-Säulen-Modell Diskriminierungsberatung (Stadt, Wohlfahrtsverband, Verein) nennen, das Forum gegen Rassismus und Diskriminierung sowie die Förderung von Antirasssimustrainings in Jugendeinrichtungen und Sportvereine (Multiplikatorentrainings). die Interkulturelle Woche. Die seit 25 Jahren stattfindende Interkulturelle Woche wurde auf neue solide und nachhaltige Füße gestellt. Es gibt ein reichhaltiges Programm (2011: rund 250 Veranstaltungen), das exemplarisch die kulturelle Vielfalt der Stadt widerspiegelt. Die Interkulturelle Woche ist bereits über die Grenzen Kölns hinaus bekannt. den Bereich Kultur. Die kulturellen Einrichtungen der Stadt Köln sind um eine Öffnung bemüht. Hierunter fallen das Schauspielhaus, die Philharmonie im Veedel (Bürgerhäuser und -zentren), die Bühne der Kulturen in Köln-Ehrenfeld, das Haus der Kulturen der Welt am Neumarkt, das Förderkonzept Interkulturelle Kunstprojekte, die Kulturelle Bildungsarbeit, das Archiv der Arbeitsmigration DomiD sowie das Rautenstrauch-Joest-Museum, beispielsweise mit der Ausstellung Jugendalter in unterschiedlichen Kulturkreisen. die Interkulturelle Öffnung. Ich möchte in diesem Zusammenhang insbesondere die Ausbildungsquote der Stadt Köln anführen. Es ist der Stadt durch gezielte Ansprache der Zielgruppe und mit Hilfe von Förderprogrammen gelungen, im Laufe von fünf Jahren den Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der Ausbildung von fünf auf 7
30 Prozent zu erhöhen. Eine interkulturelle Öffnung der Verwaltung treiben wir auf diesem Wege nachhaltig voran. Meine Damen und Herren, auch wenn noch viel zu tun ist: Im Prozess der Integration sind wir in Köln auf einem guten Weg einem Weg, den wir zielstrebig und konsequent weitergehen. Hierzu sind wir auf die Unterstützung aller Menschen in unserer Stadt angewiesen, unabhängig ihrer Herkunft, ihrer Religion und ihrer sozialen Zugehörigkeit! 8