Was brauchen Familien? Lebenslagen und Bedürfnisse von Familien Gerda Holz, Frankfurt a.m. Schwerpunkte 1. Familie Was ist damit eigentlich gemeint? Familienbegriff und Familienformen Unterschiedliche Lebenslagen 2. (Arme) Eltern Was sagen sie uns? Wünsche und Bedarfe Ressourcen und Bewältigungsstrategien Bedarfe und Nutzung von Hilfen 3. Arbeit mit (armen) Eltern Was bedeutet das für die Praxis? Die 7 großen B s der Arbeit mit sozial benachteiligten Eltern Einbindung in kommunale Strukturen Politische Rahmensetzungen ändern 1
Familie Was ist damit eigentlich gemeint? Familienbegriff und Familienformen Unterschiedliche Lebenslagen Familienbegriff weit gefasst und sich wandelnd Der Familienbegriff ist in unserer Gesellschaft nicht eindeutig definiert, sondern das Ergebnis von gesellschaftlichen Definitions- und Aushandlungsprozessen. Das Verständnis dessen, was Familie ist, ist ein zeitbedingtes, kultur- und systemabhängiges Konstrukt, das sich im Zuge gesellschaftlicher Wandlungsprozesse immer wieder verändert hat. 2
Quelle: BMFSFJ: Familienreport 2012: Berlin 2012: 13. Quelle: BMFSFJ: Familienreport 2012: Berlin 2012: 58. 3
Quelle: BMFSFJ: Familienreport 2012: Berlin 2012: 14. Quelle: BMFSFJ: Familienreport 2012: Berlin 2012: 51. 4
1. Zwischenfazit Kennzeichnend ist eine immer größere Heterogenität in den Lebensformen und den Lebenslagen Kennzeichnend sind weiterhin geltende gesellschaftliche Erwartungen an die Familie, z.b. Erste und wichtigste Sozialisationsinstanz für Kinder Familie als Bildungsort und Bildungsermöglicher Kennzeichnend sind sich deutlich verändernde gesellschaftliche Erwartungen und Rahmensetzungen Von ehe- zur kindzentrierten Familie Rechte des Kindes werden gestärkt Druck zur sich selbst absichernden Erwerbstätigkeit von Frauen Private und öffentliche Verantwortung für Kinder wird neu justiert Bedürfnisse und Bedarfe von Eltern werden komplexer + mehr 5
(Arme) Eltern Was sagen sie uns? Selbsteinschätzungen und Wünsche Ressourcen und Bewältigungsstrategien Bedarfe und Nutzung von Hilfen (Arme) Eltern Selbsteinschätzung und Wünsche Ergebnisse der Studie des DW Braunschweiger Land, 2011 Quelle: DW Wirksame Wege für Familien mit geringem Einkommen im Braunschweiger Land. Braunschweig 2011 6
Wie ist die gesundheitliche Selbsteinschätzung armer Eltern? n=272: Quelle: DW Wirksame Wege für Familien mit geringem Einkommen im Braunschweiger Land. Braunschweig 2011: 32. Auf was wurde verzichtet, wenn das Geld nicht reicht? (Haushaltsbefragung n=272:quelle: DW Wirksame Wege für Familien mit geringem Einkommen im Braunschweiger Land. Braunschweig 2011: 27. 7
Bereiche, in denen von den Haushalten (weitere) Unterstützung gewünscht wird Haushaltsbefragung, n = 311. Quelle: DW Wirksame Wege für Familien mit geringem Einkommen im Braunschweiger Land. Braunschweig 2011: 71. Arme Familien Ressourcen und Bewältigungsstrategien Ergebnisse der Expertise Lebenslagen und Potentialen armer Familien in Berlin, 2014 Quelle: Laubstein, Claudia: Expertise zu Lebenslagen und Potentialen armer Familien in Berlin. Frankfurt a.m. 2014. LINK: http://www.iss-ffm.de/m_321_dl 8
Ressourcen auf vier Ebenen Materielle Ebene Individuelle Ebene Ebene des Familiensystems Strukturelle Ebene Zusätzliche Einkommen Resilienz Beziehungsqualität Erholungsmöglichkeiten Rücklagen Aufstiegsorientierung (Ex-) Partner Hilfesystem Schuldenfreiheit Kompetenzen Private Netzwerke Sozialraum Quelle: Laubstein: Expertise zu Lebenslagen und Potentialen armer Familien in Berlin. Frankfurt a.m. 2014: 44.. 17 Strategien zur Bewältigung der Armutssituation Kurzfristige Strategien Suche nach neuen finanziellen Spielräumen Mittelfristige Strategien Ausgabenbeschränkung der gesamten Familie Langfristige Strategien Ausstiegversuche aus der Armut Permanente Strategien Wirtschaftliche Haushaltsführung Quelle: Laubstein: Expertise zu Lebenslagen und Potentialen armer Familien in Berlin. Frankfurt a.m. 2014: 39. 18 9
Strategien zur emotionalen Bewältigung Ja, das macht mir eigentlich richtige Zukunftsangst. Ich darf da gar nicht dran denken. Wenn ich daran denke wird mir schlecht. Verdrängung Gefühl der Selbstwirksamkeit Soziale Vergleiche und Bescheidenheit als Wert Ich finde das auch gar nicht so schlecht, dass ich ihr [nicht] unbedingt alles biete und teuer. Davon hat sie ja im weiteren Leben nichts. Fokussierung auf die Kinder Passivität als Strategie Quelle: Laubstein: Expertise zu Lebenslagen und Potentialen armer Familien in Berlin. Frankfurt a.m. 2014. 19 Wunsch nach Unterstützung Ergebnis der Allensbach Studie Monitor Familienleben, 2013 Quelle: Institut für Demoskopie Allensbach: Monitor Familienleben 2013. Allensbach 2013 10
Unterschiedliche Präferenzen von Eltern nach Einkommen 2013 Eltern von Kindern unter 18 Jahren Wunsch Insgesamt Haushaltsnettoeinkommen Bessere finanzielle Unterstützung Bessere Betreuungsangebote 38 45 24 22 24 22 24 Mehr Zeit für Familie 32 23 27 Unentschieden, weiß nicht 14 10 12 14 Frage: Was würden Sie sich in Ihrer jetzigen Situation am meisten wünschen: Eine bessere finanzielle Unterstützung durch den Staat, ein besseres Betreuungsangebot, oder mehr Zeit, die Sie als Familien zusammen verbringen können, auch wenn dadurch Ihr Haushaltseinkommen sinken würde? (Mehrfachnennungen möglich) Quelle: Allensbach: Monitor Familienleben 2013: 21. Bedarf und Unterstützung von Neueltern Ergebnisse der Monheimer Neueltern-Studie, 2011 Quelle: Holz/Stallmann/Hock: Frühe Förderung von Anfang an. Frankfurt a.m. 2012 11
Neueltern - Verteilung der Familientypen (n = 603) Auswertung Erstkontaktbogen Datenquelle: Monheimer Neueltern-Studie 2011, Auswertung Erstkontaktbogen. Holz/Stallmann/Hock 2012. Bedarfsäußerungen von Neueltern im Rahmen des Willkommens-/Erstbesuches Bedarfe Prozent Krippen-/KiTa-Platz, außerhäusliche Betreuung 96,6 Informationen über Angebote 40,6 Kontakt mit anderen Eltern 28,4 Weitere Begleitung über Hausbesuche 5,7 Vermittlung zu anderen Diensten 5,7 Hilfen zur Berufsorientierung 4,4 Beratung in finanziellen Fragen 0,5 (n = 596) Datenquelle: Monheimer Neueltern-Studie 2011, Auswertung Erstkontaktbogen. Holz/Stallmann/Hock 2012. 12
Die Monheimer Nutzungspyramide von Eltern im 1. Lebensjahr des Kindes Bedeutet hier ASD-Betreuung Budget-/Finanzfragen und Beteiligung sind Querschnittsthemen in Mo.Ki 0 (n=616) Datenquelle: Monheimer Neueltern-Studie 2011. Vgl. Holz/Stallmann/Hock 2012: 89 2. Zwischenfazit Je unsicherer die Lebenssituation von Familien ist, desto größer werden die Belastungen und damit der psychische Druck mit komplexen Folgen. Eltern haben ein aktives Bewältigungshandeln im Umgang mit existenziellen Problemen. Nicht das WOLLEN, sondern das KÖNNEN ist der entscheidende Punkt. Zentral sind die verfügbaren und nutzbaren Ressourcen der Unterstützung / Entlastung in der Familie, im Umfeld, im Zugang zu Angeboten. Eltern formulieren ihre Wünsche und damit den Hilfebedarf Nur werden sie wirklich gefragt und wird ihnen wirklich zugehört? 13
Arbeit mit (armen) Eltern Was bedeutet das für die Praxis? Die 7 großen B s der Arbeit mit sozial benachteiligten Eltern Einbindung in kommunale Strukturen Politische Rahmensetzungen ändern Die 7 B's der Arbeit mit (sozial benachteiligten) Eltern 14
Die 7 B's der Arbeit mit (sozial benachteiligten) Eltern Begegnung Bildung Beratung Begleitung Betreuung mit anderen Menschen und zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zur Kompetenzstärkung der Eltern in allen Erziehung-, Alltags-, Haushaltsfragen zu allen Fragen der Elternschaft und der kindlichen Bedürfnisse als Hilfestellung für die Eltern und zur Stärkung/Förderung des Kindes von sogenannten Risikofamilien und bei Krisen Budget Beteiligung der Eltern berücksichtigen und daran angepasst die Angebote der Einrichtung gestalten der Eltern an allen Aktivitäten der Einrichtung Strukturprinzip kommunaler (Armuts)Prävention: Präventionskette durch Netzwerke Begleitung Begegnung Bildung Eltern Beratung Information Betreuung Schwangerschaftsbegleitung Krippe Kita Grundschule Weiterführende Berufs- (0-3 J.) (3-6 J.) (6-10 J.) Schule (10-.. J.) (aus-)bildung Kind ISS-Frankfurt a.m. 15
3. Zwischenfazit Professionelle Anforderungen auf lokaler Ebene - 1 - Auf die Haltung aller kommt es an: Wertschätzung und Respekt. Abbau von allgemeinen Leitbildern mit der pflegeleichten Musterfamilie im Kopf wird meine Arbeit schwerer. Eltern sind die wichtigsten Partner/innen meiner Arbeit. Väter sind genauso wichtig und verantwortlich wie Mütter. Bedürfnisse aufnehmen und zu Lösungen für die Familien beitragen. Schon Information ist Bildung ABER: Bildung ist kein Allheilmittel. 3. Zwischenfazit Professionelle Anforderungen auf lokaler Ebene - 2 - Qualifizierte Konzepte zur Arbeit mit (sozial benachteiligten) Eltern in jeder Einrichtung erarbeiten. Netzwerkarbeit ist professioneller Standard: -- Vernetztes Arbeiten bedeutet nicht sofort Mehrarbeit, sondern anders arbeiten. Arbeit mit Eltern gibt es nicht zum Nulltarif: -- Politik hat die notwendigen Rahmenbedingungen für eine qualifizierte Arbeit zu schaffen. -- Darauf haben Familien ein Recht, ebenso wie Fachkräfte in den Einrichtungen und Diensten. -- Diese Pflicht ist eine Bringschuld und lässt sich nicht weg reden. 16
Politische Rahmensetzungen ändern, u.a. Ausbau der Rahmensetzungen in Bezug auf Geld (SGB II-Regelsätze, Anrechnung Elterngeld etc.) Zeit (Vereinbarkeit Erziehung / Pflege und Beruf) Infrastruktur (kostenlos/-günstig, bundesweit vergleichbar) Kompetenzen (u.a. bedarfsgerechte Unterstützungsangebote) Fokus auf Väter legen Rechte und Pflichten Ungleichheiten in der Wahrnehmung und Behandlung von Vätern und Müttern abbauen (d.h. rechtlich und gesellschaftlich) Gewährleistung der Unterhaltsleistungen für ihre Kinder Gewährleistung tatsächlicher Betreuung Arbeit mit Eltern kein Anhängsel sondern als eigenes Handlungsfeld ausbauen In der Frühen Förderung, von der KiTa über die Grundschule bis zum Übergang Beruf Ausweitung der Finanzierung Erfolgreiche Konzepte ausweiten Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Viel Spaß bei den weiteren Diskussionen!!! 1 17