Flucht und Zuwanderung in Deutschland. Herausforderungen an die Gesellschaft DIJuF Zweijahrestagung, Gustav-Stresemann-Institut (GSI) Bonn, 23.11.2016 Prof. Dr. Norbert F. Schneider
Agenda 1. Zuwanderung und Zuwanderer einige empirische Fakten 2. Zuwanderung vier notwendige Perspektiven zur gesellschaftspolitischen Steuerung 3. Zuwanderung und Aufnahmegesellschaft: Fremdheit Integration Gesellschaftlicher Zusammenhalt 4. Fazit
1. Trends des globalen Wanderungsgeschehens seit Jahrzehnten migrieren etwa 1 % der Weltbevölkerung jährlich grenzüberschreitend, das sind etwa 70 Mio. Menschen 3 % der Weltbevölkerung leben derzeit nicht in ihrem Herkunftsland Quelle: UN Population Division; 2015 Revision zu erwarten ist ein moderater Anstieg der globalen Wanderungsbewegungen immer wichtiger werden temporäre und zirkuläre Migration gemischte Wanderungsmotive nehmen zu (Migration und Flucht) Zunahme von Binnenmigration (Verstädterung)
Bilanz der Zu- und Fortzüge in Deutschland, 1991 bis 2015 * Anzahl in 1.000 2.000 1.800 Zuzüge Fortzüge 1.600 1.400 1.200 Wanderungsgewinn Wanderungsverlust 1.000 800 600 400 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 * Die Wanderungsdaten für 2015 beruhen auf den Ergebnissen einer Schnellschätzung der Wanderungsstatistik mit Stand März 2016 und beziehen sich lediglich auf Wanderungen von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Datenquelle: Statistisches Bundesamt BiB 2016
Entwicklung der jährlichen Asylantragszahlen seit 1990 Antragszahlen (Erst- und Folgeanträge) 800,000 Jan-Okt 2016: 694.000 600,000 2015: 477.000 400,000 200,000 0 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 Datenquelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Berechnungen BiB BiB 2016
Asylbewerber je 1.000 Einwohner, 1990 bis 2015 Personen je 1.000 Einwohner 12 10 8 6 4 2 0 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Deutschland Österreich Schweiz Datenquelle: Eurostat, Berechnungen BiB BiB 2016
Ausländische Bevölkerung in Deutschland (Kreisebene), Anteil in Prozent, 2015 Kiel Hamburg Schwerin Bremen Hannover Berlin Potsdam Ausländische Bevölkerung in Deutschland im März 2016: 9,4 Mio. Magdeburg Düsseldorf Erfurt Dresden Wiesbaden Mainz Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Bevölkerungsfortschreibung, Berechnungen BiB Geometrische Grundlage: GeoBasis-DE / BKG (2015) BiB 2016 Saarbrücken 1,9 bis unter 4 Stuttgart 4 bis unter 6 6 bis unter 8 München 8 bis unter 12 12 bis 33,6
Ausländische Bevölkerung nach Altersgruppen und Geschlecht am 31.03.2016 (9,4 Mio. Menschen) Altersgruppe Anteil männlich Anteil Altersgruppe bis 18 Jahre 53 % 13 % von 18 bis 35 Jahre 56 % 33 % ab 35 Jahre 53 % 54 % Datenquelle: BAMF 2016, Ausländerzentralregister
Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung in den Regierungsbezirken und Ländern, 2015 Kiel Hamburg Schwerin Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Deutschland Ende 2015: Bremen Hannover Berlin Potsdam 17,1 Mio. Magdeburg Düsseldorf Erfurt Dresden Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2015, Berechnungen BiB Geometrische Grundlage: GeoBasis-DE / BKG (2015) BiB 2016 Wiesbaden Mainz Anteil der Personen mit Migrationshintergrund in Prozent unter 10 Saarbrücken Stuttgart 10 bis unter 15 15 bis unter 20 München 20 bis unter 22,5 22,5 bis unter 25 25 und höher
2. Zuwanderung - Perspektiven zur gesellschaftspolitischen Steuerung Nutzen für das Aufnahmeland Chancen und Risiken der Herkunftsländer Motive und Absichten der Migranten Erwartungen und Befürchtungen der ansässigen Bevölkerung
Zuwanderung Herausforderung für die Aufnahmegesellschaften Zuwanderung verändert die Aufnahmegesellschaften Für Aufnahmeländer stellen sich drei zentrale Fragen: Wer sind wir? Wie wollen wir leben? Wie können wir das erreichen?
3. Fremde und Fremdheit Die meisten Flüchtlinge streben nicht nach Deutschland, weil sie hier andere Wertvorstellungen durchsetzen wollen. Stattdessen erhoffen sie sich hier Sicherheit, Arbeit, Wohlstand und Freiheit. Fremde kommen, um akzeptiert zu werden und um sich hier einzubringen. Unterstellt wird aber vielfach Schmarotzertum. Fremde kommen als Individuen, werden aber oft als Teil eines homogenen Kollektivs behandelt und mit Pauschalurteilen überzogen. Xenophobie, Diskriminierung und Ausgrenzung entsteht durch Wahrnehmung von Andersartigkeit und infolge fehlender Erfahrungen.
Integration Integration: Eingliederung in ein Ganzes und dessen Fähigkeit, Zusammenhalt auf einer gemeinsamen Grundlage zu sichern Fünf Dimensionen gelingender Integration: Arbeit + Wohnen soziale Teilhabe und Sicherheit Zugehörigkeitsgefühle und Identität Staatsangehörigkeit Heirat
Gesellschaftlichen Zusammenhalt die momentane Situation in Deutschland gesellschaftlicher Zusammenhalt hat im Zeitverlauf nicht abgenommen Es bestehen große Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland international rangiert Deutschland im oberen Mittelfeld
Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Deutschland einige empirische Befunde hohe Werte Vertrauen in die Mitmenschen Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen Gerechtigkeitsempfinden gesellschaftliche Teilhabe Akzeptanz sozialer Regeln niedrige Werte Identifikation mit der Nation: Deutschland belegt Rang 33 von 34 Ländern Akzeptanz von Diversität: merkliche Abnahme in den letzten 15 Jahren Quelle: Bertelsmann-Stiftung: Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt 2013
4. Fazit Der Zuwanderungsdruck auf Deutschland wird weiter steigen Zuwanderung ist nicht geeignet, unsere demografischen Probleme zu lösen Zuwanderung verändert stets auch die Aufnahmegesellschaft Zuwanderung hat zumeist positive Folgen für die Aufnahmegesellschaft Zuwanderer einzugliedern heißt, auf ihre bisherigen Erfahrungen und Lebenssituationen angemessen einzugehen. Ein Großteil der unbegleiteten Minderjährigen ist in autoritären Verhältnissen aufgewachsen. Fördern und Fordern als Leitmotiv.
Vielen Dank Prof. Dr. Norbert F. Schneider Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung Wiesbaden norbert.schneider@bib.bund.de 28 / 28
Unbegleitete minderjährige Asylantragssteller Jahr Asylanträge Inobhutnahmen 2014 4.398 11.642 2015 14.439 42.309 2016 (bis 31.10.16) 32.464 - Datenquelle: BAMF 31.10.2016