ARBEITSBLATT ZUM 1. ABSCHNITT

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Transkript:

ARBEITSBLATT ZUM 1. ABSCHNITT FRIEDENSSICHERUNG UND KRIEGSRECHT I. Übersicht 1. Völkerrechtliche Verhinderung von Gewalt (ius contra bellum) Das rechtliche Verbot von Gewalt Rahmenbedingungen des Gewaltverbots 2. Völkerrechtliche Eingrenzung von Gewalt (ius in bello) Die Beziehungen zwischen den Konfliktparteien, das Recht der bewaffneten Konflikte (Kriegsrecht) Konfliktparteien und Drittstaaten (Neutralitätsrecht) Gemischte sowie nicht-internationale bewaffnete Konflikte II. Materialien 1. Rechtsgrundlagen Vertrag über die Ächtung des Krieges (Briand-Kellogg-Pakt) v. 27.8.1928, RGBl. 1929 II, 97 (= Sart. II, 47; Randelzhofer, 28): Art. I: [ ] dass sie [die Staaten] den Krieg als Mittel für die Lösung internationaler Streitfälle verurteilen und auf ihn als Werkzeug nationaler Politik in ihren gegenseitigen Beziehungen verzichten. Verbunden mit diesem allg. Kriegsverbot ist die Verpflichtung zur friedlichen Streitbeilegung (Art. II) Art. 2 Ziff. 4, Art. 51 UN-Charta v. 26.6.1945: Kriegs- und nun auch: Gewaltverbot, sowie Recht der legitimen (auch kollektiven) Selbstverteidigung bei bewaffneten Angriffen als Ausnahme zum Gewaltverbot als Zentralnormen des heutigen ius contra bellum. Das Gewaltverbot ist zusammen mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten jetzt eine Fundamentalnorm der Völkerrechtsordnung (ius cogens). Kriegs- und Gewaltverbot gelten auch gewohnheitsrechtlich. Eine unter Verletzung des Gewaltverbots herbeigeführte Rechtslage ist völkerrechtlich nichtig und kann auch nicht durch Anerkennung geheilt werden. Dies gilt etwa für den gewaltsamen Gebietserwerb (Art. 5 Abs. 3 der Resolution der UN- Generalversammlung zur Aggressionsdefinition) Moskauer Atomteststoppabkommen v. 5.8.1963 (BGBl. 1964 II, 907 = Sart. II, 59; Randelzhofer, 32) Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen v. 1.7.1968 (Sart. II, 60; Randelzhofer, 33) Verbot der Weitergabe und Annahme von Kernwaffen. Der Vertrag enthält Kontrollmechanismen, die Vorbildfunktion für andere internationale Verifikationsverfahren hatten (etwa Vertrag über konventionelle Abrüstung in Europa, Vertrag über chemische Abrüstung usw.); das zwischen der IAEO, Euratom und den Nichtkernwaffenstaaten Euratoms am 5.4.1973 abgeschlossene Verifikationsabkommen erging in Ausführung von Art. III Abs. 1 und 4 des Nichtverbreitungs-Vertrags. Die 1

Kernwaffenstaaten sind ihrer Abrüstungsverpflichtung aus dem NV- Vertrag bisher allenfalls marginal nachgekommen. Resolution 2625 (XXV) der UN-Generalversammlung v. 24.10.1970 Erklärung über völkerrechtliche Grundsätze für freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Sinne der Charta der Vereinten Nationen (Friendly Relations Declaration): die gewaltsame Unterdrückung des Selbstbestimmungsrechts von Kolonien bzw. von Völkern unter Kolonialherrschaft wird dort indirekt als Verletzung des Gewaltverbots bezeichnet Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie der Vernichtung solcher Waffen v. 10.4.1972 (BGBl. 1983 II, 132), sog. B- Waffen-Übereinkommen (ohne Verifikationsregelung; im Rahmen einer ergänzenden Vereinbarung zum B-Waffen-Vertrag müssten vor allem Vor- Ort-Inspektionen zugelassen werden) Resolution 3314 (XXIX) der UN-Generalversammlung v. 14.12.1974 Aggressionsdefinition (Sart. II, 5): abgesehen von einigen str. Einzelheiten kann diese Definition als authentische Interpretation der Generalversammlung zu Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta weitgehende Rechtsverbindlichkeit beanspruchen (IV. Haager) Abkommen v. 18.10.1907 betr. die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, mit der Haager Landkriegsordnung (HLKO) als Anlage (Sart. II, 46; Randelzhofer, 45) Übereinkommen über das Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindseligen Nutzung umweltverändernder Techniken vom 18.5.1977 (BGBl. 1983 II, 125) Genfer Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege v. 17.6.1925 (= Sart. II, 46; Randelzhofer, 46), sog. Genfer Giftgasprotokoll: Während dieses Protokoll den Einsatz biologischer Waffen verbietet, soll mittels des B-Waffen-Übereinkommens v. 1972 (s.o.) diese Waffenart vollständig beseitigt werden Die vier Genfer Rotkreuzabkommen v. 12.8.1949 (BGBl. 1954 II, 783): 1. zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde 2. zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See 3. über die Behandlung der Kriegsgefangenen (Sart. II, 53) 4. zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten (Sart. II, 54) Zusatzprotokolle I u. II zu den Genfer Rotkreuzabkommen v. 12.8.1949 betr. den Schutz der Opfer in internationalen bewaffneten Konflikten (= Protokoll I) und in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten (= Protokoll II), jeweils v. 8.6.1977 (Sart. II, 54a, b; Randelzhofer, 47, 48); die Zusatzprotokolle, die die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert hat (BGBl. 1990 II 1551 bzw. 1637), behandeln u.a. den Status von Befreiungsbewegungen im Kriegsvölkerrecht; str. war insbesondere die Nuklearfrage (im Hinblick auf die nukleare Komponenten enthaltende damalige Abschreckungsstrategie der Nato [ Atomschlag ]) UN-Übereinkommen über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursa- 2

chen oder unterschiedslos wirken können (UN-Waffenübereinkommen) vom 10.10.1980 (BGBl. 1992 II, 959) Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen v. 13.1.1993, Sart. II, 63) Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen v. 24.9.1996 (BGBl. 1998 II, 1210) Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und deren Vernichtung v. 18.9.1997, Sart. II, 58) 2. Rechtsprechung Deutsch-portugiesischer Naulilaa-Schiedsgerichtsfall von 1928, UNRICA II, 1011, 1026: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als wichtigste Schranke des Selbstverteidigungsrechts IGH, ICJ Rep. 1986, 14 Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA): Gewaltverbot der UN-Charta ist Bestandteil des Gewohnheitsrechts; bewaffneter Angriff i.s.v. Art. 51 UN-Charta setzt Ausübung militärischer Gewalt mit gewisser Intensität voraus; Vorbereitung der Selbstverteidigung durch Rüstung ist keine völkerrechtswidrige Drohung mit Gewalt IGH, ICJ Rep. 1996, 226 Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion: Gutachten zur Frage der Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Nuklearwaffen IGH, ICJ Rep 1996, 803 Oil Platforms (Iran v. USA) (Preliminary Objections): bewaffneter Angriff i.s.v. Art. 51 UN-Charta liegt nur dann vor, wenn militärische Gewalt einer gewissen Intensität gegeben ist (Bestätigung der Nicaragua-Entscheidung) IGH, ICJ Rep 2004, 136 Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territories, Advisory Opinion: Nur staatliche Gewalt lost ein Selbstverteidigungsrecht aus; Verbot des Gebietserwerbs durch Drohung mit oder Anwendung von Gewalt; humanitäres Völkerrecht überlagert sich mit Menschenrechten (parallele Anwendbarkeit; Subsidiarität der Menschenrechte nur, soweit völlige Deckungsgleichheit besteht); Besatzungsmacht ist für das Wohl der Bevölkerung in besetztem Gebiet verantwortlich IGH, ICJ Rep 2005, 168 Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of Congo v. Uganda: Selbstverteidigung nur gegen staatliche Gewalt; bloßes harbouring von Terroristen führt nicht zur Zurechnung privaten Verhaltens III. Grundwissen 1. Die rechtliche Einschränkung von Gewalt erfolgt im Völkerrecht auf zwei Ebenen: Zum einen gibt es Normen, die militärische Gewalt überhaupt verbieten bzw. nur in bestimmten Ausnahmefällen erlauben (ius contra bellum). Zum anderen gibt es Normen, die, wenn bewaffnete Konflikte nicht verhindert werden konnten, diese militärische Gewalt in einem gewissen rechtli- 3

chen Rahmen halten, um noch schlimmere Gewaltausübung zu verhindern (ius in bello). Verletzungen des Gewaltverbots (= 1. Ebene) schlagen nicht durch auf die rechtlichen Regeln zur Hegung der Gewalt (= 2. Ebene). Bei der Anwendung des ius in bello wird der Aggressor nicht diskriminiert, das Angriffsopfer nicht privilegiert. Beide Ebenen sind also rechtlich betrachtet strikt getrennt. 2. Der Kern des Gewaltverbots ist auf militärische Gewalt (einer gewissen Intensität; wann genau die Schwelle zur unzulässigen Gewaltanwendung überschritten wird, ist durchaus problematisch) beschränkt. Einwirkungen auf einen anderen Staat, die nicht als militärische Aktionen zu qualifizieren sind (z.b. Umweltverschmutzungen, Handelsboykott, Absperren von Wasserzufuhr), fallen nicht unter das Gewaltverbot. Auch massiver wirtschaftlicher oder politischer Druck ist keine Androhung von Gewalt. Das Gewaltverbot verlöre seine Konturen, würde es auf die unterschiedlichen Arten der Druckausübung ausgedehnt (die jeweilige Druckausübung kann aber gegen das völkerrechtliche Interventionsverbot, das vom Gewaltverbot zu unterscheiden ist, verstoßen). Außerdem muss es sich nach hm um Gewalt in den internationalen Beziehungen handeln, d.h. zwischen Staaten. Verbotene Gewalt i.s.d. Gewaltverbots ist nur die von einem Staat zu verantwortende, gegen einen anderen Staat gerichtete Gewalt. Private Gewalt ist vom Gewaltverbot ebenfalls nicht erfasst es sei denn, ein Staat hätte sie ausnahmsweise zu verantworten (Zurechnungsfrage). Letzteres ist etwa der Fall, wenn der Staat den Gewalt ausübenden Personen erhebliche Ressourcen zur Verfügung stellt, z.b. in Form von massiven Waffenlieferungen. Ein Staat, der z.b. terroristische Akte aktiv unterstützt, ist für diese Anschläge verantwortlich (ein bloßes harbouring von Terroristen reicht demgegenüber grundsätzlich nicht aus). Bei größeren Anschlägen besteht eine Pflicht jedes Staates, sie zu verhindern, wenn er von ihnen rechtzeitig Kenntnis erlangt. Die Gewalt muss gegen einen anderen Staat gerichtet sein. Dies ist nicht zweifelhaft in den Fällen, in denen fremdes Staatsgebiet verletzt wird, etwa durch Einmarsch. Aktionen gegen Außenpositionen eines Staates sind unterschiedlich zu bewerten: Angriffe auf Kriegsschiffe und militärische Luftfahrzeuge ja (also wie Verletzungen des Staatsgebiets zu qualifizieren), auf diplomatische Vertretungen nein (aber Verletzung der Regeln über den Schutz diplomatischer Missionen). 3. Militärische Gewaltausübung wird in der internationalen Praxis regelmäßig mit der Behauptung legitimiert, es läge eine Ausnahme vom Gewaltverbot, also ein Fall gerechtfertigter Gewalt vor. Darum gehören diese Rechtfertigungsgründe zu den umstrittensten Problemen des Völkerrechts. Es geht vor allem um fünf Kategorien von Rechtfertigungsgründen: um erlaubte Gegengewalt (Selbstverteidigung): Selbstverteidigung kann individuell oder kollektiv erfolgen und muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Angriffs stehen (str. ist im Einzelnen der Fall der Nothilfe). Der reine Vergeltungsschlag, die bloße Strafaktion, ist durch das Selbstverteidigungsrecht nicht gedeckt; diese darf lediglich auf die Beseitigung der Bedrohung gerichtet sein. Erforderlich ist (1) das Vorliegen eines bewaffneten Angriffs (2) seitens eines anderen Staates (hm). Präventive Selbstverteidigung und erst recht sog. pre-emptive strikes sind unzulässig (str.). 4

Zustimmung des betroffenen Staates ( Intervention auf Einladung ), etwa zur Bekämpfung von Aufständischen oder Terroristen (die Intervention im Bürgerkrieg auf Seiten einer Kriegspartei und sei dies auch auf Seiten der bisherigen Regierung wird als unzulässig angesehen) Entscheidung einer Internationalen Organisation (vgl. Art. 39, 42 UN- Charta). Interventionen zum Schutze eigener Staatsangehöriger (Bsp.: Rettungsaktion der Bundeswehr in Albanien 1997): Solche Aktionen werden vielfach unter Berufung auf ein angebliches gewohnheitsrechtliches Selbstverteidigungsrecht gerechtfertigt, das über das Selbstverteidigungsrecht der UN- Charta hinausgehe. Staatsbürger im Ausland sind jedoch keine durch das Gewaltverbot geschützten Außenpositionen des Staates. Der Schutz eigener Staatsangehöriger ist als Rechtfertigungsgrund daher nicht so allgemein akzeptiert, dass man von einer gewohnheitsrechtlichen Einschränkung des Gewaltverbots sprechen könnte (hm). Hinzu tritt das erhebliche Missbrauchspotential (vgl. US-Invasionen in Grenada und Panama). Interventionen zum Schutze eigener Staatsangehöriger sind daher wenn überhaupt nur mit Zustimmung des betreffenden Staates zulässig. Unilaterale humanitäre Interventionen (Bsp.: NATO-Aktion im Kosovo): Die Konstruktion, schwere Menschenrechtsverletzungen einem bewaffneten Angriff gleichzustellen, der ein Recht auf Gegengewalt, d.h. auf Selbstverteidigung auslöst, ist nach hm nicht haltbar. Die andere Möglichkeit, diese Form der Gewaltanwendung als gerechtfertigt anzusehen, besteht darin, einen besonderen gewohnheitsrechtlichen Rechtfertigungsgrund zu konstruieren. Als staatliche Praxis kommen eine Reihe militärischer Aktionen auch nach In-Kraft-Treten der UN-Charta in Betracht, z.b. das indische Eingreifen im damaligen Ostpakistan 1971, das Eingreifen Vietnams in Kambodscha und das Tansanias in Uganda 1979 sowie gewisse Maßnahmen zum Schutz der Kurden im Irak 1991. Allerdings haben die intervenierenden Staaten sich in diesen Situationen nicht auf ein Recht zur humanitären Intervention berufen, sondern andere rechtliche Konstruktionen zur Rechtfertigung angeführt. Es dürfte insofern jedenfalls an einer hinreichend konsistenten Rechtsüberzeugung fehlen, um die humanitäre Intervention als Ausnahme zum völkerrechtlichen Gewaltverbot zu qualifizieren. 4. Der Begriff Krieg im Völkerrecht bezeichnet einen Rechtszustand zwischen Staaten. Die UN-Charta (wie etwa auch Art. 5 NATO-Vertrag) spricht von Gewalt, Drohung mit Gewalt oder von bewaffnetem Angriff. Das Problem privater, nicht staatlicher Gewalt tauchte in der Form subversiver Gewalt schon im Kalten Krieg als Rechtsproblem auf (am Rande dann auch in der Aggressionsdefinition der UN-Generalversammlung). Seither lautet der rechtliche Ansatz: Ist ein Staat in diese private Gewalt involviert? Ist die Ausübung privater Gewalt dem Staat zuzurechnen? Immer dann, wenn dies bei grenzüberschreitender Gewalt der Fall ist, liegt ein bewaffneter Angriff vor, und die zulässige Gegengewalt kann sich auch gegen diesen involvierten Staat richten. Dieser Ansatz ist freilich dann nicht unproblematisch, wenn der Staat, von dem aus Terroranschläge getätigt oder vorbereitet werden, nicht in der Lage ist, dies zu kontrollieren oder gar zu verhindern. Solche Situationen hat es etwa zeitweise im Südlibanon oder im Nordirak gegeben. Die UN-Charta (vgl. Art. 51) gibt den 5

Staaten das Recht, einseitig (unilateral) zu handeln, wenn ein Fall der Selbstverteidigung vorliegt. Aber dieses Recht besteht nur so lange, bis der Sicherheitsrat die notwendigen Maßnahmen ergriffen hat. Die UN-Charta will also erreichen, dass über die Zulässigkeit und Unzulässigkeit von Gewalt und Gegengewalt letztlich die UNO entscheidet. Allerdings verfügt diese nicht selbst über die notwendigen Machtmittel; letztere können nur die Staaten zur Verfügung stellen. 5. Art. 39 UN-Charta erwähnt, im Hinblick auf die Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII UN-Charta, die Alternativsituationen: Bedrohung des Friedens, Bruch des Friedens, Angriffshandlung. Der UN-Sicherheitsrat kann das Vorliegen einer der drei Situationen feststellen. Erst eine solche Feststellung eröffnet den Anwendungsbereich des Kapitels VII. Das Vorliegen eines jeden der drei Tatbestände des Art. 39 kann gleichzeitig eine Verletzung des Gewaltverbots nach Art. 2 Abs. 4 UN-Charta darstellen. Systematische Menschenrechtsverletzungen in einem Staat können eine Friedensbedrohung i.s.v. Art. 39 sein (Bsp. Somalia [1992], Ruanda [1994], Haiti [2004]); Gleiches gilt für Terroranschläge (2001; 2004) und den Besitz von Massenvernichtungswaffen (Pakistan [1998], Irak [1991]). 6. Der traditionelle Bestand des geltenden Kriegsvölkerrechts heute als humanitäres Völkerrecht bezeichnet wurde bis 1977 von dem Haager und dem Genfer Recht gebildet. Ersteres regelt vorwiegend Kampfführung und Einsatz von Kampfmitteln, letzteres in erster Linie den Schutz der Kriegsopfer. Das Haager Recht besteht vor allem aus der Haager Landkriegsordnung (HLKO) von 1907, den Abkommen zur Seekriegsführung von 1907 bzw. 1936, den Regeln zur Luftkriegsführung von 1923 (nicht vertragsrechtlich bindend), dem Giftgasprotokoll von 1925 und dem Kulturgutschutzabkommen von 1954. Das Genfer Recht besteht aus den vier Abkommen von 1949 und den beiden Zusatzprotokollen von 1977. Die Unterscheidung zwischen Genfer und Haager Recht wird heute so nicht mehr aufrechterhalten. Da die früher als Haager Recht bezeichnete Materie die Einsatzmöglichkeiten von Waffen begrenzt, dient auch sie humanitären Zwecken; deshalb nun der übergeordnete Begriff humanitäres Völkerrecht. 7. Das IV. Genfer Abkommen (1949) regelt den Schutz der Zivilbevölkerung nur unvollständig. Es ist im Wesentlichen nur auf die Zivilbevölkerung in besetzten Gebieten anwendbar. Kernstück des Zusatzprotokolls I (1977) ist deshalb das Verbot der unterschiedslosen Kriegführung und das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Für die Beachtung dieser Grundsätze ist es erforderlich, eine klare Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilbevölkerung vorzunehmen sowie Grenzen beim Kampfmitteleinsatz aufzuzeigen. Es müssen Kampfhandlungen unterbleiben, die zu Verlusten unter der Zivilbevölkerung und an zivilen Einrichtungen führen können, zu Verlusten, die im Verhältnis zum angestrebten militärischen Vorteil exzessiv sind. Neben der Neubestätigung alten Völkervertragsrechts und der vertraglichen Festschreibung bestehenden Gewohnheitsrechts nimmt das Zusatzprotokoll I auch Modifizierungen alter Regeln vor und führt neue ein. Zu letzteren gehören insbesondere das Verbot von Repressalien gegen die Zivilbevölkerung und (s. Art. 35 Abs. 3 des I. Zusatzprotokolls) das Verbot der Schädigung der natürlichen Umwelt (von dem enger gefassten Verhältnismäßigkeitsprinzip ganz zu schweigen). Das Repressalienverbot wird durch Art. 51 Abs. 6 Zusatzprotokoll I neu eingeführt. Es 6

erweitert das Verbot gem. Art. 33 Abs. 3 des IV. Genfer Abkommens (nach h.l., die sich u.a. auf die historische Auslegung stützt, gilt es nicht für Nuklearwaffeneinsätze). In engem Zusammenhang mit den Zusatzprotokollen steht das UN-Waffenübereinkommen von 1980. Es besteht neben einem prozeduralen Rahmenübereinkommen aus drei Waffenprotokollen, die die völkerrechtlichen Regelungen für den Einsatz bestimmter Waffen enthalten: das Protokoll über Splitterwaffen, deren Splitter durch Röntgenstrahlen nicht entdeckbar sind, das über Landminen und versteckte Ladungen sowie das über Brandwaffen. Sinn des Übereinkommens ist es, den Einsatz bestimmter Waffen in bewaffneten Konflikten einzuschränken oder zu verhüten. Damit griffen die UN einen Ansatz zur Ächtung bestimmter Waffen wieder auf, der in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erste Ergebnisse darunter das Verbot von Dum-Dum-Geschossen erzielt hatte. 8. Zahlreiche Bestimmungen der vier Genfer Abkommen vom 12.8.1949 und ihrer beiden Zusatzprotokolle von 1977 sind Völkergewohnheitsrecht. Sie gelten also als ein völkerrechtlich allgemein anerkannter Mindeststandard, der gleiche Rechtsverbindlichkeit hat wie Völkervertragsrecht. Verschiedene Bestimmungen sollen sogar zwingenden Charakter als ius cogens haben: die Verpflichtung zum Schutz des Sanitätspersonals, der Sanitätseinrichtungen, der Parlamentäre, des Kulturguts; das Verbot der Perfidie, der Angriffe auf außer Gefecht befindliche Gegner, der Angriffe auf die Zivilbevölkerung und gegen einzelne Zivilpersonen; die Verpflichtung, Zivilpersonen im besetzten Gebiet zu schützen. 9. Kriegsvölkerrecht dient der Humanität. Es gilt in bewaffneten internationalen Konflikten (= Kriegen) wie in nicht-internationalen Konflikten (= Bürgerkriegen, Sezessionskriegen, Vertreibungskriegen [ ethnische Säuberungen ] und Genozide). Es gilt zum Schutz der Zivilbevölkerung eines gegnerischen Staates in und nach einem Konflikt wie zum Schutz der eigenen Bevölkerung. Noch immer ist der normative Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegen im Innern von Staaten (in den nicht-internationalen kriegerischen Konflikten ) geringer als in Kriegen zwischen Staaten. Viele Kriegsparteien wollen oder können ihre Kämpfer nicht disziplinieren. Für die Zustände in diesen Staats-Zerfall-Kriegen auf dem Balkan, im Kaukasus, in Afrika usw. ist bezeichnend, dass nicht nur die Grenzen zwischen Peace Keeping und Peace Making verschwimmen, sondern dass humanitäre Hilfe oft auch gar nicht zu den Opfern durchgelassen wird. Institutionelles Herzstück des Schutzes der Kriegsopfer ist das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), ein Völkerrechtssubjekt sui generis. Verbrechen gegen humanitäres Völkerrecht sind meist Kriegsverbrechen (z.b. die ethnische Säuberung ), und als solche international geächtet. Sie müssen Strafverfolgung gemäß Völkerstrafrecht nach sich ziehen, seitens der einzelnen Staaten wie auch der Völkergemeinschaft als Ganzes. 7