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Transkript:

2 Die geschichtliche Entwicklung des Arbeitsrechts (AR) 1. Die Ursprünge des AR Das römische Recht hat kaum Einfluß auf das moderne AR genommen. Größer war der Einfluß des germanischen sowie des mittelalterlichen Standesrechts. Das Recht zwischen Dienstherrn und Gesinde bzw. Bediensteten war geprägt vom regionalen Standesrecht: der Abhängige war in den Lebens- und Arbeitsbereich seines Herrn eingegliedert und ihm zur Treue verpflichtet. Dem gegenüber stand eine besondere Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die praktisch jedoch vom Wohlwollen des Dienstherrn abhängig und im Mittelalter meist nicht einklagbar war. Diese Grundgedanken der Fürsorgepflicht auf der einen Seite und der Treuepflicht auf der anderen Seite sind heute noch prägend für das deutsche Arbeitsrecht. 2. Die Entwicklung im 19. Jh. bis zum Beginn des 1. Weltkrieges Mit Beginn der Industrialisierung traten erhebliche soziale Spannungen auf, bedingt durch das hohe Maß an Abhängigkeit der Arbeitnehmer ggü. den Arbeitgebern. Es fehlte jegliche Form von Arbeitsschutz ("Manchesterkapitalismus"). 2.1 Die Herausbildung der Tarifparteien Nach dem Vorbild der englischen "trade unions" entstanden, gleich nach der staatlichen Aufhebung des Koalitionsverbotes zunächst 1861 in Sachsen, dann durch die Gewerbeordnung von 1869 (vgl. u. 2.2) für den Norddeutschen Staatenbund, Gewerkschaften. Die Gewerkschaften gaben auch bald ihre generell ablehnende Haltung gg. Tarifverträge auf (Arg. der streikeinschränkenden Wirkung). Als erster Tarifvertag gilt der Buchdruckertarif von 1873. Der Gesetzgeber nahm den Tarifvertrag als Instrument des Arbeitsrechts jedoch erst mit Beginn der Weimarer Republik offiziell zur Kenntnis.

2.2 Die ersten Arbeitsschutzgesetze Der Mangel an tauglichen Rekruten infolge der weitverbreiteten Kinderarbeit führte 1839 zum ersten Arbeitsschutzgesetz (Preußisches Regulativ für die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Bergwerken und Fabriken). 1869 folgte die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes, die erstmals auch erwachsenen An einen Arbeitsschutz -aus heutiger Sicht in bescheidenem Umfang- brachte. Diese Gewerbeordnung wurde mehrfach ergänzt und erweitert: 1878 Ergänzung um die sog. Fabrikinspektion (Ursprung der heutigen Gewerbeaufsicht); 1891 folgte eine erneute Novellierung durch das sog. ArbeitsschutzG; 1903 folgte das KinderschutzG und 1911 das HausarbeitsG. 2.3 Die Entwicklung der Sozialgesetzgebung Auf kaiserliches Dekret von 1881 wurden die sog. Bismarck`schen Sozialgesetze erlassen: 1881 KrankenversicherungsG; 1884 UnfallversicherungsG; 1889 G über die Alters- und Invaliditätssicherung; 1911 ReichsversicherungsO. 3. Die Entwicklung während der Weimarer Republik Während der Weimarer Republik wurden die Grundstrukturen des heutigen AR geschaffen. 3.1 Koalitionsfreiheit und staatl. Anerkennung von Tarifverträgen Die Weimarer Verfassung vom 11.08.1919 gab der Koalitionsfreiheit Verfassungscharakter (Art. 165 WV) und erkannte gleichzeitig das Recht der Tarifparteien zum Abschluß von Tarifverträgen an (Art. 165 WV).

Bereits 1918 war eine TarifvertragsO verabschiedet worden, die Tarifverträgen eine unmittelbare und zwingende Wirkung auf Individualarbeitsverträge zubilligte. 1920 folgte dann das BetriebsräteG, das die Einrichtung von Betriebsräten in Unternehmen vorschrieb und gleichzeitig Betriebsvereinbarungen für zulässig erklärte. 3.2 Die Fortschreibung des Arbeitsschutzes Der Arbeitsschutz wurde erweitert. Bestehende Gesetze wurden teilweise neu gefaßt, andere eingeführt. Im Wesentlichen sind zu nennen: ArbeitszeitVO von 1919 (Acht-Stunden Tag für Arbeiter); HausarbeitsG von 1923; SchwerbeschädigtenG von 1923; MuSchG von 1927. 3.2 Die Einführung der Arbeitslosenversicherung Die VO über die Erwerbslosenfürsorge von 1918 brachte einen ersten Schutz gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit. Sie wurde 1927 durch das ArbeitslosenversicherungsG und das Gesetz über die Arbeitslosenvermittlung abgelöst. 3.3 Die Schaffung einer Arbeitsgerichtsbarkeit 1926 trat das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) in Kraft. Damit wurde auch für das Arbeitsrecht ein dreigliedriger Instanzenzug geschaffen. 4. Die Phase des Nationalsozialismus 4.1 Die Abschaffung der Koalitionsfreiheit Durch das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20.01.1934 wurden erhebliche Bereiche des kollektiven AR außer Kraft gesetzt. An die Stelle der autonomen Tarifparteien trat die deutsche Arbeitsfront, an die Stelle der Betriebsräte traten sog. Vertrauensleute, welche die Unternehmensführung beraten sollten; Betriebsvereinbarungen wurden durch einseitig erlassene Betriebsanordnungen ersetzt.

4.2 Der Ausbau des Arbeitsschutzrechts Das Arbeitschutzrecht wurde erheblich erweitert. Besonders zu erwähnen sind: HeimarbeitsG von 1934; Arbeitszeitordnung von 1938; JugendarbeitsschutzG von 1938; MuSchG von 1942. 5. Von 1945 bis heute 5.1 Die Entwicklung in der Bundesrepublik Bereits die Besatzungsmächte stellten die kollektive Arbeitsrechtsordnung wieder her, indem sie die Gewerkschaften wieder zuließen. Auch die Ag-verbände bildeten sich wieder. Nach dem Inkrafttreten des TarifvertragsG in 1949 konnten wieder tarifäre Vereinbarungen geschlossen werden. Weitere wichtige arbeitsrechtliche Gesetze wurden erlassen: KündSchG von 1951; BetrVerfG von 1952, geändert 1972; ArbGG von 1953; Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) von 1974; MitbestG von 1976; Beschäftigungsförderungsgesetz (BSchFG) von 1985; Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) von 1986; Sprecherausschußgesetz (SprAuG) von 1988. 5.2 Die Entwicklung in der DDR Das Arbeitsrecht in der DDR folgte einem anderen Weg. Dabei wäre die Feststellung, es hätte kein Arbeitsrecht gegeben, falsch. Kaum nachvollziehbar bleibt jedoch das Fehlen von freien Gewerkschaften, frei gewählten Betriebsräten, die Unzulässigkeit von Streiks, der Mangel Artikulationsmöglichkeit am Arbeitsplatz und bei Gericht sowie das Fehlen einer funktionierenden Gewerbeaufsicht (Umweltschäden). Das staatlich unterstellte Fehlen von Interessengegensätzen zwischen Werktätigen und Führung ermöglichte die Schaffung eines Arbeitsgesetzbuches in 1977 (!),

das in lediglich 16 Kapiteln mit nur 289 Paragraphen die Grundzüge des Arbeitsrechts, des Arbeitsschutzrechts, des Arbeitsvertragsrechts, der Haftung bei Leistungsstörungen und des Arbeitsgerichtsverfahrens enthielt. Mit der Wiedervereinigung traten die Arbeitsgesetze der DDR schrittweise außer Kraft.