15. Mai 2014 Volkswirtschaftliche Analyse eines rechtzeitigen Erkennens von Burnout o. Univ. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Friedrich Schneider, Institut für Volkswirtschaftslehre, Vorstand des Forschungsinstituts für Bankwesen, Johannes Kepler Universität Linz, Altenbergerstraße 69, 4040 Linz, Tel.: +43/732/2468-8210, Fax: +43/732/2468-8209, E-mail: friedrich.schneider@jku.at Dr. Elisabeth Dreer, MSc Forschungsinstitut für Bankwesen, Johannes Kepler Universität Linz, Altenbergerstraße 69, 4040 Linz, Tel.: +43/732/2468-3296, E-mail: elisabeth.dreer@jku.at 1 von 20
Inhalt 1. Einleitung 2. Was ist Burnout? 3. Kosten von Burnout nach dem zeitpunkt 3.1 Einige Fakten 3.2 Ermittlung der Kosten 3.3 Beispiel: Kosten für 500.000 Burnout-Fälle 4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 2 von 20
1. Einleitung 1) Ziel des Vortrages ist die Berechnung der volkswirtschaftlichen Kosten, die durch die Behandlung von Burnout anfallen. 2) Anhand von drei Verlaufsszenarien von Burnout soll gezeigt werden, wie stark die Gesamtkosten pro Fall vom zeitpunkt abhängen, wie sich dies auf die Kosten für die Volkswirtschaft auswirkt und welche finanziellen Auswirkungen der - und Behandlungszeitpunkt auf Klein- Mittel- und Großbetriebe hat. 3 von 20
2. Was ist Burnout? 2.1 International (WHO) Weltgesundheitsorganisation Das Burnout-Syndrom - wird wissenschaftlich nicht als Krankheit gesehen - wird nur als Zusatz, aber nicht als Hauptdiagnose mit dem schlüssel Z73.0 erfasst: - Z73: Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung - Z73.0: Ausgebranntsein, Zustand der totalen Erschöpfung, Burnout F00-F99: u.a.: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Intelligenzminderung, Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend 4 von 20
2. Was ist Burnout? 2.2 Österreich Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger: Statistische Erfassung einer Krankmeldung: Zuordnung zu einer Krankheitsgruppe. Je nach Hauptdiagnose können sich auch unterschiedliche Zuordnungen von Burnout-PatientInnen zu verschiedenen Krankheitsgruppen ergeben. (z.b. Allergien, Magenschmerzen, Kreislaufprobleme usw. als Folge von psychischen Belastungen) Es kann somit keine offizielle Zahl an Burnout- Betroffenen aus den Statistiken abgeleitet werden. 5 von 20
2. Was ist Burnout? 2.3 Begriffsdefinition (1) 1970er entstand der Begriff "Burn Out Syndrom" und beschreibt damals wie heute den Zustand der emotionalen Erschöpfung. (2) Der Patient ist sowohl körperlich, wie auch emotional und geistig vollkommen erschöpft, das Leistungsvermögen ist deutlich reduziert. (3) instrument für Burnout: Maslach Burnout Inventory (MBI), Arbeitsbezogene Verhaltens- und ErlebensMuster (AVEM) 6 von 20
3. Kosten von Burnout nach zeitpunkt 3.1 Einige Fakten Abbildung 3.1: Arbeitsausfälle pro 1.000 Erwerbstätigen aufgrund von psychischen Störungen und Verhaltensstörungen, absolut und Index + 65% Quelle: Statistik Austria, HV, eigene Darstellung 7 von 20
3. Kosten von Burnout nach zeitpunkt 3.1 Einige Fakten Abbildung 3.2: Stand der Invaliditätspensionen nach Krankheitsgruppen Ein Drittel aller Invaliditätspensionen ist 2012 auf die Krankheitsgruppe psychiatrische Krankheiten zurückzuführen 2008 waren es 19,2%. 40,00% 35,00% 30,00% 25,00% 20,00% 15,00% 10,00% 5,00% 0,00% 13,90% 10,30% Herz- und Arterienerkrankungen 19,20% 34,40% Psychiatrische Krankheiten 34,60% Krankheiten des Skeletts, der Muskeln u. des Bindegewebes 32,30% 27,90% 27,40% Sonstige Ursachen Dez. 2008 Dez. 2012 Quelle: Statistisches Handbuch der Sozialversicherung 2009 und 2013, jeweils Kapitel 3, Seite 4. 8 von 20
3. Kosten von Burnout nach zeitpunkt 3.2 Ermittlung der Kosten Die Kosten von Burnout sind aus den bisherigen Erhebungen nicht direkt ableitbar! Aus diesem Grund verfolgt die vorliegende Studie einen anderen Weg: Auf Basis des Zeitpunkts der werden "klassische" Verlaufsszenarien entwickelt. 9 von 20
3. Kosten von Burnout nach zeitpunkt 3.2 Ermittlung der Kosten Abbildung 3.3: Klassische Verlaufsszenarien Früherkennung Zeitverzögerte Späte In Anlehnung an das Modell der Präventionsphasen. In: Molnar M.: Psychische Belastungen: Evaluierung Vorbeugung Arbeitsgestaltung In: Ausbildung zur Sicherheitsfachkraft. 5. Auflage. Bohmann-Verlag, 2010 1. Primärprävention Krankheitsvermeidung 2. Sekundärprävention Krankheitsfrüherkennung 3. Krisenintervention Späte 4. Tertiärprävention Verminderung von Verschlechterung, 10 von 20 Rückfall
3. Kosten von Burnout nach zeitpunkt 3.2 Ermittlung der Kosten 3.2.1 Früherkennung Tabelle 3.1: Kosten von Burnout bei Früherkennung Stadium Ausprägung der Belastung Therapie/Behandlung Direkte Kosten ca. Krankenstand p.a direkt auf Basis der ca. Krankenstand (Jahr 1) indirekt (Annahme) Früherkennung niedrig 10 h Psychotherapie 10 h Therapie 0 Tage 5 Tage Leistungsreduktion (1 J. nach ): 5% Wiederholungswahrscheinlichkeit der (innerhalb von 3 J.): 5%, Frühpensionierungswahrscheinlichkeit (innerhalb von 3 J.): 0% 11 von 20
3. Kosten von Burnout nach zeitpunkt 3.2 Ermittlung der Kosten 3.2.2 Zeitverzögerte Tabelle 3.2: Kosten von Burnout bei zeitverzögerter Stadium Ausprägung der Belastung Therapie/Behandlung Direkte Kosten ca. Krankenstand p.a direkt auf Basis der ca. Krankenstand (Jahr 1) indirekt (Annahme) 2 Jahre Psychotherapie, 1h wöchentlich 100 h Therapie Zeitversetzte Medikamente über Kosten mittel 2 Jahre Medikamente 5 Tage 10 Tage Begl. Besuch Hausarzt, pro Monat, 1x, 2 J Arztkosten Begleitender Besuch Facharzt, 3x p.a, Arztkosten 2 Jahre 12 von 20
3. Kosten von Burnout nach zeitpunkt 3.2 Ermittlung der Kosten 3.2.3 Späte Tabelle 3.3: Kosten von Burnout bei später Stadium Ausprägung der Belastung Therapie/Behandlung Spitalaufenthalt inkl. Medikamente 4 Wochen Rehabilitation ca. 4 Wochen Arbeitsausfall ca. 8 Monate Medikamente über 3 Jahre Begleitender Besuch Hausarzt, monatlich 1x, 3 J. Begleitender Besuch Facharzt, 3x p.a., 3 J. Direkte Kosten Spital Kosten Reha Kosten ca. Krankenstand p.a direkt auf Basis der Krankenstand- Kosten Späte hoch Kosten Medikamente 10 Monate Kosten Re-Integration am Arbeitsplatz Arztkosten Arztkosten ca. 6 Monate nach Wiedereintritt 50% Leistungsminderung ca. Krankenstand (Jahr 1) indirekt (Annahme) 13 von 20
3. Kosten von Burnout nach zeitpunkt 3.2 Ermittlung der Kosten 3.2.4 Kostensätze (Minimum/Maximum) (1) Psychotherapie: : 75-100 Euro pro Stunde; Die Honorare für Psychotherapie bewegen sich in der Regel zwischen 70 und 150 Euro für eine Einzelsitzung von 50 Minuten: Quelle: PSY Online.at: http://www.psyonline.at/contents/7437/ueberblick-kosten-derpsychotherapie. (2) Medikamente: 140 160 Euro p.a.; Laut Durchschnittskosten pro Psychopharmakaverordnung im Jahr 2009 für Männer und Frauen; Quelle: WIFO, DU Krems, 2012: Psychische Belastungen der Arbeit und ihre Folgen, S. 131. (3) Therapie-begleitende Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte: Hausarzt/Facharzt 60 90 Euro und 150-200 Euro pro Besuch; Spitalsaufenthalt 320 400 Euro pro Tag; Reha 170 200 Euro pro Tag; Quelle: Pro mente und qual. Schätzungen (4) Krankenstand: (A) Minimum-Variante: Kosten für den Produktionsausfall - Personalkosten pro Beschäftigten (B) Maximum-Variante Verlust an Wertschöpfung - durchschnittliche Bruttowertschöpfung (zu Faktorkosten) pro Beschäftigten. 14 von 20
3. Kosten von Burnout nach zeitpunkt 3.2 Ermittlung der Kosten 3.2.5 Kosten pro Person Abb. 3.4: Minimum-Kosten pro Person und Maximum Kosten pro Person Späte 93.800 Euro Späte 130.700 Euro Früherkennung 1.500 Euro Zeitverz. 12.400 Euro Früherkennung 2.300 Euro Zeitverz. 17.700 Euro 15 von 20
3. Kosten von Burnout nach zeitpunkt 3.2 Ermittlung der Kosten 3.2.6 Krankenstandkosten pro Betrieb Abb. 3.5: Krankenstandkosten pro Betrieb (Minimum/Maximum) Szenario 1: 80% Früherkennung, 15% zeitverzögerte, 5% späte ; Szenario 2: 60% Früherkennung, 30% zeitverzögerte und 10% späte Je früher der zeitpunkt, desto geringer ist der volkswirtschaftliche Schaden für die Wirtschaft 16 von 20
3. Kosten von Burnout nach zeitpunkt 3.3 Beispiel: Kosten für 500.000 Burnout-Fälle Tabelle 3.4: Hochrechnung auf 500.000 Fälle für die Behandlungsdauer Schätzung der volkswirtschaftlichen Kosten durch Burnout GESAMT SZENARIO 1 HOCHRECHNUNG auf 500.000 Burnout-Fälle 80% Früherkennung / 15% zeitverzögerte / 5% späte in Mio. Euro SZENARIO 2 HOCHRECHNUNG auf 500.000 Burnout-Fälle 60% Früherkennung / 30% zeitverzögerte / 10% späte Minimum Maximum Minimum Maximum Therapiekosten 2.335,3 2.950,0 4.295,6 5.400,0 Weitere Folgekosten (Medikamente, Haus- und Facharztbesuche) 294,8 414,0 589,5 828,0 Folgekosten durch Krankenstand 1.256,0 2.160,0 2.125,5 3.655,4 Gesamtkosten 3.886,0 5.524,0 7.010,6 9.883,4 7 Mrd. Euro Gesamtkosten, wenn 40% der Fälle verzögert oder spät behandelt werden. 17 von 20
4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 4.1 Zusammenfassung (1) Burnout verursacht bei Früherkennung Kosten von 1.500-2.300 EUR je Fall. Bei später Erkennung entstehen Kosten von bis zu ca. 130.000 EUR je Fall. (2) Einzelbetrieblich entsteht so ein Schaden von bis zu 650.000 EUR je Betrieb, wenn der zeitpunkt für Burnout später ist (z.b. Großbetrieb: 1,6% - 2,7% der durchschnittlichen Personalkosten). (3) Psychische Belastungen sind zweithäufigste Ursache für Frühpensionierungen. (4) Österreich und Italien sind das Schlusslicht der Vergleichsländer im Maßnahmen- Ranking bei psychischen Erkrankungen (OECD Mental Health Index). (5) Das Angebot zur Prävention und Früherkennung psychischer Belastungen ist in Österreich extrem zersplittert. (6) Ein starkes Maßnahmenprogramm für die Wirtschaft, um das Stress Problem besser zu lösen, ist dringend erforderlich. 18 von 20
4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 4.2 Schlussfolgerungen (1) Volkswirtschaftlicher Schaden durch psychische Erkrankungen wird mit 7 Milliarden EUR in Ö p.a. beziffert. (2) 117 Milliarden an Kosten durch psychische Erkrankungen p.a. in der EU. (3) Die Kosten werden in den nächsten Jahren signifikant steigen. (4) Ohne präventive Maßnahmen und Früherkennung des Problems direkt am Arbeitsplatz explodieren die Kosten für Unternehmen und die Volkswirtschaft. (5) Ein starkes Maßnahmenprogramm für die Wirtschaft, um das Stress-Problem besser zu lösen, ist dringend erforderlich. 19 von 20
VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! 20 von 20