Ästhetische Urteile über weibliche Sprechstimmen

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Transkript:

Ästhetische Urteile über weibliche Sprechstimmen Prosodische e einer attraktiven und sympathischen Frauenstimme Fragestellung Welche suprasegmentalen e sind prototypisch für eine positive Sprechwirkung? Wann ist eine Frauenstimme für Männer definitiv attraktiv, bzw. sympathisch? Stimmliche Eigenschaften führen im Allgemeinen zu Bewertungen über die Persönlichkeit des Gesprächspartners in Kategorien. Man glaubt zu hören, ob ein Mensch gestresst klingt, ob er ein attraktives äußeres Erscheinungsbild hat, ob er unsicher oder selbstbewusst, alt oder jung ist und es können sich Sympathien entwickeln, die allein durch den Stimmklang entstehen. (Kranich.2002). 2 1

Fragestellung 2 Gibt übereinstimmende Reaktionen von Männern auf Höreindrücke von Frauen-stimmen? Gibt es weitere Einflüsse auf die Bewertungen? o stimmliche Gesundheit? o der Beruf der Sprecherin? o das Alter der Sprecherin? 3 Fragestellung 3 Welche e einer Stimme sind für die Untersuchung von Bedeutung? 4 2

Prosodie : Begriffsbestimmung Quantität Tempo, Pausen, Phrasenlänge... Intensität Lautstärke, Dynamik, Energie Intonation Sprechmelodie einer Äußerung Komplexe Phänomene Rhythmus, Akzente 5 Stimmklang Untersuchungsdesign : ausgewählte prosodische e 1 1. Grundfrequenzmerkmale Mean Pitch F0 Standarddeviation F0 Minimum. Maximum Pitch. Range Minimum Pitch Intonationskonturen Indikator Sprechstimmlage Modulation. Variation Umfang. Range Gespanntheit Intonation 6 3

Untersuchungsdesign : ausgewählte prosodische e 2 2. Spektrale e Harmonic-to-Noise-Ratio Indikator Behauchung LTAS Spektrum Tragfähigkeit/Klangfülle 2000-6000 Hz Leistungsindikator Sprecherformant 3. Pertubationsmaße Jitter Shimmer Indikator Rauheit 7 Untersuchungsdesign : Produktion Probandinnen 5 mit Diagnose funktionelle Stimmstörung 5 Berufssprecherinnen. Schauspielerinnen 23-67 Jahre alt Muttersprachlerinnen. kein Dialekt Aufgabe Märchen Rotkäppchen auf natürliche Weise wiedergeben keine Richtlinien für Geschwindigkeit. Artikulation. Intonation 8 4

Untersuchungsdesign : Perzeption 44 Hörer mit heterogener Altersstruktur 15- Sek.-Samples aus den Sprechproben werden akustisch präsentiert. Aufgabe Hörerurteile zu Attraktivität, bzw. Sympathiewirkung Auf Ratingskala von 1-5 Angaben zu weiteren Ausdrucksauffälligkeiten. Klang möglich Bewertungen nicht in Bezug auf den Inhalt 9 Randomisierte Präsentation Untersuchungsdesign : Ratingbogen Messverfahren der empirischen Sozialforschung Semantisches Differential (Osgood et al. 1957) 10 5

Untersuchungsergebnisse Gibt es Übereinstimmungen von Bewertung und akustischer Analyse der Stimmen? Gibt es Parameter, die der Zuhörer unterbewusst oder bewusst wahrnimmt? 11 Untersuchungsergebnisse : Grundfrequenz. F0 Prosodisches Fo Sprechausdruck Ergebnisse Relevanz für Attraktivität Sprechstimmlage kein isolierter Indifferenzton Faktor für Alter 6 von 10 Sprechstimmlagen zu tief (F/FIS) tiefe Fo 183-186 Hz Relevanz für Sympathie tiefe Fo 183-186 Hz Hörer bevorzugen tiefe Frauenstimmen. Die Tendenz des allmählichen Tieferwerdens der durchschnittlichen Stimmhöhen ist auch hier zu beobachten (vergl.slembeck.1995). Das Klischee, dass eine F0 für männliche Hörer attraktiv ist, kann nicht bestätigt werden (Zuta.2009). 12 6

Untersuchungsergebnisse : Grundfrequenz. Minimum Pitch Prosodisches Minimum Pitch Sprechausdruck Ergebnisse Relevanz für Attraktivität Fähigkeit, die Stimmspannung zu lösen 6 von 10 Min. Pitch sehr tief 69-81 Hz Phonationsart Lax Voice tiefe Creaky Voice niedrigen Min.- Pitch Relevanz für Sympathie niedrigen Min.- Pitch Bewertung für Creaky Voice Lax Voice niedrige n Min.- Pitch bei jungen Frauen (24-34) 13 Entspannte, leicht knarrende und an den Phrasenenden sinkende Stimmgebung, wirkt sympathisch. (vergl. Wittlinger&Sendlmeier.2005:102f/Zuta.2009) Grundfrequenz. Standarddeviation Prosodisches Sprechausdruck Ergebnisse Relevanz für Attraktivität Relevanz für Sympathie Standarddeviation Fo Variabilität der Stimme Modulation unabhängig von der Range, bzw. Umfang unabhängig vom Alter Standarddeviation bei jungen Frauen (24-34) unabhängig von der Standarddeviation Variation ist eine signifikantes für eine attraktive Sprechwirkung. (vergl.wittlinger & Sendlmeier. 2005) 14 7

Spektrale e Prosodisches LTAS Spektrum 2000-6000 Hz Sprechausdruck Ergebnisse Relevanz für Attraktivität spektrale Verteilung in n Frequenzbereichen Tragfähigkeit Leistungsfähigkeit Sprecherformant harmonischer Klang harmonische spektrale Verteilung bei jungen Frauen Relevanz für Sympathie harmonische spektrale Verteilung bei jungen Frauen Senken : Nasalität, Mattigkeit im Klang niedrige Senken über 2500 Hz 15 Eine gleichmäßige Verteilung spektraler Energie ist an einer positiven Sprechwirkung beteiligt (vergl.ritter.2005). Spektrale e: Beispiel Spektrum einer positiv und einer negativ bewerteten bewerteten Sprecherin bewerteten Sprecherin 16 8

Harmonic-to-Noise-Ratio Prosodisches Sprechausdruck Ergebnisse Relevanz für Attraktivität Relevanz für Sympathie Harmonic-to- Noise-Ratio Verhältnis von harmonischen (Klang) zu nichtharmonischen (Geräusch) Rauschanteile Hauch Stimmschluss heterogene Werte keine klaren Vergleichswerte (gesundes A bei 20dB) Messtechnik?! keine Auswirkung auf Bewertung keine Auswirkung auf Bewertung Es gibt in der Untersuchung keine eindeutigen Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Sympathie-, bzw. Attraktivitätswerten und Harmonic-to-Noise-Ratio. 17 Pertubationsmaße Jitter Mikrovariation der Grundfrequenz Tonhöhe Höchsten Jitter bei ältesten Sprecherinnen (39/67) alle Sprecherinnen nach PRAAT- Norm (>1,04 %) pathologisch (3,2-7,6%) Bewertung für n bis mittleren Jitter niedrige Bewertung, heterogene Werte keine Auswirkung auf Bewertung Messtechnik?! Shimmer prozentuale Abweichung der Amplitudenhöhe Dynamik Alle bis auf die alle Sprecherinnen, bis auf die älteste Sprecherin nach PRAAT- Norm (< 3,8 %) unauffällig Bewertung für n Shimmer niedrige Bewertung, heterogene Werte keine Auswirkung auf Bewertung Messtechnik?! Hoher Jitter- und Shimmer hat positiven Einfluss auf die Attraktivitätsbewertung. 18 Eine glatte Stimme - ohne jede hörbare Pertubation - klingt offensichtlich farblos, langweilig und künstlich (Wittlinger und Sendlmeier.2005). 9

Pertubationsmaße: Messtechnik 19 % 9 8 7,7 7 6 5 6,7 Shimmer 15 Sek. Shimmer Vokale 4 4,5 4,38 4,5 3,83 3 3,25 3 2,7 2,94 2,95 2,6 2 2,3 2,3 2 1,9 1,5 1,7 1,6 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Spr. Hz 8 Die Ergebnisse für Pertubationsmaße dieser und 7 6 anderer Untersuchungen können auf messtechnische 5 Ursachen zurückführen sein. 7,6 6,9 5,7 5 4,4 4,7 4 3,2 3,4 3,4 3,3 2,89 3 2,5 1,88 2 1,44 1,5 0,89 1,12 0,9 1,2 1,37 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Jitter 15 Sek. Jitter Vokale Spr. Einflussfaktoren Alter Alter Ältere Sprecherinnen (39/67) werden als sympathisch, jedoch als nicht als attraktiv bewertet. Das vermutete Alter der Sprecherin scheint größeren Einfluss auf die Attraktivitätsbewertungen haben, als alle hier untersuchten e. 20 10

Einflussfaktoren Beruf. stimmliche Gesundheit Beruf. Stimmpatientin keine signifikanten Unterschiede in den Ergebnissen beider Gruppen!!! Hinweis darauf, dass das Training für Leistungssprecher optimiert werden muss. Bestimmen pathologische e der Stimme den Leidensdruck eines Sprechers? 21 Positiv : alle untersuchten e sind über Stimmtraining optimierbar. Zusammenfassung Allgemein positive Sprechwirkung Tiefe Sprechstimmlage (F0. 69-81 Hz) deutlich abfallende Bögen, bis in die Lösungstiefe Entspannte Stimme (Lax Voice) Harmonische Klangwirkung (spektrale Verteilung > 2000 Hz),Tragfähigkeit Explizit sympathisch Anteile einer Knarrstimme (Creaky Voice) Explizit attraktiv Variation, Modulation, unabhängig vom Umfang der Stimmbewegung Rauhigkeitsanteile in der Stimme (Jitter, Shimmer) 22 kein Effekt in der Untersuchung Behauchung, Rauschanteile der Stimme (HNR) 11