Metaphysik und die gegenwärtige Metaphysik. Quine über Existenz (Woche 14: )

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Transkript:

TU Dortmund, Wintersemester 2010/11 Institut für Philosophie und Politikwissenschaft C. Beisbart Aristoteles Metaphysik und die gegenwärtige Metaphysik 1. Einführung Quine über Existenz (Woche 14: 24.-25.1.2011) Willard Van Orman Quine (1908 2000) gehört zu den bedeutesten Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts. In seinem Aufsatz On what there is (Quine 1948) behandelt er die Frage, was es gibt. Diese Frage gilt manchmal als konstitutiv für die Ontologie (wörtlich etwa: Lehre vom Seienden). Quine beantwortet die Frage, was es gibt, auf eine Weise, die nicht selbstverständlich ist. Er untersucht zunächst, auf welche ontologischen Annahmen wir uns festlegen (d.h. was wir als seiend voraussetzen), wenn wir bestimmte Sätze für wahr halten. Die Frage der Ontologie stellt sich für Quine also zunächst relativ zu einer Sprache oder einer Theorie: F Was gibt es relativ zu einem Satzsytem? Erst ganz zum Schluss thematisiert Quine eine Zurücknahme der Sprache-Relativität. Hinsichtlich von F untersucht Quine vor allem Sätze, die die Nicht-Existenz von etwas behaupten, und Sätze, die ein Prädikat auf etwas anwenden. In beiden Fällen setzt sich Quine für ein Verständnis der Sätze ein, das ontologisch sehr sparsam ist. Insbesondere ist Quine der Meinung, dass Sätze wie Pegasus gibt es nicht uns nicht darauf festlegen, dass Pegasus in irgendeiner Art und Weise existiert. Außerdem ist Quine der Meinung, dass uns Sätze wie Platon ist mutig nicht auf eine Entität Mut festlegt. Im folgenden wird Quines Aufsatz im Detail referiert. 2. Die Rede vom Nicht-Seienden 1. eine typische Kontroverse in der Ontologie: Ein Philosoph (McX) behauptet, es gebe etwas, dessen Existenz ein anderer (Quine) leugnet. 2. Problem: Wie beschreibt man die gegensätzlichen Ansichten aus der Perspektive von Quine? Quine kann nicht sagen: Es gibt etwas, dessen Existenz McX behauptet, während ich sie leugne. Denn damit scheint er implizit zu sagen, dass es das, dessen Existenz er leugnet, doch gibt. 3. Allgemeine Frage: Wie versteht man die Rede vom Nicht-Seienden? Beispielsatz Pegasus existiert nicht. 1

4. Erste Lösung (McX): Wer den Beispielsatz für wahr hält, legt sich darauf fest, dass Pegasus in bestimmter Art und Weise existiert. Denn ein Satz mit singulären Termen (hier Pegasus ) kann nur dann wahr sein, wenn die singulären Terme auf etwas Reales Bezug nehmen. Daher: Pegasus etc. gibt es in bestimmter Art und Weise. Name für die Position: Platons Bart. Quine: In welcher Weise existiert Pegasus? McX: Als Idee. Quine: Das ist eine Verwirrung; man muss allgemein unterscheiden zwischen X und der Idee von X. 5. Zweite Lösung (Wyman): Wie McX, aber Pegasus gibt es als nicht aktualisierte Möglichkeit. Quine: Diagnose: Wyman etc. verderben den Gebrauch von Existenz. Existenz und Sein ( es gibt ) werden unterschieden. Quines Reaktion: Verzicht auf Wort Existenz (NB: Verzicht wird hier im folgenden nicht durchgeführt). Anderes Problem: Möglichkeiten kann man nicht individuieren (keine klaren Kriterien für Gleichheit und Verschiedenheit; Bsp.: Ist dieser mögliche Mann in der Tür derselbe wie dieser mögliche Brillenträger in der Tür?). Weitergehender Vorschlag: Rede von Möglichkeit auf Sätze beschränken. Statt: mögliche Gegenstände: Möglichkeit, dass es sich so und so verhält. Weiteres Problem für Wyman: Wie versteht er den Satz: Die runde eckige Kuppel des Berkeley College ist rund Eine runde eckige Kuppel ist keine Möglichkeit (denn es ist unmöglich, dass Rundes eckig ist). Brauchen wir auch Unmöglichkeiten? Damit kann man Wyman in einen Widerspruch verwickeln. Ausweg für Wyman: Die runde eckige Kuppel ist bedeutungslos. Quine: Das ist nicht plausibel, da es dann kein Kriterium für die Entscheidbarkeit, ob eine Aussage bedeutungsvoll ist, geben könnte (Erge. aus der Mathematik. 6. Gegenmaßnahme von Quine gegen McX und Wyman. Anwendung von Russells Theorie der singulären Kennzeichnung (definite description). Russell: Mit Der derzeitige König von Frankreich existiert nicht meinen wir: Es gibt nichts, das derzeit König von Frankreich ist und eine Glatze hat. Formalisierung mit F(...)... ist derzeitiger König von Frankreich G(...)... hat eine Glatze erhalten wir x (F(x) G(x)) Diese Übersetzung/Formalisierung kommt ohne den Ausdruck der derzeitige König von Frankreich aus. Wir müssen also nicht annehmen, dass der Ausdruck einen Bezug in der Welt hat (z.b. auf eine unaktualisierte Möglichkeit), wenn er bedeutungsvoll und wahr sein soll. Russells Vorgehen funktioniert für komplexe Kennzeichnungen ( der derzeitige König von Frankreich ). Frage: Wie kann man sein Vorgehen auf Eigennamen verallgemeinern (hier keine Beschreibung, sondern nur Versuch der Bezeichnung durch 2

Eigennamen)? Quine: Kennzeichnung von Pegasus geben, etwa: das geflügelte Pferd, das von X gefangen wurde. Zur Not: Verb pegasieren einführen. Pegasus existiert nicht wird dann Es gibt nichts, das pegasiert. 7. Zwischenzusammenfassung: Wer sagt, es gebe Atome, der legt sich auf Atome fest, aber wer sagt, es gebe Pegasus nicht, der legt sich nicht darauf fest, es gebe Pegasus (in einer bestimmten Form). Die Rede vom einzelnen Nicht-Seienden kann sinnvoll und wahr sein, ohne dass man annehmen muss, Nicht-Seiendes sei. 8. Diagnose der Irrtümer bei McX und Wyman: Benennung und Bedeutung wurden identifiziert bzw. verwechselt. Beispiel, in dem Bedeutung und Benennung zu trennen sind: Morgenstern und Abendstern benennen dasselbe Objekt, nämlich die Venus. Allerdings haben Morgenstern und Abendstern unterschiedliche Bedeutungen. Sonst könnte man kaum fragen, ob Morgenstern und Abendstern identisch sind. Das Problem von McX, Wyman: Glauben, dass ein singulärer Ausdruck bezeichnen muss, um Bedeutung zu haben. McX: Der Satz Pegasus existiert nicht hat Bedeutung, und da Bedeutung Benennung voraussetzt, muss Pegasus etwas benennen, also muss es eine Art Pegasus geben. Die Bedeutung von einem Ausdruck ist grob eine Vorstellung im Geist, daher McX: Pegasus existiert als Idee. 3. Universalien Quine wendet sich nun Universalien zu. Er untersucht einige Argumente für die Existenz von Universalien und verwirft sie. Nach Quine legt uns ingesamt unsere Alltagssprache nicht notwendig auf Universalien fest. 1. Argument für Universalien-Realismus: attribute agreement : Rosen sind rot, und viele Dächer sind rot. Daher müssen Rosen und Dächer etwas gemeinsam haben, nämlich die Röte. Quine: gemeinsam haben ist nur missverständliche Wendung; von einem anderen Begriffssystem aus könnte die Existenz von gemeinsam gehabten Dingen seltsam erscheinen; dass Rosen und viele Dächer rot sind, kann man als primitiv, basal ansehen. 2. Wenn etwas Bedeutung haben soll, dann muss es etwas benennen; rot ist bedeutungsvoll, muss also eine Eigenschaft benennen. Quine: Wie bereits gezeigt, darf Bedeutung und Benennung nicht verwechselt werden. 3. McX: rot hat eine Bedeutung. Diese Bedeutung ist letztlich eine Universalie. Quine: Auf die Rede von Bedeutungen können wir verzichten, indem wir nur noch die Prädikate bedeutungsvoll und bedeutungsgleich verwenden. Beispiel: Der Ausdruck dasadfsa hat keine Bedeutung wäre zu übersetzen in: 3

Der Ausdruck dasadfsa ist nicht bedeutungsvoll. Bemerkung: Quine untersucht hier nicht die Frage, ob wir uns mit Sätzen wie Mein Cousin und ich teilen einige Charakterzüge auf Universalien festlegen. Nach einem naheliegenden Verständnis, in dem in dem Satz über Eigenschaften quantifiziert wird, muss auch Quine zugeben, dass uns der Satz auf Universalien festlegt. 4. Was gibt es dann überhaupt noch? Genauere Frage: Wodurch legen wir uns überhaupt noch auf die Annahme der Existenz eines Dinges fest? 1. Quines Antwort: Es gibt nur eine Art, wie wir uns auf die Annahme von etwas festlegen: Wir behaupten, dass es etwas (bestimmter Art) gibt. Gebrauch von gebundenen Variablen. Erläuterung: Den Satz Es gibt Einhörner formalisiert man in der Logik mit x F(x), was man in etwa paraphrasieren kann mit Es gibt etwas, das F ist (ein Einhorn). In der logischen Formalisierung ist x eine gebundene Variable. Sie ist hier durch den Existenzquantor gebunden. Quine erwähnt hier die zweite Art, wie eine Variable gebunden werden kann, nicht, nämlich durch den Allquantor. Beispiel: Alle Griechen sind Philosophen wird formalisiert durch x(f(x) G(x)). Sätze mit einem Allquantor spielen im folgenden bei Quine keine Rolle. Grund vermutlich: Die meisten alltagssprachlichen Sätze, die mit einem Allquantor formalisiert werden, haben die Form von universellen Konditionalsätzen: x (F(x) G(x)) Die Wahrheit solcher Sätze legt uns aber nicht auf die Existenz irgendwelcher Dinge fest. Denn der Satz kann wahr sein, wenn das durch F formalisierte Prädikat auf nichts zutrifft. 2. Quines Slogan: to be is to be the value of a variable 4

Zu sein heißt demgemäß Wert einer Variable zu sein. D ist Wert einer Variable, wenn man D der Variable zuordnet (Interpretationen sind Funktionen, die Individuenkonstanten Dinge zuordnen; indirekt werden damit auch Variablen Dingen zugeordnet, s.u.). Genauer meint der Slogan dies: Wir legen uns mit einem Satz, den wir als wahr behaupten, genau dann auf die Existenz eines Dings D fest, wenn der Satz über eine Variable x quantifiziert und wenn wir x D zuordnen müssen, um eine Interpretation zu erhalten, die den Satz wahr macht. Beispiel. Wir betrachten den Satz: Es gibt grüne Einhörner. Formalisierung mit ergibt: E(...)... ist Einhorn G(...)... ist grün x (E(x) G(x)) Jede Interpretation dieser Formel hat einen Bereich (von Dingen); die Interpretation ordnet jedem einstelligen Prädikat die Menge von Dingen aus dem Bereich zu, auf die das Prädikat zutrifft. In unserem Fall muss die Interpretation dem E die Menge von allen Einhörnern aus dem Bereich zuordnen. x (E(x) G(x)) ist nun dann wahr unter einer Interpretation, wenn man a ein Ding aus dem Bereich zuordnen kann, so dass E(a) G(a) wahr ist. Es muss also ein Ding geben, auf das... ist Einhorn und... ist grün zutrifft; es muss also ein grünes Einhorn geben. Wichtig ist, dass uns der Satz Pegasus existiert nicht nach dieser Methode nicht auf ein Ding festlegt, das Pegasus ist. Denn nach Quine kann der Satz mit Russell in einen Satz mit Existenzquantor übersetzt werden x F(x), und dieser Satz ist dann wahr bezüglich einer Interpretation, wenn diese Interpretation keinen Gegenstand in ihrem Bereich hat, auf den... pegasiert zutrifft. Dies ist aber so, weil es kein Ding gibt, das pegasiert. 3. Namen sind für ontologische Verpflichtungen irrelevant. 4. Anscheinend verpflichtet sich die Mathematik auf viele abstrakte Dinge. Zum Beispiel sagt man dort, dass es Primzahlen gibt. Damit legt man sich auf die Existenz von Primzahlen fest, es sei denn, Sätze, die Primzahlen behaupten, lassen sich in geeigneter Weise paraphrasieren. 5

5. Diskussion von Mathematik heute in der Philosophie der Mathematik. Deren Grundpositionen können in die drei Grundpositionen der Universalien-Debatte übersetzt werden. (a) Dem Universalien-Realismus entspricht in der Mathematik der Logizismus (Frege). Logizisten lassen nach Quine zu, dass unbeschränkt quantifiziert wird. 1 (b) Dem Konzeptualismus entspricht der Intuitionismus. Der Konzeptualismus ist eine Zwischenposition zwischen Universalien-Realismus und Nominalismus. Für den Konzeptualisten gibt es zwar Universalien, aber nur als Schöpfungen des menschlichen Geistes. Der Intuitionismus in der Mathematik fordert, dass alle mathematischen Größen konstruiert werden. (c) Dem Nominalismus entspricht der Formalismus. Letzterer (Hilbert) sieht die Mathematik nur als ein Spiel mit selbst-definierten Regeln (den Axiomen). 6. Quine: Die heutige Auseinandersetzung um Universalien und Zahlen findet auf einer semantischen Ebene statt. Begründung: (a) Auf diese Weise kann man Platons Bart vermeiden. (b) Auf der semantischen Ebene können sich die Opponenten besser verstehen. Es folgt jedoch nicht, dass die Frage nach dem, was existiert, eine semantische Frage ist. 7. Frage immer noch: Was gibt es wirklich? Bisher wurde immer nur untersucht, auf welche Ontologie (Gegenstände) uns bestimmte Aussagen festlegen. Quine: ontological commitment : Eine bestimmte Theorie legt uns auf eine Ontologie auf. ontological relativity : Die Frage, was es gibt, ist zunächst einmal relativ auf eine bestimmte Theorie zu beantworten: Was nimmt die Theorie an, d.h. worüber müssen die Variablen laufen, damit die Theorie wahr ist? D.h. auf welche Dinge müssen wir die Variablen beziehen, wenn die Theorie wahr sein soll? Die Frage, was es gibt, ist aber ohne Bezug auf eine Theorie formuliert! Für Quine reduziert sich diese Frage auf die Frage, welche Theorie, welches Begrifsssystem wir annehmen sollten. Natürlich sollte das richtig beschreiben, was wir erfahren. Aber es ist denkbar, dass es mehrere verschiedene Theorien gibt, die richtig beschreiben, was wir erfahren. 8. Quine: In diesem Fall sollten wir nach den positiven Eigenschaften von Theorien gehen; unter ihnen ist die Einfachheit eine. Einfachheit hat aber viele Facetten, führt nicht zu eindeutigen Resultaten. Beispiele: 1. Müssen wir mathematische (abstrakte) Objekte wie Zahlen (statt nur konkrete Einzeldinge) annehmen? 2. Müssen wir physikalische Objekte (statt nur Sinnesdaten) annehmen? (Physikalistische vs. phänomenalistische Theorie). Ad 2: Eine rein phänomalistische Theorie ist insofern einfacher, als wir sie keine physikalischen Objekte annimmt. In anderer Hinsicht (für Formulierung von allgemeinen Hypothesen) entsteht Vereinfachung, wenn wir zu einer physikalistischen Sprache übergehen (z.b. die Hypothese, dass alle Raben schwarz sind, ist phänomenalistisch allenfalls sehr kompliziert zu formulieren). 1 Quines Analogien sind mit einiger Vorsicht zu genießen; als Logizismus wird oft die Position bezeichnet, dass Mathematik auf die Logik zurückgeführt werden kann. 6

9. Quines Antwort auf die Frage nach der Theorienwahl: Toleranz und Experimentierfreude. Man sollte alle guten Begriffssysteme/Theorien weiterentwickeln, auch fragen, ob sie sich auf einander reduzieren lassen oder nicht. Pragmatismus: Für unterschiedliche Zwecke unterschiedliche Theorien/Begriffssysteme; wir sollten immer die Theorie wählen, die für unseren Zweck am besten ist. 10. Damit beantwortet Quine die Frage, was es gibt, nicht wirklich. Quines Sicht: Die Frage, was es gibt, ist nur relativ zu Theorien zu verstehen: ontological relativity. Kontroverse Diskussion: Ist es wirklich richtig, dass die Frage, was es gibt, nur theorienrelativ sinnvoll ist? Bemerkung: Quines relativistische Sicht der Ontologie beruht auf der Ansicht, dass es mehrere Theorien gibt (vielleicht auch nur: geben kann), die sich in ihrer spezifischen Ontologie stark von einander unterscheiden, aber alle empirisch adäquat sind (Unterbestimmtheit von Theorien). Wenn es allerdings für einen bestimmten Phänomenbereich eine eindeutig beste Theorie gibt, dann könnte man argumentieren, dass die Ontologie dieser Theorie die Theorie der Welt in diesem Phänomenbereich liefert. Es gibt auch die Auffassung, dass die Objekte aller empirisch adäquaten Theorien zu einem Phänomenbereich real sind, auch wenn diese Theorien sich in ihren Ontologien stark unterscheiden. Literatur Quine, W. V. O., On What There Is, Review of Metaphysics 2 (1948), 21 38, nachgedruckt in Quine, From a Logical Point of View. Harvard 1961, hier nach der Übersetzung in: Jánoska, G. und Kauz, F. (Hrsg.), Metaphysik, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1977, 138 159. 7