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Transkript:

Prof. Dr. R. A. Müller FS 2016 Arbeitsrecht Bachelor 23.06.2016 Dauer: 90 Minuten Kontrollieren Sie bitte sowohl bei Erhalt als auch bei Abgabe der Prüfung die Anzahl der Aufgabenblätter. Die Prüfung umfasst 3 Seiten (inkl. vorliegende Bemerkungen) und 4 Aufgaben. Jede Aufgabe ist für sich allein zu lösen; gemeinsame Bemerkungen am Anfang oder am Schluss der Prüfung werden nicht bewertet. Sollte sich eine Rechtsfrage infolge Illiquidität des Sachverhalts nicht beantworten lassen, so treffen Sie eine naheliegende Annahme. Für allfällige Skizzen können keine Punkte vergeben werden. Die Antworten sind, sofern sich aus der Fragestellung nichts anderes ergibt (z.b. wenn nur nach einer Bezeichnung gefragt wird), zu begründen und soweit möglich auf zutreffende Gesetzesbestimmungen zu stützen. Für die Nennung von Gesetzesbestimmungen werden nur Punkte vergeben, wenn ein nach Art./Abs./Ziff./lit./Gesetz genaues und korrektes Zitat vorliegt. Zulässig sind folgende zwei Arten von Zitaten (dargestellt anhand der folgenden 3 Beispiele): Art. 319 Abs. 2 OR oder OR 319 II Art. 330b Abs. 1 lit. a OR oder OR 330b I lit. a Art. 335d Ziff. 1 OR oder OR 335d Ziff. 1 Die ungefähre Gewichtung der Aufgaben ist wie folgt: 1: 15%; 2: 30%; 3: 30%; 4: 25%. Nachträgliche Abweichungen bis zu 5% bleiben vorbehalten. Viel Erfolg

Aufgabe 1 a) Durch welches zentrale Merkmal unterscheidet sich der Einzelarbeitsvertrag sowohl vom Auftrag wie auch vom Werkvertrag? b) Nennen Sie je ein Beispiel für eine zulässige und eine unzulässige Frage im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs. Wie kann der Arbeitnehmer auf unzulässige Fragen reagieren? c) Worin besteht der Unterschied zwischen Zeit- und Akkordlohn? d) Was ist unter Truckverbot zu verstehen? e) Was ist eine Gratifikation? In welchen Fällen besteht ein Anspruch auf Gratifikation? f) Was ist Kurzarbeit? Besteht ein Anspruch auf Ausrichtung des vollen Lohns bei Kurzarbeit? Aufgabe 2 A ist Eigentümer einer Bar. A stellt X per 1. Februar 2015 als Barkeeper ein. Per 1. Mai 2015 übergibt A die Bar dem B. X arbeitet weiterhin als Barkeeper. Am 15. März 2016 zieht sich X bei einem Sturz mit dem Fahrrad mittelschwere Verletzungen zu und ist in der Folge bis zum 30. April 2016 voll arbeitsunfähig. B, der schon lange nicht mehr mit der Leistung von X zufrieden ist, stellt diesem am 22. April 2016 per E-Mail eine Kündigung zu. a) Wann gilt die Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer als ausgesprochen? b) Gilt die Kündigung? c) B möchte X noch eine letzte Chance geben und zieht die am 22. April 2016 ausgesprochene Kündigung (von welcher er selbst nicht genau weiss, ob sie zulässig ist oder nicht) zurück. Nachdem die Leistung von X auch in der Folge nicht den Erwartungen von B entspricht, kündigt dieser das Arbeitsverhältnis am 15. Juni 2016 fristgemäss auf den 31. Juli 2016. Vom 13. bis 23. Juli ist X erneut krankheitshalber arbeitsunfähig. Wann endet das Arbeitsverhältnis? 2

Aufgabe 3 Das Unternehmen A stellt im Rahmen ihrer Haupttätigkeit Autos der Luxusklasse her. Daneben führt es eine organisatorisch getrennte Werkstatt, in welcher Service und Reparatur der entsprechenden Marke durchgeführt werden. Das Unternehmen A beschäftigt insgesamt 280 Mitarbeiter, davon widmen sich 250 der Haupttätigkeit des Unternehmens (Herstellung von Autos) und 30 arbeiten in der Werkstatt. Von den 30 Werkstatt-Mitarbeitern sind 15 Vollzeitangestellte, 10 Teilzeitbeschäftigte und 5 Aushilfskräfte. Aufgrund einer Restrukturierung des Unternehmens wird insgesamt 50 Mitarbeitern ordentlich gekündigt. Es werden 32 Arbeitnehmer entlassen, welche bei der Produktion der Autos beschäftigt waren und 18 Arbeitnehmer, welche in der Werkstatt arbeiteten. a) Welches Thema wird hier angesprochen? Um was für eine Art Entlassung handelt es sich bei den betroffenen Arbeitnehmern? b) Ändert sich etwas, wenn den betroffenen Arbeitnehmern nicht ordentlich, sondern: i. ausserordentlich gekündigt wird; ii. wenn den Arbeitnehmern aufgrund nicht zufriedenstellender Leistungen gekündigt wird; oder iii. wenn die Arbeitsverhältnisse aufgrund einer Konkurseröffnung beendet werden? c) Welche Mitwirkungsrechte kommen der Arbeitnehmerschaft in dieser Thematik zu? d) Was ist die Funktion eines Sozialplans? Aufgabe 4 Arbeitgeber A schliesst mit mehreren Gewerkschaften am 1. Februar 2016 einen auf fünf Jahre befristeten GAV. Die Arbeitnehmer X und Z sind bei A angestellt. X ist der Gewerkschaft G, welche Vertragspartei des GAV ist, per 1. Januar 2015 beigetreten; Z wollte der Gewerkschaft G nicht beitreten. a) Für wen gilt der GAV? b) Welche Voraussetzungen muss eine Gewerkschaft erfüllen, um Partei eines GAV zu sein? c) Wie würde man eine Gewerkschaft bezeichnen, die ausschliesslich aus Arbeitnehmern des Betriebs von A besteht? Wäre eine solche Gewerkschaft tariffähig? d) Unter welchen Voraussetzungen gilt der GAV für Z? *** 3

Prof. Dr. R. A. Müller FS 2016 Arbeitsrecht Bachelor Lösungsschema 23.06.2016 Vorbemerkungen Damit die Kandidatinnen und Kandidaten die Chance erhalten, Wissenslücken zu kompensieren, wurden viele unterschiedliche Fragen gestellt und entsprechend viele Punkte offeriert, so dass man auch mit erheblich weniger als der maximalen Punktezahl noch ein gutes Ergebnis erzielen konnte. Aufgabe 1 a) Eingliederung in fremde Arbeitsorganisation (Unterordnungsverhältnis bzw. Weisungsgebundenheit) 2 b) Zulässige Fragen: Fragen zur Ausbildung, bisheriger Berufstätigkeit, bestehenden Krankheiten (soweit sie die Arbeitsleistung zeitlich oder sachlich beeinträchtigen) etc. Unzulässige Fragen: Fragen die in keinem Zusammenhang zur Tätigkeit stehen zu zukünftigen militärischen Dienstleistungen oder zur privaten Lebensgestaltung (Bei Tendenzträgern können sich Ausnahmen ergeben) zu geplanten oder bestehenden Schwangerschaften (Ausnahmen können sich ergeben, wenn die Tätigkeit durch den Umstand der Schwangerschaft verunmöglicht wird oder wenn durch die Tätigkeit eine Gefahr für die Schwangere oder das Kind besteht), etc. AN kann bei unzulässigen Fragen Antwort verweigern. Nach h.l. kann er auch lügen. 4 c) Zeitlohn ist leistungsunabhängiger Lohn, der nach Zeitabschnitten bemessen wird. Akkordlohn ist Leistungslohn, der nicht nach der aufgewendeten Zeit, sondern nach der geleisteten Arbeit bemessen wird; OR 319 I. 2 d) Verbot/Nichtigkeit von Abreden über die Lohnverwendung im Interesse des Arbeitgebers; OR 323b III. 2 e) Gratifikation ist eine Sondervergütung, die der AG neben dem Grundlohn bei bestimmten Anlässen ausrichtet. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt eine Gratifikation nur vor, wenn ihre Ausrichtung überhaupt echte Gratifikation oder zumindest die Bestimmung der Höhe in das Ermessen des AG gestellt ist unechte Gratifikation (BGE 129 III 178). Hat der AN einen bestimmten, vorbehaltlos zugesicherten Anspruch, so liegt keine Gratifikation, sondern ein Lohnbestandteil vor. Ein Anspruch auf Gratifikation besteht, wenn es so verabredet ist (OR 322d I); Lehre und Rechtsprechung nehmen darüber hinaus an, dass nach dreimaliger, ununterbrochener und vorbehaltloser Ausrichtung einer Gratifikation ein Anspruch auf entsprechende zukünftige Gratifikationsleistungen entsteht (BGE 129 III 278; Portmann/Stöckli Rz. 296). 5 f) Bei Kurzarbeit wird die gewöhnliche Arbeitszeit vorübergehend reduziert, weil wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Betriebsstörungen auftreten. Sie erreicht ihren Zweck (Existenzsicherung des Unternehmens und Erhalt der Arbeitsplätze) i.d.r. nur, wenn sie mit Lohnkürzungen verbunden sind. Stimmen die AN der Lohnkürzung zu, haben sie keinen Anspruch auf vollen Lohn (zu beachten ist aber, dass die ursprünglichen Lohnforderungen wieder aufleben, wenn die AN einer Lohnkürzung im Hinblick auf die Sicherung ihrer Arbeitsplätze zuge- 1

stimmt haben, dieses Ziel aber nicht erreicht wird). Stimmt der AN der Lohnkürzung nicht zu, liegt ein Fall des Annahmeverzugs nach OR 324 vor. Der AN hat in diesem Fall Anspruch auf vollen Lohn, wobei er sich anrechnen lassen muss, was er wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat; OR 324 II. 5 (Total: 20 Punkte) 2

Aufgabe 2 a) Sobald sie in den Machtbereich des AN gelangt. I.C. mit Zustellung des E- Mails, weil man stets Zugriff auf die Inbox hat. (Kündigung = empfangsbedürftige Willenserklärung). 2 b) Kündigung zur Unzeit (Kündigung während Krankheit / Unfall nach OR 336c I lit. b. Voraussetzungen: Ablauf der Probezeit gegeben, die Probezeit darf höchstens 3 Monate betragen; OR 335b II. AN muss ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder Unfall an der Arbeitsleistung verhindert sein. Nach Lehre und Rechtsprechung ist Verschulden auf Vorsatz und Grobfahrlässigkeit zu beschränken. Verkehrs- und Sportunfälle gelten als unverschuldet, sofern keine groben Regelverstösse begangen werden. Dem Sachverhalt sind keine groben Regelverstösse zu entnehmen. X ist unverschuldet arbeitsunfähig. 6 - Kündigung während einer Sperrfrist: Sperrfrist beträgt bei Krankheit oder Unfall nach OR 336c I lit. b im ersten Dienstjahr 30 Tage, ab zweitem bis und mit fünftem Dienstjahr 90 Tage und ab sechstem Dienstjahr 180 Tage. X wurde am 1. Februar 2015 von A eingestellt. Am 1. Mai 2015 übergibt A die Bar jedoch dem B. Zu prüfen ist, ob eine Betriebsübernahme i.s.v. OR 333 vorliegt mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis nahtlos mit allen Rechten und Pflichten auf den Er-werber übergeht (anstelle einer Neubegründung des Arbeitsverhältnisses). Voraussetzungen der Betriebsübernahme; OR 333 I: Vorliegen eines Betriebs gegeben (Bar ist ein Betrieb); Übertragung gegeben (A überträgt die Bar dem B); keine Ablehnung des Übergangs durch AN gegeben (keine Anhaltspunkte für Ablehnung); Identität des Betriebs muss gewahrt bleiben, d.h. dessen Zweck, Organisation und individueller Charakter müssen bleiben oder der Er-werber muss gleiche/gleichartige Geschäftstätigkeit weiterführen gegeben (Betrieb wird gemäss Sachverhalt identisch weitergeführt). Es liegt somit eine Betriebsübernahme i.s.v. OR 333 I vor, mit der Rechtsfolge, dass keine Neubegründung des Arbeitsverhältnisses per 1. Mai 2015, sondern eine nahtlose Weiterführung des am 1. Februar 2015 begründeten Arbeitsverhältnisses vorliegt. X ist demnach im zweiten Dienstjahr; die Sperrfrist beträgt maximal 90 Tage; die Kündigung am 22. April fällt in eine Sperrfrist. Die Kündigung am 22. April 2016 ist nichtig; OR 336c II Hs. 1. c) Ablauf der Probezeit gegeben (vgl. 2.b) Auch hier ist von einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit auszugehen (dem Sachverhalt lassen sich keine Anhaltspunkte für Vorsatz oder Grobfahrlässigkeit entnehmen). 2 Die Kündigung ist in diesem Fall vor Beginn einer Sperrfrist erfolgt; sie ist deshalb nicht nichtig. Unverschuldete Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vor Ablauf der Kündigungsfrist führt zu einer Sperrfrist, durch welche der Ablauf der Kündigungsfrist unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt wird; OR 336c II Hs. 2. Beginn der Sperrfrist am 13. Juni, Ablauf der Kündigungsfrist später; beim zeit- 3 16

lichen Kündigungsschutz gilt die Rückrechnung der Kündigungsfrist, die (rückgerechnete) Kündigungsfrist läuft hier vom 1. Juli bis 31. Juli (31 Tage); es wird die ganze Krankheitsdauer [ganze Sperrfrist] berücksichtigt, da sie vorliegend weniger als 90 Tage beträgt, die Sperrfrist läuft hier vom 13. Juli bis 23. Juli (11 Tage); die Kündigungsfrist läuft nicht, solange sie sich mit der Sperrfrist überschneidet [= der Ablauf der Kündigungsfrist wird unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt], der Stillstand [die Unterbrechung] dauert hier also vom 13. Juli bis 23. Juli (11 Tage); die (verlängerte) Kündigungsfrist endet somit am 11. August. OR 336c III, Geltung eines Endtermins, hier ist mangels anderer Angabe das Ende eines Monats als Termin anzunehmen, OR 335c I, das Arbeitsverhältnis endet somit am 31. August. (Total 40 Punkte) 14 4

Aufgabe 3 a) Es könnte sich um das Thema der Massenentlassung (OR 335d ff.) handeln. Die Voraussetzungen für eine Massenentlassung sind: 2 - Kündigungen durch den Arbeitgeber - Kündigungen innerhalb desselben Betriebs: Ein Betrieb ist eine auf Dauer ausgerichtete, in sich geschlossene organisatorische Leistungseinheit, die selbständig am Wirtschaftsleben teilnimmt (BGE 129 III 336). Gehören mehrere Betrieb zum gleichen Unternehmen, bestimmt sich für jeden Betrieb gesondert, ob eine Massenentlassung vorliegt (BGE 137 III 27). Die Werkstatt ist als eigenständiger Betrieb zu qualifizieren. Die Prüfung der Voraussetzungen der Massenentlassung hat daher für die Autoproduktion und die Werkstatt eigenständig zu erfolgen. - Mindestzahl entlassener Arbeitnehmer: Autoproduktion: In Betrieben, welche mindestens 100 und weniger als 300 AN beschäftigen müssen mind. 10 % entlassen werden; OR 335d Ziff. 2. Bei der Autoproduktion sind 250 AN beschäftigt, 32 werden entlassen d.h. mehr als 10 %. Werkstatt: Bei der Ermittlung der Anzahl beschäftigter AN sind auch Teilzeitbeschäftigte einzubeziehen. Aushilfskräfte sind nur bei der Mindestzahl entlassener N zu berücksichtigen, nicht hingegen bei der Zahl der im Betrieb beschäftigten. Betriebe, die weniger als 21 AN beschäftigen unterstehen den Regeln betreffend Massenentlassungen nicht (BGE 137 III 27). Für die Zwecke der Anwendbarkeit der Bestimmungen über die Massenentlassung sind in der Werkstatt 25 AN beschäftigt (15 Vollzeitangestellte und 10 Teilzeitangestellte). In Betrieben, die mehr als 20 und weniger als 100 AN beschäftigen müssen mind. 10 AN entlassen werden; OR 335d Ziff. 1. Es werden 18 AN entlassen (dabei spielt es keine Rolle, ob es sich dabei um Vollzeitangestellte, Teilzeitangestellte oder Aushilfskräfte handelt). - Nicht personenbezogene Kündigungsgründe: Es zählen nur Kündigungen, die der AG aus Gründen ausspricht, die in keinem Zusammenhang mit der Person des AN stehen. Gem. Sachverhalt werden die Kündigungen aufgrund einer Restrukturierung des Unternehmens ausgesprochen. 2 - Zeitraum von 30 Tagen: Dem Sachverhalt lässt sich nicht entnehmen, ob die Kündigungen allesamt innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen ausgesprochen wurden. 2 b) Ausserordentliche Kündigung ändert nichts, solange der Kündigungsgrund nicht in der Person des Arbeitnehmers liegt. Bei schlechten Leistungen: Als Massenentlassungen gelten nur Kündigungen, die in keinem Zusammenhang mit der Person des Arbeitnehmers stehen. Bei Massenentlassungen im Konkurs gelten die Bestimmungen über die Massenentlassung nicht; OR 335e II. Es fehlt an einer Kündigung seitens des Arbeitgebers; OR 335c II. 6 c) Informationsanspruch in Bezug auf die Gründe der Massenentlassung, die Zahl der Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer und den Zeitraum, in dem die Kündigungen aus- 5 6 12

gesprochen werden sollen (OR 335f III) Auskunftsanspruch in Bezug auf alle zweckdienlichen Auskünfte (OR 335f III). Konsultationsanspruch: Beabsichtigt der Arbeitgeber, eine Massenentlassung vorzunehmen, so hat er die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer zu konsultieren (OR 335f I). Er gibt ihnen zumindest die Möglichkeit, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen vermieden oder deren Zahl beschränkt sowie ihre Folgen gemildert werden können (OR 335f II). 4 d) Der Sozialplan ist eine Vereinbarung, in welcher der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer die Massnahmen festlegen, mit denen Kündigungen vermieden, deren Zahl beschränkt sowie deren Folgen gemildert werden. (OR 335h I) Mit einem Sozialplan wird bezweckt, wirtschaftlich bedingte Entlassungen mit Massnahmen sozialer Natur zu begleiten, die etwa in Abgangsentschädigungen, vorzeitigen Pensionierungen, Beiträgen an Umschulungs- oder Umzugskosten, Wiedereingliederung in das Unternehmen, besonderen Kündigungsfristen oder in der Beratung bei der Stellensuche bestehen können (BGE 133 III 215). (Total 40 Punkte) 6 6

Aufgabe 4 a) Der GAV gilt für an ihm beteiligte AG und AN (=Mitglieder der jeweiligen Verbände),OR 357 I. Die Anwendbarkeit eines GAV auf einen AN setzt eine Mitgliedschaft bei einem vertragsschliessenden Verband voraus. Im schweizerischen Recht fehlt eine betriebliche Fernwirkung. Der GAV gilt demnach nicht für Z. 4 b) Die Voraussetzungen der Tariffähigkeit sind: - Rechtsfähigkeit: Ein Verband ist nur tariffähig, wenn er als juristische Person konstituiert ist. Ad-hoc-Koalitionen von Arbeitnehmern oder die Arbeitnehmervertretung eines Betriebs sind also nicht tariffähig. - Gegnerunabhängigkeit: Der Verband muss personell, finanziell, organisatorisch und ideell von der Gegenseite unabhängig sein. - Unabhängigkeit von Dritten: Der Verband muss, um tariffähig zu sein, vom Staat, von Parteien, der Kirche und sonstigen Dritten unabhängig sein, da nur ihm die Rechtsmacht zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen eingeräumt worden ist. Das bedeutet zum einen, dass er gegenüber solchen Gebilden keiner Weisungsgebundenheit unterliegen darf. Die Unabhängigkeit vom Staat bedeutet zum anderen, dass der Verband privatrechtlich organisiert sein muss. Dementsprechend bilden die meisten Arbeitsverbände Vereine. - Freiwilligkeit der Vereinbarung: Zwangsverbände oder Verbände mit Zwangsmitgliedschaften können nicht tariffähig sein, da andernfalls die Koalitionsfreiheit verletzt würde. - Gestaltung von Arbeitsbedingungen: Ein Verband ist nur tariffähig, wenn es - allenfalls neben anderen - auch zu seinen Zielen gehört, die Arbeitsbedingungen zu gestalten. 10 c) Hausverband Hausverbände sind nach h.l. zulässig. Sie müssen aber aufgrund eines genügenden Organisationsgrads und zahlenmässiger Mitgliedschaft wirtschaftlich unabhängig sein, den Rückhalt eines Dachverbands geniessen oder aus einem Berufszweig kommen, wo nur ein Arbeitgeber vorhanden ist. 6 d) Die Möglichkeiten wären: - Beitritt zur Gewerkschaft G - Anschluss i.s.v. OR 356b: Vertrag zwischen den GAV-Parteien und dem einzelnen AN. GAV-Parteien dürfen den Antrag auf Abschluss nur ablehnen, wenn sie ein schätzens-würdiges Interesse haben (hier nicht ersichtlich). Der Angeschlossene ist Beteiligter i.s.v. OR 357 I. Die normativen Bestimmen des GAV (Bestimmungen in Bezug auf die Arbeits-verhältnisse) gelten für die Angeschlossenen; indirekt-schuldrechtliche Bestimmungen gelten für Angeschlossene nur, soweit sie sich zu deren Einhaltung verpflichtet haben (Ausnahme: Friedenspflicht). - Verweis im Einzelarbeitsvertrag auf GAV: Übernahme nur von normativen Bestimmun-gen - Allgemeinverbindlicherklärung des GAV - [Durch Gesetz (Wenn das Gesetz auf die üblichen Arbeitsbedingungen verweist, z.b. OR 322 I, 347a II etc.)] - [gesamtarbeitsvertragliche Ausdehnungspflicht/statutarische Ausdehnungspflicht] 10 (Total 30 Punkte) *** 7